Dokument-ID: 872945

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 103/16i; OGH; 30. August 2016

GZ: 6 Ob 103/16i | Gericht: OGH vom 30.08.2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Dr. Nowotny und Dr. Hargassner als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz zu FN ***** eingetragenen R***** GmbH mit dem Sitz in Graz, über den Revisionsrekurs 1. der Geschäftsführerin P***** J*****, 2. des Geschäftsführers Ing. R***** P***** und 3. der Gesellschaft, *****, sämtliche vertreten durch Mag. Matthias Zezula, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 13. April 2016, GZ 4 R 32/16g-11, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 23. Dezember 2015, GZ 47 Fr 4712/15i-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Im Firmenbuch des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz ist seit 10. Oktober 2014 zu FN ***** die R***** GmbH eingetragen. Nach dem Firmenbuchstand ist Ing. R***** P*****, seit 10. Oktober 2014 selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer sowie alleiniger Gesellschafter mit einer Stammeinlage von EUR 35.000,– – gründungsprivilegiert EUR 10.000,– –, auf die EUR 5.000,– geleistet sind.

Er meldete als Geschäftsführer unter Vorlage eines Gesellschafterbeschlusses vom 28. Juli 2015 (Bestellung von P***** J*****, als weitere selbstständig vertretungsbefugte Geschäftsführerin), eines Notariatsakts vom selben Tag (Abtretung eines Teils seines Geschäftsanteils, der einer Stammeinlage von EUR 17.500,–, davon EUR 2.500,– einbezahlt, entspricht) und einer Musterzeichnung der neuen Geschäftsführerin – nachfolgende Änderungen zur Eintragung im Firmenbuch an und erklärte gleichzeitig, dass am 28. Juli 2015 weitere EUR 5.000,– an Stammeinlage auf das Konto der Gesellschaft einbezahlt wurden (die kursiv geschriebenen Teile kennzeichnen die Veränderungen im Vergleich zum bisherigen Firmenbuchstand):

„Geschäftsführer:

Ing. R***** P***** vertritt seit Firmenbucheintragung selbstständig

P***** J*****, vertritt ab 01.08.2015 selbstständig

Gesellschafter

Stammeinlage

gründungsprivilegierte Stammeinlage

hierauf geleistet

Ing. R***** P*****

EUR 17.500,00

EUR 5.000,00

EUR 5.000,00

P***** J*****

EUR 17.500,00

EUR 5.000,00

EUR 5.000,00

Summen:

EUR 35.000,00

EUR 10.000,00

EUR 10.000,00

Personen:

Ing. R***** P*****

P***** J*****“

Das Erstgericht trug mit Beschluss vom 21. Oktober 2015 dem Einschreiter – soweit im Revisionsrekursverfahren relevant – die Verbesserung seiner Anmeldung binnen drei Wochen auf: Es seien zwei gesonderte Eintragungsanträge zu stellen, weil es unzulässig sei, die Anmeldung der Übertragung von Geschäftsanteilen und der Einzahlung auf Stammeinlagen in einem einzigen Eintragungsantrag zusammenzufassen.

Die Gesellschaft antwortete darauf, die Anmeldung der Änderungen sei ihrer Rechtsauffassung nach in einem Antrag zulässig.

Mit Beschluss vom 11. November 2014 forderte das Erstgericht die beiden Geschäftsführer auf, binnen 14 Tagen der Aufforderung vom 21. Oktober 2015 vollinhaltlich nachzukommen, widrigenfalls Zwangsstrafen von jeweils EUR 500,– nach § 24 Abs 1 FBG verhängt werden. Es wiederholte seinen Rechtsstandpunkt.

Eine Verbesserung im aufgetragenen Sinn erfolgte nicht.

Mit Beschluss vom 23. Dezember 2015 verhängte das Erstgericht über die beiden Geschäftsführer gemäß § 24 Abs 1 FBG die angedrohten Zwangsstrafen von jeweils EUR 500,– und forderte sie auf, dem Auftrag vom 11. November 2015 innerhalb von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses nachzukommen, widrigenfalls weitere Zwangsstrafen zu verhängen seien. In der Begründung verwies es auf seine schon im Verbesserungsverfahren vertretene Meinung, der Übergang des Geschäftsanteils und die Einzahlung auf Stammeinlagen müssten in zwei Schritten angemeldet werden.

Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluss dem Rekurs der Geschäftsführer nicht Folge. Es führte rechtlich aus, der Gesetzgeber strebe die lückenlose Dokumentation der anmeldungspflichtigen Daten an (6 Ob 156/06v; 6 Ob 97/12a). Das ergebe sich insbesondere aus der Regelung, dass auch gelöschte Eintragungen in der Datenbank des Firmenbuchs weiter abfragbar bleiben müssten (§§ 31, 33 Abs 4 FBG). Dementsprechend sei jede anmeldungspflichtige Änderung einzutragen (OLG Wien 28 R 102/98w). Im Interesse der Vollständigkeit des Firmenbuchs müssten Änderungen grundsätzlich auch dann in das Firmenbuch aufgenommen werden, wenn sie mittlerweile überholt seien (Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 10 Rz 5). So sei etwa eine „Sprungeintragung“, bei der nicht die vollständige Kette der Gesellschafter in der entsprechenden zeitlichen Abfolge abgebildet werde, nicht zulässig (vgl 6 Ob 235/03g; OLG Wien 28 R 102/98w). Die beanstandete Firmenbuchanmeldung lasse offen, ob zuerst durch den bisherigen Alleingesellschafter die Volleinzahlung auf die gründungsprivilegierte Stammeinlage und erst danach die Abtretung der Hälfte des Geschäftsanteils an die hinzutretende Gesellschafterin erfolgt sei oder umgekehrt. Der Verbesserungsauftrag des Erstgerichts sei somit zu Recht erfolgt, weshalb wegen der nicht erfolgten Verbesserung die Zwangsstrafen zurecht verhängt worden seien.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil auch die Auffassung vertreten werden könnte, dass ein für die beteiligten Verkehrskreise bzw die Allgemeinheit relevanter Informationsmehrwert einer getrennten Darstellung von am selben Tag erfolgter Anteilsübertragung und Änderung der Einzahlungsbeträge auf die Stammeinlage angesichts der Volleinbezahlung der gründungsprivilegierten Stammeinlage der GmbH nicht erkennbar sei.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Gesellschaft und der Geschäftsführer mit dem Antrag, die „angefochtenen Beschlüsse“ aufzuheben, womit erkennbar einerseits die Aufhebung der Zwangsstrafen und andererseits die Firmenbucheintragung entsprechend der von den Vorinstanzen als verbesserungsbedürftigen Anmeldung begehrt wird.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionsrekurswerber bringen vor, im vorliegenden Fall würden weder die Interessen des Geschäftsverkehrs beeinträchtigt, noch sei ein Informationsmehrwert durch gesonderte Anträge erkennbar.

Hierzu wurde erwogen:

Der Oberste Gerichtshof erachtet die Begründung des Rekursgerichts für zutreffend und verweist die Rechtsmittelwerber darauf (§ 71 Abs 3 Satz 2 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG).

Ergänzt wird Folgendes:

1.1. Sobald der Gesellschaft der Übergang eines Geschäftsanteils, die Änderung des Namens, der für Zustellungen maßgeblichen Anschrift, einer Stammeinlage oder der geleisteten Einzahlungen eines Gesellschafters nachgewiesen wird, haben die Geschäftsführer in der zur Vertretung notwendigen Anzahl diese Tatsachen unverzüglich zum Firmenbuch anzumelden (§ 26 Abs 1 Satz 1 GmbHG).

1.2. Schon der Wortlaut dieser Bestimmung legt nahe, dass im vorliegenden Fall – wie schon die Vorinstanzen ausführten – die Firmenbuchanmeldung zwei nacheinander zu vollziehende Eintragungen beantragen muss. Das Gesetz verlangt nämlich die Anmeldung „der geleisteten Einzahlungen eines Gesellschafters“, was nur dann gewährleistet ist, wenn sich aus der Anmeldung eindeutig ergibt, welcher Gesellschafter Einzahlungen geleistet hat. Dies ist aber bei der von den Rechtsmittelwerbern beantragten gleichzeitigen Eintragung vom Übergang (eines Teils) eines Geschäftsanteils und von der Einzahlung eines Gesellschafters nicht ersichtlich.

2.1. Mit dem hier vom Rekursgericht und den Rechtsmittelwerbern relevierten mangelnden Informationsmehrwert von getrennten Eintragungen für die beteiligten Verkehrskreise ist die Frage verwandt, ob auch solche Tatbestände einzutragen sind, die im Zeitpunkt der Eintragung überholt sind. Allgemein anerkannt ist dazu der firmenbuchrechtliche Grundsatz der lückenlosen Dokumentation der anmeldungspflichtigen Daten (6 Ob 156/06v; 6 Ob 97/12a, jeweils mwN; vgl auch 6 Ob 235/03g SZ 2004/62 = RIS-Justiz RS0118922).

2.2. Dieser Grundsatz steht auch mit § 10 Abs 1 erster Halbsatz FBG im Einklang, wonach Änderungen eingetragener Tatsachen, unbeschadet sonstiger gesetzlicher Vorschriften, beim Gericht unverzüglich anzumelden sind.

Die Bestimmung unterscheidet für die Anmeldepflicht nicht zwischen noch aktuellen Änderungen und solchen, die im Zeitpunkt der Anmeldung bereits überholt sind. Die Ansicht, bestimmte überholte Tatbestände müssten nicht angemeldet werden, bedürfte daher des Nachweises, dass § 10 Abs 1 erster Halbsatz FBG zu weit und deshalb teleologisch zu reduzieren wäre. Die Berechtigung einer derartigen teleologischen Reduktion ist nicht erkennbar.

