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WEKA (aga) | News | 19.07.2012

Höhe des Unterhalts bei Bildungskarenz

Kommt der Anspannungsgrundsatz zur Anwendung, wenn der Unterhaltspflichtige eine Bildungskarenz in Anspruch nimmt?

Bildungskarenz

Arbeitnehmer und Arbeitgeber können eine Bildungskarenz gegen Entfall des Arbeitsentgelts für die Dauer von mindestens zwei Monaten bis zu einem Jahr vereinbaren, sofern das Arbeitsverhältnis ununterbrochen sechs Monate gedauert hat. Bei der Vereinbarung über die Bildungskarenz ist auf die Interessen des Arbeitnehmers und auf die Erfordernisse des Betriebs Rücksicht zu nehmen. Für die Zeit der Bildungskarenz besteht Anspruch auf Weiterbildungsgeld in Höhe des fiktiven Arbeitslosengeldes.

Die Gewährung von Weiterbildungsgeld durch das AMS hat jedoch keine Bindungswirkung für das Unterhaltsverfahren in Bezug auf den Ausschluss der Anwendung des Anspannungsgrundsatzes entfaltet.

Unterhaltsrechtliche Zulässigkeit

Die Rechtmäßigkeit der Bildungskarenz sagt noch nichts über die unterhaltsrechtliche Zulässigkeit aus. Maßfigur für die Inanspruchnahme der Bildungskarenz ist der pflichtbewusste, rechtschaffene Elternteil in der Lage des konkreten Unterhaltsverpflichteten. Die entscheidenden Kriterien für eine Anspannung auf ein Einkommen, das eine Alimentierung über den Regelbedarf des unterhaltsberechtigten Kindes hinaus ermöglicht, sind überdurchschnittliche individuelle Kenntnisse und Fähigkeiten des Unterhaltspflichtigen, die Zumutbarkeit der betreffenden Beschäftigung, der Umfang der Sorgepflichten sowie der Grund einer Arbeitseinschränkung durch den Unterhaltspflichtigen

Als Grundregel gilt, dass die durch die Weiterbildungsmaßnahme vermittelten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten die gegenwärtige oder künftige Berufsausübung im weitesten Sinn erleichtern können sollen. In der Praxis anerkannte und zulässige Fortbildungsinhalte sind insbesondere Sprachkurse (zB Erlernung oder Verbesserung von Fremdsprachen).

Von Bedeutung ist auch die Art des Bildungsinhalts der Weiterbildungsmaßnahme. Die vom Unterhaltspflichtigen während der Bildungskarenz absolvierte Fremdsprachenausbildung in Englisch in der Dauer eines Jahres ist zwar als Weiterbildungsmaßnahme anzusehen, könnte aber auch in Form von berufsbegleitenden Kursen erfolgen. Der unterhaltsberechtigte Minderjährige braucht sich die Einschränkung seines Unterhalts allein aus diesem Grund nicht gefallen zu lassen. Die Obliegenheit zur Einkommenserzielung endet daher nicht schon mit der Deckung des Regelbedarfs oder der Erreichung eines Durchschnittseinkommens.

Daher stellt die Bildungskarenz des Unterhaltspflichtigen auch bei Bezug von Weiterbildungsgeld eine Obliegenheitsverletzung gegenüber dem unterhaltsberechtigten Kind dar. Daher kommt der Anspannungsgrundsatz zur Anwendung (OGH 1Ob75/12d, 24.05.2012).

Anspannungsgrundsatz

Gemäß § 140 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse der Kinder nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Den Unterhaltspflichtigen trifft demnach die Obliegenheit, im Interesse seiner Kinder alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft, so gut wie möglich einzusetzen. Tut er dies nicht, so wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte erzielen können.

Dieser Anspannungsgrundsatz kommt immer dann zum Tragen, wenn dem Unterhaltspflichtigen ein höheres als das tatsächlich erzielte Einkommen zugemutet werden kann.

Jedes Kind hat vielmehr das Recht, dass seine Bedürfnisse gemäß den Lebensverhältnissen der Eltern angemessen gedeckt werden. Wäre der Unterhaltspflichtige also zu Unterhaltsleistungen im Stande, die über die Deckung des Regelbedarfs des unterhaltsberechtigten Kindes hinausgehen, so ist seine Leistungskraft auch über den Regelbedarf hinaus anzuspannen, sofern ihm die betreffende Beschäftigung zumutbar ist.

Der Anspannungsgrundsatz kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Unterhaltspflichtige es unterlässt, einer seiner Ausbildung und seinen Fähigkeiten entsprechenden Tätigkeit nachzugehen. So darf der Unterhaltspflichtige demnach nicht etwa grundlos überdurchschnittliche (gehobene) Lebens- und Einkommensverhältnisse aufgeben. Er darf also Änderungen seiner Lebensverhältnisse, die mit Beschränkungen seiner Unterhaltspflicht verbunden wären, nur insoweit vornehmen, als dies bei gleicher Sachlage ein pflichtbewusster, rechtschaffener Familienvater tun würde.