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Maximilian Zirm - Milka Milicic - Julia Gaggl | News | 23.03.2020

Arbeitsrechtliche Informationspflichten bei Erkrankung eines Arbeitnehmers an COVID-19 & datenschutzrechtliche Aspekte

Muss der Arbeitgeber bereits einen Verdachtsfall melden oder erst bei einer bestätigen Infektion? Was gilt es in Bezug auf den Datenschutz zu beachten? Antworten darauf liefert der Gastbeitrag von RA Dr. Zirm und seinem Team.

In Zeiten der COVID-19-Krise stehen viele Arbeitgeber vor großen Herausforderungen. Aufgrund dieser Ausnahmesituation ergeben sich zahlreiche arbeitsrechtliche Fragestellungen, unter anderem auch im Zusammenhang mit dem Umfang der Arbeitgeberpflichten im Falle einer Arbeitnehmererkrankung an COVID-19. Welche Informationspflichten treffen den Arbeitgeber bei einer COVID-19-Infektion eines Arbeitnehmers? Wie hat die Kommunikation zu erfolgen? Setzt das Datenschutzrecht der arbeitsrechtlichen Informationspflicht bestimmte Schranken? Wir setzen uns mit diesen Fragen im Detail auseinander.

Arbeitsrechtliche Informationspflichten der Arbeitgeber

Das österreichische Arbeitsrecht (insb das Arbeitnehmerschutzgesetz) sieht zahlreiche Fürsorgepflichten der Arbeitgeber bzw Vorschriften zum Arbeitnehmerschutz vor. Demnach haben Arbeitgeber insbesondere erforderliche Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und Leben ihrer Arbeitnehmer zu setzen. Aufgrund der COVID-19-Krise ergeben sich derzeit einige situationsspezifische – verschärfte – Fürsorgepflichten. Darunter fällt auch die Informationspflicht der Arbeitgeber im Falle einer COVID-19-Infektion eines Arbeitnehmers.

Aufgrund der Fürsorgepflicht muss der Arbeitgeber bereits bei einem Verdachtsfall in seiner Belegschaft (aufgrund akuter Symptome oder Kontakt mit einer erkrankten Person) die Gesundheitsbehörden informieren. Teilweise sieht auch das Epidemiegesetz 1950 diese Meldepflicht (für Inhaber von Gastgewerben) bzw die Pflicht der Arbeitgeber zur Auskunftserteilung vor. Aus der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht ist ferner abzuleiten, dass bereits bei einem Verdachtsfall erhöhte Schutzpflichten gegenüber den Arbeitnehmern, unter anderem auch die Aufklärungspflicht über konkrete Infektionsrisiken, einzuhalten sind. Der konkrete Umfang dieser Aufklärungspflicht (zB Nennung des Namens des betroffenen Arbeitnehmers) ist vom Arbeitgeber im Einzelfall zu beurteilen. Eine umfassende Informationspflicht besteht uE jedenfalls dann, wenn die COVID-19-Infektion eines Arbeitnehmers bestätigt wird und dieser zu anderen Mitgliedern der Belegschaft Kontakt hatte.

Auch wenn die Arbeit seit einer Woche im Homeoffice verrichtet wird und die COVID-19-Infektion bei einem Arbeitnehmer erst dann bekannt wird, bleiben die Informationspflichten der Arbeitgeber uE aufrecht. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Inkubationszeit des Coronavirus bis zu 14 Tage dauern kann, sodass in einem solchen Fall die Gefahr für die Gesundheit von übrigen Mitgliedern der Belegschaft nicht ausgeschlossen werden kann.

Datenschutz

Insbesondere auch datenschutzrechtlich stellt sich bei einer Corona-Infektion eines Arbeitnehmers im Betrieb die Frage, ob der Arbeitgeber den konkreten Namen des erkrankten Mitarbeiters gegenüber der Belegschaft kommunizieren darf. 

