Dokument-ID: 010123

Judikatur | Entscheidung

2007/15/0063; VwGH; 24. Juni 2010

GZ: 2007/15/0063 | Gericht: VwGH vom 24.06.2010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde 1. des J B in W sowie 2. bis 734. durch weitere 725 Rechtsträger laut angeschlossener Liste, alle vertreten durch Alta Wirtschaftstreuhandgesellschaft, Wirtschaftsprüfungs– und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1020 Wien, Praterstraße 62– 64, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 14. Dezember 2006, Zl RV/0500-G/06, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer waren (atypische) stille Gesellschafter der B–AG. Sie hielten ihre Anteile über die als Treuhänderin fungierende A-GmbH. Die Abgabenbehörde anerkannte die Gesellschaft als Mitunternehmerschaft (atypisch stille Gesellschaft).

Diese atypische stille Gesellschaft war mit Vertrag vom 29. April und 7. Mai 1993 begründet worden und wurde zum 31. Dezember 1997 durch Einbringung der Mitunternehmeranteile in die B–AG gemäß Art III UmgrStG beendet (Einbringungsvertrag datiert vom 29. Juni 1998).

In der Erklärung der Einkünfte von Personengesellschaften für 1997 wurde für die Mitunternehmerschaft ein Gewinn aus Gewerbebetrieb von ATS 82,803.701 erklärt und ausgewiesen, dass darin ein steuerfreier Sanierungsgewinn in Höhe von ATS 79,357.256 enthalten sei.

Im Zuge einer im Jahre 1999 durchgeführten Buch- und Betriebsprüfung gelangten die Prüfer zur Auffassung, dass der Sanierungsgewinn um die Sanierungskosten zu mindern sei und sohin nur ATS 74,480.607 betrage. Er entfalle mit 18,31 % (ATS 13,637.399) auf die B-AG und mit 81,69 % (ATS 60,843.208) auf die atypisch stillen Gesellschafter. Er sei nur insoweit nach § 36 EStG 1988 (bzw § 23 Z 1 KStG 1988) steuerfrei sei, als er auf die B-AG entfalle.

Mit dem an die „ehemaligen Beteiligten der (B–AG) und & atypisch stillen Gesellschaft (lt. beiliegender Liste)“ gerichteten Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO vom 1. August 2006 schloss sich das Finanzamt den Feststellungen der Prüfer an.

In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, über das Vermögen der B–AG sei im Jahr 1996 der Ausgleich eröffnet worden. Der Abschluss des Ausgleichsverfahrens im Jahr 1997 habe einen bilanziellen Jahresgewinn von ca ATS 85,5 Mio erbracht. Der Sanierungsgewinn betrage insgesamt ATS 74,480.607. Da es sich bei einer atypisch stillen Gesellschaft um eine Mitunternehmerschaft handle, müsse die Sanierungsbedürftigkeit auf zwei Stufen geprüft werden. Einerseits auf der Ebene des Betriebes im Hinblick auf betriebsbezogene Kriterien und andererseits auf der Ebene der Mitunternehmer. Sanierungsbedürftigkeit sei nur gegeben, wenn auch diese personenbezogenen Voraussetzungen (auf der Ebene des Mitunternehmers) vorlägen. Die Sanierungsbedürftigkeit sei bei einer Personengesellschaft hinsichtlich einzelner Mitunternehmer zu verneinen, wenn diesen ausreichendes Vermögen zur Verfügung stehe. Es seien dabei Sonderbetriebsvermögen und Privatvermögen der Gesellschafter zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des deutschen Bundesfinanzhofes stehe beschränkt haftenden Mitunternehmern die Steuererbefreiung für Sanierungsgewinne nicht zu (Hinweis auf das Urteil des BFH vom 7. Februar 1985, BStBl 1985 II 504). Nur wenn das Unternehmen im Zuge der Sanierung von den gleichen Gesellschaftern weiter geführt werde, belasse der deutsche BFH auch den Gewinnanteilen der nur beschränkt haftenden Gesellschaftern die Steuerfreiheit, und zwar ohne Prüfung der Höhe ihres Privatvermögens (Hinweis auf das Urteil des BFH vom 17. September 1992, BFH/NV 1993, 476; und Walder, FJ 1996, 192).

