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WEKA (bli) | News | 14.06.2016

Kopftuchverbot am Arbeitsplatz?

Darf ein Unternehmen einer muslimischen Mitarbeiterin verbieten am Arbeitsplatz ein Kopftuch zu tragen oder liegt hier eine Diskriminierung vor? Ein aktuelles EuGH-Urteil erhitzt derzeit die Gemüter.

Sachverhalt

Im betreffenden Fall war eine Muslimin bei einem Unternehmen als Rezeptionistin in Belgien tätig. In der Betriebsordnung des Unternehmens wird den MitarbeiterInnen verboten im Dienst sichtbare religiöse, politische oder philosophische Symbole zu tragen. Über drei Jahre lang hielt sich die Arbeitnehmerin an diese Anordnung und trug am Arbeitsplatz kein Kopftuch. Plötzlich teilte sie ihrem Arbeitgeber jedoch mit, dass sie aus religiösen Gründen nun doch ein Kopftuch am Arbeitsplatz tragen werde. Aufgrund dessen wurde das Arbeitsverhältnis beendet. Daraufhin klagte die muslimische Arbeitnehmerin auf Schadenersatz wegen Verstoßes gegen das belgische Antidiskriminierungsgesetz, welches zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78 ergangen war.

Verstößt die Kündigung gegen das Antidiskriminierungsverbot?

Die Generalanwältin vertritt im Schlussantrag zum Streitfall (C-157/15) die Meinung, dass wenn ein Unternehmen ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz festlegt unter bestimmten Voraussetzungen keine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion und somit auch kein Verstoß gegen Artikel 2 Abs 2 Buchst. a Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG vorliegt. Wichtig ist dabei jedoch, dass es sich um eine allgemeine Betriebsregelung zur Untersagung sichtbarer, politischer, philosophischer und religiöser Zeichen am Arbeitsplatz handelt, also zB auch das Aufhängen eines Kreuzes verboten ist und nicht nur explizit das Tragen eines Kopftuchs.

Die Generalanwältin räumt jedoch ein, dass das besagte Verbot durchaus eine mittelbare Diskriminierung wegen der Religion gemäß Art 2 Abs 2 Buchst. b der Richtlinie darstellen kann.

Unmittelbare/Mittelbare religiöse Diskriminierung

Eine unmittelbare religiöse Diskriminierung im Sinne der Richtlinie 2000/78 liegt dann vor, wenn eine Person wegen der Religion in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde (Art 2 Abs 2 Buchst. a in Verbindung mit Art 1).

Eine mittelbare religiöse Diskriminierung ist anzunehmen, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen einer bestimmten Religion gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können (Art 2 Abs 2 Buchst. b).

Kriterien zur Bewertung

Die Generalanwältin führt im Schlussantrag auch aus, dass es in manchen Fällen auch durchaus gerechtfertigt sein kann, wenn ein Unternehmen die Sichtbarmachung von Religionen oder Weltanschauungen einschränkt, sofern von Unternehmen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt wird.

Hierfür sind folgende Kriterien von Bedeutung:

  • Größe und Auffälligkeit des religiösen Zeichens
  • Art der Tätigkeit des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin und Kontext, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird: ZB hat die Person Kundenkontakt oder nicht?
  • Nationale Identität des jeweiligen Mitgliedstaats

Fazit

Wenn nicht explizit ein Kopftuchverbot im Unternehmen ausgesprochen wurde, sondern nur ein allgemeines Verbot zur Untersagung sichtbarer, politischer, philosophischer und religiöser Zeichen am Arbeitsplatz, liegt laut dem Schlussantrag zu diesem Fall nicht zwingend ein Verstoß gegen die Antidiskriminierungsrichtlinie vor.

Es bleibt noch abzuwarten, ob der Gerichtshof dem Schlussantrag der Generalanwältin folgt oder anders entscheidet.

Fakt ist, dass weiterhin – auch in Österreich – im Einzelfall zu überprüfen sein wird, wann ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vorliegt und wann nicht.

Quelle

Schlussanträge der Generalanwältin Rechtssache C‑157/15