Art 9 Abs 1 DSGVO nennt besondere Kategorien von Daten („sensible Daten“) zu denen unter anderem Gesundheitsdaten zählen. Auch COVID-19-Infektionen sowie -Verdachtsfälle zählen zu Gesundheitsdaten und stellen somit sensible Daten dar.

Sensible Daten genießen einen erhöhten Schutz und dürfen damit nur in besonderen Ausnahmefällen verarbeitet werden. Art 9 Abs 2 DSGVO listet jene Fälle auf, in denen eine Verarbeitung von sensiblen Daten gerechtfertigt ist. Für Arbeitgeber kommen im Falle von Corona-Infektionen oder -Verdachtsfällen von Arbeitnehmern folgende Rechtsgrundlagen für eine zulässige Datenverarbeitung in Betracht:

  • Art 9 Abs 2 lit h DSGVO nennt die Verarbeitung zum Zwecke der Gesundheitsvorsorge;
  • In Art 9 Abs 2 lit b DSGVO sind Zwecke der Erfüllung arbeits- und sozialrechtlicher Pflichten angeführt. Arbeitgeber trifft gegenüber ihren Mitarbeitern eine umfassende Fürsorgepflicht. Dazu zählt auch die Verhinderung von Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz.
  • Schließlich regelt Art 9 Abs 2 lit i DSGVO die Verarbeitung aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit, womit eine Rechtsgrundlage für die Übermittlung von Gesundheitsdaten an die Gesundheitsbehörden besteht. Darüber hinaus kann nach § 5 Abs 3 Epidemiegesetz 1950 auf Verlangen der Bezirksverwaltungsbehörden sogar eine gesetzliche Pflicht des Dienstgebers zur Auskunftserteilung über Corona-Infektionen und -Verdachtsfälle bestehen.

Neben diesen Ausnahmeregelungen haben Arbeitgeber die allgemeinen Grundsätze der Datenminimierung gemäß Art 5 Abs 1 lit c DSGVO und den Zweckbindungsgrundsatz nach Art 5 Abs 1 lit a DSGVO zu beachten. Das bedeutet, dass Arbeitgeber im Einzelfall eine Abwägung vornehmen müssen, ob es tatsächlich unbedingt notwendig ist, den Namen des (potentiell) erkrankten Arbeitnehmers zu nennen. Schließlich könnte auch die allgemeine Information über eine Corona-Erkrankung im Unternehmen zum Schutz der übrigen Mitarbeiter genügen. Unter Beachtung des Zweckbindungsgrundsatzes darf keine andere Verarbeitung von Gesundheitsdaten als für Zwecke der Gesundheitsvorsorge oder der Eindämmung des Coronavirus erfolgen. Nicht zuletzt haben Arbeitgeber nach Ende der Corona-Pandemie sämtliche gespeicherte Daten, die sie dann nicht mehr benötigen, zu löschen (Art 5 Abs 1 lit e DSGVO).

Fazit

Die arbeitsrechtlichen Fürsorgepflichten sollen einen möglichst umfassenden Schutz für Gesundheit und Leben der Arbeitnehmer als höchstes Gut gewähren. Diesem Grundsatz wird auch durch die vorbezeichneten Datenschutzregelungen Rechnung getragen. Die Risiken für die Belegschaft und die Reichweite der notwendigen Schutzmaßnahmen sind daher im Einzelfall sorgfältig abzuwägen.

Autoren

Dr. Maximilian Zirm, LL.M. ist Partner bei Gibel Zirm Rechtsanwälte in Wien, einer Kanzlei mit Spezialisierung im Immobilien- und Wirtschaftsrecht. Er ist neben seiner anwaltlichen Tätigkeit Autor zahlreicher Publikationen, Lektor an einer Fachhochschule sowie seit mehreren Jahren Referent für den Weka-Verlag.

Mag. Milka Milicic und Mag. Julia Gaggl sind Rechtsanwaltsanwärterinnen bei Gibel Zirm Rechtsanwälte in Wien und Autorinnen von wissenschaftlichen Publikationen.

Link auf die Website: https://www.gibelzirm.com/