Dokument-ID: 009682

Judikatur | Entscheidung

2006/04/0038; VwGH; 27. Jänner 2010

GZ: 2006/04/0038 | Gericht: VwGH vom 27.01.2010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der A Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. Jänner 2006, Zl MA 63 - 103962F23/0003, betreffend Bestellung zum gewerberechtlichen Geschäftsführer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 345 Abs 9 iVm § 39 Abs 2 GewO 1994 fest, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung des H. zum gewerberechtlichen Geschäftsführer nicht gegeben seien und daher die Ausübung des Gewerbes „Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik“ durch H. als gewerberechtlichen Geschäftsführer untersagt werde.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften stellte die belangte Behörde fest, die Beschwerdeführerin habe mit Schreiben vom 14. Juli 2005 die Bestellung des H., der Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland und wohnhaft in H sei, zum gewerberechtlichen Geschäftsführer angezeigt. Der genannte H. sei sowohl handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführerin als auch handelsrechtlicher Geschäftsführer ihrer deutschen Muttergesellschaft. Rechtlich stelle sich die Frage, ob H. in der Lage sei, sich im Betrieb der Beschwerdeführerin im Sinne des § 39 Abs 2 erster Satz GewO 1994 „entsprechend zu betätigen". Bei der Auslegung dieser Wortfolge sei nach der Judikatur in erster Linie auf § 39 Abs 1 leg cit Bedacht zu nehmen, wonach der gewerberechtliche Geschäftsführer einerseits gegenüber dem Gewerbeinhaber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und andererseits gegenüber der Behörde für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich sei. Eine „entsprechende“ Betätigung im Sinne des § 39 Abs 2 GewO 1994 könne daher nur angenommen werden, wenn damit eine gesetzmäßige Gewerbeausübung sichergestellt sei und unter Bedachtnahme auf die im Einzelfall in Betracht zu ziehende gewerberechtliche Betätigung die bloße Scheinerfüllung dieses Erfordernisses ausgeschlossen werde. Nach der Judikatur müsse daher unter Berücksichtigung der Art und des Umfangs des Gewerbebetriebes sowie der Lebensumstände des Geschäftsführers die Beurteilung gerechtfertigt sein, dass der betreffende Geschäftsführer zu einer derartigen Betätigung in der Lage sei.

Im konkreten Fall habe die Beschwerdeführerin zur beruflichen Tätigkeit des H. bekannt gegeben, dieser sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer ihrer in Deutschland ansässigen Muttergesellschaft auf oberster Geschäftsebene tätig. Wie bei Tätigkeiten im Topmanagement allgemein üblich, sei hinsichtlich des Beschäftigungsausmaßes mit H. kein zeitlicher Rahmen vereinbart, weil sich dessen Tätigkeiten zeitlich und sachlich kaum abschließend beschreiben und eingrenzen ließen. Nach Angaben der Beschwerdeführerin betrage die wöchentliche Arbeitszeit des H. erfahrungsgemäß rund 60 bis 80 Stunden, mitunter sei er im Rahmen seines Verantwortungsbereiches beinahe rund um die Uhr im Einsatz, und zwar auch an Wochenenden, Feiertagen oder in den Nachtzeiten. Die Tätigkeiten des H. ließen sich aber, so die Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 6. Dezember 2005, nicht ausschließlich der Beschwerdeführerin oder ihrer Muttergesellschaft zuordnen, weil H. in beiden Gesellschaften in etwa denselben Verantwortungsbereich wahrnehme und seine Tätigkeiten daher, etwa im Rahmen von Geschäftsreisen, meist im Interesse beider Gesellschaften lägen. Eine tatsächliche Betätigung des H. als gewerberechtlicher Geschäftsführer erfolge sowohl durch regelmäßige persönliche Anwesenheit, indem er etwa zwei bis drei Mal pro Monat für jeweils einen gesamten Arbeitstag (10 bis 12 Stunden), sohin zumindest 20 bis 30 Stunden pro Monat persönlich im Gewerbebetrieb anwesend sei. Andererseits betätige sich H. im Gewerbebetrieb der Beschwerdeführerin auch durch „täglichen Kontakt mit den Angestellten der Firma (vor allem per Telefonkonferenz)“. Nach den Angaben der Beschwerdeführerin könne sich H. auf diese Weise vergewissern, dass die relevanten gewerberechtlichen Vorschriften eingehalten würden. In der genannten Stellungnahme habe die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Tätigkeit des H. auch „auf die (heutzutage fast unbegrenzten) Möglichkeiten der elektronischen Medien (E-Mail, Fax, Videotelefonkonferenzen, PC)“ hingewiesen, die die physische Präsenz jedenfalls im Hinblick auf die Anforderungen des gegenständlichen Gewerbebetriebes problemlos ersetzen würden. So ermöglichten es die genannten Kommunikationsmöglichkeiten, dass H. relevante eingehende Schriftstücke umgehend erhalte und ausgehende Schriftstücke vor ihrer Versendung (auch kurzfristig) prüfen und allenfalls elektronisch überarbeiten könne, gegebenenfalls nach einer telefonischen Rücksprache mit dem zuständigen Mitarbeiter.

