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Dokument-ID: 1035019

Gernot Wurm - Redaktion WEKA | Praxiswissen | Fachbeitrag

Anforderungen an elektrische Kabel- und Leitungsanlagen mit Funktionserhalt und Dauer des Funktionserhalts

Unter Funktionserhalt ist laut OVE RL R 12-2:2019-01-01 Teil 6.1 die Anforderung allgemein an Einrichtungen für Sicherheitszwecke im Brandfall zu verstehen, dass ihre Funktion jederzeit und durchgehend erhalten bleiben muss, insbesondere auch während eines Ausfalls der Haupt- und lokalen Stromversorgung sowie im Brandfall. Diese Anforderungen lassen sich nur durch besondere Stromquellen, elektrische Betriebsmittel, Stromkreise sowie Kabel- und Leitungsanlagen aufgrund ihrer Bauart oder der Art ihrer Errichtung erfüllen.

Kabel- und Leitungsanlagen, die für Einrichtungen für Sicherheitszwecke mit Funktionserhalt im Brandfall verwendet werden, müssen so befestigt und errichtet werden, dass die Funktion der Stromkreise im Brandfall nicht beeinträchtigt wird und müssen eine oder mehrere der folgenden Eigenschaften besitzen:

  • Mineralisolierte Kabel und Leitungen gem ÖVE/ÖNORM EN 60702-1:2015-10-01 und ÖVE/ÖNORM EN 60702-2:2015-10-01
  • Feuerbeständige Kabel und Leitungen mit Isolationserhalt gemäß den jeweils anwendbaren Teilen von OVE EN 50200:2016-08-01 und OVE EN 60332-1-2:2017-07-01
  • Kabel- und Leitungsanlagen, die den erforderlichen Schutz gegen Feuer und mechanische Beschädigung aufweisen

Den erforderlichen Schutz gegen Feuer und mechanische Beschädigung weisen Kabel und Leitungen beispielhaft auf, wenn folgende Klassifikationsnachweise erbracht bzw Gegebenheiten erfüllt sind:

  • Funktionserhalt gem ÖNORM DIN 4102-12:2000-02-01 oder gleichwertig, oder
  • bauliche Umhüllungen zum Schutz gegen Feuer und mechanische Beschädigung, oder
  • Führung in getrennten Brandabschnitten, oder
  • Schienenverteiler, der in einem Kanal bzw in einem Schacht mit integriertem Funktionserhalt ausgeführt ist

Beispiele für eine bauliche Umhüllung von Kabeln und Leitungen zum Schutz gegen Feuer bzw mechanische Beschädigung sind:

  • Beschichtungen und Bekleidungen gem ÖNORM DIN 4102-12:2000-02-01, oder
  • Verlegung auf Rohdecken mit einer Überdeckung von mindestens 30 mm Fußbodenestrich, oder
  • Verlegung im Erdreich, oder
  • Verlegung in einem Sandbett mit einer Abdeckung

Die Führung der elektrischen Kabel- und Leitungsanlagen in getrennten Brandabschnitten kann auch durch Verlegung in Kanälen bzw Schächten gem ÖNORM DIN 4102-12:2000-02-01 erfolgen. Die Befestigung dieser Kabelschächte und -kanäle ist mit nicht brennbaren Befestigungsmitteln auszuführen.

Die Verlegung von Kabeln und Leitungen ohne integrierten Funktionserhalt im oder unter Putz stellt keine ausreichende Maßnahme zum Funktionserhalt der Kabel bzw Leitungen dar, außer diese Verlegeart ist ausdrücklich im Prüfzeugnis der Kabel- und Leitungsanlage zugelassen.

Wesentliche Anforderung von Kabel- und Leitungsanlagen mit integriertem Funktionserhalt für Einrichtungen für Sicherheitszwecke ist, dass sie so beschaffen oder durch Bauteile so abgetrennt sein müssen, dass diese Anlagen und Einrichtungen bei äußerer Brandeinwirkung für eine bestimmte Zeitdauer funktionsfähig bleiben. Im Brandfall und im Störungsfall dürfen in vorhersehbarer Weise keine Beschädigung durch andere (herabfallende) Anlagenteile auftreten. Dies erfordert, dass elektrische Kabel- und Leitungsanlagen mit integriertem Funktionserhalt als oberstes Gewerk zu montieren sind, sofern nicht darüber installierte Fremdgewerke mit entsprechenden Maßnahmen der gleichen oder einer besseren Funktionserhaltsklasse ausgeführt werden. Ein derartiger Störungsfall kann zB durch das Leckwerden einer Wasser- oder Dampfleitung auftreten. Die Befestigungsart und Errichtung hat zu berücksichtigen, dass die Funktion der Stromkreise im Brandfall nicht beeinträchtigt wird.

