Dokument-ID: 1016631

Judikatur | Entscheidung

2017/15/0041; VwGH; 19. April 2018

GZ: 2017/15/0041 | Gericht: VwGH vom 19.04.2018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Feldkirch in 6800 Feldkirch, Reichsstraße 154, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 21. Februar 2017, Zl RV/1100360/2016, betreffend ua Körperschaftsteuer 2005 bis 2008, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24. Februar 2017 (mitbeteiligte Partei: X FL AG in R/L, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang (Körperschaftsteuer 2005 bis 2008) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Fürstentum Liechtenstein (in der Folge als X FL bezeichnet). Sie ist (durch Verschmelzung) Rechtsnachfolgerin einer österreichischen GmbH (in der Folge X GmbH). Strittig im Verfahren sind steuerliche Konsequenzen aus (behaupteten) Leistungen zwischen der X FL und der X GmbH.

2 Nach den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts wurde die X GmbH mit Gesellschaftsvertrag vom 23. Jänner 1995 gegründet; Gesellschafter waren zu je 50 % A***** und seine Ehefrau. Mit Einbringungsvertrag vom 27. Februar 1995 wurde die nicht protokollierte, seit 1981 betriebene Gesellschaft bürgerlichen Rechts (A***** & Mitgesellschafter) in die X GmbH eingebracht. In den Streitjahren war A***** an der X GmbH zu 26 % beteiligt; die restlichen Anteile hielt die A***** Privatstiftung, deren Stifter und Begünstigter A***** ist (bzw war). Betriebsgegenstand der X GmbH war ua die Werbeberatung, -konzeption und -graphik. Als Geschäftsführer fungierte A*****.

3 Die X GmbH machte sich vorwiegend im Bereich des Investitionsgütermarketing einen guten Namen. Sie war – nachdem zuvor bereits die A***** & Mitgesellschafter insoweit tätig war – für Y, einen Hersteller von Werkzeugmaschinen mit Hauptsitz in Deutschland tätig. Diese Zusammenarbeit basierte ursprünglich auf mündlichen Vereinbarungen; die Zusammenarbeit wurde sukzessive ausgeweitet. Mit schriftlichem Vertrag vom Februar 1999 wurde der X GmbH von Y die Erbringung aller Marketing-, Kommunikations- und Werbeaufgaben übertragen. Dieser Vertragsabschluss hatte sich bereits im Lauf des Jahres 1998 deutlich abgezeichnet, der wesentliche Inhalt war bereits 1998 ausverhandelt. Nach diesem Vertrag hatte die X GmbH Tätigkeiten, Lieferungen und Leistungen entsprechend einem jährlich festzulegenden Marketingbudget zu erbringen. Der Marketingvertrag aus dem Jahr 1999 wurde in den Folgejahren zum Teil abgeändert. Er war in adaptierter Form auch in den Streitjahren Grundlage der intensiven Kooperation zwischen Y***** und der X GmbH.

4 Im Zusammenhang mit der Intensivierung der Geschäftsbeziehung zu Y***** setzte die X GmbH Maßnahmen betreffend eine grenzüberschreitende Umstrukturierung. Die liechtensteinische Stiftung C*****, deren Stifter und Begünstigter A***** ist, ließ per März 1998 die X FL gründen. Als einer der zur Geschäftsführung berufenen Verwaltungsräte der X FL wurde A***** bestellt. Geschäftszweck der X FL ist ua die Konzeption und Beratung in den Bereichen Werbung, Marketing und Public Relations.

5 Mit Rechnung vom 1. September 1998 teilte die X GmbH der X FL Folgendes mit:

„Für die Bereitstellung von (A) als Key Account verrechnen wir Ihnen einen einmaligen Firmenwert in Höhe von ATS 8.000.000.“