Nach Ansicht des Finanzamtes sei die deutsche Rechtsprechung nicht „eins zu eins“ auf Österreich übertragbar. Nach Ansicht des Finanzamtes sei die Sanierungsbedürftigkeit bei Mitunternehmerschaften auch auf der Ebene der einzelnen Gesellschafter zu prüfen, und zwar unabhängig von ihrer Haftung gegenüber den Gläubigern. Damit sei die Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne bei „Kapitalanlegern“ regelmäßig ausgeschlossen, weil diese in der Regel über genügend Vermögen und Einkommen verfügten (Hinweis auf Doralt, ÖStZ 1996, 65).

Die stillen Gesellschafter könnten bei Steuerfreiheit des ihnen zugewiesenen Sanierungsgewinnes ihre negativen Kapitalkonten steuerfrei auffüllen. Auf einen entsprechenden Vorhalt habe die B-AG mit Schreiben vom 5. November 1999 geantwortet, dabei aber keinen einzigen Gesellschafter benannt, dessen Vermögensverhältnisse eine seinem Anteil entsprechende Sanierung der B–AG nicht ermöglicht hätte. Das Finanzamt nehme daher an, dass keiner der Kapitalanleger sanierungsbedürftig gewesen sei. Der auf die stillen Gesellschafter entfallende Sanierungsgewinn sei daher nicht nach § 36 EStG 1988 steuerfrei.

In der Berufung vom 24. August 2006 wurde begehrt, auch bei den Beschwerdeführern als atypisch stillen Gesellschaftern den Sanierungsgewinn als steuerfreien Gewinn anzuerkennen. Ein Sanierungsgewinn im Sinn des § 36 EStG 1988 entstehe aus dem Erlass von Schulden, der zur Vermehrung des Betriebsvermögens führe und zum Zweck der Sanierung erfolge. Es sei grundsätzlich das Vorliegen von Sanierungsabsicht und Sanierungsbedürftigkeit erforderlich. Die Meinung, dass keine Sanierung im Sinn des § 36 EStG 1988 vorliege, wenn ausreichendes Privatvermögen vorhanden sei, ergebe sich aus einer wörtlichen Auslegung des Gesetzes nicht. Jedenfalls könne eine solche Auslegung einzig und allein für jene Fälle gerechtfertigt werden, in denen derjenige, der den Betrieb führe, rechtlich dazu in der Lage sei, die Zuführung von Privatvermögen für das Betriebsvermögen zu fordern, sodass deswegen kein Sanierungsfall vorliege. Eine solche Auslegung komme daher nur bei einem Einzelunternehmer und (eingeschränkt) bei unbeschränkt haftenden Gesellschaftern in Betracht, weil der Einzelunternehmer und die unbeschränkt haftenden Gesellschafter im Konkursfall Vermögen aus der Privatsphäre einsetzen müssten. Wenn aber, wie im gegenständlichen Fall, kein Anspruch des Betriebes auf etwaiges Privatvermögen der Mitunternehmer bestehe, könne § 36 EStG 1988 nicht in der Weise ausgelegt werden, dass für den Fall ausreichenden Privatvermögens bei den beschränkt haftenden Gesellschaftern keine Sanierung im Sinn des § 36 EStG 1988 vorliege. Im gegenständlichen Fall seien die Schulden in Folge eines Ausgleichsverfahrens nachgelassen worden, dieser Nachlass habe zu einer Erhöhung des Betriebsvermögens geführt. Dieser Nachlass habe die Sanierung ermöglicht. Ohne Schuldennachlass wäre es – trotz etwaigen Privatvermögens auf der Ebene der Mitunternehmer - nicht zur Sanierung der Gesellschaft gekommen. Nur hierauf stelle § 36 EStG 1988 ab, nämlich auf den Schuldnachlass zum Zwecke der Sanierung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, es sei strittig, ob im Rahmen einer atypisch stillen Mitunternehmerschaft der auf die atypisch still beteiligten Gesellschafter entfallende Anteil am Sanierungsgewinn steuerfrei zu behandeln sei.

