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Stefan Schermaier - Dorian Schmelz | News | 16.01.2010

Schermaier / Schmelz: Haftung bei Verkauf durch Nicht-Österreicher

Beim Verkauf von Geschäftsanteilen an einer österreichischen GmbH durch einen Nicht-Österreicher ist einiges zu beachten. Es stellt sich unter anderem die Frage, ob die Haftungsbestimmung des § 1409 ABGB ihre Anwendung findet.

1. Problemstellung

Im Laufe der letzten Jahre war aufgrund der gestiegenen Attraktivität Österreichs als Wirtschafts-standort festzustellen, dass sich zahlreiche nicht-österreichische – häufig osteuropäische – Investoren österreichischer (Holding-)Gesellschaften bedienen, deren operative Tätigkeiten sich auf dritte Staaten beschränkt. Im Fall der späteren Abtretung des von einem fremden Gesellschafter an einer derartigen österreichischen GmbH gehaltenen Geschäftsanteils an einen anderen nicht-österreichischen Gesellschafter stellt sich die Frage, ob die Haftungsbestimmung des § 1409 ABGB Anwendung findet.

Diese Bestimmung statuiert für den Fall des rechtsgeschäftlichen Erwerbs eines Unternehmens oder Vermögens unter Lebenden die – unbeschadet der Haftung des Veräußerers zwingend bestehende – unmittelbare Haftung des Erwerbers, und zwar pro viribus für die zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die der Erwerber bei der Übergabe kannte oder kennen musste. Der Erwerber wird nur insoweit von der Haftung befreit, als er an Schulden schon so viel berichtigt hat, wie der Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens beträgt (Erschöpfungseinrede). Zweck dieses praktisch bedeutsamen gesetzlichen Schuldbeitritts ist es, zu verhindern, dass Gläubigern durch die Übertragung des (im Wesentlichen gesamten) Vermögens des Schuldners auf Basis eines schuldrechtlichen Vertrags ihre bisherige Haftungsgrundlage entzogen wird (OGH 30.1.1979, RS0034895).

Zu bedenken steht, dass die Erwerberhaftung des § 1409 ABGB ein österreichisches Spezifikum ist, das sich in ähnlicher Form einst in Deutschland in dem 1999 aufgehobenen § 419 BGB fand, den meisten Rechtsordnungen aber fremd ist. Seine Anwendbarkeit bei Anteilsveräußerung durch einen Nicht-Österreicher scheint daher einer näheren Betrachtung würdig, wobei vom – in der Praxis häufigen – Beispiel ausgegangen wird, dass transaktionsgegenständlich die Anteile an einer Holdinggesellschaft in der Rechtsform einer GmbH sind, deren Tätigkeit sich im Manage-ment ausländischer operativer Tochtergesellschaften erschöpft; in einem ersten Teil soll das Schwergewicht auf die europarechtlichen Grundlagen gelegt werden, während eine Analyse der sich aus dem österreichischen IPRG (BGBl Nr 304/1978 idgF) ergebenden Folgen in einem gesonderten Aufsatz erfolgen wird.

2. Anwendbarkeit von § 1409 ABGB auf Share-Deals?

Zentrale tatbestandsmäßige Voraussetzung einer Anwendbarkeit von § 1409 ABGB ist die Übertragung (a) eines Unternehmens oder (b) von Vermögen, worunter sämtliche der Befriedigung von Gläubigern dienende und in Geld schätzbare Güter zu verstehen sind, wobei die Rechtsprechung nur eine Übertragung des im Wesentlichen gesamten Vermögens des Veräußerers und nicht bloß einzelner Gegenstände als tatbestandsmäßig erachtet (OGH 30.1.1979, SZ 52/12).

Vor diesem Hintergrund bezieht sich der Haftungstatbestand des § 1409 ABGB prima vista auf Asset-Deals. Die Judikatur zur Anwendbarkeit der gegenständlichen Norm im Fall der Veräußerung einer Unternehmensbeteiligung im Rahmen eines Share-Deals (etwa durch Abtretung von Anteilen an einer GmbH) beschränkt sich – soweit ersichtlich – darauf, einen Share-Deal grundsätzlich nicht als Übertragung eines Unternehmens anzusehen, weil sich diesfalls nur der Gesellschafter des Rechtsträgers des Unternehmens ändert und nicht dieses selbst übertragen wird (OGH 13.6.1978, SZ 51/88).