6 Am 3. September 1998 unterfertigten A***** als Geschäftsführer der X GmbH und M***** als Verwaltungsrat der X FL den „Kooperationsvertrag (Y)“. In ihm übertrug die X GmbH als „Auftraggeberin“ den von Y erhaltenen Werbeauftrag hinsichtlich bestimmter, im Detail angeführter Tätigkeiten, die in weiterer Folge unter dem Begriff „Key Accounting“ zusammengefasst wurden, an die X FL als „Auftragnehmerin“. Als Gegenleistung war vereinbart, dass die X GmbH der X FL die gewöhnlichen, mit der Erfüllung des Auftrags in Zusammenhang stehenden Aufwendungen erstatte sowie 25 % vom gesamten Auftragsvolumen (Zahlungen der Y an die X GmbH) bezahle. Die Regelung betreffend Anspruch auf Kostenersatz wurde auf Veranlassung der von der X GmbH im Vorfeld kontaktierten Großbetriebsprüfung nicht zusätzlich praktiziert bzw als von der pauschalen Vergütungsregelung bereits abgedeckt angesehen. Unter Berufung auf den Kooperationsvertrag machte die X GmbH bereits für 1998 unter der Bezeichnung „Key Account Aufwand“ Betriebsausgaben in Höhe von ca EUR 1 Mio geltend. Im Zeitraum von 1998 bis 30. September 2011 hat die X GmbH an Betriebsausgaben einen „Key-Account-Aufwand“ in Höhe von ca EUR 82 Mio gewinnmindernd verbucht.

7 Bei zwei Außenprüfungen (betreffend die Jahre 1999 bis 2001 bzw 2002 bis 2004) wurden die von der X GmbH geltend gemachten laufenden Key Account Aufwendungen unter dem Aspekt fremdüblicher Verrechnungspreise zum Prüfungsgegenstand gemacht. Beide Prüfungen ergaben in diesem Punkt im Ergebnis keine Beanstandung. Die einmalige (für die X GmbH) gewinnerhöhende Verrechnung eines Firmenwerts im Jahr 1998 war nicht Prüfungsgegenstand.

8 Eine dritte, durch die Großbetriebsprüfung vorgenommene Außenprüfung untersuchte diese Vorgänge neuerlich. Dabei kam sie zum Ergebnis, dass den von der X GmbH an die X FL unter der Bezeichnung Key Account Aufwand geleisteten Zahlungen kein Leistungsäquivalent gegenüber stehe. Es fehle die für die Anerkennung derartiger Zahlungen notwendige Voraussetzung einer konkreten und detaillierten Leistungsbeschreibung. Der Veräußerungsvorgang „Key Account“ vom September 1998 sei mangels Fremdüblichkeit nicht anzuerkennen und könne keine Grundlage für die steuerliche Anerkennung der späteren laufenden Zahlungen bilden. Die gewählte rechtliche Gestaltung stelle Missbrauch iSd § 22 BAO dar. Die Vermögensminderungen bei der X GmbH seien verdeckte Gewinnausschüttungen.

9 Mit Bescheiden vom 30. Oktober 2012 nahm das Finanzamt ua die Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 2005 bis 2008 wieder auf und setzte die Körperschaftsteuer für diese Jahre neu fest; auch setzte es Anspruchszinsen für diese Jahre fest. Begründend verwies das Finanzamt insbesondere auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien.

10 Die X GmbH erhob gegen diese Bescheide Berufung, die sie durch mehrere umfangreiche Schriftsätze ergänzte.

11 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 13. April 2015 wies das Finanzamt die (nunmehrige) Beschwerde betreffend Wiederaufnahme für die Jahre 2005 bis 2008 und betreffend Anspruchszinsen für die Jahre 2005 bis 2008 als unbegründet ab (ebenfalls angefochtene Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens für die Jahre 2002 bis 2004 hob es hingegen auf, da kein hinreichendes Beweissubstrat für eine Vorsatztat vorliege und daher nicht die verlängerte Verjährungsfrist des § 207 Abs 2 BAO heranzuziehen sei).