Hinsichtlich des Umfanges des gegenständlichen Gewerbebetriebes ging die belangte Behörde davon aus, die Beschwerdeführerin betreibe die freien Gewerbe Handels- und Handelsagentengewerbe sowie die Erbringung von Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik. Die gewerblichen Tätigkeiten würden ausschließlich am Betriebsstandort und nicht, wie etwa Computernotdienste, am Ort des Kunden oder als Einzelleistungen gegenüber Endverbrauchern erbracht. Eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage werde seitens der Beschwerdeführerin nicht betrieben.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Ansicht, die persönliche Anwesenheit im Betrieb der Beschwerdeführerin an lediglich zwei bis drei Tagen zu je 10 bis 12 Stunden pro Monat schließe es aus, dass H. eine seiner Verantwortlichkeit entsprechende Betätigung im Unternehmen der Beschwerdeführerin, insbesondere bei der erforderlichen Kontrolle der Tätigkeit der Mitarbeiter, entfalten könne. Was dabei die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten betreffe, so verwies die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. November 1988, Zl 86/04/0107, in dem ausgesprochen worden sei, dass schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine telefonische Kontaktnahme eine unmittelbar im Betrieb vorgenommene Kontrolle nicht zu ersetzen vermöge und dass die Führung mehrerer Gewerbebetriebe auf einer überbetrieblichen Grundlage nicht das Erfordernis einer entsprechenden Betätigung im Betrieb erfülle. Daraus lasse sich nach Ansicht der belangten Behörde „verallgemeinernd der Grundsatz gewinnen“, dass im Rahmen der Beurteilung, ob jemand in der Lage sei, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, „ausschließlich auf dessen Möglichkeiten im betreffenden Betrieb persönlich anwesend zu sein, abzustellen sei“. Die Kontaktaufnahme mit den Mitarbeitern „per Telefon oder unter Inanspruchnahme elektronischer Kommunikationsmittel“ könne die Intensität einer unmittelbar im Betrieb vorgenommenen Kontrolle nicht erreichen, sodass die dem H. zweifellos zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation bei der gegenständlichen Beurteilung „außer Betracht zu bleiben“ hätten.

Zusammenfassend könne daher im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin ausgeübten freien Gewerbe (einerseits Handels- und Handelsagentengewerbe sowie andererseits die Erbringung von Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik) sowie unter Berücksichtigung des Umfanges ihres Gewerbebetriebes (37 Mitarbeiter, Jahresumsatz rund 100 Mio Euro) aufgrund der genannten beruflichen Auslastung des H. und seiner bloß zwei- bis dreimaligen Anwesenheit im Gewerbebetrieb der Beschwerdeführerin nicht davon ausgegangen werden, dass H. eine seiner Verantwortlichkeit als Geschäftsführer entsprechende Betätigung im Unternehmen der Beschwerdeführerin entfalten werde können. Zur Klarstellung sei seitens der belangten Behörde anzumerken, dass die vorliegende Entscheidung auf das Fehlen der Voraussetzung des § 39 Abs 2 erster Satz GewO 1994 abstelle und nicht auf den in § 39 Abs 2a GewO 1994 geregelten Wohnsitz des Geschäftsführers.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdefalls ist die rechtliche Beurteilung der Bestellung des H. zum gewerberechtlichen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin. Im Hinblick auf den konstitutiven Charakter der Anzeige dieser Bestellung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Anzeige (14. Juli 2005) abzustellen (vgl das hg Erkenntnis vom 13. Dezember 2000, Zl 2000/04/0172, mwN).