Innerhalb eines Gebäudes sind Kabel- und Leitungsanlagen mit integriertem Funktionserhalt grundsätzlich auf einem eigenen dafür geeigneten Kabeltragsystem zu verlegen, es können jedoch Kabel und Leitungen mit integriertem Funktionserhalt für verschiedene Einrichtungen für Sicherheitszwecke gemeinsam verlegt werden. Die Verlegung von Kabeln und Leitungen mit integriertem Funktionserhalt mit solchen ohne integrierten Funktionserhalt auf einem gemeinsamen Kabeltragsystem setzt voraus, dass auch für die Kabel- und Leitungsanlage ohne Funktionserhalt die Verlegebedingungen gemäß dem Prüfzeugnis einer akkreditieren Prüfstelle erfüllt werden und die gemeinsame Verlegung zugelassen ist.

Hinzuweisen ist, dass gem ÖNORM DIN 4102-12:2000-02-01 das Installationsunternehmen, das die Maßnahme zum Funktionserhalt der elektrischen Kabel- und Leitungsanlage herstellt, für jedes Bauvorhaben eine Übereinstimmungserklärung ausstellen muss, mit der es bestätigt, dass die ausgeführte Maßnahme den Bestimmungen des Prüfzeugnisses einer akkreditieren Prüfstelle entspricht.

Die Planung und Errichtung einer elektrischen Kabel- und Leitungsanlage hat generell entsprechend den Detailangaben im Prüfzeugnis zu erfolgen. Für Kabel- und Leitungsanlagen mit Funktionserhalt zu beachten sind insbesondere die folgenden Angaben im Prüfzeugniss der akkreditieren Prüfstelle:

  • Kabelbauart und Kabeltragkonstruktion des jeweiligen Herstellers
  • Verbindungselemente, wie Muffen, Abzweigkästen
  • Befestigung (Dübel, Schrauben) in Bezug auf den Montageuntergrund
  • Art, Gewichtslimit und Befestigungsabstände der Kabeltragkonstruktion

Bei Abweichungen von den Normtragekonstruktionen ist eine gesonderte Prüfung bzw Beurteilung durch eine akkreditierte Prüfstelle vorzunehmen.

Wird für die Prüfung von Kabel- und Leitungsanlagen mit integriertem Funktionserhalt die Normtragekonstruktionen eines Herstellers verwendet, gelten die Prüfergebnisse auch für geprüfte Normtragekonstruktionen anderer Hersteller. Dies aber nur dann, wenn das im Prüfzeugnis einer akkreditierten Prüfstelle vermerkt ist.

An die Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen (Verteiler) von elektrischen Kabel- und Leitungsanlagen für vorgeschriebene sicherheitstechnische Anlagen dürfen auch andere, zB aus betrieblichen Gründen notwendige sicherheitstechnische Anlagen und Einrichtungen angeschlossen werden. Vorgeschriebene sicherheitstechnische Anlagen und Einrichtungen dürfen dadurch nicht beeinträchtigt werden. Die beschriebenen Anforderungen gelten daher auch für Kabel- und Leitungsanlagen für Steuerungs- und Bussysteme von Einrichtungen für Sicherheitszwecke, nicht jedoch für Stromkreise, die keinen nachteiligen Einfluss auf den Betrieb der Sicherheitseinrichtungen haben.

Bei erdverlegten Stromkreisen für Sicherheitszwecke muss Vorsorge getroffen werden, dass durch Erdarbeiten keine Schäden herbeigeführt werden. Hierzu ist es zweckmäßig, zB Kabel und Leitungen der allgemeinen Stromversorgung und solche für Einrichtungen für Sicherheitszwecke auf getrennten Trassen im Erdreich mit einem Abstand von mindestens 2 m (horizontal) oder in einer Stufenkünette mit einem Höhenunterschied von mindestens 1 m zu verlegen. Der Abstand von 2 m kann im Nahbereich einer Gebäudeeinführung unterschritten werden, wenn ein besonderer mechanischer Schutz gegen Beschädigungen bei Tiefbauarbeiten vorgesehen ist.

Funktionserhalt

In LPS-Systemen für mehr als 100 Sicherheitsleuchten sowie in CPS-Systemen müssen Verteiler und Gehäuse für die elektrische Kabel- und Leitungsanlage mit Funktionserhalt ausgebildet bzw errichtet sein. Dies kann wie folgt sichergestellt werden:

  • Unterbringung der Systeme in eigenen Räumen, die ausschließlich für diesen Zweck in Verwendung stehen. Die Wände, Decken und Türen müssen aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen und über eine Feuerwiderstandsfähigkeit verfügen, die der notwendigen Dauer des Funktionserhalts nach Maßgabe der Versorgungsfunktion des Systems entspricht, oder
  • Unterbringung der Systeme in einem eigenen Gehäuse;in diesem Fall muss durch ein Prüfzeugnis einer akkreditierten Prüfstelle bestätigt sein, dass die Funktion des Brandschutzgehäuses (Brand von außen), in Verbindung mit den elektrotechnischen Einbauten, im Brandfall die notwendige Dauer des Funktionserhalts gewährleistet ist.