12 Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 14. April 2015 änderte das Finanzamt die Bescheide betreffend Körperschaftsteuer 2005 bis 2008 ab. Wenn auch eine Key Account Übertragung an die X FL nicht erfolgt sei, so seien doch gewisse operative Tätigkeiten der X FL für die X GmbH erbracht worden. Es seien von der X FL getragene Aufwendungen als Selbstkosten des leistenden Unternehmens (erhöht um einen branchenüblichen Aufschlag) anzuerkennen und nach dem Fremdverhaltensgrundsatz als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

13 Die X GmbH beantragte die Entscheidung über die Beschwerden (betreffend Wiederaufnahme Körperschaftsteuer 2005 bis 2008 sowie betreffend Körperschaftsteuer 2005 bis 2008 samt Anspruchszinsen) durch das Bundesfinanzgericht.

14 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide als unbegründet ab. Der Beschwerde gegen die Körperschaftsteuerbescheide gab es teilweise statt und änderte diese Bescheide zu Gunsten der Mitbeteiligten ab. Die Beschwerde gegen die Anspruchszinsenbescheide wies es als unbegründet ab. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

15 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, ein tatsächlich im Ausland errichtetes und dort auch operativ tätiges Unternehmen (X FL) habe 1998 ATS 8 Mio aufgewendet, die in Österreich gewinnerhöhend erfasst worden seien, damit sein Verwaltungsrat (Geschäftsführer) als „Key Accounter“ verdeckt, im Übrigen nicht exklusiv, im Zusammenhang mit der bevorzugten strategischen und planerischen Betreuung von Y habe tätig werden können.

16 Als „Key Account“ werde ein Kunde verstanden, der eine Schlüsselposition für den Erfolg eines Unternehmens einnehme. Ein solcher Kunde sei im Unternehmen der X GmbH unbestritten die Y-Gruppe gewesen. Ein „Key Accounter“ sei jemand, der derartige Schlüsselkunden betreue. „Key Accounting“ sei jene Tätigkeit, die in der Akquisition und speziellen Betreuung von Großkunden mit hohem Kundenwert bestehe.

17 Mit den ATS 8 Mio sei ein firmenwertähnliches Wirtschaftsgut entgeltlich erworben worden, das darin bestanden habe, dass sich die X GmbH gegenüber der X FL verpflichtet habe, zu dulden, dass ihr Geschäftsführer im Innenverhältnis als Dienstnehmer der X FL Tätigkeiten verrichte, zu deren Verrichtung er sonst wegen der Verletzung eines Konkurrenzverbotes nicht berechtigt gewesen wäre. Einen durchsetzbaren Anspruch, der über die Bereitstellung einer bestimmten Person für eine bestimmte Tätigkeit hinausgehe, habe die X FL mit dem Vorgang, der der Rechnung vom 1. September 1998 zugrunde liege, nicht erworben. Bei diesem Verständnis des Vorgangs könne auch nicht davon die Rede sein, dass die vereinbarte Gegenleistung offensichtlich unangemessen gewesen wäre.

18 Die X GmbH habe – als von der Y beauftragtes Unternehmen – die X FL gleichsam als Subunternehmerin mit der Ausführung hinsichtlich bestimmter Tätigkeiten, die vertraglich im Einzelnen aufgezählt und zusammenfassend als „Key Accounting“ bezeichnet worden seien, beauftragt.

19 Bei der X FL handle es sich um ein operativ tätiges Unternehmen, das in den Streitjahren zwischen acht und zwölf Mitarbeiter beschäftigt habe; es habe auch über die sonst erforderlichen Ressourcen verfügt. Die X FL habe mit der X GmbH mehrere Kooperationsverträge abgeschlossen und auf deren Basis Leistungen für die X GmbH erbracht und abgerechnet. Insbesondere seien von der X FL auch Leistungen an die X GmbH betreffend Y erbracht worden.

20 Die im nun strittigen Kernpunkt ohne Beanstandung abgeschlossenen ersten beiden Außenprüfungen belegten, dass das Vertragsverhältnis zwischen der X GmbH und der X FL der Abgabenbehörde im Detail bekannt gewesen sei. Das bereits im Jahr 1998 dokumentierte Vorhaben, den Betrieb oder Teile davon nach Liechtenstein zu verlagern, sei letztlich durch Verschmelzung auf die X FL und Aufgabe der inländischen Betriebsstätte im Jahr 2015 realisiert worden; A***** habe seinen Wohnsitz im Juni 2011 nach Liechtenstein verlegt.

