Dokument-ID: 471323

WEKA (bli) | News | 20.09.2012

Lohnrückstand – Darf der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zurückhalten?

Kürzlich entschied der OGH darüber, ob ein Arbeitnehmer zur Zurückhaltung der Arbeitsleistung bei Nichtauszahlung des Lohns berechtigt ist und ob ihm weiters für den Zeitraum der Zurückhaltung ein Entgelt zusteht.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall war der Kläger bei der Beklagten als Maurer beschäftigt. Es war vereinbart, dass der Kläger (Arbeitnehmer) 14-tägig sein Entgelt bekäme. Als er für seine Arbeitsleistung keinen Lohn erhielt, stellte er die Arbeit ein mit der Begründung, er würde nicht mehr weiterarbeiten, bis zu dem Zeitpunkt bis ihm der ausständige Lohn bezahlt würde.

Daraufhin meldete die Beklagte (Arbeitgeber) den Arbeitnehmer bei der Gebietskrankenkasse ab, da laut ihr ein unberechtigter vorzeitiger Austritt des Arbeitnehmers vorliege.

Entgeltanspruch bei zurückgehaltener Arbeitsleistung?

Laut Vorinstanzen war der Arbeitnehmer zwar wegen unterlassener Lohnzahlung zur Zurückbehaltung der Arbeitsleistung berechtigt, jedoch gebühre ihm für diesen Zeitraum kein Entgelt, weil kein gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Tatbestand der Entgeltfortzahlung vorliege.

Der OGH ist anderer Meinung: Nach § 1155 Abs 1 ABGB steht dem Arbeitnehmer auch für nicht zustande gekommene Dienstleistungen ein Entgelt zu, wenn er zur Leistung bereit gewesen wäre, und durch Umstände, die auf Seiten des Arbeitgebers liegen, daran verhindert wurde.

Auch die herrschende Lehre besagt, dass ein Arbeitnehmer solange zur Zurückhaltung der Arbeitsleistung berechtigt ist, bis der Arbeitgeber den fällig gewordenen Lohnrückstand bezahlt hat. Ein Entgeltanspruch erlischt nur dann, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung unterlässt, ohne dass ein Grund vorliegt, der nach dem Gesetz oder Kollektivvertrag einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung begründet.

Im vorliegenden Fall steht dem Arbeitnehmer (Kläger) also ein Anspruch auf Entgelt für die Zeit der Zurückbehaltung der Arbeitsleistung aus Sicht des OGH gesetzlich zu.

OGH vom 29.05.2012, 9 ObA 39/11t