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Josef Drobits | News | 22.07.2013

Verbesserungen in der chemischen Evaluierung: Machbar oder Utopie?

Gastautor Dr. Drobits geht in seinem Beitrag der Frage nach, welchen Nutzen eine chemische Spezialevaluierung mit sich bringen kann und warum man sich damit auseinandersetzen sollte.

Einleitung

Wozu ist so eine (chemische) Spezialevaluierung überhaupt nutze, wo und wie kann man Erkenntnisse weit über die gesetzlichen Forderungen gewinnen und so für den Unternehmenserfolg gewinnbringend einsetzen?

Neben Arbeitgebern sollen auch die Arbeitnehmer/innen von der (chemischen) Evaluierung profitieren. Wie also kann so ein Vorhaben – Erstellung einer chemischen Evaluierung, progressiv und zielorientiert – angegangen werden?

Start mit der gewerberechtlichen Beurteilung

Da eine progressiv durchgeführte (chemische) Evaluierung auch einen nicht unwesentlichen Situationsspiegel des wirtschaftlichen Potentials eines Unternehmens darstellt, kann man grundlegend beim gewerberechtlichen Genehmigungsbescheid und den dort festgelegten Spezifika beginnen. Für die Bewertung eines chemischen Lagers/Lagerraums ist so eine Betrachtung für die Bewertung als Ausgangspunkt nahezu zwingend erforderlich.

Aber es gibt (neben dem rechtlichen Status) eine gravierende Änderung zur Evaluierung: Während der gewerberechtliche Bescheid eine Momentaufnahme, quasi einen Schnappschuss, zum Bewilligungszeitpunkt darstellt, verfolgt die Evaluierung einen kontinuierlicheren Ansatz. Bei groben Änderungen der Betriebsanlage ist ja auch ein erneuter Bescheid bzw eine Zusatzbeurteilung auf Betreiben des Eigentümers durchzuführen.

Das Sicherheitsdatenblatt - SDB: Mit der CLP-VO alles Neu!?

Um die Sammlung von Sicherheitsdatenblättern (SDB) kommt man nicht herum, egal in welcher Form. Wer aber glaubt, dass sei schon das Ergebnis, in Bezug auf die Basis an gefährlichen Stoffen und deren Informationen, der irrt gewaltig. Es gilt, je nach Art, Anwendung, Expositionszeit und zum Teil individuellen betrieblichen Rahmenbedingungen, die gesundheitlich relevanten, zum Teil erheblichen Einflüsse abzuarbeiten, bei denen leider kein SDB hilfreich zu Seite steht: Schweißemissionen, Kosmetika, nicht in Verkehr gesetzte Halbfabrikate, Bearbeitungsemissionen, „Beilaufemissionen“ bei der Medikamentenherstellung etc

Hier (ohne SDB) ist die zentrale (Prozess-)beurteilungsfrage: Kommt es zu Stoffumwandlungen, und wenn ja, laufen diese vollständig ohne Nebenprodukte oder gar gekapselt, eventuell sogar nur auf elementarmolekularer Ebene ab? Dazu sind fast immer technologische Kenntnisse wichtiger Beurteilungsbestandteil. Auch hier kann man eine sehr banale Faustregel (als ganz groben Richtsatz) anwenden: Je höher und massiver der Energieeintrag pro Zeiteinheit in einem Verfahren ist, desto eher ist mit einer dem Menschen (langfristig) gefährlich werdender Emission zu rechnen.

Kann man bei der Beurteilung der stoffmolekularen(intrinsischen) Gefahren auf SDB zurückgreifen, sollte man zuallererst hier ein langfristig wirkendes Ordnungs- und Bewertungssystem implizieren:

  • Wer beschafft die SDB?
  • Erfolgt eine sicherheitstechnisch/medizinische Bewertung durch die SFK/AM?
  • Wer ist wann für die Aktualisierung zuständig?
  • Werden aus den SDB handhabbare Betriebsanweisungen erstellt?

