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WEKA (aga) | News | 27.09.2012

Reduzierung des Unterhalts bei Überschreiten der Dauer des Besuchsrechts

Es kommt zu keiner Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage, wenn der Unterhaltspflichtige sein Besuchsrecht nicht ausübt, jedoch zu einer Reduzierung bei Überschreiten der üblichen Dauer.

Gemäß § 140 Abs 2 ABGB leistet der Elternteil, der das Kind betreut, dadurch seinen Unterhaltsbeitrag, während der andere Elternteil, mit dem das Kind nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, geldunterhaltspflichtig ist. Kinderbetreuung im eigenen Haushalt wird also vom Gesetz grundsätzlich als voller Unterhaltsbeitrag des betreuenden Elternteils gewertet und der Leistung von Geldunterhalt gleichgestellt (zB 1 Ob 117/02s).

Dem geldunterhaltspflichtigen Elternteil steht bei getrennter Lebensführung ein Besuchsrecht zu (§ 148 ABGB), wofür bei Ausübung im üblichen Umfang in der Regel kein anrechenbarer Aufwand, also kein Abzug von der Geldunterhaltspflicht, zugebilligt wird.

Keine Erhöhung bei Nichtausübung des Besuchsrechts

Ebenso wenig erhöht sich die Unterhaltsbemessungsgrundlage, wenn sich der Geldunterhaltspflichtige durch Nichtausübung des Besuchsrechts eigene Aufwendungen erspart. Daraus wird die Ansicht abgeleitet, dass normale (übliche) Besuchszeiten in der Regel als „unterhaltsneutral“ zu qualifizieren seien (vgl 10 Ob 11/04x EF-Z 2006/11, 22; 7 Ob 178/06m iFamZ 2007, 8).

Reduzierung bei Überschreiten der üblichen Dauer

Es entspricht allerdings ebenso ständiger Rechtsprechung, dass ein die übliche Dauer überschreitendes Besuchsrecht zu einer Reduzierung der Geldunterhaltspflicht führen kann. So wurde etwa für einen über einen üblichen Besuchstag pro Woche hinausgehenden weiteren Tag eine pauschale Reduktion der Geldunterhaltspflicht um 10 % gebilligt (10 Ob 11/04x).

Berechnung des Abzuges

Bei dem rechnerischen Ansatz, pro zusätzlichem Besuchstag des Geldunterhaltspflichtigen (bei unterhaltsneutralen Tagen) 10 % der Unterhaltsleistung abzuziehen, kann es sich nur um eine generalisierende Betrachtungsweise handeln, die tendenziell wohl eher die Untergrenze signalisieren wird, mit der auf zusätzliche Belastungen jenes geldunterhaltspflichtigen Elternteils Bedacht genommen wird, zu dem mehr als im üblichen Ausmaß Kontakt besteht.

Je mehr sich die Situation allerdings einer gemeinsamen gleichwertigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern annähert, umso weniger wird ein 10 %‑Abzug pro zusätzlichem Besuchtstag bei unterhaltsneutralen Tagen den wechselseitigen Leistungen entsprechen, nicht zuletzt, weil echte Betreuung in zwei Haushalten zu einer gewissen Steuerung des Gesamtaufwands wegen doppelt notwendiger Versorgungsstruktur führt. Unterhaltsentscheidungen sind grundsätzlich Ermessensentscheidungen, weshalb es problematisch ist, allgemein verbindliche, gleichsam rechenformelmäßige Prozentsätze für Abschläge für übermäßige Betreuungsleistungen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils festzulegen (OGH 5Ob2/12y, 04.07.12).

Beispiel aus der Rechtsprechung - OGH 5Ob2/12y, 04.07.12

Im vorliegenden Fall ist ein Kind rund 200 Tage beim Vater und 165 Tage bei der Mutter. Unter Zugrundelegung der maßgeblichen Feststellungen ist diese Berechnung allerdings zu korrigieren: 10 Ferienwochen (70 Tage) und 42 Wochenenden je 2 Tage ergibt 154 Tage Aufenthalt beim Vater, die restliche Zeit von 211 Tagen lebt das Kind bei seiner Mutter. Zu dieser Berechnung ist noch klarzustellen, dass bloß einzelne Stunden Aufenthalt nicht zu berücksichtigen sind, und ein Wochenendaufenthalt von Freitag nach der Schule bis Sonntag sich eben nur mit 2 Tagen niederschlägt.

Es kann daher schon aufgrund dieser rein rechnerischen Überlegung keine Rede davon sein, wie der Revisionsrekurswerber unterstellt, dass sich das Kind „überwiegend“ bei ihm aufhielte oder eine Betreuung durch beide Eltern in annähernd gleichteiligem Ausmaß erfolgt.

Je nachdem, ob unterhaltsneutrale Besuchs-(rechts-)tage abgezogen werden oder nicht, teilen sich die Besuchs- bzw Betreuungstage auf 154 Tage bzw 74 Tage beim Vater und 211 Tage bei der Mutter auf (annähernd 3:4 bzw 1:3 zugunsten der Mutter). Eine bloße Gegenüberstellung von Besuchs- bzw Betreuungstagen kann aber nicht allein und abschließend maßgeblich sein. Unterhaltsentscheidungen sind grundsätzlich Ermessensentscheidungen (1 Ob 88/09m), weshalb es problematisch ist, allgemein verbindliche, gleichsam rechenformelmäßige Prozentsätze für Abschläge für übermäßige Betreuungsleistungen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils festzulegen (8 Ob 62/04g; 10 Ob 49/10v).

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Betreuungsleistungen der Mutter sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch im Leistungsumfang deutlich überwiegen. Sie gewährleistet die Betreuung und Erziehung während der normalen Schulzeiten des Kindes von Montag bis Freitag, während der Vater damit nicht unmittelbar vergleichbare Leistungen ausschließlich in der schulfreien Zeit erbringt. Die Aufenthalte des Kindes bei ihm sind strukturell einer Besuchsrechtskonstellation ähnlich, wenn sie auch in Summe einen beachtlichen Zeitraum umfassen.

Konkrete Unterschiede im Sachaufwand während der unterschiedlichen Betreuungszeiten sind dem Vorbringen nicht zu entnehmen.

Der OGH hält unter den besonderen Konstellationen des hier zu beurteilenden Sachverhalts einen Abzug von der Geldunterhaltsverpflichtung des Vaters in Höhe von ca 40 % für angemessen (OGH 5Ob2/12y, 04.07.12).