21 Der betriebliche Erfolg und die sich daraus ergebenden Steuerleistungen der X GmbH seien ab dem Abschluss des Kooperationsvertrages stark und nachhaltig angestiegen. Dies gelte auch für die von A***** entrichteten Ertragsteuern. Die X FL habe für die X GmbH nachweislich Aufwendungen getragen, die im Zusammenhang mit dem Key Accounting stünden.

22 Die X FL sei in der Akquisition von neuen Kunden für die X GmbH erfolgreich gewesen.

23 Das Bundesfinanzgericht hege keine Zweifel daran, dass die Steuervermeidung bzw -minimierung ein ausschlaggebender Grund für die grenzüberschreitende Umstrukturierung gewesen sei. Es lägen aber auch außersteuerliche Gründe für diese Umstrukturierung vor (Internationalisierung und Bündelung der Key Account Tätigkeit in der X FL, Reduzierung des Wechselkursrisikos, Marktöffnung und - bearbeitung vor Ort, Arbeitsmarkt, Wachstumsstrategie, Ressourcennutzung im Ausland).

24 Die X GmbH habe beginnend ab 1999 auf zunächst allenfalls zweifelhafter Basis, in den Streitjahren aber auf Basis eines ernst gemeinten und im Wesentlichen auch tatsächlich umgesetzten Kooperationsvertrags im Innenverhältnis (nach außen verdeckt) an die X FL die jederzeit wieder zurückholbare Aufgabe des Key Accounting gegenüber Y übertragen. Diese Aufgabe, die bereits im Kooperationsvertrag zum Teil recht vage und nicht widerspruchsfrei umschrieben worden sei, sei durch die Verzahnung des im Kooperationsvertrag ausdrücklich genannten Werbe-Auftrags mit dem durch Marketingverträge erlangten Primärauftrag samt angeschlossenem Marketingbudget bis ins Detail festgelegt worden. Der „Subauftrag“ sei funktional in den Streitjahren von der X FL für die X GmbH durch den Key Accounter A***** – freilich zum Teil nur mangelhaft dokumentiert – ausgeführt worden. Für Abschluss und Durchführung des Kooperationsvertrages habe es steuerliche und außersteuerliche Gründe gegeben.

25 Das Bundesfinanzgericht sei im (nach dem Erkenntnis VwGH 30.6.2015, 2012/15/0165) fortgesetzten Verfahren betreffend Sicherstellung nach Darlegung von sieben hiefür maßgeblichen Gründen zur Überzeugung gekommen, dass den Zahlungen der X GmbH an die X FL der Betriebsausgabencharakter dem Grunde nach nicht abgesprochen werden könne. Das Bundesfinanzgericht teile im vorliegenden Verfahren diese Sichtweise.

26 Was die Konkretisierung der einzelnen Leistungen betreffe, die mit den strittigen Zahlungen abgegolten worden seien, sei auf die verzahnte Vertragslage zu verweisen. Der Kooperationsvertrag nehme ausdrücklich Bezug auf den mit Y abgeschlossenen Werbevertrag. Dieser Vertrag verweise wiederum bezüglich des Leistungsumfangs auf das in Anlagen konkret und detailliert dargestellte Marketingbudget. Wenn auch im Marketingvertrag praktisch nur so genannte operative Leistungen aufgezählt seien, da aus Sicht des Auftraggebers die operativen Leistungen im Vordergrund stünden, gehe das Bundesfinanzgericht davon aus, dass diese für die Auftraggeberin wichtigen Werbeleistungen nicht ohne entsprechende Akquisitions- und Betreuungsleistungen hätten erbracht werden können; diese seien im Detail im Kooperationsvertrag aufgezählt.

27 Aufbau- und Ablauforganisation sowie vertragliche Grundlagen und Durchführung des Kooperationsvertrages Y entsprächen im Wesentlichen dem vertraglichen, strategischen und operativen „Set-up“ der finanzbehördlich anerkannten Zusammenarbeit mit nicht verbundenen Dritten.

28 Sowohl die X FL als auch die X GmbH hätten über die personellen und sachlichen Ressourcen verfügt, um ihre vertraglich vereinbarten Aufgaben zu erfüllen.