Im Beschwerdefall sind daher folgende Bestimmungen der GewO 1994 maßgebend:

„a) Gewerberechtlicher Geschäftsführer

§ 39. (1) Der Gewerbeinhaber kann für die Ausübung seines Gewerbes einen Geschäftsführer bestellen, der dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde (§ 333) gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist; er hat einen Geschäftsführer zu bestellen, wenn er den Befähigungsnachweis nicht erbringen kann oder wenn er keinen Wohnsitz im Inland hat, sofern die Zustellung der Verhängung und die Vollstreckung von Verwaltungsstrafen nicht durch Übereinkommen sichergestellt sind.

(2) Der Geschäftsführer muss den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen und in der Lage sein, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, insbesondere dem Abs 1 entsprechende, selbstverantwortliche Anordnungsbefugnis besitzen. Er muss der Erteilung der Anordnungsbefugnis und seiner Bestellung nachweislich zugestimmt haben.

(2a) Der Geschäftsführer muss seinen Wohnsitz im Inland haben. Dies gilt nicht, sofern

a) die Zustellung der Verhängung und die Vollstreckung von Verwaltungsstrafen durch Übereinkommen sichergestellt sind oder

b) es sich um Staatsangehörige einer EWR-Vertragspartei handelt, die ihren Wohnsitz in einem EWR-Vertragsstaat haben.

(3) In den Fällen, in denen ein Geschäftsführer zu bestellen ist, muss der Gewerbeinhaber sich eines Geschäftsführers bedienen, der sich im Betrieb entsprechend betätigt.

(4) Der Gewerbeinhaber hat die Bestellung und das Ausscheiden des Geschäftsführers der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen (§ 345 Abs 2 und 3).

(5) Der Gewerbeinhaber ist von seiner Verantwortung, für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften im Rahmen des § 370 nur befreit, wenn er die Bestellung eines dem Abs 2 entsprechenden Geschäftsführers gemäß Abs 4 angezeigt hat.

c) Anzeigeverfahren

§ 345. (1) …

(2) Die Anzeigen (…) gemäß § 39 Abs 4 (Bestellung und Ausscheiden eines Geschäftsführers für die Ausübung eines Gewerbes) (…) sind bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Standortes zu erstatten.

(9) Werden durch dieses Bundesgesetz vorgeschriebene Anzeigen erstattet, obwohl hiefür die jeweils geforderten gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, so hat die Behörde, bei der die Anzeige erstattet worden ist – unbeschadet eines Verfahrens nach §§ 366 ff – dies mit Bescheid festzustellen und die Maßnahme oder die Tätigkeit, die Gegenstand der Anzeige ist, zu untersagen.

…“

Wie dargestellt hat die belangte Behörde die Bestellung des H. zum gewerberechtlichen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin im Wesentlichen deshalb untersagt, weil dieser nach Ansicht der belangten Behörde nicht in der Lage sei, sich im Betrieb der Beschwerdeführerin „entsprechend zu betätigen“, sodass § 39 Abs 2 erster Satz GewO 1994 nicht erfüllt sei. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Geschäftsführer in der Lage sei, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, sei nämlich nach Ansicht der belangten Behörde ausschließlich darauf abzustellen, ob bzw wie oft der Betreffende persönlich im Betrieb anwesend sei.

