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Philipp Ortbauer | News | 20.10.2015

Die Auslaufannuität im WGG

Gastautor Mag. Ortbauer beschäftigt sich in diesem Beitrag mit der derzeit in den Medien diskutierten Frage, ob es gemeinnützigen Bauvereinigungen tatsächlich gesetzlich untersagt ist Rücklagen zu bilden und sie nur kostendeckend vermieten dürfen.

Die zuletzt in diversen Zeitungsartikeln (Tassilo Wallentin, Das Geschäft mit den Genossenschaftswohnungen, Kronen Zeitung sowie Anna Thalhammer, Das Geschäft der Genossenschaften, Die Presse) unreflektiert kritisierte „Auslaufannuität“ des §§ 14 Abs 7 und 7a WGG verdient eine nähere Beleuchtung aus rechtlicher Sicht. In dem Zusammenhang ist auch die Frage zu klären, ob gemeinnützige Bauvereinigungen nach den Bestimmungen des WGG tatsächlich nur kostendeckend vermieten dürfen.

1. Das Kostendeckungsprinzip und dessen Ausnahmen im Allgemeinen

Zunächst trifft es zu, dass die §§ 13, 14 WGG grundsätzlich die Mietzinsbildung nach dem Kostendeckungsprinzip anordnen. Dies wird in allgemeiner Form durch § 13 Abs 1 WGG bestimmt, wonach das Entgelt der vermieteten Objekte nicht höher, aber auch nicht niedriger angesetzt werden darf, als es zur Deckung der Aufwendungen für die Bewirtschaftung der Baulichkeit erforderlich ist.

Schon § 13 Abs 1 WGG letzter Halbsatz schreibt den gemeinnützigen Bauvereinigungen allerdings im Sinne einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung die Bildung von Rücklagen vor.

Die landläufig weit verbreitete Meinung, gemeinnützigen Bauvereinigungen wäre es gesetzlich untersagt, solche Rücklagen zu bilden, stellt sich daher schon nach kurzer Betrachtung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen als falsch heraus.

Demzufolge finden sich in den zivilrechtlichen Bestimmungen des WGG eine Reihe von Ausnahmen vom Kostendeckungsprinzip (zB § 13 Abs 4-6 WGG uvm). Mit der Rücklagenbildung der gemeinnützigen Bauvereinigungen im Zusammenhang steht die Programmnorm des § 1 Abs 2 WGG, die das erwirtschaftete Vermögen der Bauvereinigungen an die Erfüllung der Aufgaben im Wohnungs- und Siedlungswesen bindet. Das in dieser und den folgenden Bestimmungen des WGG näher konkretisierte Vermögensbindungsprinzip legt also fest, dass die gemeinnützigen Bauvereinigungen die ihr zur Verfügung stehenden Mitteln alleine für die Aufgaben des Wohnungs- und Siedlungswesen verwenden müssen (siehe dazu näher Holoubek/Hanslik in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht Kurzkommentar², § 1 WGG Rz 2).

2. Die „Auslaufannuität“ des §§ 14 Abs 7 und 7a WGG im Besonderen

Zum Begriff der „Auslaufannuität“ ist zunächst festzuhalten, dass dieser im Gesetz selbst nicht erwähnt wird, sondern sich erst in der Praxis als Bezeichnung für die durch §§ 14 Abs 7 und 7a WGG geregelte Entgeltbildung durchgesetzt hat. Ohne Zweifel stellt dabei § 14 Abs 7a WGG eine weitere Ausnahme vom Kostendeckungsprinzip dar.

Die genannten Bestimmungen sehen grundsätzlich vor, dass Vorschreibungsbeträge, die nicht mehr zur Tilgung von Fremdmitteln einschließlich von Darlehen aus öffentlichen Mitteln (in weiterer Folge kurz „Fremdmittel“), die ursprünglich zur Deckung der Errichtungskosten der Baulichkeit aufgenommen wurden, verwendet werden, unverändert als Entgelt vorgeschrieben werden dürfen.

Im Detail ist allerdings zu beachten, dass die in unveränderter Höhe vorgeschriebenen Beträge zunächst zur verstärkten Tilgung noch (anderer) aushaftender Fremdmittel herangezogen werden müssen, diese Beträge also solange zur Deckung der Errichtungskosten herangezogen werden müssen, bis sämtliche Fremdmittel gänzlich getilgt wurden.

