Dokument-ID: 974169

Judikatur | Entscheidung

1 Ob 132/17v; OGH; 12. Juli 2017

GZ: 1 Ob 132/17v | Gericht: OGH vom 12.07.2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin L***** B*****, vertreten durch Dr. Günter Medweschek, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Antragsgegner Mag. R***** B*****, vertreten durch Mag. Emil Golob, Rechtsanwalt in Ferlach, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 26. April 2017, GZ 4 R 56/17b-88, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 11. November 2016, GZ 4 Fam 101/12t-76, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Beide Vorinstanzen erkannten der Antragstellerin eine Ausgleichszahlung für die während der Ehe eingetretene Wertsteigerung des ausschließlich mit Mitteln des Antragsgegners angeschafften Blockholzhauses zu. Die vom Erstgericht als berechtigt erkannte Gegenforderung des Antragsgegners wies das Rekursgericht zurück.

Gegenstand des außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin ist ausschließlich die Höhe der dem Antragsgegner auferlegten Ausgleichszahlung.

Rechtliche Beurteilung

1. Oberster Grundsatz bei der Aufteilung der Vermögenswerte nach den §§ 81 ff EheG ist die Billigkeit (RIS-Justiz RS0079235 [T1]). Führt die reale Aufteilung nicht zu einem billigen Ausgleich zwischen den Ehegatten, so soll durch Auferlegung einer Ausgleichszahlung ein individuell gerechtes Aufteilungsergebnis herbeigeführt werden (RIS-Justiz RS0057670; Stabentheiner in Rummel, ABGB3 § 94 Rz 1). Auch eine allfällige Ausgleichszahlung gemäß § 94 EheG ist nach billigem Ermessen festzusetzen. Dabei ist besonders auf Gewicht und Umfang des Beitrags jedes Ehegatten zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und zur Ansammlung der ehelichen Ersparnisse Bedacht zu nehmen (vgl RIS-Justiz RS0057765). Eine erhebliche Rechtsfrage wäre daher nur dann zu lösen, wenn das Rekursgericht den vorgegebenen Ermessensrahmen grob missachtet hätte (RIS-Justiz RS0007104; RS0044088).

2.1 Die Antragstellerin sieht den Grundsatz des „Wohlbestehenkönnens“ verletzt und meint damit offenbar, ihr gebühre zur Sicherung ihres wirtschaftlichen Fortkommens eine Ausgleichszahlung in gewünschter Höhe. Damit verkennt sie grundlegend die Bedeutung dieses Grundsatzes und spricht daher auch keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung an.

2.2 Es trifft zwar zu, wie die Revisionsrekurswerberin meint, dass bei Festsetzung der Ausgleichszahlung auch darauf Rücksicht zu nehmen ist, dass nach dem konkreten Standard der beiderseitigen Lebensverhältnisse eine wirtschaftliche Grundlage der nunmehr getrennten Lebensführung für beide Teile, soweit dies möglich ist, gesichert bleiben soll. Der in der Judikatur vertretene Grundsatz des „Wohlbestehenkönnens“ meint aber nicht, dass die Ausgleichszahlung losgelöst von Gewicht und Umfang des Beitrags des jeweiligen Ehegatten oder des Werts der Aufteilungsmasse (vgl dazu 8 Ob 1631/92 = RIS-Justiz RS0057670 [T4]) so zu bemessen ist, dass dieser – so die Antragstellerin – „wirtschaftlich bestehen“ kann. Dieser Grundsatz dient viel mehr als Korrektiv zu Gunsten des anderen Teils, weil jede Zahlungsverpflichtung eines Ehegatten, die diesen in seiner neuen wirtschaftlichen Lage, wenn auch unter äußerster Anspannung seiner Kräfte, nicht wohl bestehen ließe, der nach § 94 Abs 1 EheG zu beachtenden Billigkeit widersprechen würde (RIS-Justiz RS0057579; RS0057677 [T1]; Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR § 94 EheG Rz 4; Koch in KBB5 § 94 EheG Rz 2).

3. Von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen (dazu RIS-Justiz RS0030748 [T2; T4]) abgesehen, gilt auch im Außerstreitverfahren, dass ein vom Rekursgericht verneinter Verfahrensmangel erster Instanz im Revisionsrekurs nicht nochmals geltend gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0050037; RS0030748). Soweit sich die Antragstellerin erneut auf die von ihr bereits mit Rekurs geltend gemachten Verfahrensmängel erster Instanz beruft, genügt es darauf hinzuweisen, dass diese vom Rekursgericht nach inhaltlicher Prüfung verneint wurden und daher unter dem Revisionsrekursgrund des § 66 Abs 1 Z 2 AußStrG nicht mehr releviert werden können.

4. Der Oberste Gerichtshof ist auch im Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz (RIS-Justiz RS0007236). Feststellungen im Zusammenhang mit der vom Erstgericht festgestellten und von der Antragstellerin in ihrem Rekurs auch gar nicht bekämpften Wertsteigerung des Holzhauses sind damit nicht revisibel (RIS-Justiz RS0007236 [T4]). Einer Bekämpfung der ihr auferlegten Verfahrenskosten steht § 62 Abs 2 Z 2 AußStrG entgegen.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Leitsätze