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Dokument-ID: 352108

Judikatur | Entscheidung

2009/04/0205; VwGH; 28. September 2011

GZ: 2009/04/0205 | Gericht: VwGH vom 28.09.2011

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde von X in Zentral- & Osteuropa in Y, vertreten durch Dr. Josef Unterweger und Mag. Doris Einwallner, RechtsanwältInnen in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 3. November 2008, Zl VwSen-590196/5/Ste, betreffend Nichterteilung einer Auskunft

1. nach dem Umweltinformationsgesetz und 2. dem Oö. Auskunftspflicht-, Datenschutz- und Informationsweiterverwendungsgesetz (mitbeteiligte Partei: A AG in B, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Europaplatz 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund und dem Land Oberösterreich zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nachdem die Beschwerdeführerin der Auffassung war, eine näher bezeichnete Gesellschaft („A AG“) habe mit ihrer Abluftreinigungsanlage die Grenzwerte der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Begrenzung der Emission von luftverunreinigenden Stoffen aus Anlagen zur Erzeugung von Nichteisenmetallen, BGBl II Nr 1/1998, überschritten, stellte sie aus diesem Anlass bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft das Ersuchen um Erteilung folgender Auskünfte:

„Wie viele Strafverfahren gegen das Unternehmen wurden seit 1. Jänner 2000 rechtskräftig abgeschlossen? Welche Strafen wurden dabei jeweils verhängt?“

Dieses Ersuchen stützte die Beschwerdeführerin auf das Umweltinformationsgesetz und das Oö. Auskunftspflicht-, Datenschutz- und Informationsweiterverwendungsgesetz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde diesem Ersuchen im Instanzenzug gemäß § 66 Abs 4 AVG und gestützt auf das Umweltinformationsgesetz, BGBl Nr 495/1993 in der Fassung BGBl I Nr 6/2005 (UIG), und das Oö. Auskunftspflicht-, Datenschutz- und Informationsweiterverwendungsgesetz, LGBl Nr 46/1988 in der Fassung LGBl Nr 86/2006 (Oö. ADIG), keine Folge gegeben.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Fragen könnten schon deshalb nicht beantwortet werden, weil ein „Strafverfahren gegen ein Unternehmen“ dem Verwaltungsstrafverfahren unbekannt sei (Verweis auf § 9 VStG und das hg. Erkenntnis VwSlg 11.098 A/1983).

Darüber hinaus stellten Informationen über ein Verwaltungsstrafverfahren keine Umweltinformationen nach dem UIG dar, da dieser Begriff in § 2 UIG abschließend umschrieben sei. Weder die „umgesetzten“ (Verweis auf die Richtlinie 2003/4/EG) „und begleitenden EU-Dokumente“ noch die Materialien zum UIG sowie die Literatur wiesen in eine andere Richtung.

Für die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht nach § 3 Abs 1 Oö. ADIG gelte wie für Art 20 Abs 4 erster Satz B-VG, dass dafür auch die in § 1 Abs 1 und 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000) umschriebene Pflicht zur Geheimhaltung personenbezogener Daten in Betracht komme. Im Beschwerdefall stehe der Auskunft bereits § 8 Abs 4 Z 3 DSG 2000 entgegen. Die Beschwerdeführerin habe keine die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des betroffenen Unternehmens überwiegenden berechtigten Interessen nachweisen können. Dass die verlangten Daten aus Sicht der Beschwerdeführerin zur Verfolgung ihres Vereinszweckes sinnvoll sein könnten, vermöge ein überwiegendes berechtigtes Interesse nicht zu begründen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 22. Juni 2009, B 2061/08-3, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 144 Abs 3 B-VG zur Entscheidung ab.

Die Beschwerdeführerin ergänzte die Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der sie im Wesentlichen vorbrachte, verwaltungsstrafrechtsbezogene Daten seien Umweltinformationen nach dem UIG, da es sich „um unerlässliche Informationen für eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Eingriffe in den Umweltbestandteil Luft sowie hinsichtlich allfälliger Verwaltungsstrafverfahren explizit um Verwaltungsakte bzw Maßnahmen zum Schutz von Umweltbestandteilen“ handle. Auch seien die Mitteilungsschranken laut § 6 Abs 4 UIG eng auszulegen. Im Hinblick auf § 8 Abs 4 Z 3 DSG 2000 ergäben sich die überwiegenden Interessen der Beschwerdeführerin als eine der größten nationalen und internationalen Umweltschutzorganisationen aus ihrer besonderen Rolle in der Zivilgesellschaft sowie der Unerlässlichkeit der Informationen für eine Zukunftsprognose des Gefährdungspotentials der Anlage des näher bezeichneten Unternehmens.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Kostenersatz.

Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenso eine Gegenäußerung, in der sie darauf hinwies, sie sei mit der Firma A AG erst seit 9. März 2011 im Firmenbuch eingetragen (einen entsprechenden Firmenbuchauszug legte sie bei). Daher habe sich der vorliegende verfahrenseinleitende Antrag auf eine Firma bzw Gesellschaft bezogen, die im Zeitpunkt der Einbringung bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht existent gewesen sei. Als Kostenersatz beantragte die mitbeteiligte Partei Schriftsatzaufwand für die Gegenäußerung.

Dem hielt die Beschwerdeführerin in einer Stellungnahme entgegen, dass auch wenn die Firma falsch bezeichnet worden sei, der Behörde von Anfang an klar gewesen sei, auf welche Gesellschaft sich die Anfrage bezogen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen:

Gemäß § 9 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Daher kann nach dem VStG wegen einer Verwaltungsübertretung nur eine natürliche Person bestraft werden, eine Bestrafung eines „Unternehmens“ als juristische Person kennt das VStG nicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. März 2006, Zl 2004/15/0022, und die bei Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5 (2009), 422, angeführte hg. Rechtsprechung).

