Dokument-ID: 899205

WEKA (epu) | News | 17.03.2017

Freistellungs- und Entgeltfortzahlungsanspruch für Wahlzeugen bei Betriebsratswahlen?

Handelt es sich bei der Tätigkeit als Wahlzeuge bei einer Betriebsratswahl um einen „anderen wichtigen Grund“ der Dienstverhinderung nach § 8 Abs 3 AngG und ist somit § 4 Abs 2 UrlG auf für diesen Zeitraum getroffene Urlaubsvereinbarungen anzuwenden?

Sachverhalt

Ein Angestellter traf, um bei einer Betriebsratswahl als Wahlzeuge fungieren zu können, mit seiner Arbeitgeberin eine Urlaubsvereinbarung für die beiden betroffenen Tage. In Folge jedoch berief er sich auf die Unwirksamkeit der Absprache: Die Wahlzeugenfunktion begründe nämlich als wichtiger, die Person des Arbeitnehmers betreffender Grund einer Leistungsverhinderung einen Anspruch auf Freistellung unter Entgeltfortzahlung nach § 8 Abs 3 AngG.

Demgegenüber beharrte die Arbeitgeberin auf der Wirksamkeit der Urlaubsvereinbarung: Es sei kein Dienstverhinderungsgrund vorgelegen und weder die Betriebsratswahlordnung (BRWO) noch das ArbVG normiere einen Freistellungs- oder Entgeltfortzahlungsanspruch für Wahlzeugen.

Betriebsdemokratie

Jede wahlwerbende Gruppe kann nach § 23 BRWO für jeden Wahlort höchstens zwei Wahlzeugen bezeichnen. Dieses Recht dient auch dem Gedanken der Betriebsdemokratie und verhindert sowohl Unkorrektheiten von Seiten des Wahlvorstandes als auch unbegründete Wahlanfechtungen.

Keine gesetzliche Erwähnung der Wahlzeugen

Zutreffend ist, dass der Gesetzgeber weder im ArbVG noch in der BRWO einen Freistellungs- bzw Entgeltfortzahlungsanspruch von Wahlzeugen gesondert festlegt. Lediglich der Wahlvorstand erfährt in § 55 Abs 1 ArbVG sowie in § 3 Abs 4 BRWO eine entsprechende Regelung. Dies bedeutet aber nicht im Umkehrschluss, dass für andere Tätigkeiten in Bezug auf die Betriebsratswahl Dienstfreistellung bzw Entgeltfortzahlung jedenfalls ausgeschlossen sind. Vielmehr ist darin nur eine Klarstellung und damit Absicherung der Rechtsstellung der Mitglieder des Wahlvorstandes (unabhängig von den einzelfallbezogenen Voraussetzungen des § 8 Abs 3 AngG bzw § 1154 ABGB) zu erblicken.

Erforderlich ist das Überwiegen der Interessen des Arbeitnehmers

§ 8 Abs 3 AngG gewährt einem Angestellten, der durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während verhältnismäßig kurzer Zeit an der Leistung seiner Dienste verhindert ist, einen Entgeltfortzahlungsanspruch. Dies betrifft sowohl in seiner Person entstandene Gründe als auch solche, die ihn durch ihre unmittelbare Einwirkung an der Dienstleistung hindern oder nach Recht, Sitte oder Herkommen wichtig genug erscheinen. In solchen Fällen ist abzuwägen, ob das Interesse des Arbeitnehmers an (bezahlter) Freistellung schwerer wiegt als der Nachteil, den der Arbeitgeber durch das Unterbleiben der Dienstleistung erleidet.
 Sowohl die Tätigkeit als fachkundiger Laienrichter als auch die Ausübung des Wahlrechts sind unter § 8 Abs 3 AngG subsumierbar. In der Literatur werden unterschiedliche Meinungen dazu vertreten, ob auch die Mitwirkung als Wahlzeuge unter § 1154b ABGB bzw § 8 Abs 3 AngG fällt.
 

Wahlzeugentätigkeit als wesentliche gesellschaftliche Verpflichtung

Der OGH bejahte dies schließlich: Die Tätigkeit als Wahlzeuge bei einer Betriebsratswahl liege im Interesse der Arbeitnehmer und damit auch im betrieblichen Interesse am gesetzmäßigen Wahlablauf. Wie dies auch für Wahlzeugen bei allgemeinen Wahlen gelte, habe sie für das Funktionieren einer demokratischen (Betriebs-)Gemeinschaft essenzielle Bedeutung und sei für den einzelnen Arbeitnehmer eine wesentliche gesellschaftliche Verpflichtung. Die Wahlzeugentätigkeit stelle somit einen Dienstverhinderungsgrund iSd § 8 Abs 3 AngG dar. Mangels Vorbringens der Arbeitgeberin zu ihrem Interesse an der Arbeitsleistung des Klägers ging der OGH von einem überwiegenden Interesse des Angestellten an der Tätigkeit als Wahlzeuge aus. Der Anspruch auf Freistellung gegen Entgeltfortzahlung nach § 8 Abs 3 AngG war somit zu bejahen.

§ 4 Abs 2 UrlG bestimmt, dass für solche Zeiträume kein Urlaubsantritt vereinbart werden kann, wenn die Umstände bereits bei Abschluss der Vereinbarung bekannt waren. Wird wie im vorliegenden Fall trotzdem Urlaub vereinbart, sind die in die Zeiten der Arbeitsverhinderung fallenden Urlaubstage nicht auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch anzurechnen.

OGH 26.01.2017, 9 ObA 121/16h

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