29 Die Zusammenarbeit zwischen der X GmbH und der X FL sei zwar nach außen verdeckt bzw geheim erfolgt, dem Vorstandsvorsitzenden der Y sei diese aber mit großer Wahrscheinlichkeit bekannt und von ihm auch akzeptiert gewesen. Die Key Account Zahlungen der X GmbH an die X FL seien als betrieblich und nicht als sozietär veranlasst anzusehen; diese Zahlungen seien auch nicht in Vorteilsgewährungsabsicht geleistet worden. Der X GmbH sei die Fremdunüblichkeit der Zahlungen nicht offenkundig bzw nicht bewusst gewesen. Die Grundstruktur der Aufgabenauslagerung samt den steuerlichen Auswirkungen sei der Finanzverwaltung zeitnah bekannt gegeben worden und sei von ihr nach zunächst wohl bloß oberflächlicher Prüfung anerkannt worden. In der Folge sei der Kooperationsvertrag bzw die Auslagerung des Key Accountings mitsamt den steuerlichen Auswirkungen zweimal Gegenstand von Außenprüfungen gewesen, die in diesem Punkt keine Beanstandung ergeben hätten.

30 Entgegen der bei den ersten beiden Außenprüfungen vertretenen finanzbehördlichen Ansicht sei die X GmbH nicht bloß eine von der X FL beauftragte Dienstleisterin gewesen. Es sei in Wirklichkeit umgekehrt gewesen: Nicht die erst seit Kurzem bestehende X FL, die keinen Firmenwert, keinen Hauptkunden und auch kein Know-how entgeltlich erworben habe, sei das zentrale bzw dominierende Unternehmen in der Wertschöpfungskette gewesen. Nicht die X FL habe der X GmbH den gesamten Werbe-Etat der Y vermittelt. Vielmehr habe die österreichische X GmbH, die zu Zeiten, als die X FL noch gar nicht existiert habe, bereits in intensive geschäftliche Beziehungen zu Y getreten sei und in diesem Zusammenhang das Vertrauen der deutschen Auftraggeberin erworben habe, ab 1999 Dienstleistungen besonderer Art, nämlich das Key Account Management ausgelagert. Die X FL sei als Auftragnehmerin zur Auftragserfüllung im alleinigen Interesse der Auftraggeberin verpflichtet gewesen.

31 Der von der X GmbH mit der X FL abgeschlossene Kooperationsvertrag sei grundsätzlich auch umgesetzt (bzw gelebt) worden.

32 In einem ausführlich begründeten Entwurf einer (letztlich nicht zugestellten und daher auch nicht wirksam gewordenen) Beschwerdevorentscheidung sei das Finanzamt zum Ergebnis gelangt, dass eine Vergütung in Höhe von 20 % des Auftragsvolumens (statt der verrechneten 25 %) eine zwischen fremden Unternehmen angemessene Vergütung darstelle. Auch die X GmbH habe dies indirekt für vertretbar bzw denkmöglich erachtet. Unter Bedachtnahme auf die tatsächlich zukommenden Funktionen, das tatsächlich bestehende Rollenverhältnis sowie die Risikoteilung erachte das Bundesfinanzgericht aber eine Reduktion der Vergütung um 3 %-Punkte für notwendig und angemessen. Dieser Prozentsatz entspreche jenem, mit dem die X GmbH im Verhältnis zu Drittfirmen das so genannte „Fronting“ (Abschluss von Verträgen im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung; dies entspreche im Wesentlichen einer Besorgung der Leistung) vergütet habe. Diese Funktion habe auch die X GmbH tatsächlich gegenüber Y wahrgenommen. Nach Überzeugung des Senats sei 17 % des Umsatzes mit Y ein angemessenes und fremdübliches Entgelt für das an die X FL ausgelagerte und von dieser auf eigene Kosten ausgeübte Key Accounting.

