Dokument-ID: 286643

Judikatur | Entscheidung

2007/08/0039; VwGH; 9. September 2009

GZ: 2007/08/0039 | Gericht: VwGH vom 09.09.2009

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der Y Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. Alfred Pressl, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hetzgasse 45, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. Jänner 2007, Zl MA 15-II-2-6550/2006, betreffend Haftung gemäß § 67 Abs 4 ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 11. Mai 2006 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die beschwerdeführende Partei gemäß § 67 Abs 4 ASVG zur Zahlung von EUR 91.152,11 samt Verzugszinsen.

In der Begründung führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, der Betriebsvorgänger der beschwerdeführenden Partei (nach dem Spruch des Bescheides war dies die YS Gesellschaft mbH) habe in Wien, G-Gasse, „eine GmbH“ geführt. Am 30. April 2003 habe die beschwerdeführende Partei aufgrund eines mit dem Betriebsvorgänger abgeschlossenen Veräußerungsgeschäftes diesen Betrieb übernommen. Auf einem näher bezeichneten Beitragskonto seien die im – dem erstinstanzlichen Bescheid beiliegenden – Rückstandsausweis vom 14. April 2006 ausgewiesenen, in den Haftungszeitraum des § 67 Abs 4 ASVG fallenden Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren unbeglichen.

Eine nähere Begründung, weshalb die beschwerdeführende Partei als Betriebsnachfolger der YS Gesellschaft mbH im Sinn des § 69 Abs 4 ASVG anzusehen sei, enthält der erstinstanzliche Bescheid nicht.

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch brachte die beschwerdeführende Partei zusammengefasst vor, dass die Voraussetzungen des § 67 Abs 4 ASVG nicht vorlägen, da die wesentlichen Betriebsmittel nicht übernommen worden seien.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch als unbegründet ab. Sie ging dabei vom folgenden Sachverhalt aus:

In der Verhandlung vor der belangten Behörde vom 18. September 2006 habe die beschwerdeführende Partei vorgebracht, dass die Höhe des Haftungsbetrages nicht nachvollziehbar sei und darüber hinaus nicht klar sei, ob die Beiträge vom Insolvenz-Ausfallgeldfonds sowie die Konkursquote in Höhe von 8,47 % bereits beim Haftungsbetrag berücksichtigt seien. Dazu habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit Schreiben vom 5. Oktober 2006 mitgeteilt, dass es sich bei der YS GmbH um einen „Selbstabrechner“ gehandelt habe, wobei die Kasse ihren Beitragsvorschreibungen die vom Dienstgeber bekannt gegebenen Bruttoentgelte der angemeldeten Dienstnehmer zugrunde gelegt habe. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe in diesem Zusammenhang die vom Dienstgeber (Betriebsvorgänger) erstatteten Beitragsnachweisungen vorgelegt, aus denen die jeweilige Beitragsgruppe, die Höhe der Bruttoentgelte sowie die Anzahl der Beschäftigten ersichtlich sei. Weiters habe die Kasse die bezughabenden Beitragskontrollabrechnungen beigelegt, aus denen die jeweiligen Buchungen der Beitragsnachweisungen und der eingegangen Zahlungen ersichtlich seien. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe darüber hinaus auch die Beitragsgrundlagennachweisungen für die Kalenderjahre 2002 und 2003 vorgelegt, aus denen die Dienstnehmer und deren Versicherungszeiten und Beitragsgrundlagen ersichtlich seien. Darüber hinaus sei von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse mitgeteilt worden, dass im Konkurs der YS GmbH eine Quote von 8,49343 % ausgeschüttet worden sei, welche an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in zwei Beträgen, nämlich am 11. November 2005 in Höhe von EUR 424,67 und am 14. November 2005 in Höhe von EUR 11.074,37 überwiesen worden sei. Nach Aufhebung des Konkurses über das Vermögen der YS GmbH habe der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds am 23. März 2006 Dienstnehmeranteile in Höhe von EUR 41.101,58 an die Kasse überwiesen. Die genaue Widmung sei dem Interimskontoauszug vom 23. März 2006 zu entnehmen. Auf diesem Interimskontoauszug sei in der „Haben“-Spalte jeweils der Dienstnehmeranteil des betreffenden Beitragszeitraumes ersichtlich. Der Beitragszeitraum sei in der ersten Spalte mit der Überschrift „Text“ ersichtlich und laute beispielsweise in der zweiten Zeile „Umbuchung 3/02 EUR 223,49“. Dieses Schreiben der mitbeteiligten Partei sei der beschwerdeführenden Partei zusammen mit den vorgelegten Unterlagen zur Kenntnis gebracht und die Gelegenheit geboten worden, hiezu Stellung zu nehmen.