Die Anforderungen der OVE E 8101:2019-01-01 Teil 4-42 Unterabschnitt 421.1 betreffend den Schutz gegen Brände, die durch elektrische Betriebsmittel verursacht werden, wie sie eingangs beschrieben sind, müssen dabei eingehalten werden.

Dauer des Funktionserhalts

Je nach Art und Funktion der versorgten Sicherheitseinrichtung sind standardgemäß folgende Zeitspannen für den Funktionserhalt zu erreichen:

30 Minuten

  • Für Sicherheitsbeleuchtungsanlagen
    • Davon ausgenommen sind jene Teile der Endstromkreise, die einen abgeschlossenen Brandabschnitt versorgen bzw deren Ausfall keine unzulässige Beeinträchtigung anderer Bereiche zur Folge hat. Daraus ergibt sich, dass auf den Funktionserhalt ggf nur innerhalb des letzten Brandabschnittes verzichtet werden kann. Aus diesem Brandabschnitt dürfen daher auch keine Leitungen in weitere Brandabschnitte verlegt sein. Ausmahmen davon gelten nur für Leitungen in „Unterbrandabschnitte“, die maximal je zwei Sicherheitsleuchten mit oder ohne Piktogramm versorgen.
      Erstreckt sich ein lokaler Brand auf einen mitversorgten „Unterbrandabschnitt“, darf die Sicherheitsbeleuchtung der Fluchtwege nicht unzulässig beeinträchtigt werden. Das bedeutet, dass mindestens 50 % der Sicherheitsbeleuchtung in den Fluchtwegen funktionsfähig bleiben müssen. Dies kann zB durch eine alternierende Stromkreisaufteilung der Sicherheitsleuchten bewerkstelligt werden. Handelt es sich um gesicherte Fluchtbereiche gem AStV, ist jedoch die Funktionsfähigkeit von 100 % der Sicherheitsbeleuchtung in den Fluchtwegen jederzeit sicherzustellen.
  • Für Einrichtungen zur Alarmierung und Übermittlung von Anweisungen an Besucher und Beschäftigte, die im Brandfall wirksam sein müssen
    • Ausnahmen gibt es für elektrische Kabel- und Leitungsanlagen, die der Stromversorgung solcher Anlagen nur innerhalb eines Brandabschnittes in einem Geschoß oder nur innerhalb eines Treppenraumes dienen. Dabei zu beachten ist, dass die Grundfläche je (Haupt-) Brandabschnitt höchstens 1.600 m² umfassen darf.

90 Minuten

  • Nach Maßgabe brandschutz- oder bautechnischer Richtlinien
  • Für Sicherheitsstromversorgungen (SV) mit Umschaltzeiten von maximal 0,5 sec (SV ≤ 0,5 s).
    • Ausgenommen davon sind Endstromkreise, bei denen ein Ausfall zu keiner Beeinträchtigung anderer Bereiche führt. Jedenfalls zu schützen sind Endstromkreise, die in weitere Brandabschnitte (ausgenommen „Unterbrandabschnitte“) führen.
      Erfüllt ist diese Forderung nach Funktionserhalt auch dann, wenn Stromversorgungsleitungen mit SV ≤ 0,5 s sowie SV ≤ 15 s vor der örtlichen Umschalteinrichtung in unterschiedlichen Brandabschnitten verlegt sind.

Hinweis:

Die Bezeichnungen SV ≤ 0,5 s und SV ≤ 15 s beziehen sich auf die Auslegung von Sicherheitsstromversorgungsanlagen, und zwar solche, die gewährleisten sollen, dass bei Ausfall der allgemeinen Stromversorgung über das Netz der Betrieb wichtiger Einrichtungen (oder, wie zB im medizinischen Bereich, lebenswichtiger Verbraucher) innerhalb von

  • 0,5 Sekunden (zB elektrische Einrichtungen im Operationsbereich) bzw
  • 15 Sekunden

durch automatische Übernahme der Versorgung über das SV-Netz besorgt wird. Die Anforderungen im medizinischen Bereich werden jedoch hier nicht behandelt.

Für brandschutztechnische Einrichtungen wie zB Brandmeldeanlagen, automatische Löschanlagen, Rauch- und Wärmeabzugsanlagen, Brandrauchverdünnungsanlagen, Druckbelüftungsanlagen, ortsfeste Löschwasseranlagen, Drucksteigerungsanlagen, Feuerwehraufzüge, sind auch die Anforderungen der brandschutz- bzw bautechnischen Richtlinien, wie zB

  • OIB-Richtlinie 2 (Brandschutz),
  • TRVB S 112 (Druckbelüftungsanlagen),
  • TRVB S 125 (Rauch- und Wärmeabzugsanlagen),
  • TRVB 127 S (Sprinkleranlagen [SPA] und Erweiterte Automatische Löschhilfeanlagen [EAL]),
  • TRVB 128 S (Ortsfeste Löschwasseranlagen nass und trocken),

zu beachten.