Schon aus diesem Grund ist die Nichterteilung einer Auskunft zur Frage, wie viele Strafverfahren gegen ein Unternehmen rechtskräftig abgeschlossen wurden und welche Strafen dabei jeweils verhängt wurden, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

2. Verwaltungsstrafen keine Umweltinformationen nach UIG § 2 UIG definiert Umweltinformationen wie folgt:

„Umweltinformationen sind sämtliche Informationen in schriftlicher, visueller, akustischer, elektronischer oder sonstiger materieller Form über

  1. den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Land, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Berggebiete, Feuchtgebiete, Küsten und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich genetisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen;
  2. Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung oder Abfall einschließlich radioaktiven Abfalls, Emissionen, Ableitungen oder sonstiges Freisetzen von Stoffen oder Organismen in die Umwelt, die sich auf die in Z 1 genannten Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken;
  3. Maßnahmen (einschließlich Verwaltungsmaßnahmen), wie zB Politiken, Gesetze, Pläne und Programme, Verwaltungsakte, Umweltvereinbarungen und Tätigkeiten, die sich auf die in den Z 1 und 2 genannten Umweltbestandteile und -faktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken, sowie Maßnahmen oder Tätigkeiten zu deren Schutz;
  4. Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts;
  5. Kosten/Nutzen-Analysen und sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen, die im Rahmen der in Z 3 genannten Maßnahmen und Tätigkeiten verwendet werden;
  6. den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit einschließlich – soweit diesbezüglich von Bedeutung – Kontamination der Lebensmittelkette, Bedingungen für menschliches Leben sowie Kulturstätten und Bauwerke in dem Maße, in dem sie vom Zustand der in Z 1 genannten Umweltbestandteile oder – durch diese Bestandteile – von den in den Z 2 und 3 aufgeführten Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten betroffen sind oder sein können.“

Die belangte Behörde verweist in diesem Zusammenhang zutreffend in ihrer Gegenschrift auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (nunmehr: Union; EuGH) vom 12. Juni 2003 in der Rechtssache C-316/01, Eva Glawischnig gegen Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen, Slg 2003, I-5995. Nach dieser Rechtsprechung ist Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt dahin auszulegen, dass die Zahl der (infolge von Maßnahmen zur Kontrolle der Einhaltung der Verordnung (EG) Nr 1139/98 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr 49/2000) verhängten Verwaltungsstrafen sowie die von diesen Strafen betroffenen Produzenten und Produkte keine Informationen über die Umwelt im Sinne dieser Vorschrift sind (vgl zum Begriff „Umweltinformationen“ in der Richtlinie 90/313/EWG und 2003/4/EG, jedoch in einem anderen Zusammenhang, das Urteil des EuGH vom 16. Dezember 2010 in der Rechtssache C-266/09, Stichting Natuur en Milieu und andere).

Da das UIG (wie sein Umsetzungshinweis in § 19 zeigt) in Umsetzung der Richtlinie 90/313/EWG erlassen wurde, ist diese Rechtsprechung des EuGH im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung auch im Beschwerdefall maßgeblich.

Die belangte Behörde hat daher zu Recht angenommen, dass die von der Beschwerdeführerin verlangte Zahl und Art von verhängten Verwaltungsstrafen keine Umweltinformation nach § 2 UIG sind.

Soweit sich die Beschwerde auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) im Urteil vom 19. Februar 1998, Guerra ua/Italien, beruft, hat bereits der Verfassungsgerichtshof im zitierten Beschluss vom 22. Juni 2009, B 2061/08-3, klargestellt, dass dieses Urteil anders als der Beschwerdefall konkrete Umweltinformationen und nicht Strafverfahren gegen ein Unternehmen zum Gegenstand hatte.

3. Kein überwiegendes Interesse nach dem Oö. ADIG

Gemäß § 3 Abs 1 Oö. ADIG ist Auskunft nicht zu erteilen, wenn der Erteilung einer Auskunft eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht.

Im Beschwerdefall ist alleine strittig, ob eine Auskunft an die Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs 4 Z 3 DSG 2000 zulässig wäre.

Gemäß § 8 Abs 4 Z 3 DSG 2000 verstößt die Verwendung von Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen – unbeschadet der Bestimmungen des Abs 2 – nur dann nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen, wenn sich sonst die Zulässigkeit der Verwendung dieser Daten aus gesetzlichen Sorgfaltspflichten oder sonstigen, die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen überwiegenden berechtigten Interessen des Auftraggebers ergibt und die Art und Weise, in der die Datenanwendung vorgenommen wird, die Wahrung der Interessen der Betroffenen nach diesem Bundesgesetz gewährleistet.

Derartige überwiegende berechtigte Interessen werden von der Beschwerdeführerin auch in ihrem Beschwerdevorbringen nicht aufgezeigt (vgl auch das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2007, Zl 2007/04/0105, dem auch eine verlangte Übermittlung der Auskunft über das Verwaltungsstrafverfahren eines Dritten zugrunde lag).

4. Da sich die Beschwerde aus diesen Erwägungen als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 28. September 2011

Leitsätze

  • Bestrafung juristischer Personen nach VStG

    Wegen einer Verwaltungsübertretung kann nach dem VStG nur eine natürliche Person bestraft werden, eine Bestrafung eines "Unternehmens" als juristische Person kennt das VStG nicht.
    Lisa Korninger | Judikatur | Leitsatz | 2009/04/0205 | VwGH vom 28.09.2011 | Dokument-ID: 357483