Die beschwerdeführende Partei habe ausgeführt, dass auch nach Vorlage der den Haftungsbetrag aufschlüsselnden Unterlagen nicht ersichtlich sei, dass ein die Haftung der beschwerdeführenden Partei begründender Tatbestand im Sinne einer Betriebsübernahme verwirklicht worden wäre. Den von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse herangezogenen Argumenten, dass es mit dem Masseverwalter zu einem Vergleich gekommen sei sowie Dienstnehmer, Kundenstock und Inventar der Y übernommen worden seien, komme keine Berechtigung zu. Der Masseverwalter über das Vermögen der YS GmbH sei der verfehlten Ansicht gewesen, dass es zu einer Übertragung des Unternehmens der YS GmbH auf die beschwerdeführende Partei gekommen sei. Vom Masseverwalter seien Forderungen der YS GmbH aus an die beschwerdeführende Partei fakturierten Rechnungen geltend gemacht worden, welche zwar im Wege der Kompensation bereits beglichen worden seien, hinsichtlich welcher jedoch eine Anfechtbarkeit infolge der Konkurseröffnung im Raum gestanden sei. Das Bestehen von allenfalls offenen Rechnungen der YS GmbH aufgrund einer möglicherweise erfolgreichen Anfechtung durch den Masseverwalter sei Motivation und ausschließlicher Grund gewesen, den von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse hervorgehobenen Vergleich abzuschließen. Aus diesem Umstand könne aber nicht auf das Faktum der Betriebsübernahme geschlossen werden. Eine Übernahme von Dienstnehmern sei nicht erfolgt. Die YS GmbH sei bis zur Konkurseröffnung und daher auch nach dem behaupteten Zeitpunkt des Betriebsüberganges am 30. April 2003 aktiv gewesen. Auf Grund einer nachhaltigen Flaute im Internetbereich und der mangelnden Unterstützung durch den damaligen Partner der YS GmbH habe für die Geschäftsentwicklung in der damaligen Konzeption keine Zukunft mehr bestanden, sodass im zweiten Halbjahr 2002 eine Reorganisation des Geschäftsbereiches der YS GmbH vorgenommen habe werden müssen. Dies habe bedeutet, den Verwaltungsapparat – insbesondere die Vielzahl der Mitarbeiter und die Größe des Bestandsobjektes – drastisch zu reduzieren und sich vermehrt dem bis dahin zumindest positiven Geschäftsfeld, nämlich der Technologie und technischen Umsetzung der Websites, zu widmen. Es sei daher das Bestandsobjekt C-Gasse, Wien, welches eine Fläche von 807 m² aufgewiesen habe, aufgekündigt worden, um die Raummiete zu reduzieren. Für die YS GmbH sei es erforderlich gewesen, den Personalstand abzusenken, weshalb die Dienstverhältnisse zu den Mitarbeitern FS und DR mit jeweils 31. August 2002 und zu VP mit 30. September 2002 aufgelöst worden seien. Auch das Dienstverhältnis zu NR sei mit 30. September 2004 aufgelöst worden. Auf Grund der Einschränkung der Geschäftstätigkeit habe für die Sekretärin SR keine Vollauslastung bestanden, weshalb diese in einem bestimmten Stundenausmaß für die Erbringung von „Officemanagementleistungen“ zu einem geringen Teil der Beschwerdeführerin sowie einer weiteren, näher genannten, Gesellschaft zur Verfügung gestellt worden sei. Im entsprechenden Ausmaß der Leistungserbringung habe die YS GmbH für die Zurverfügungstellung von SR deren Arbeitsleistung auch in Rechnung gestellt.

