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Dokument-ID: 893072

WEKA (epu) | News | 31.01.2017

Zur Rückverrechnung von Urlaubzuschüssen nach dem Kollektivvertrag für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung

Aufgrund systematischer und historischer Interpretation einer Bestimmung des KVAÜ wollte die ehemalige Arbeitgeberin eines Leiharbeiters den für den Zeitraum des aufrechten Arbeitsverhältnisses gewährten Urlaubszuschuss zurückfordern.

Sachverhalt

Ein Leiharbeiter beendete im Juli 2015 nach drei Monaten sein Vollzeit-Arbeitsverhältnis durch unberechtigten vorzeitigen Austritt. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits einen Urlaubszuschuss für den Zeitraum bis Ende des Jahres erhalten und zwei Urlaubstage konsumiert. Als seine ehemalige Arbeitgeberin nun nicht nur den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses für die Zeit nach Beendigung des Leiharbeitsvertrages mit offenen Entgeltforderungen aufrechnete, sondern auch den restlichen, für den Zeitraum des aufrechten Arbeitsverhältnisses gewährten Urlaubszuschuss zurückforderte, ging der Leiharbeiter mit der Sache vor Gericht.

Kollektivvertragliche Regelung

Das infrage stehende Arbeitsverhältnis unterlag dem Kollektivvertrag für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (KVAÜ). Dieser legt in Abschnitt XVI Punkt 6. wörtlich fest, dass „Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor Verbrauch eines Urlaubs endet, […] Anspruch auf den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses, entsprechend ihrer jeweils im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit (je Woche 1/52)“ haben. Weiters:
 „Ein über den aliquoten Anteil hinausgehender, bereits ausbezahlter Urlaubszuschuss ist rückzuverrechnen. Dieser Anspruch entfällt bei:
 a) Entlassung aus Verschulden des Arbeitnehmers (§ 82 GewO),
 b) Austritt ohne wichtigen Grund.“

In Punkt 5 desselben Abschnitts ist jedoch für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis „nach Verbrauch eines Urlaubes und Erhalt des Urlaubszuschusses, jedoch vor Ablauf des Kalenderjahres“ endet, kein dieser Regelung entsprechender Anspruchsverlust bei bestimmten Endigungsarten vorgesehen.

Auslegungsfrage

Der Kläger vertrat daher die Ansicht, eine Rückforderung des für den Zeitraum des aufrechten Arbeitsverhältnisses gewährten Urlaubszuschusses sei aufgrund der wortwörtlichen Regelung im Kollektivvertrag in seinem Fall unberechtigt. Demgegenüber argumentierte die ehemalige Arbeitgeberin, eine systematische und historische Interpretation der Regelung würde eine Rückforderung rechtfertigen.

Der OGH hielt dazu fest, dass der normative Teil eines Kollektivvertrags gemäß den §§ 6 und 7 ABGB nach seinem objektiven Inhalt auszulegen ist, wobei der Wortsinn zu erforschen und die sich aus dem Text ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen ist. Auch in dem Rahmen, in dem bei mehrdeutiger, missverständlicher oder unvollständiger Formulierung eine über die Verbalauslegung nach den §§ 6 und 7 ABGB hinausgehende Interpretation erforderlich ist, begrenzt der äußerst mögliche Wortsinn jeglichen Auslegungsspielraum, da den Normadressaten nur der Text des Kollektivvertrags zur Verfügung steht. Verfolgen die Parteien mit einer Regelung eine bestimmte Absicht, so muss diese im Text ihren Niederschlag finden, um maßgeblich zu werden, da dem Leser darüberhinausgehende Vorstellungen nicht zugänglich sind.

Keine Zweifel an wortwörtlicher Bedeutung

In diesem Sinne ergibt der eindeutige Wortlaut des Kollektivvertrages, dass der oben zitierte Punkt 5 des Abschnitts XVI nur Arbeitnehmer betrifft, die vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses Urlaub verbraucht und Urlaubszuschuss erhalten haben, während Punkt 6 lediglich für jene gilt, die vor Ende des Arbeitsverhältnisses gar keinen Urlaub verbraucht haben. Ebenso ist der Wortlaut dahingehend eindeutig, dass der Kollektivvertrag für die insofern unterschiedlichen Arbeitnehmergruppierungen verschiedene Rechtsfolgen in Bezug auf die Rückverrechnung bzw Rückzahlung zu viel erhaltenen Urlaubszuschusses vorsieht, sodass nur für jene Arbeitnehmer, deren Dienstverhältnis vor Urlaubsverbrauch endet, bei bestimmten Endigungsarten ein Anspruchsverlust bezüglich des aliquoten Teils des Urlaubszuschusses für die zurückgelegte Dienstzeit normiert ist. Diese Unterscheidung ergibt sich zweifellos aus dem Text des Kollektivvertrags. Eine Auslegung, die diese getroffene Differenzierung aufhebt, würde den äußerst möglichen Wortsinn sprengen, da eine diesbezügliche Absicht der Kollektivvertragsparteien nicht aus dem Text ersichtlich ist. Hätte es sich dabei um ein Versehen gehandelt, wäre dieser Fehler wohl in der Zwischenzeit korrigiert worden, da die betreffende Regelung im KVAÜ bereits seit 01.01.2009 in Kraft steht.

Somit haben Arbeitnehmer gemäß Punkt 5 des KVAÜ – wie im vorliegenden Fall – auch bei Austritt ohne wichtigen Grund Anspruch auf den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses entsprechend ihrer jeweils im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit.

OGH 28.10.2016, 9 ObA 120/16m