Dem gegenüber vertritt die Beschwerde zusammengefasst den Rechtsstandpunkt, dass eine entsprechende Betätigung im Gewerbebetrieb im Sinne der letztgenannten Bestimmung nicht nur im Rahmen der persönlichen Anwesenheit möglich sei, sondern auch im Wege der heutzutage fast unbegrenzten Möglichkeiten elektronischer Medien, wie insbesondere E-Mail, Fax, Videotelefonkonferenzen und PC. Mit diesen Kommunikationsmöglichkeiten könne der zum gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellte H. ohne Schwierigkeiten beispielsweise einlangende Schriftstücke umgehend erhalten, ausgehende Schriftstücke vor ihrer Versendung (auch kurzfristig) prüfen, allenfalls auch elektronisch eingehend überarbeiten, all dies gegebenenfalls nach einer telefonischen Rücksprache mit dem zuständigen Mitarbeiter. Zudem bestehe zwischen H. und den Mitarbeitern der Beschwerdeführerin durch allgemein übliche Telefonkonferenzen regelmäßiger Kontakt. Wenn die belangte Behörde diese Möglichkeiten einer entsprechenden Betätigung im Betrieb als unerheblich ansehe und sich dazu auf die Judikatur aus 1988 berufe, so sei ihr zu entgegnen, dass im zitierten Erkenntnis die heutigen Möglichkeiten nicht vorhersehbar gewesen seien. Die belangte Behörde hätte daher im angefochtenen Bescheid nicht nur auf die in Rede stehenden Kommunikationsmöglichkeiten Bedacht nehmen müssen, sondern entsprechend der einschlägigen Judikatur auch auf die Art des gegenständlichen Gewerbebetriebes. Nicht nur, dass die Beschwerdeführerin als – einschlägig tätiges – Technologie-Handelsunternehmen die genannten Kommunikationsmöglichkeiten in ihrer täglichen Praxis laufend und im größtmöglichen Umfang einsetze, sei auch zu beachten, dass es sich gegenständlich um ein freies Gewerbe handle, das keine besonderen Ausübungsregeln kenne und das, wie bereits im Verwaltungsverfahren vorgebracht, ohne genehmigungspflichtige Betriebsanlage ausgeübt werde. Die belangte Behörde hätte daher nach Ansicht der Beschwerdeführerin im Hinblick darauf, dass H. zumindest 20 bis 30 Stunden pro Monat persönlich im Gewerbebetrieb anwesend sei und überdies täglich im Kontakt mit den Angestellten der Firma stehe, dies vor allem per Telefonkonferenz, die Tatbestandsvoraussetzung einer entsprechenden Betätigung im Sinne des § 39 Abs 2 erster Satz GewO 1994 als erfüllt ansehen müssen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes der „entsprechenden“ Betätigungsmöglichkeit eines Geschäftsführers im Sinne des § 39 Abs 2 GewO 1994 in erster Linie auf die Bestimmungen der Abs 1 und 5 des § 39 leg cit Bedacht zu nehmen, aus denen hervorgeht, dass der bestellte gewerberechtliche Geschäftsführer der Behörde gegenüber anstelle des Gewerbeinhabers für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist. Daraus ergibt sich – im Zusammenhang mit der Art der von dem jeweils in Betracht kommenden Gewerbe umfassten Tätigkeit – auch das Ausmaß des erforderlichen Betätigungsumfanges des Geschäftsführers. Eine entsprechende Betätigung kann danach nur angenommen werden, wenn durch sie eine gesetzmäßige Gewerbeausübung sichergestellt und somit unter Bedachtnahme auf die im Einzelfall in Betracht zu ziehende gewerberechtliche Betätigung die bloße Scheinerfüllung dieses Erfordernisses ausgeschlossen wird. Es muss somit unter Bedachtnahme auf die Art bzw auf den Umfang des Gewerbebetriebes und auf die Lebensumstände des Geschäftsführers die Beurteilung gerechtfertigt sein, dass der Geschäftsführer zu einer derartigen Betätigung in der Lage ist (vgl zum Ganzen die hg Erkenntnisse vom 13. Dezember 2000, Zl 2000/04/0172, und vom 25. Februar 2002, Zl 2001/04/0228, je mwN).

Ausgehend von dieser Rechtsprechung ist daher im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die dargestellte Betätigung des H. im Unternehmen der Beschwerdeführerin – vor allem auch im Hinblick auf die Art des Gewerbes (Handelsgewerbe und Handelsagentengewerbe bzw Erbringung von Dienstleistungen in der ADV) – eine ausreichende Wahrnehmung der Verantwortung des Geschäftsführers gegenüber der Behörde für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften ermöglicht.

Die belangte Behörde hat diese Frage deshalb verneint, weil sie jene Tätigkeiten, die H. im Gewerbebetrieb der Beschwerdeführerin im Wege elektronischer Kommunikationsmedien vornimmt, von vornherein als nicht ausreichend angesehen hat.