Die genannte Dienstnehmerin SR und der Dienstnehmer MW seien jedoch bis 31. Mai 2003 bei der YS GmbH beschäftigt gewesen. MG sei bis 30. Juni 2003 bei der YS GmbH beschäftigt gewesen. Das Dienstverhältnis des Dienstnehmers ML habe während der Zeit von Februar 2003 bis zur Konkurseröffnung „geruht“, da er während dieser Zeit seinen Zivildienst absolviert habe. Im Zeitraum März bis Mai 2003 sei ML neben seinem Zivildienst für die YS GmbH auch geringfügig beschäftigt gewesen.

Aus dieser geschilderten durch die Reorganisation des fortgeführten Betriebs der YS GmbH bedingten Auflösung von einzelnen Dienstverhältnissen könne kein Betriebsübergang konstruiert werden.

Die beschwerdeführende Partei habe nicht den Kundenstock bzw aufrechte Kundenverbindungen der YS GmbH übernommen. Wenn die beschwerdeführende Partei und die YS GmbH in der Zeit vor der Konkurseröffnung vereinzelt dieselben Kunden gehabt haben sollten, liege der Grund darin, dass diese Kunden sowohl von der YS GmbH als auch von der beschwerdeführenden Partei gleichzeitig, aber in verschiedenen Geschäftsbereichen betreut worden seien. Nach der Konkurseröffnung und der Schließung des Betriebs durch den Masseverwalter hätten ehemalige Kunden der YS GmbH bei der beschwerdeführenden Partei angefragt, ob eine allfällige weitere Betreuung mit den Agenden, welche ursprünglich von der YS GmbH ausgeführt worden seien, erfolgen könne. Aus einer Gegenüberstellung der Kundenliste der YS GmbH und der Kundenliste der beschwerdeführenden Partei sei ersichtlich, dass es zu keiner Übernahme von Kunden der YS GmbH durch die beschwerdeführende Partei gekommen sei. Lediglich in vier Fällen liege eine Übereinstimmung vor. Im Zuge des Kaufvertrages vom 30. April 2003 seien lediglich von der YS GmbH nicht mehr benötigte bzw im Zuge der Unternehmensreorganisation und Verlegung des Unternehmenssitzes nicht mehr ausgelastete Büroeinrichtungsgegenstände und Computer-Hardware übernommen worden. Die genannten Gegenstände seien für die tatsächlich erfolgte Fortführung des Betriebs der YS GmbH nicht mehr erforderlich gewesen und hätten auch keine Betriebsmittel dargestellt, die es der beschwerdeführenden Partei ermöglicht hätten, den Betrieb der YS GmbH fortzuführen.

Nach dieser Darlegung des Verfahrensgangs verwies die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf § 67 Abs 4 ASVG sowie die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und zitierte dann wörtlich die Aussagen des ehemaligen Geschäftsführer der YS GmbH in der Verhandlung vom 18. September 2006. Dieser habe Folgendes angegeben (Schreibfehler im Original):

„Bei der Firma YS GmbH handelte es sich um ein Unternehmen, das sich mit Software und zwar insbesondere mit der Erstellung von Websites für Kunden beschäftigte. Es handelte sich hierbei um eine reine Programmiertätigkeit. Die Websites wurden in Zusammenhang mit einem Graphikbüro und den Kundenwünschen über den Inhalt erstellt und von unserer Firma ins Internet gestellt. Es spielte sich so ab, dass der Kunde beim Internetprovider um eine Domain mit Speicher für die Erstellung einer Internetseite beim Internetprovider ansuchte. YS GmbH programmierte dann mit einer Software auf den Server des Providers bei der entsprechende Domain am Speicherplatz die Website.