Jeder einzelne der vorher genannten Punkte ist in der Praxis mit zeitlichem und personellem Resourcenaufwand besetzt, jedoch für ein solides langfristig wirkendes Fundament unabdingbar. Die durch die direkt wirkende EU-Verordnung „CLP-VO“ Umsetzung des GHS ist eben mehr als bloßes Umetikettieren, sondern es kommt/kam zur Neubewertung/Einstufung (Classification), zu neuen Kennzeichnungselementen (Labelling) und Verpackungen (Packaging).

Weiters ist nicht nur bei Unterweisungen eine Gliederung nach Grundgefahren förderlich: Physikalische Gefahren (Brennbarkeit, Fähigkeit explosionsfähige Athmosphären zu bilden, Selbstentzündung, etc.), akute Gesundheitsgefahr, chronische Gesundheitsgefahren sowie akute oder langfristig wirkende Umweltgefahren, um die wichtigsten zu reihen.

Die zeitliche Menge machts!

Ein SDB gibt lediglich über das Schädigungspotential eines Stoffes/Stoffgemisches Auskunft. Ob überhaupt, in welcher Form und Intensität dieses Schädigungspotential dann beim arbeitenden Menschen „ankommt“, hängt in erster Linie vom technologischen Verfahren (Temperatur, Verteilung, offenes oder geschlossenes System, technische Schadstofferfassung, etc…), aber auch von der in diesen Verfahren eingesetzten Menge ab.

Somit ist neben den 1. intrinsischen Gefahren die 2. Menge und 3. Aussetzungsdauer von Relevanz. Über die Verfahrensart (Grundlegend: Offen oder geschlossen?) sowie Arbeitsplatzmessungen (gemäß GKV 2011 trifft den Arbeitgeber eine messtechnische Ermittlungspflicht!) zeichnet sich ein Bild einer Arbeitsplatz- bzw Tätigkeitsexposition ab.

Präventivfachkräfte als Analysatoren und Verbesserer

Ausgehend von den SDB und der zu erfolgenden Stoff/Gemischbewertung auf intrinsischer Ebene: SFK und AM haben im Auftrag und in der juristischen Entlastung von der Arbeitgeberverantwortung unter anderem die Ersatzstoffpflicht zu prüfen. Weitere Aufgaben sind:

  • Mengen, Zeiten und Verfahren zu erheben,
  • Expositionen zu bewerten,
  • technische Maßnahmen zur Schadstoffimmission am Menschen vorzuschlagen sowie
  • weitreichende organisatorische Assistenzen durchzuführen:
     – Zu sorgen für Betriebsanweisungen, Schulungen, Spezialevaluierungen (MSchG –Mutterschutzgesetz, KJBG – Kinder und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz und die allseits zu Unrecht gefürchtete VEXAT – Evaluierung nach Verordnung explosionsfähiger Atmosphären) sowie
     – bei der Wahl der geeigneten persönlichen Schutzausrüstung mitzuwirken.

Diesem breiten, verantwortungsvollen Tätigkeitsfeld BEIDER Präventivfachkräfte (SFK und AM) wird ausdrücklich im Gesetz mit der vorgeschriebenen Zusammenarbeitsverpflichtung (gemeinsame Betriebsbegehungen) Raum gegeben.

Es gibt viel zu tun! – Fangt schon mal an!

Angesichts der vielfältigen Anforderungen einer gelebten und aktiven chemischen Evaluierung könnte der eine oder andere geneigt sein, zu resignieren – noch vor Beginn. Das kann natürlich niemandem dienen, es gilt, kleine Aufgabenpakete tagtäglich in der Prävention zu bewältigen, aber zumindest einmal ein gutes strategisches Konzept für einen Betrieb zu erarbeiten, ja regelrecht zu designen. Sein oder Nicht-Sein war in der Chemie noch nie die Frage, aber Wissen mit Herz allemal!