Gemäß § 36 EStG 1988 in der hier maßgeblichen Fassung vor der Beseitigung der Regelung durch BGBl Nr 201/1996 seien bei Ermittlung des Einkommens jene Einkommensteile auszuscheiden, die durch die Vermehrung des Betriebsvermögens in Folge eines gänzlichen oder teilweisen Erlasses von Schulden zum Zwecke der Sanierung entstanden seien.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Feststellung, ob ein begünstigungsfähiger Sanierungsgewinn vorliege, grundsätzlich im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung zu treffen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 28. November 2001, 87/13/0204). Nach der Rechsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei bei Beurteilung der Sanierungsbedürftigkeit der Gesellschaft das Privatvermögen der Mitunternehmer nur insoweit in die Betrachtung miteinzubeziehen, als auch die Gläubiger auf dieses Vermögen greifen könnten (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 28. November 2001, 97/13/0204, und auf die kritische Stellungnahme bei Doralt, EStG8, § 36 Tz 68).

Soweit das Finanzamt seinen Bescheid auf die mangelnde Sanierungsbedürftigkeit der einzelnen atypisch stillen Gesellschafter stütze, könne angesichts der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Steuerpflicht der auf die atypisch stillen Mitunternehmer entfallenden Anteile am Sanierungsgewinn nicht begründet werden.

Es gebe in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kein Erkenntnis zum Sanierungsgewinn im Rahmen der Einkünftefeststellung einer atypisch stillen Mitunternehmerschaft. Das Erkenntnis vom 28. November 2001, 97/13/0204, betreffe lediglich einen gemäß § 295 BAO geänderten abgeleiteten Einkommensteuerbescheid eines atypisch stillen Mitunternehmers. Der Verwaltungsgerichtshof führe in diesem Erkenntnis aus, dass gemäß § 192 BAO eine Bindung an den Feststellungsbescheid bestehe, wenngleich auch „diese Feststellung aus dem von der belangten Behörde gesehenen Grund einer fehlenden Zurechenbarkeit des Schulderlasses an die Beschwerdeführerin, weil diese für die erlassene Schuld nicht gehaftet hatte, rechtlich verfehlt war". Nach Meinung der belangten Behörde erachte es sohin der Verwaltungsgerichtshof als überzeugend, dass der seinerzeitigen Beschwerdeführerin (stillen Gesellschafterin) kein steuerfreier Sanierungsgewinn zukomme, weil es gar nicht deren Schulden gewesen seien, deren Erlass zur Vermehrung des Betriebsvermögens geführt habe.

Der stille Gesellschafter sei - im Gegensatz zum Kommanditisten - am Gesellschaftsvermögen nicht dinglich beteiligt, es bestehe keine Gesamthandschaft und damit keine Gesamtberechtigung am Unternehmensvermögen. Es handle sich bloß um eine obligatorische Beteiligung. Die Zurechnung von Anteilen am negativen Betriebsvermögen einer atypisch stillen Gesellschaft an den stillen Gesellschafter könne lediglich dann in Betracht kommen, wenn der stille Gesellschafter verpflichtet sei, über den Betrag seines Kapitalanteiles und seiner noch rückständigen Einlage hinaus an den Verbindlichkeiten der Gesellschaft teilzunehmen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 10. August 2005, 2001/13/0288). Eine solche Verpflichtung bestehe im gegenständigen Fall jedoch nicht. Im gegenständlichen Fall betreffe die Sanierung daher lediglich einen der Mitunternehmer. Steuerrechtliches Objekt der Einkünfteerzielung sei die aus der Kapitalgesellschaft und den atypisch still Beteiligten gebildete Mitunternehmerschaft. Die Sanierungsmaßnahme komme jedoch allein dem Unternehmensträger, also dem Geschäftsherrn, zu Gute. Trägerin des Unternehmens sei nicht die nach außen gar nicht in Erscheinung getretene steuerliche Mitunternehmerschaft, sondern lediglich einer ihrer Mitunternehmer, nämlich die B–AG.

Im gegenständlichen Fall sei die Steuerfreiheit für den Sanierungsgewinn daher ausschließlich bei einer Mitunternehmerin, nämlich der Geschäftsherrin, anzunehmen. Es sei davon auszugehen, dass die auf einen Teil ihrer Verbindlichkeiten verzichtenden Gläubiger zwar die Sanierung der Kapitalgesellschaft bezweckt hätten, nicht aber die Sanierung der ihnen gegenüber gar nicht in Erscheinung getretenen stillen Gesellschafter.