Der Betriebsort war bis Ende April 2003 in der C-Gasse. Die Mitarbeiterzahl fluktuierte. Im Dezember 2002 hatte die Firma zirka 9 Dienstnehmer. Bis April 2003 wurden diese Dienstverhältnisse abgebaut und die Firma hatte nur mehr einen Halbtagsangestellten und einige freiberuflich tätige Mitarbeiter, die die Firma aus einem Pool bezogen hat.

Die Betriebsräumlichkeiten der YS GmbH in der C-Gasse umfassten zirka 100 m², weitere 120 m² am selben Betriebsort teilten sich die Y GmbH und die adverserve GmbH. Bei der Y GmbH war Frau (VP) Geschäftsführerin und bei der adverserve GmbH war unter anderem Herr (MP) Geschäftsführer und Gesellschafter. Die Y GmbH hat die Betriebsräumlichkeiten sowohl an die YS GmbH als auch an die adverserve GmbH untervermietet. Da die YS GmbH die Untermiete nicht mehr bezahlen konnte, erfolgte der Umzug in die G-Gasse und deren Räumlichkeiten wurden in der C-Gasse an die adverserve GmbH untervermietet.

Die von der YS GmbH benützten 100 m² waren in fünf Räumlichkeiten aufgeteilt. Es gab für alle Firmen einen gemeinsamen Eingangsbereich und auch eine Küche, die die Firma YS GmbH benützt hat. Grundsätzlich bestand die Ausstattung aus dem in der Aufstellung zum Kaufvertrag von 30. April 2003 genannten Einrichtungsgegenständen und Hardware. Lediglich zwei Regale, ein Bürotisch, ein Besprechungstisch und vier Sesseln sind in die G-Gasse transportiert worden. Darüber hinaus gab es eine Anzahl von Computern, die keinen Dienst mehr leisteten und daher auch nicht mehr benötigt wurden, die im Keller der Y GmbH gelagert wurden, bis diese vom Gericht abgeholt und verwertet wurden. Der materielle Wert dieser Geräte war sehr gering. Die in der Aufstellung zum Kaufvertrag vom 30. April 2003 genannte Hardwäre sind qualitativ höherwertige PC's.

Die Firma YS GmbH hat auch selbst Domains gehabt und solche auch für Kunden beantragt. Diese vorhandenen Domains wurden dann von Masseverwalter um EUR 1.050,– verkauft.

Für die Tätigkeit braucht man notwendigerweise einen Programmierer, einen Rechner (PC oder Notebook) und einen Internetprovider (Telekommunikationsunternehmen) bei dem der Server steht. Der Internetprovider ist Vertragspartner der Firma YS GmbH bzw Vertragspartner des Kunden.

Nach Konkurseröffnung im September 2003 wurde vom Masseverwalter der Leasingvertrag für einen VW Kastenwagen aufgelöst und wurde ein neuer Leasingvertrag im September 2003 mit der Y GmbH abgeschlossen. Nach Konkurseröffnung der YS GmbH war im Gespräch, dass die Y GmbH die Telefonverträge der YS GmbH mit ONE übernimmt. Dies ist jedoch nicht zustande gekommen.

Die von der Y GmbH von der YS GmbH mit Kaufvertrag erworbenen Betriebsmittel wurden der adverserve GmbH zur Verfügung gestellt, die auch die Räumlichkeiten der YS GmbH angemietet hat. Die adverserve GmbH ist in der Werbebranche tätig.