33 Strittig seien im Wesentlichen Fragen der Beweiswürdigung, der Angemessenheit und Ausgewogenheit von Leistungsbeziehungen bzw des Inhalts und des Umfangs der vereinbarten und erbrachten, konkreten und detailliert zu beschreibenden Leistungen der X FL für die X GmbH. Bei all diesen Fragen handle es sich um Tatfragen, denen keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukomme. Eine ordentliche Revision sei daher nicht zulässig.

34 Gegen dieses Erkenntnis – soweit es Körperschaftsteuer 2005 bis 2008 betrifft – wendet sich die Revision des Finanzamts. Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die X FL als Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet.

35 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

36 Das Finanzamt macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, das angefochtene Erkenntnis widerspreche insbesondere dem – zur Frage der Sicherstellung gegen A***** ergangenen – Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 30.6.2015, 2012/15/0165. Für die Anerkennung von Zahlungen als Betriebsausgaben sei eine besonders exakte Leistungsbeschreibung erforderlich, wenn diese Zahlungen für die Erbringung schwer fassbarer Leistungen, wie Kontaktvermittlung, Know-how-Überlassung, „Bemühungen“ usw. erfolgt sein sollen. Dies gelte insbesondere auch für „Key-Account-Leistungen“. Das Wesen der besonders exakten Leistungsbeschreibung könne nur sein, dass der Inhalt nicht erst in Zusammenschau verschiedener Vereinbarungen sowie unter Berücksichtigung von Zeugenaussagen erhoben werden könne. Die Tragung von Aufwendungen und die Übernahme anderer Marketingmandate könnten diesen Mangel nicht ersetzen. Aus der „Verzahnung“ von Marketingvertrag und Kooperationsvereinbarung sei für die Leistungsbeschreibung nichts gewonnen, da im Marketingvertrag nur operative Leistungen aufgezählt seien, für die die X FL gerade nicht zuständig gewesen sei. Im Kooperationsvertrag seien jedoch nur abstrakte Leistungsinhalte („Akquirierung von Kunden“ usw) dargestellt, aus denen nicht abgeleitet werden könne, welche Leistungen in welchem Umfang tatsächlich erbracht und verrechnet worden seien. Darüber hinaus seien Verträge zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern an jenen Kriterien zu messen, die für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen entwickelt worden seien. Es liege aber insbesondre keine Vereinbarung mit klarem und eindeutigem Inhalt vor.

37 Die Revision ist aus den genannten Gründen zulässig und begründet.

38 Betriebsausgaben sind die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs 4 EStG 1988).

39 Der steuerliche Gewinn einer Körperschaft darf durch Vorgänge, die nicht durch die betriebliche Tätigkeit der Körperschaft, sondern durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, keine Minderung erfahren. Für die Frage, ob eine Maßnahme gesellschaftlich veranlasst ist, kommt es maßgeblich darauf an, ob sie auch einander fremd gegenüberstehende Personen gesetzt hätten (vgl VwGH 11.2.2016, 2012/13/0061, mwN).

40 Ein Fremdvergleich hat zur Voraussetzung, dass die erbrachten und honorierten Leistungen im Einzelnen konkret und detailliert erfasst und dargestellt werden. Die Leistungsbeschreibung muss in einem solchen Maße konkret sein, dass die Einschätzung des genauen Marktwerts der Leistung möglich ist und in der Folge die Feststellung getroffen werden kann, ob auch ein fremder Dritter jene Gegenleistung zu erbringen bereit gewesen wäre, welche von der nahestehenden Gesellschaft geleistet worden ist. Einer besonders exakten Leistungsbeschreibung bedarf es insbesondere dann, wenn der Vertragsgegenstand in der Erbringung schwer fassbarer Leistungen (z.B. „Bemühungen“, Beratungen, Kontaktvermittlung, Know-how-Überlassung) besteht (vgl VwGH 28.1.2003, 99/14/0100, VwSlg 7786F; 15.9.2016, 2013/15/0274, mwN).

41 Im Revisionsfall hatte daher das Bundesfinanzgericht zu prüfen, welche Leistungen die X FL im Einzelnen erbracht hatte, und hiezu (konkret und detailliert) Feststellungen zu treffen (vgl VwGH 26.2.2004, 99/15/0053).