Dazu komme, dass § 36 EStG 1988 die Sicherung des Fortbestandes des sanierten Unternehmens zum Ziel habe. Im Falle einer atypisch stillen Mitunternehmerschaft habe jedoch der Fortbestand des Unternehmens des Geschäftsherren nicht zwingend auch den Fortbestand der Mitunternehmerschaft zur Folge. Dies zeige sich auch im gegenständlichen Fall: Im Rahmen einer per 4. April 1997 abgeschlossenen Vereinbarung, welche für das Zustandekommen des Ausgleiches und die Erfüllung der Ausgleichsquote von wesentlicher Bedeutung gewesen sei, sei bereits rechtlich Vorsorge für die letztlich zum 31. Dezember 1997 erfolgte Einbringung aller Mitunternehmeranteile der stillen Gesellschafter in die B–AG gegen Gewährung einer Beteiligung von 28 % und somit für die Beendigung der Mitunternehmerschaft getroffen worden. Kriterium für das Vorliegen einer unternehmensbezogenen Sanierung sei jedoch, dass das Unternehmen tatsächlich fortgeführt werde.

Entscheidend für die Steuerpflicht sei allerdings im gegenständlichen Fall, dass es nicht „Schulden der stillen Mitunternehmer“ gewesen seien, die im Zuge des Ausgleichsverfahrens erlassen worden seien. Die atypisch stillen Gesellschafter seien am betroffenen Betriebsvermögen „dinglich“ nicht beteiligt gewesen. Eine Haftung gegenüber Dritten für Verbindlichkeiten des Geschäftsherrn habe nicht bestanden. Sanierungssubjekt sei daher lediglich einer der Mitunternehmer, nämlich die Geschäftsherrin gewesen. Selbst wenn die Geschäftsherrin die atypisch stillen Mitunternehmer am Sanierungsgewinn in der Weise habe teilhaben lassen, dass sie diesen Gewinn entsprechend der intern vereinbarten Ergebnisbeteiligung auf die negativen Kapitalkonten der atypisch stillen Gesellschafter verteilt habe, seien die jeweiligen Einkunftsanteile bei den stillen Gesellschaftern dennoch steuerpflichtig.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

§ 36 EStG 1988 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Stammfassung lautete:

"Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs 2) sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) jene Einkommensteile auszuscheiden, die durch Vermehrungen des Betriebsvermögens infolge eines gänzlichen oder teilweisen Erlasses von Schulden zum Zwecke der Sanierung entstanden sind.“

§ 36 EStG 1988 hat nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Voraussetzung, dass ein in Sanierungsabsicht vorgenommener Nachlass betrieblicher Schulden im Rahmen allgemeiner Sanierungsmaßnahmen der Gläubiger eines sanierungsbedürftigen Betriebes vorliegt, wobei die Maßnahmen geeignet sein müssen, den Betrieb vor dem Zusammenbruch zu bewahren (vgl. Hofstätter/Reichel, § 36 Tz 5; Doralt/Heinrich, EStG11, § 36 Tz 69).

Im Erkenntnis vom 28. November 2001, 97/13/0204, findet sich die Formulierung:

“Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde einen Bescheid des Finanzamtes nach § 295 Abs 1 BAO aufrecht erhalten, der somit gegen das in § 192 BAO normierte Gebot verstieß. Dem nach § 295 Abs 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1993 war zufolge § 192 BAO die im Feststellungsbescheid nach § 188 BAO getroffene Feststellung über den im Einkunftsanteil der Beschwerdeführerin enthaltenen Sanierungsgewinn auch dann zu Grunde zu legen, wenn diese Feststellung aus dem von der belangten Behörde gesehenen Grund einer fehlenden Zurechenbarkeit des Schulderlasses an die Beschwerdeführerin, weil diese für die erlassene Schuld nicht gehaftet hatte, rechtlich verfehlt war.“