Von den etwa sieben Dienstnehmern, die im Jahr 2003 von der YS GmbH beschäftigt wurden, waren dann auch zwei kurzfristig bei der Y GmbH.

Ab Mai 2003 war die YS GmbH weiterhin tätig und hat eine Halbtagskraft als Dienstnehmer beschäftigt. Es wurden auch mehrere Beschäftigte tätig, die Werkverträge hatten und war der Betriebsort in der G-Gasse. Am 15. Juli 2003 wurde über das Vermögen der YS GmbH der Konkurs eröffnet.“

Auf Grund dieser Aussagen ergäbe sich, dass die Y GmbH (gemeint wohl: YS GmbH) mit dem Kaufvertrag vom 30. April 2003 nahezu die gesamten Einrichtungsgegenstände und die gesamte in Verwendung stehende Hardware an die YS GmbH (gemeint wohl: die beschwerdeführende Partei) veräußert habe, wobei der YS GmbH lediglich eine minimale Büroausstattung verblieben sei, welche an den neuen Betriebsort in die G-Gasse transportiert worden sei. Darüber hinaus sei eine Anzahl von Computern verblieben, die keinen Dienst mehr leisteten und deren materieller Wert sehr gering sei. Auch die vorhandenen Domains hätten nur einen geringen Wert, da sie vom Masseverwalter um lediglich EUR 1.050,– verkauft worden seien. Die belangte Behörde sei daher zur Auffassung gelangt, dass im vorliegenden Fall die nach Betriebsart bzw Betriebsgegenstand wesentlichen Betriebsmittel durch die beschwerdeführende Partei erworben worden seien. Abgerundet werde dieses Bild noch dadurch, dass einige der vormals bei der YS GmbH beschäftigten Dienstnehmer bei der beschwerdeführenden Partei tätig gewesen seien. Teilweise seien auch die Kunden gleich geblieben und bezüglich des von der YS GmbH benützten VW Kastenwagens sei ein neuer Leasingvertrag (mit der beschwerdeführenden Partei) abgeschlossen worden. Zum Einwand der beschwerdeführenden Partei, dass ihr Geschäftsbereich nichts mit dem Geschäftsbereich der YS GmbH gemeinsam gehabt habe, führte die belangte Behörde aus, dass dies nicht geeignet sei, eine Betriebsnachfolgehaftung auszuschließen. Gleiches gelte auch für den Umstand, dass der Sitz des Unternehmens des Betriebsvorgängers in die G-Gasse verlegt worden sei und keine Softwareprogramme übernommen worden seien. Zum Einwand der beschwerdeführenden Partei, dass die YS GmbH auch noch nach dem Kaufvertrag vom 30. April 2003 aktiv gewesen sei, hielt die belangte Behörde fest, dass über das Vermögen der YS GmbH bereits am 15. Juli 2003 das Konkursverfahren eröffnet worden sei, was den Schluss zulasse, dass nach dem Verkauf der wesentlichen Betriebsmittel kein Betrieb mehr vorgelegen sei, der auf Dauer lebensfähig gewesen wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Partei hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 67 Abs 4 ASVG haftet bei der Übereignung eines Betriebes der Erwerber für Beiträge, die sein Vorgänger zu zahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers sowie der Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 1409 ABGB unter Bedachtnahme auf § 1409a ABGB und der Haftung des Erwerbers nach § 25 des Handelsgesetzbuches HGB (nunmehr § 38 UGB), für die Zeit von höchstens zwölf Monaten vom Tag des Erwerbes zurückgerechnet. Im Falle einer Anfrage beim Versicherungsträger haftet er jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist.