Wenn sich die belangte Behörde dazu auf das Erkenntnis vom 22. November 1988, Zl 86/04/0107, stützt, so ist einerseits anzumerken, dass in diesem Erkenntnis „allein“ der Umstand des Aufenthaltes des Geschäftsführers in 14-tägigen Abständen und telefonische Kontakte entscheidungsrelevant war. Andererseits ist mit der Beschwerde darauf hinzuweisen, dass im genannten Erkenntnis die heutigen umfangreichen Möglichkeiten elektronischer Kommunikation – naturgemäß – noch nicht berücksichtigt sind.

Zu beachten ist im gegebenen Zusammenhang auch der durch die Novelle BGBl I Nr 88/2000 eingefügte (oben im Wesentlichen zitierte) § 39 Abs 2a GewO 1994:

Nach dieser (in Reaktion auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 7. Mai 1998, Rs C-350/96, Clean Car Autoservice, ergangenen, eine Diskriminierung von Gemeinschaftsbürgern hintanhaltenden Bestimmung besteht das Erfordernis eines inländischen Wohnsitzes in einem Fall wie dem vorliegenden (der bestellte Geschäftsführer ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland und hat seinen Wohnsitz ebenda) zufolge lit b der letztgenannten Bestimmung nicht. Die Gesetzesmaterialien (IA 166/A XXI. GP und AB 212 BlgNR XXI. GP) führen zu § 39 Abs 2a GewO 1994 übereinstimmend aus:

„Nach wie vor uneingeschränkt gültig ist die Vorschrift, dass der Geschäftsführer in der Lage sein muss, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen. Die Behörde wird somit zu beurteilen haben, inwiefern dieser Vorschrift entsprochen werden kann, wenn sich der Wohnsitz des Geschäftsführers in großer Entfernung von dem Unternehmen befindet, zu dessen Geschäftsführer er bestellt werden soll.“

Vor diesem Hintergrund ist daher auch gegenständlich – mit Blick auf die Art des ausgeübten Gewerbes und die Besonderheiten des Betriebes der Beschwerdeführerin – zu prüfen, ob der zum gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellte H. (unbeschadet seines Wohnsitzes in Deutschland) in der Lage ist, sich im Betrieb der Beschwerdeführerin entsprechend zu betätigen. Im konkreten Fall übt die Beschwerdeführerin unstrittig die freien Gewerbe Handels- und Handelsagentengewerbe sowie die Erbringung von Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik aus, und zwar ausschließlich am Betriebsstandort. Nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beschwerdeführerin erbringt diese keine Leistungen am Ort des Kunden, wie etwa einen Computernotdienst, und keine Einzelleistungen bzw Einzellieferungen an Endverbraucher. Die belangte Behörde geht somit selbst davon aus, dass das gesamte wesentliche Betriebsgeschehen der Beschwerdeführerin an ihrem Betriebsstandort abläuft, wobei die Beschwerdeführerin nicht einmal eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage betreibt. Angesichts dieser Umstände vermag der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsansicht der belangten Behörde, der bestellte Geschäftsführer könne seine Aufsichtspflichten und seine Verantwortung ausschließlich bei persönlicher Anwesenheit im Betrieb, nicht aber durch die täglichen Kontakte mit elektronischen Medien wie etwa Videokonferenzen wahrnehmen, nicht zu teilen. Auch die belangte Behörde zeigt nämlich gegenständlich keine konkreten Gefahren oder Verantwortungslücken auf, die sich durch die nicht ständige persönliche Anwesenheit des Geschäftsführers ergeben könnten. Der Verwaltungsgerichtshof vermag bei diesen Gegebenheiten aber auch nicht zu erkennen, dass das Ausmaß der persönlichen Anwesenheit des Geschäftsführers im Betrieb der Beschwerdeführerin (20 bis 30 Stunden pro Monat) nicht ausreiche, um (gemeinsam mit den täglichen Kontrollen auf elektronischem Weg) eine entsprechende Betätigung im Sinne des § 39 Abs 2 GewO 1994 vornehmen zu können.

Da dem angefochtenen Bescheid nach dem Gesagten eine unzutreffende Rechtsansicht zu Grunde liegt, war dieser wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl Nr 455.

Wien, am 27. Jänner 2010

Leitsätze