Mit dieser Formulierung des Erkenntnisses 97/13/0204 hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zum Ausdruck gebracht, der Gewinn aus dem Erlass einer betrieblichen Schuld könne einem atypisch stillen Gesellschafter deswegen nicht (anteilig) zugerechnet werden, weil dieser Gesellschafter für die erlassene Schuld nicht gehaftet habe. Der Gerichtshof hat diese Frage vielmehr offen gelassen, wenn er auch an anderer Stelle des Erkenntnisses zur Überlegung der seinerzeitigen belangten Behörde, die Beurteilung des auf den stillen Gesellschafter entfallenden Gewinnanteiles als steuerfreien Sanierungsgewinn im Sinne des § 36 EStG 1988 könne deswegen ausgeschlossen werden, weil es gar nicht Schulden der stillen Gesellschafter seien, deren Erlass zur Vermehrung des Betriebsvermögens führe, ausgesprochen hat, dass „diesem Argument Überzeugungskraft grundsätzlich gewiss nicht abzusprechen“ sei. Letztlich hat der Verwaltungsgerichtshof im gegebenen Zusammenhang aber lediglich zum Ausdruck gebracht, dass gemäß § 192 BAO eine Bindung an die Feststellungen im nach § 188 BAO erlassenen Gewinnfeststellungsbescheid bestanden hat.

Im gegenständlichen Fall ist, weil sich der nunmehr angefochtene Bescheid auf diese Rechtsansicht stützt, die Frage, ob bei atypisch stillen Gesellschaftern die Steuerfreiheit im Sinne des § 36 EStG 1988 mit der Begründung ausgeschlossen werden kann, dass die nachgelassenen betrieblichen Schulden gar nicht „Schulden der stillen Gesellschafter“ sind in der Tat zu entscheiden.

Im Erkenntnis vom 22. Dezember 2004, 2004/15/0126, hat der Verwaltungsgerichtshof ua ausgesprochen:

„Eine unechte stille Gesellschaft liegt vor, wenn der stille Gesellschafter gesellschaftsrechtlich so gestellt wird, als wäre er Kommanditist. Es muss also im Innenverhältnis insbesondere vereinbart sein, dass der stille Gesellschafter an den stillen Reserven und am Firmenwert beteiligt ist (vgl Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 23 Tz 26); diese Beteiligung muss jedenfalls für den Fall der Auflösung der Gesellschaft bestehen (vgl das hg Erkenntnis vom 24. Februar 2000, 96/15/0062). Für die Besteuerung soll es keinen Unterschied machen, ob – etwa im Rahmen einer KEG – Gesellschaftsvermögen vorhanden ist oder ob es um die Bewirtschaftung des Vermögens eines Beteiligten geht, welches im Innenverhältnis wie Gesellschaftsvermögen behandelt wird (vgl nochmals das hg Erkenntnis 96/15/0062). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 5. April 2001, 98/15/0158, festgestellt, der Grund, warum eine atypisch stille Gesellschaft – ungeachtet der gesellschaftsrechtlichen Gegebenheiten – ertragsteuerrechtlich als Mitunternehmerschaft beurteilt wird, liege darin, dass der atypisch stille Gesellschafter voraussetzungsgemäß an den stillen Reserven und am Firmenwert des Geschäftsherrn teilnimmt, und es steuerlich keinen Unterschied machen soll, ob Gesellschaftsvermögen vorhanden ist oder das Geschäftsvermögen eines der Beteiligten im Innenverhältnis für die Beteiligung am Gewinn und Verlust und für die Auseinandersetzung wie ein Vermögen zur gesamten Hand zu behandeln ist.“

Im Erkenntnis vom 5. April 2001, 98/15/0158, hat der Verwaltungsgerichtshof ua ausgesprochen:

"Die Innengesellschaft ‚atypische stille Gesellschaft‘ wird der auf Außengesellschaften zugeschnittenen Vorschrift des § 23 Z 2 EStG subsumiert. Das hat zur Folge, dass das Vermögen des Geschäftsinhabers steuerlich wie Gesellschaftsvermögen anzusehen ist. Auf Grund der Unterstellung der atypischen stillen Gesellschaft unter den Regelungsbereich des § 23 Z 2 EStG ist das Vermögen des Geschäftsinhabers – soweit es in die stille Gesellschaft einbezogen ist – wie ein Gesamthandvermögen anzusehen und daher steuerliches Betriebsvermögen der atypischen stillen Gesellschaft.“

Der stille Gesellschafter steht nicht in einem Eigentumsverhältnis zu den Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens der atypisch stillen Gesellschaft. Seine Mitunternehmerstellung gründet sich darauf, dass er schuldrechtlich an den stillen Reserven und am Firmenwert beteiligt ist. Die Passiva der atypisch stillen Gesellschaft sind nicht „Schulden der atypisch stillen Gesellschafter“; dennoch können sie, wie etwa im Falle des Auftretens einer betrieblichen Gewährleistungs– oder Schadenersatzverpflichtung, Gewinnauswirkungen für den atypisch stillen Gesellschafter zeitigen. Gleiches gilt für aktive Wirtschaftsgüter, die nicht – auch nicht anteilig – im zivilrechtlichen Eigentum der stillen Gesellschafter stehen.