2.3. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG (2005), § 10 Rz 5, hat allerdings die Ansicht vertreten, Voraussetzung dafür, dass auch mittlerweile überholte Änderungen einzutragen seien, sei ein diesbezügliches Informationsbedürfnis der beteiligten Verkehrskreise bzw der Allgemeinheit. Die vom Obersten Gerichtshof für die Darstellung der Genese der Beteiligungsverhältnisse angestellten Überlegungen ließen sich daher wohl nicht auf die Eintragung mittlerweile überholter, seinerzeit pflichtwidrig nicht eingetragener Zustellanschriften oder niemals eingetragener mittlerweile abberufener Organe übertragen.

2.4.1. Der Oberste Gerichtshof ist dieser Ansicht in der schon vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 6 Ob 156/06v betreffend die Eintragung von schon wieder abberufenen Geschäftsführern oder umgekehrt betreffend die Löschung von abberufenen Geschäftsführern, die mittlerweile wieder zu solchen bestellt wurden, unter Berufung auf den Firmenbuchgrundsatz der lückenlosen Dokumentation (vgl dazu auch 6 Ob 97/12a) nicht gefolgt.

2.4.2. Überdies hat die Tatsache, wer in der Vergangenheit Geschäftsführer einer GmbH war, für den Geschäftsverkehr etwa dann durchaus noch Informationswert, wenn es etwa um die Haftung eines vormaligen Geschäftsführers nach den Normen geht, die (auch) den Schutz der Gesellschaftsgläubiger bezwecken (§ 26 Abs 2, § 56 Abs 3, § 64 Abs 2 GmbHG, § 69 IO oder § 159 StGB).

2.5.1. Allgemein anerkannt in Rechtsprechung und Lehre ist auch, dass Gesellschafter einer GmbH, die bereits wieder aus der Gesellschaft ausgeschieden sind, einzutragen (und sodann wieder zu löschen) sind (6 Ob 156/06v; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 26 Rz 5; Petrasch/Verweijen in Straube, GmbHG § 26 Rz 2 jeweils mwN). Auch dazu könnte bei voll eingezahlten Stammeinlagen die Ansicht vertreten werden, es gäbe kein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit, haften doch die Gesellschafter bei voll eingezahlten Stammeinlagen regelmäßig weder der Gesellschaft noch den Gesellschaftsgläubigern.

2.5.2. Dies würde allerdings die (wohl eher seltenen) Fälle der (Nach-)Haftung auch von bereits ausgeschiedenen Gesellschaftern nach § 70 Abs 1 oder § 73 Abs 2 GmbHG oder des Haftungsdurchgriffs (vgl dazu 6 Ob 313/03b) nicht berücksichtigen.

3. Es ergibt sich somit aus den oben 2.4.1. und 2.5.1. zitierten Entscheidungen implizit, dass es (auch dann, wenn die in 2.4.2. und 2.5.2. erwähnten Fälle nicht vorliegen) für vorzunehmende Firmenbucheintragungen von bereits überholten Tatsachen nicht auf ein Informationsbedürfnis der beteiligten Verkehrskreise bzw der Allgemeinheit ankommt.

4. Schließlich zeigen die Erwägungen unter 2.4.2. und 2.5.2., dass es oft schwierig ist zu beurteilen, ob ein Informationsbedürfnis der beteiligten Verkehrskreise bzw der Allgemeinheit vorliegt oder nicht. Das auf rasche und möglichst aktuelle Eintragungen abzielende Firmenbuchverfahren soll aber von diffizilen und im Gesetz überdies nicht vorgesehenen Überlegungen frei bleiben.

5. Die Vorinstanzen haben somit rechtsrichtig die Zwangsstrafen verhängt.

Leitsätze

  • Zur Pflicht, mittlerweile überholte Änderungen einzutragen

    Auf ein Informationsbedürfnis der beteiligten Verkehrskreise bzw der Allgemeinheit kommt es bei vorzunehmenden Firmenbucheintragungen von bereits überholten Tatsachen grundsätzlich nicht an.
    WEKA (ato) | Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 103/16i | OGH vom 30.08.2016 | Dokument-ID: 872947
  • Zur Kumulation von Firmenbuchanmeldungen

    § 26 Abs 1 Satz 1 GmbHG verlangt die Anmeldung „der geleisteten Einzahlungen eines Gesellschafters“. Dies gilt nur dann als gewährleistet, wenn sich aus der Anmeldung eindeutig ergibt, welcher Gesellschafter Einzahlungen geleistet hat.
    WEKA (ato) | Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 103/16i | OGH vom 30.08.2016 | Dokument-ID: 872946