Dennoch kann § 1409 ABGB im Einzelfall auch beim Share-Deal maßgeblich sein: Zum Einen wird bei Abtretung eines GmbH-Anteils Vermögen übertragen, wodurch eine Erwerberhaftung begründet wird, sofern die übertragene Beteiligung im Wesentlichen das gesamte Vermögen des Veräußerers darstellt und nichts Erhebliches beim Veräußerer zurückbleibt; diese „Erheblichkeitsschwelle“ bleibt gesetzlich undefiniert, wobei im Regelfall die Annahme einer Grenze von etwa 10 % bis 15 % des Gesamtvermögens, das zurückbleibt, als überzeugend erscheint (Aigner in ecolex 2007, 16). Zum Anderen ist es überlegenswert, bei einem Erwerb sämtlicher Geschäftsanteile am Rechtsträger GmbH einen mittelbaren Unternehmenserwerb anzunehmen, der ebenso zu einer Anwendung von § 1409 ABGB auf den Erwerber der GmbH-Anteile führt (Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht, 553).

3. Kollisionsrechtliche Behandlung von § 1409 ABGB

In einem ersten Schritt ist zu untersuchen, ob die Haftung des Erwerbers bei Veräußerung eines GmbH-Geschäftsanteils durch einen Nicht-Österreicher auf Basis der Rom II-VO (VO EG Nr 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates) zu beurteilen ist. Diese ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen anwendbar, die eine (im Anlassfall unfraglich bestehende) Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen. Hiervon ausgenommen werden einzelne außervertragliche Schuldverhältnisse wie solche, die sich aus dem Gesellschaftsrecht, dem Vereinsrecht und dem Recht der juristischen Personen ergeben (Art 1 Abs 2 lit d); dieser Ausnahmetatbestand soll jedoch unseres Erachtens andere Sachverhalte als den gegenständlichen erfassen, wie sich aus der demonstrativen Aufzählung in Art 1 Abs 2 lit d erhellt.

Anknüpfungspunkt für das zentrale außervertragliche Schuldverhältnis, das als autonomer Begriff zu verstehen ist (Vgl Punkt 11. der Erwägungsgründe der Rom II VO), ist das Vorliegen eines Schadens, der kraft Legaldefinition die Folgen einer unerlaubten Handlung, einer ungerechtfertigten Bereicherung, einer Geschäftsführung ohne Auftrag sowie eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen erfasst (Art 2; vgl auch Art 5-9 Rom II-VO). Da § 1409 ABGB zu kei-nem Schaden in diesem Sinne führt, sondern bloß einen gesetzlichen Schuldbeitritt normiert, der insbesondere aber keine Folge einer per se unerlaubten Handlung ist, erscheint die Anwendbarkeit der Rom II-VO zur Beurteilung einer potenziellen Haftung gemäß § 1409 ABGB als zweifelhaft; diesfalls käme das IPRG zu Anwendung (siehe hierzu die Ausführungen der Autoren in einem der folgenden Gastbeiträge).

Sieht man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – dennoch einen Unternehmens- bzw Ver-mögenserwerb gemäß § 1409 ABGB als gleichwertig zu einem Schaden im Sinne der Rom II-VO an und bejaht daher deren Anwendbarkeit, normierte diese mangels getroffener Rechtswahl (Art 14 Rom II-VO) die Maßgeblichkeit des Rechts jenes Staates, in dem der Schaden eintritt (Art 4 Rom II-VO). Nimmt man bei einer Anteilsabtretung den Schadenseintritt im Sinne von Art 2 Rom II-VO mit Übertragung des mit Schulden behafteten Vermögens (GmbH-Anteils) an (Verfügungsgeschäft), so wäre von einem Schadenseintritt in Österreich und einer Maßgeblichkeit dessen Rechts auszugehen. Anderes gälte hingegen, wenn die geschädigte Person (Gläubiger des Anteilsveräußerers) sowie jene, deren Haftung geltend gemacht wird (Anteilserwerber), zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben oder aber sich aus der Gesamtheit der Umstände eine offensichtlich engere Verbindung zum Recht eines anderen Staates als jenem des Erfolgsorts ergibt. Es zeigt sich daher, dass bei einer Anteilsabtretung durch einen Nicht-Österreicher ausgehend von der Regelung der Rom II-VO nicht zwingend österreichisches Recht und daher § 1409 ABGB zur Anwendung gelangt, selbst wenn Transaktionsgegenstand der Geschäftsanteil an einer österreichischen GmbH ist.

Über die Autoren

Dr. Stefan Schermaier ist Rechtsanwalt und Partner, Mag. Dorian Schmelz Rechtsanwaltsanwär-ter bei LANSKY, GANZGER + partner Rechtsanwälte GmbH (http://www.lansky.at), einer der führenden österreichischen Rechtsanwaltskanzleien mit starkem regionalem Fokus auf CIS- und SEE-Staaten. Schwerpunkttätigkeiten der Autoren sind Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, M & A, Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht sowie Vertragsrecht.

(16.01.2010)