Zentraler Gesichtspunkt der Betriebsnachfolge im Sinne des § 67 Abs 4 ASVG ist der Erwerb einer funktionsfähigen Einheit und daher derjenigen Betriebsmittel, durch die der Erwerber in die Lage versetzt wird, den Betrieb des Vorgängers fortzuführen, wobei unerheblich ist, ob auch tatsächlich eine solche Fortführung erfolgt. Es ist auch nicht entscheidend, ob im Fall der Betriebsfortführung der Betriebsgegenstand und die Betriebsart gleich bleiben (vgl dazu das hg Erkenntnis vom 29. März 2006, Zl 2004/08/0122, mit Hinweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. November 1983, Zl 82/08/0021, Slg Nr 11.241/A).

Zum Betriebserwerb ist es nicht erforderlich, dass alle zum Betrieb gehörenden Betriebsmittel erworben werden; es genügt vielmehr der Erwerb jener Betriebsmittel, die die (nach Betriebsart und Betriebsgegenstand) wesentliche Grundlage des Betriebes des Betriebsvorgängers gebildet haben und den Erwerber mit ihrem Erwerb in die Lage versetzen, den Betrieb fortzuführen. Welche Betriebsmittel in diesem Sinne wesentlich sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles und hängt im Besonderen von Art und Gegenstand des Betriebes ab. Der Erwerb einzelner, nicht die wesentliche Grundlage des Betriebes darstellender Betriebsmittel von einem Dritten schließt die Betriebsnachfolge nicht aus (vgl zuletzt das hg Erkenntnis vom 21. Jänner 2009, Zl 2006/08/0191).

2. Die beschwerdeführende Partei macht zusammengefasst geltend, dass die mit Kaufvertrag vom 30. April 2003 von der YS GmbH übernommenen Gegenstände keinen Betrieb oder einen organisatorisch selbständigen Teilbetrieb darstellten bzw diese auch nicht als die wesentliche Grundlage des Betriebs bzw Teilbetriebs der YS GmbH bildende Betriebsmittel im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu qualifizieren seien. Unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 29. März 2006, Zl 2004/08/0211, argumentiert die beschwerdeführende Partei, dass zur Beurteilung, ob bestimmte Gegenstände – im Beschwerdefall die von der YS GmbH zur Fortführung ihres Betriebes nicht mehr benötigte Büroeinrichtung – eine wesentliche Grundlage des Betriebs des Betriebsvorgängers bildeten, nur dann beurteilt werden könne, wenn zunächst feststeht, welcher Betrieb vom als Vorgänger infrage kommenden Unternehmen geführt worden sei.

3. Bereits mit diesem Vorbringen zeigt die beschwerdeführende Partei die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Sinne primärer Feststellungsmängel auf.

Die belangte Behörde hat es unterlassen, Feststellungen zur Frage zu treffen, welchen Betriebsgegenstand das Unternehmen der YS GmbH (als allfällige Betriebsvorgängerin) tatsächlich hatte. Nur auf Basis des Wissens um den Tätigkeitsbereich eines Betriebes kann nämlich beurteilt werden, ob im Erwerbszeitpunkt mit den erworbenen Betriebsmitteln die Fortführung dieses konkreten Betriebs möglich gewesen wäre (vgl dazu das hg Erkenntnis vom 29. März 2006, Zl 2004/08/0211).

Die belangte Behörde begnügte sich im angefochtenen Bescheid mit der Wiedergabe der Aussage des ehemaligen Geschäftsführers der YS GmbH in der Verhandlung vom 18. September 2006, ohne allerdings darzulegen, welche Feststellungen sich aus dieser Aussage zu den entscheidungswesentlichen Fragen ergeben. Aus dem angefochtenen Bescheid ist nur zu entnehmen, dass die belangte Behörde aus dieser Aussage den Schluss gezogen hat, die beschwerdeführende Partei habe von der YS GmbH „nahezu die gesamten Einrichtungsgegenstände und die gesamte in Verwendung stehende Hardware“ erworben. Die belangte Behörde führte weiters aus, dass nur eine minimale Büroausstattung verblieben sei, die an den neuen Betriebsort der YS GmbH in der G-Gasse transportiert worden sei. Weiters sei noch eine Anzahl von Computern, die allerdings keinen Dienst mehr geleistet hätten und deren materieller Wert sehr gering gewesen sei, verblieben. Auch die vorhandenen Domains hätten nur einen geringen Wert gehabt, da sie vom Masseverwalter um lediglich EUR 1.050,– verkauft worden seien. Aus diesen Feststellungen zog die belangte Behörde die Schlussfolgerung, dass die nach Betriebsart bzw Betriebsgegenstand wesentlichen Betriebsmittel durch die beschwerdeführende Partei erworben worden seien. Dieses Bild werde auch dadurch abgerundet, „dass einige der vormals bei der YS GmbH beschäftigten Dienstnehmer bei der Y GmbH tätig wurden, teilweise auch Kunden gleich geblieben sind und bezüglich des von der YS GmbH benutzten VW Kastenwagens ein neuer Leasingvertrag abgeschlossen worden ist“.