Ab diesem Zeitpunkt der vollständigen Tilgung besteht zum einen eine fünfjährige Verpflichtung die Auslaufannuität zur Gänze den zweckgebundenen Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen der konkreten Liegenschaft zuzuführen (§ 14 Abs 7 Z 3 WGG), zum zweiten wird die vorzuschreibende Auslaufannuität, unter Einbeziehung der Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge, nach § 14 Abs 7a WGG betragsmäßig durch den um 30 % verminderten burgenländischen Richtwert (dzt EUR 3,44/m²) beschränkt. Dies bedeutet, dass unter Abzug der gemäß § 14d Abs 2 Z 1 WGG höchstzulässigen Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge von derzeit EUR 1,71/m² eine „reine“ Auslaufannuität iHv EUR 1,73/m² verbleibt, die, nach Ablauf der fünfjährigen Bindung an die Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge, in die Rücklage der gemeinnützigen Bauvereinigung geht. Diese, durch die WRN 1999 eingeführte Bestimmung, führte zu einer wesentlichen Kürzung der „Auslaufannuität“. Nur zum Vergleich sei hier etwa erwähnt, dass private Wohnbauträger nach Auslaufen der Förderungsdauer einen weitaus höheren Mietzins (angemessener Mietzins nach § 16 Abs 1 Z 2 MRG) vereinbaren können.

a. Anrechnung des Finanzierungsbeitrages (§ 17 WGG) auf die Auslaufannuität

In der (Entgeltvorschreibungs-)Praxis der gemeinnützigen Bauvereinigungen oft übersehen wird allerdings die Tatsache, dass der bei Anmietung vom Mieter zur Deckung der Herstellungskosten geleistete Finanzierungsbeitrag (§ 17 WGG) bei der Entgeltbildung insgesamt – und somit auch bei der Auslaufannuität nach § 14 Abs 7a WGG – mindernd zu berücksichtigen ist. Schließlich hat der OGH bereits mehrfach zutreffend erkannt, dass es sich bei diesem Finanzierungsbeitrag um eine echte Mietzinsvorauszahlung handelt und er daher bei der Entgeltbildung aliquot angerechnet werden muss (siehe etwa 5 Ob 128/98d).

Durch die gemäß § 17 Abs 4 WGG festgelegte Abschreibung des Finanzierungsbeitrages von 1 % jährlich, ergibt sich eine Vorauszahlung auf 100 Jahre. Nachdem die Refinanzierung der Herstellungskosten der Baulichkeit regelmäßig unter dieser Dauer bleibt, muss der Finanzierungsbeitrag nach Tilgung sämtlicher Fremdmittel aliquot auch bei der Auslaufannuität angerechnet werden. Leistet daher der Mieter bei Anmietung einen solchen Einmalbetrag, so verbleibt für die monatliche Vorschreibung nach § 14 Abs 7a WGG nur ein Betrag unter dem obig angeführten, um 30 % verminderten, burgenländischen Richtwert.

b. Auswirkungen der WRN 2009 und des „Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetzes auf § 14 Abs 7a WGG“

Durch das „Mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz“ im Jahr 2008 und die Wohnrechtsnovelle 2009 wurde § 5 RichtWG entscheidend verändert. Einerseits wurde für die Wertsicherung der Richtwerte der Vergleich der Dezemberindexwerte des VPI 1986 durch einen Vergleich der Jahresdurchschnittswerte des VPI 2000 ersetzt, andererseits wurde die vormals vorgesehene, jährliche Anpassung der Richtwerte durch einen Zweijahresrhythmus ersetzt. Durch diese Maßnahmen wurde die Wertentwicklung des Richtwerts entscheidend abgeschwächt.

Vom Gesetzgeber wurde aber offensichtlich vergessen, die am burgenländischen Richtwert orientierte Bestimmung des § 14 Abs 7a WGG anzupassen. Der Verweis des § 14 Abs 7a WGG auf „§ 5 RichtWG in der Fassung des BGBl Nr 800/1993“ spricht zudem für einen statischen Verweis, sodass es umso mehr fraglich erscheint, ob die gesetzgeberischen Maßnahmen auch den WGG-Mietern zugutekommen. Letztlich verbietet aber mE eine verfassungskonforme Interpretation die Schlechterstellung der WGG-Mieter in diesem Bereich. Unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes wäre die Ungleichbehandlung von Privatmietern und WGG-Mietern sachlich nicht zu rechtfertigen. Insbesondere kann dem Gesetzgeber, der im WGG ansonsten weitgehend restriktivere Mietzinsbeschränkungen als im MRG vorsieht, nicht unterstellt werden, dass er die WGG-Mieter in diesem Bereich schlechter stellen wollte. Die durch das „Mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz“ und die WRN 2009 bewirkten Änderungen des § 5 RichtWG sollten daher auch bei der Berechnung des Betrages nach § 14 Abs 7a WGG Berücksichtigung finden.

3. Resumée

Die Auslaufannuität nach § 14 Abs 7a WGG ist nach Refinanzierung der Herstellungskosten nur eine von vielen im WGG vorgesehenen Ausnahmen vom Kostendeckungsprinzip. Um den gemeinnützigen Bauvereinigungen zu ermöglichen, entsprechende Finanzierungen für Neubauten und Sanierungen zustande zu bringen, wird es aber auch in Zukunft notwendig sein, eine beschränkte Form der Rücklagenbildung zu ermöglichen. Im Zuge einer kommenden Novelle sollte allerdings klargestellt werden, dass sich die bisherigen Novellierungen des § 5 RichtWG auch im Bereich der Auslaufannuität auswirken.

Autor

Mag. Philipp Ortbauer ist Jurist der Mietervereinigung Österreichs mit langjähriger Beratungserfahrung in sämtlichen Bereichen des österreichischen Wohnrechts und Vertretungstätigkeit in allen Angelegenheiten des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens.