Dokument-ID: 896610

Judikatur | Entscheidung

19 Ob 1/16k; OGH; 07. Dezember 2016

GZ: 19 Ob 1/16k | Gericht: OGH vom 07.12.2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Weixelbraun-Mohr und die Anwaltsrichter Dr. Buresch und Dr. Klaar als weitere Richter in der Eintragungssache (Firmenänderungssache) der Antragstellerin K***** Rechtsanwälte OG, *****, über die Berufung der Antragstellerin gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 9. Februar 2016, GZ 523/2014, nach mündlicher Verhandlung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Begründung:

Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) den mit der Änderungsmeldung der Berufungswerberin vom 11. Jänner 2016 gestellten Antrag ab, ihre Umfirmierung in „GEISTWERT K***** Rechtsanwälte OG“ zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. Der Ausschuss verwies in seiner Begründung im Wesentlichen darauf, dass nach § 1b Abs 1 RAO die Firma oder die Bezeichnung einer Rechtsanwalts-Gesellschaftnur die Namen einer oder mehrerer bestimmter Personen enthalten dürfen. Außerdem bestimme § 1b Abs 1 RAO, dass als Sachbestandteil nur ein Hinweis auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft aufzunehmen sei. Die beantragte Firmenänderung sei deshalb unzulässig, weil die Bezeichnung „GEISTWERT“ weder der Name eines Gesellschafters der Antragstellerin sei, noch einen Hinweis auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft darstelle. Diese Auffassung sei auch durch die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (B 1008/06 [„argelaw“] und B 47/09 [„Eversheds“]) gedeckt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Berufung der Antragstellerin.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1. Gemäß § 1b Abs 1 RAO darf die Firma oder die Bezeichnung einer Rechtsanwalts-Gesellschaft nur die Namen eines oder mehrerer der folgenden Personen enthalten: Eines Gesellschafters, der Rechtsanwalt im Sinn des § 21c Z 1 lit a RAO ist, oder eines ehemaligen Rechtsanwalts, der auf die Rechtsanwaltschaft verzichtet hat und im Zeitpunkt der Verzichtleistung Gesellschafter war oder dessen als Rechtsanwalts-Gesellschaft oder Einzelunternehmen geführte Kanzlei von der Gesellschaft fortgeführt wird. Als Sachbestandteil ist nur ein Hinweis auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft aufzunehmen.

2. Nach ständiger Rechtsprechung enthält § 1b Abs 1 RAO eine taxative Aufzählung der zulässigen Bestandteile der Firma oder Bezeichnung einer Rechtsanwalts-Gesellschaft, nämlich die Namen der dort erwähnten Personen und einen Hinweis auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft. So gab etwa die OBDK mit Erkenntnis vom 31. Jänner 2006, Bkv 12/05, einer Berufung gegen die Verweigerung einer Firmenänderung in „argelaw RechtsanwaltsGmbH“ mit der Begründung nicht Folge, dass die angestrebte Firma keinen Namen eines Rechtsanwalts enthalte. Über die dagegen erhobene Beschwerde sprach der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Februar 2007, B 1008/06, aus, dass es „im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liege, zum einen auf einen Personenbezug der Firmenbezeichnung abzustellen, zum anderen nur jene Zusätze für zulässig zu erklären, die auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft hinweisen“. Nach der Auffassung des Verfassungsgerichtshofs „liegen sowohl die Regelungen über die Firmenbildung von Rechtsanwaltsgesellschaften als auch die Bestimmungen bezüglich der Eintragung in die Liste der Rechtsanwalts-Gesellschaften im öffentlichen Interesse, sind sachlich gerechtfertigt und nicht unverhältnismäßig“.

3. Der Berufung gegen eine vom Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien im Jahr 2007 nicht genehmigte Firmenänderung in „L Eversheds Rechtsanwälte OG“ gab die OBDK mit Erkenntnis vom 8. September 2008, Bkv 3/07, mit der folgenden Begründung nicht Folge:

„Bereits die grammatikalische Auslegung ergibt, dass § 1b RAO die Firmenbestandteile der Rechtsanwalts-Gesellschaft taxativ aufzählt. Die Firma hat nur den verpflichtenden Hinweis auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft zu enthalten; sonstige Sachbestandteile der Firma werden von § 1b Abs 1 ausdrücklich für unzulässig erklärt. Weitergehende Bezeichnungen, wie Fantasienamen, wurden daher vom Gesetz als Firmenbestandteil ausgeschlossen. Die angestrebte Fantasiefirma 'Eversheds' entspricht daher nicht den Anforderungen des § 1b RAO, welcher gegenüber den (subsidiären) Regelungen des UGB zur Firmenbildung als lex specialis anzusehen ist.“

Der dagegen angerufene Verfassungsgerichtshof bestätigte in seinem Erkenntnis vom 1. Dezember 2009, B 47/09, die schon im Erkenntnis B 1008/06 vertretene Auffassung, dass es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers hinsichtlich der Firmenbildung bei Rechtsanwalts-Gesellschaften liege, von den allgemeinen Regeln der Firmenbildung nach den §§ 17 ff UGB abzuweichen, auf einen Personenbezug der Firmenbezeichnung abzustellen und ausschließlich jene Zusätze für zulässig zu erklären, die auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft hinweisen. Die Aufnahme der Fantasiebezeichnung „Eversheds“ in den Firmenwortlaut sei unzulässig, weil es sich dabei weder um einen nach § 1b Abs 1 Satz 1 und 2 RAO zulässigen Namen noch um einen § 1b Abs 1 Satz 4 RAO zulässigen Sachbestandteil einer Firma handle. Außerdem ergäbe sich aus den Gesetzesmaterialien eindeutig, dass eine Fantasiebezeichnung nicht zulässig sei (unter Hinweis auf ErläutRV 1638 BlgNR 20. GP 14; ErläutRV 59 BlgNR 21. GP 22).

4. Die Berufung geht davon aus, dass diese Rechtsprechung (insbesondere das Erkenntnis Bkv 3/07) „überholt“ sei, weil die RAO lex specialis zum firmenliberalisierenden UGB sei, aber keine spezielle Regelung hinsichtlich Fantasie-Firmenbestandteilen enthalte, hinsichtlich welcher auf die allgemeine Regelung des UGB zurückzugreifen sei. Nach dem Willen des Gesetzgebers des UGB als lex posterior zur RAO, insbesondere aus den Materialien zum HaRÄG, BGBl I 2005/120 (ErläutRV 1058 BlgNR 22. GP 12 f) ergebe sich die generelle Zulässigkeit von Namens-, Sach- und Fantasiefirmen (auch für Rechtsanwalts-Gesellschaften). § 1b Abs 1 RAO sehe nur Spezialvorschriften für Namens- und Sachbestandteile der Firma einer Rechtsanwalts-Gesellschaft vor, enthalte aber keine Einschränkungen hinsichtlich der Zulässigkeit von Fantasiebestandteilen. § 1b Abs 1 RAO als Ausnahmeregelung von der allgemeinen Regelung der §§ 17 ff UGB sei somit einschränkend nur auf Namens- und Sachbestandteile, nicht aber auf Fantasiebestandteile anzuwenden, die somit zulässigerweise auch Bestandteil des Firmenwortlauts einer Rechtsanwalts-Gesellschaft sein dürfen.

5. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass schon vor dem Inkrafttreten des UGB „Fantasiebezeichnungen“ Bestandteile der Firma eines Kaufmanns sein konnten. § 18 Abs 2 Satz 2 HGB gestattete ausdrücklich „Zusätze, die zur Unterscheidung der Person oder des Geschäfts dienen“. Nach herrschender Auffassung waren schon damals reine Fantasieworte und sinnlose Abkürzungen erlaubt, sofern sie nur nicht täuschend waren (Schuhmacher in Straube, HGB I³ § 18 Rz 18). Durch die Liberalisierung des Firmenrechts im Zuge des HaRÄG, BGBl I 2005/120, entfiel vor allem der Zwang, den Unternehmensgegenstand oder den Namen eines Gesellschafters in die Firma einer Kapitalgesellschaft bzw den Namen eines Gesellschafters in die Firma einer Personenhandelsgesellschaft aufzunehmen (Dehn in Krejci ua, RK UGB § 18 Rz 2). Weiters kam es zu einer rechtsformunabhängigen Vereinheitlichung, wobei für die Zulässigkeit der Firmenbildung nun die Kriterien Kennzeichnungseignung, Unterscheidungskraft und Irreführungsverbot maßgeblich sind (§ 18 UGB).

Entgegen der Berufung hat somit nicht erst das UGB die Aufnahme von „Fantasiebezeichnungen“ in den Firmenwortlaut ermöglicht. Schon aus diesem Grund ist es verfehlt, dem Gesetzgeber des UGB (welches im Übrigen den Begriff der „Fantasiebezeichnung“ nicht kennt) eine Liberalisierung des Firmenbildungsrechts auch der RAO (durch die Ermöglichung der Aufnahme von Fantasiebezeichnungen) zu unterstellen.

6. Auch den von der Berufung zitierten Materialien zum HaRÄG, BGBl I 2005/120, ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung der Firmenbildungsvorschriften für Unternehmer auch die für Rechtsanwalts-Gesellschaften geltenden Spezialregelungen ändern wollte.

Die Berufung geht auch nicht darauf ein, dass kurz danach, nämlich mit dem BRÄG 2006, BGBl I 2005/163, gerade die hier relevante Bestimmung des § 1b Abs 1 RAO durch Anfügung des folgenden Satzes geändert wurde: „An die Stelle der Bezeichnung 'offene Gesellschaft' kann die Bezeichnung 'Partnerschaft' oder – sofern die Firma nicht die Namen aller Gesellschafter enthält – der Zusatz 'und (&) Partner', an die Stelle der Bezeichnung 'Kommanditgesellschaft' kann die Bezeichnung 'Kommandit-Partnerschaft' treten.“ Aus den Materialien (ErläutRV 1169 BlgNR 22. GP 29 f) ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit dieser Änderung der Aufhebung des EGG und den gesellschaftsrechtlichen Änderungen aufgrund des HaRÄG 2005 Rechnung tragen wollte. Da er in diesem Zusammenhang keine darüber hinausgehenden Änderungen der Firmenbildungsvorschriften für Rechtsanwalts-Gesellschaften beschlossen hat, kann der Schluss gezogen werden, dass er eine weitergehende Liberalisierung dieser Vorschriften nicht beabsichtigte.

7. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die oben referierten Entscheidungen zum Fall „Eversheds“ einen nach dem Inkrafttreten des UGB am 1. Jänner 2007 verwirklichten Sachverhalt betreffen und daher auch insofern nicht „überholt“ sind. Der Oberste Gerichtshof sieht auch deshalb keinen Grund, von der bisherigen Judikatur der OBDK (insbesondere Bkv 3/07) und des Verfassungsgerichtshofs (insbesondere B 47/09) abzugehen.

8. Den Berufungsausführungen, wonach sich eine Inländerdiskriminierung dadurch ergebe, dass niedergelassene europäische Rechtsanwälte in Österreich gemäß § 12 EuRAG (richtig: § 12 EIRAG) ihre „liberalere ausländische Berufsbezeichnung“ führen dürften, ist entgegenzuhalten, dass mit der „Berufsbezeichnung“ gemäß § 12 EIRAG die in der Anlage zum EIRAG genannten Bezeichnungen europäischer Rechtsanwälte in den jeweiligen Mitglieds- und anderen Vertragsstaaten gemeint sind (also zB „Rechtsanwalt“ oder „Avocat“), nicht aber jene Firmen, die europäische Rechtsanwalts-Gesellschaften zulässigerweise dort führen dürfen.

Die Berufung lässt auch außer Acht, dass auf die Rechtsanwalts-Gesellschaften niedergelassener europäischer Rechtsanwälte in Österreich die Firmenbildungsvorschriften des § 1b RAO anwendbar sind (§ 16 Abs 1 EIRAG).

Auch wenn § 59k dBRAO keine weiteren Anforderungen mehr enthalten mag, als dass die Firma einer deutschen Rechtsanwaltsgesellschaft nur die Bezeichnung „Rechtsanwaltsgesellschaft“ enthalten muss, kann darin die von der Berufung unterstellte Inländerdiskriminierung nicht erblickt werden. Zum einen steht dem Gesetzgeber bei der Regelung der Berufsausübung schon grundsätzlich ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen, als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf beschränken (VfGH B 330/07). Zum anderen ist eine in Österreich (etwa aufgrund einer hier eingetragenen Zweigniederlassung) tätige deutsche Rechtsanwaltsgesellschaft schon aufgrund der zwingend auf dem Briefpapier erforderlichen Angaben über ihren Sitz und das Registergericht dem Publikum zweifelsfrei als deutsche Rechtsanwalts-Gesellschaft erkennbar. Der mit der Führung eines liberaleren Firmenwortlauts allenfalls verbundene Vorteil fällt aber angesichts der erforderlichen Hinweise auf den Herkunftsstaat (und der damit verbundenen Aufklärung des Publikums, dass es sich nicht um eine österreichische Rechtsanwalts-Gesellschaft handelt) nicht so ins Gewicht, dass von einer Diskriminierung inländischer Rechtsanwalts-Gesellschaften gesprochen werden kann.

9. Der Berufung ist zuzugestehen, dass die Praxis der Rechtsanwaltskammern offensichtlich wiederholt die Aufnahme von Abkürzungen (in der Regel die Anfangsbuchstaben von Gesellschaftern) als Bestandteil des Firmenwortlauts – entgegen § 1b Abs 1 RAO – zugelassen hat. Da der Begriff „GEISTWERT“ erkennbar über eine bloße Abkürzung hinausgeht, können aus der Praxis zur Verwendung von Abkürzungen keine weitere Schlüsse für den vorliegenden Fall gezogen werden. Damit kann auch die Frage, ob diese Praxis durch den Gesetzeswortlaut noch gedeckt ist (Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO9 § 1b RAO Rz 5), im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben.

10. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass nach § 28 Abs 5 RL-BA 2015 nun auch die Führung einer Kurzbezeichnung zulässig ist. Diese ist jedoch nicht Bestandteil des Firmenwortlauts. Die von der Delegiertenversammlung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages auf der Grundlage von § 37 RAO erlassenen Richtlinien für die Berufsausübung haben außerdem nur Verordnungscharakter (etwa 26 Os 9/14i) und können daher keine Änderungen der gesetzlichen Grundlage für die Firmenbildung von Rechtsanwalts-Gesellschaften (§ 1b RAO) bewirken.

Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.