Diese Feststellungen vermögen jedoch nicht die erforderlichen nachvollziehbaren Feststellungen zum konkreten Betriebsgegenstand und den dafür wesentlichen Betriebsmitteln zu ersetzen.

Die von der belangten Behörde gezogenen Schlussfolgerungen wären nämlich nur dann zutreffend, wenn die von der beschwerdeführenden Partei übernommene EDV-Ausstattung einschließlich der installierten Software (deren Art nicht feststeht) für den Betriebsgegenstand (der aber ebenfalls nicht feststeht) wesentlich gewesen wäre, dh es der beschwerdeführenden Partei grundsätzlich ermöglicht hätte, diesen Betriebsgegenstand des Vorgängerunternehmens am bisherigen Standort weiterzuführen. Ohne Kenntnis des Betriebsgegenstandes kann auch nicht beurteilt werden, ob der „Kundenstock“ für die Fortführung des Unternehmens überhaupt von Bedeutung gewesen ist. Sollte die beschwerdeführende Partei einen zu dem Vorgängerunternehmen gleichartigen Betriebsgegenstand aufweisen (was aber ebenfalls nicht feststeht), dann wäre dies allerdings ein Indiz für einen Betriebserwerb. Die belangte Behörde wird aber auch die personellen Verflechtungen der Unternehmen und die Vorgänge rund um die Übernahme von Vermögensgegenständen der späteren Gemeinschuldnerin in ihre Überlegungen mit einzubeziehen haben, wie sie im Klagsvorbringen des Masseverwalters in dem von ihm angestrengten Zivilprozess gegen die beschwerdeführende Partei und den Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin dargestellt werden. Gerade bei einem augenscheinlich vorwiegend im Internetbereich tätigen Unternehmen kann auch der Ähnlichkeit der Firmenbezeichnung sowie einer allfälligen Übernahme der von der Gemeinschuldnerin für ihren Firmenauftritt verwendeten Domains Bedeutung zukommen, sofern dies dazu führt, dass bei Suchanfragen zur Gemeinschuldnerin vor allem die Websites der beschwerdeführenden Partei gefunden werden oder dass bei einem Aufruf der zuvor von der Gemeinschuldnerin verwendeten Domains die Websites der beschwerdeführenden Partei erreicht werden.

4. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455. Das den Ersatz der Eingabengebühr betreffende Mehrbegehren war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Gebührenfreiheit nach § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am 9. September 2009

Leitsätze

  • Haftung für Beitragsschuldigkeiten bei Betriebsübernahme

    Die Entscheidung, ob beim Erwerb eines Unternehmens durch ein anderes Unternehmen eine Haftung für Beitragsschuldigkeiten aufgrund Betriebsfortführung nach § 67 Abs 4 ASVG ausgelöst wird, kann nur aufgrund des Wissens um den genauen Betriebsgegenstand des erworbenen Unternehmens getroffen werden.
    Judikatur | Leitsatz | 2007/08/0039 | VwGH vom 09.09.2009 | Dokument-ID: 256536