Dokument-ID: 761123

WEKA (mpe) | News | 15.06.2015

Der unangekündigte Alkomattest am Arbeitsplatz

Wann berührt eine Kontrollmaßnahme der Mitarbeiter die Menschenwürde? Dürfen Arbeitnehmer undifferenzierten und unangekündigten Alkoholkontrollen unterzogen werden? Welche geschützten Rechtsgüter sind hier besonders relevant?

Sachverhalt

Die Beklagte betreibt ein Eisenbahnverkehrsunternehmen und erbringt Serviceleistungen im Bereich der Schienenfahrzeuglogistik. Für alle Mitarbeiter wurde ein generelles Alkoholverbot ausgesprochen. Trotz fehlender Betriebsvereinbarung wurde vom Arbeitgeber eine umfassende Alkoholkontrolle mittels eines Atemluft-Vortestgerätes unter den Mitarbeitern aus allen Bereichen durchgeführt. Für die Überprüfung lag kein äußerlicher Anschein einer Alkoholisierung vor. Es konnte bei keinem der Mitarbeiter Spuren von Alkohol festgestellt werden.

Der klagende Betriebsrat begehrt die Unterlassung der genannten Kontrollen, weil diese einen immanenten Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der kontrollierten Arbeitnehmer darstellen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung und argumentiert, dass nur mit unangekündigten Kontrollen die Einhaltung des Alkoholverbots im Dienst gewährleistet werden kann.

Sowohl das Erst- als auch das Rekursgericht gelangten in ihrer Interessenabwägung zum Urteil, dass die Maßnahme der Beklagten gerechtfertigt sei.

OGH für den Schutz der körperlichen Integrität und Privatsphäre

Berührt eine technische Kontrollmaßnahme die Menschenwürde, bedarf sie der Zustimmung des Betriebsrats (§ 96 Abs 1 Z 3 ArbVG). Mit der Anknüpfung an die Menschenwürde will der Gesetzgeber erreichen, dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers keinen übermäßigen Eingriffen ausgesetzt ist. Im Arbeitsverhältnis ist hier vor allem auch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers von Bedeutung, die die körperliche Integrität und Privatsphäre eines Arbeinehmers zum Schutzinhalt zählt.

Grundsätzlich wird die Menschenwürde von einer Kontrollmaßnahme im Arbeitsrecht dann berührt, wenn dadurch die vom Arbeitnehmer in den Betrieb miteingebrachte Privatsphäre kontrolliert wird.

Der OGH gesteht der Beklagten zu, dass die Einhaltung des Alkoholverbots ein legitimes Kontrollziel ist. Allerdings ist die gewählte Kontrollmethode zu hinterfragen. Alkoholkontrollen, die über die Beobachtungen hinausgehen und die den Grad der Alkoholisierung verlässlich messen, greifen zwangsläufig in die körperliche Integrität der kontrollierten Personen ein.

Die Frage, ob die Verwendung von Alkomattests die Menschenwürde nur berührt oder bereits verletzt, kann im konkreten Fall jedoch dahin gestellt bleiben, weil die Beklagte in keinem Fall ohne Zustimmung des Betriebsrats zur Durchführung von Alkoholkontrollen berechtigt wäre.

Im Ergebnis qualifiziert der Oberste Gerichtshof in seiner Interessenabwägung die Wahrung der körperlichen Integrität und Privatsphäre der Arbeitnehmer als schützenswerter im Verhältnis zum Interesse des Arbeitgebers auf undifferenzierte und unangekündigte Kontrollen des Alkoholverbots. Dies gilt insbesondere für Kontrollen durch einen Alkomat, wenn diese Kontrollen ohne Einverständnis der Mitarbeiter und ohne konkrete Verdachtslage durchgeführt wird.

OGH vom 20.03.2015 9 ObA 23/15w