Dokument-ID: 754163

WEKA (mpe) | News | 13.04.2015

Kein Urlaubsvorgriff ohne ausdrückliche bzw schlüssige Vereinbarung

Der OGH hatte über einen (vermeintlichen) Urlaubsvorgriff zu urteilen. Wie und unter welchen Voraussetzungen kommt ein gültiger Urlaubsvorgriff zustande? Wie wirkt sich ein Vorgriff bei Beendigung des Dienstverhältnisses aus?

Sachverhalt

Die Klägerin war beim Beklagten von 08.03.2010 bis 31.08.2012 als Patentanwaltsanwärterin beschäftigt. Im dritten (begonnenen) Arbeitsjahr verbrauchte die Klägerin keinen Urlaub, nahm allerdings noch sechs Urlaubstage aus dem Vorjahr mit. Der Beklagte rechnete die Urlaubstage nach dem Kalenderjahr ab. Beiden Parteien war während aufrechtem Dienstverhältnis nicht bekannt, dass das Urlaubsgesetz als Urlaubsjahr grundsätzlich das Arbeitsjahr vorsieht. Mit einer Vereinbarung über insgesamt 12 Urlaubstage im Zeitraum 02.01.2012 bis 02.03.2012 führten die Parteien somit unwissentlich einen Urlaubsvorgriff durch.

Während ihres Krankenstands vom 05.04.2012 bis 16.07.2012 wurde die Klägerin vom Beklagten gekündigt und bis zum Ende der Kündigungsfrist (31.08.2012) dienstfrei gestellt.

Die Klägerin begehrte nun vom Beklagten ausstehende Urlaubsersatzleistung und restliche Sonderzahlungen für das Jahr 2012.

Urlaubsersatzleistung

Der Urlaubsvorgriff ermöglicht es dem Arbeitnehmer, einen Teil des ihm erst im folgenden Jahr zustehenden Urlaubs bereits vorweg zu verbrauchen. Das Urlaubsgesetz sieht zwar die Möglichkeit der Übertragung eines nicht verbrauchten Urlaubsanspruchs auf das nächste Urlaubsjahr vor, nicht aber den einseitigen „Übertrag“ von zu viel verbrauchten Urlaubstagen. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Urlaubsvorgriff zulässig, verlangt aber eine Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien (9 ObA 235/00z). Der Urlaubsverbrauch wird erst durch die besondere Vereinbarung der Parteien zum Urlaubsvorgriff.

Der OGH erkennt im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für eine ausdrückliche bzw schlüssige Vereinbarung eines Urlaubsvorgriffs. Im Ergebnis hat der Beklagte der Klägerin im Urlaubsjahr 2011 einen über den Mindestanspruch des § 2 Abs 1 UrlG hinausgehenden zusätzlichen Urlaub ohne Vorgriff auf das nächste Urlaubsjahr gewährt. Für den zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht verbrauchten Urlaub von 12 Arbeitstagen steht der Klägerin daher eine Urlaubsersatzleistung gemäß § 10 Abs 1 UrlG zu.

Sonderzahlung

Nach herrschender Rechtsprechung sind für Zeiten, für die keine Pflicht zur Entgeltzahlung besteht, keine Sonderzahlungen seitens des Arbeitgebers zu leisten (RS0030306). Ist der Entgeltfortzahlungsanspruch im Fall von Krankheit erschöpft, entsteht ab diesem Zeitpunkt auch kein Anspruch auf Sonderzahlungen mehr. Kollektiv- und einzelvertraglich kann Gegenteiliges normiert bzw vereinbart werden (RS0030306).

Im gegenständlichen Fall haben die Parteien keine Vereinbarung über die Gewährung von Sonderzahlungen auch während des entgeltfreien Krankenstands abgeschlossen. Ein Kollektivvertrag ist nicht anwendbar.

Besteht somit ein Entgeltfortzahlungsanspruch in voller Höhe, hat der Arbeitnehmer auch Anspruch auf die Sonderzahlungen in voller Höhe. Der OGH beurteilt es daher als sachgerecht, wenn der Arbeitnehmer in dem Entgeltfortzahlungszeitraum, in dem er nur mehr Anspruch auf das halbe Entgelt hat, auch nur die halbe Sonderzahlung erhält (Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht 147 f).

OGH, 29.01.2015, 9 ObA 135/14i