Erst die Überlegung, dass es steuerlich keinen Unterschied macht, ob zivilrechtlich Gesellschaftsvermögen vorhanden ist oder das Geschäftsvermögen eines der Beteiligten durch eine Vereinbarung im Innenverhältnis wie Gesellschaftsvermögen bzw gemeinsames Vermögen behandelt wird, ermöglicht es, dem atypisch stillen Gesellschafter Gewinnanteile nach § 23 Z 2 EStG zuzurechnen, ihn sohin als Mitunternehmer zu behandeln. Eine solche Vereinbarung hat aber zur Folge, dass die Betriebsvermögensmehrung aus dem Wegfall von Verbindlichkeiten des Betriebsvermögens der atypisch stillen Gesellschaft den Gewinnanteil der atypisch stillen Gesellschafter erhöht, wiewohl die weggefallenen Schulden nicht „Schulden der atypisch stillen Gesellschafter“ sind.

Weil sich aber die Betriebsvermögensmehrung, die aus dem Wegfall der Verbindlichkeiten des Betriebsvermögens resultiert, im Gewinnanteil der atypisch stillen Gesellschafter niederschlägt, steht der Umstand, dass diese (weggefallenen) Verbindlichkeiten nicht – in einer zivilrechtlichen Betrachtung – „Schulden der atypisch stillen Gesellschafter“, sondern solche des Unternehmensträgers sind, der Subsumtion des Gewinnanteiles unter § 36 EStG 1988 nicht entgegen.

Indem die belangte Behörde die in Rede stehenden Gewinnanteile der Beschwerdeführer aus dem Grund nicht als Sanierungsgewinn iSd § 36 EStG 1988 anerkannt hat, dass die weggefallenen Schulden nicht „Schulden der atypisch stillen Gesellschafter“ gewesen sind, hat sie sohin die Rechtslage verkannt.

Das in der Gegenschrift der belangten Behörde zitierte Erkenntnis vom 10. August 2005, 2001/13/0288, betrifft ausschließlich die Zurechnung des Einheitswertes des Betriebsvermögens (an atypisch stille Gesellschafter) und nicht die einkommensteuerliche Beurteilung von Gewinnanteilen.

Die Beschwerdeführer (atypisch stillen Gesellschafter) haben ihre Mitunternehmeranteile zum 31. Dezember 1997 nach Art III UmgrStG in die B-AG eingebracht. Dieser Einbringungsvorgang schränkt eine Fortführung des bisherigen Betriebes der Mitunternehmerschaft nicht ein (siehe zur Schädlichkeit der Betriebseinstellung als Indiz gegen das Vorliegen einer Sanierungseignung Doralt/Heinrich, EStG11, § 36 Tz 81ff) und steht daher als solcher ebenfalls der Subsumtion der Gewinnanteile unter § 36 EStG 1988 nicht entgegen.

Der angefochtene Bescheid ist somit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr 455/2008.

Wien, am 24. Juni 2010

Leitsätze

  • Steuerfreiheit iSd § 36 EStG bei atypisch stillen Gesellschaftern

    § 36 EStG 1988 hat nach der RSpr des VwGH zur Voraussetzung, dass ein in Sanierungsabsicht vorgenommener Nachlass betrieblicher Schulden im Rahmen allgemeiner Sanierungsmaßnahmen der Gläubiger eines sanierungsbedürftigen Betriebes vorliegt, wobei die Maßnahmen geeignet sein müssen, den Betrieb vor dem Zusammenbruch zu bewahren.
    Judikatur | Leitsatz | 2007/15/0063 | VwGH vom 24.06.2010 | Dokument-ID: 254913