42 Solche konkreten und detaillierten Feststellungen sind dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen. Das Bundesfinanzgericht verwies nur allgemein auf „Key Account“ Leistungen. Um welche Leistungen es sich dabei im Einzelnen handelte, wird im angefochtenen Erkenntnis nicht ausgeführt. Soweit das angefochtene Erkenntnis auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts im Sicherstellungsverfahren verweist (Entscheidung vom 18. November 2015 im fortgesetzten Verfahren nach VwGH 30.6.2015, 2012/15/0165), findet sich dort zwar eine Schilderung des Vertragsinhalts zwischen der X FL und der X GmbH (Akquirierung von Kunden, Vereinbarung der Auftragskonditionen, Pflege und Erhaltung bestehender Kundenkontakte durch regelmäßige Besuche der jeweiligen Geschäftsleitungen, Erstellen von Werbekonzepten, Briefing mit den Kunden und ihren Beauftragten sowie Überwachung der Werbekampagnen; Auswahl und Bestellung von allfälligen Subunternehmen, Vereinbarung der Auftragskonditionen, Erstellung des Werbekonzeptes, Ausarbeitung des Marketing-Mix, Konzeption des Marketingplanes, Auswahl der Werbemittel und deren Einsetzung). Welche dieser Leistungen in den einzelnen Streitjahren auch tatsächlich erbracht wurden, geht daraus aber nicht hervor. Auch fehlt eine Leistungsbeschreibung, anhand welcher der Marktwert der Leistungen hätte eruiert werden können. Soweit in jener Entscheidung auch angeführt worden war, im Privatgutachten einer Sachverständigen für Marketing seien sowohl die Key Account Tätigkeit der X FL in Bezug auf Y als auch die Tätigkeiten der X GmbH ausführlich dargestellt und bewertet worden, so wurde aber im angefochtenen Erkenntnis zu diesem Privatgutachten ausgeführt, dieses beinhalte viele Allgemeinplätze und habe wenig Bezug zum konkreten Fall; das Gutachten würde auch auf die tatsächlichen historischen Abläufe und die dokumentierte Vertragslage gar nicht Bezug nehmen oder diese negieren.

43 Wenn das Bundesfinanzgericht schließlich auf die „verzahnte Vertragslage“ verweist, so könnte dies zwar jene Leistungen näher definieren, die in Erfüllung des zwischen der X GmbH und der Y abgeschlossenen Vertrags zu erbringen waren. Dabei handelt es sich freilich (nur) um jene Leistungen, die zur Erfüllung des Vertrags mit Y dienen sollten. Kern der von der X FL zu erbringenden Leistungen sollten aber – nach dem Vorbringen der Mitbeteiligten – gerade jene zur Aufrechterhaltung der Kundenbeziehung sein. Für diese Leistungen besteht daher keine Verzahnung mit den Werbeverträgen. Schließlich würde aber auch die Verzahnung der Vereinbarungen nicht das Erfordernis von Feststellungen, welche Leistungen von der X FL tatsächlich erbracht wurden und wie diese Leistungen im Einzelnen zu bewerten sind, ersetzen.

44 Auch der Verweis auf die Beschwerdevorentscheidung vom 14. April 2015 erhellt nicht, welche Leistungen von der X FL tatsächlich erbracht wurden, wird dort doch lediglich angeführt, die X FL habe „eine gewisse operative Tätigkeit“ zugunsten der X GmbH erbracht.

45 Das angefochtene Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang (Körperschaftsteuer 2005 bis 2008) gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Leitsätze

  • Über die Notwendigkeit der detaillierten Leistungsbeschreibung bei schwer erfassbaren Leistungen

    Um zu einer steuerlichen Anerkennung zu führen, müssen betriebliche Ausgaben konkret und detailliert beschrieben werden. Besondere Maßstäbe sind dabei an Leistungen zu setzen, deren Erbringung schwer erfassbar ist, wie zB Bemühen, Beratungen oder Know-How-Überlassung. Diese müssen so konkret erfasst sein, dass der Inhalt feststellbar ist, ohne dass erst verschiedene Verträge oder Zeugenaussagen gesammelt und ausgewertet werden müssen.
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