Dokument-ID: 981445

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 104/17p; OGH; 21. Dezember 2017

GZ: 6 Ob 104/17p | Gericht: OGH vom 21.12.2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** G*****, vertreten durch die Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei W***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Alexander Mirtl, M.B.L., Rechtsanwalt in Linz, wegen Nichtigerklärung eines Gesellschafterbeschlusses, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. März 2017, GZ 2 R 31/17t-11, womit infolge der Berufungen beider Streitteile das Urteil des Landesgerichts Linz vom 2. Jänner 2017, GZ 4 Cg 112/16g-4, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.345,04 (darin enthalten EUR 390,84 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

Der Kläger ist mit einer voll geleisteten Stammeinlage von ATS 1.250.000,– (rund 20,83 % Beteiligung) am ATS 6.000.000,– betragenden Stammkapital der beklagten Gesellschaft mit beschränkter Haftung beteiligt. Weitere Gesellschafter sind J***** R***** mit einer voll geleisteten Stammeinlage von ATS 4.270.000,– (rund 71,17 % Beteiligung) und Mag. J***** S***** mit einer voll geleisteten Stammeinlage von ATS 480.000,– (8 % Beteiligung).

Der Kläger möchte seine Geschäftsanteile einem Dritten übertragen und damit aus der Gesellschaft als Gesellschafter ausscheiden.

In der außerordentlichen Generalversammlung der Beklagten vom 9. September 2016, in der auch die Aufsichtsratsmitglieder neu bestellt und die Umstellung auf Euro und eine geringfügige Kapitalerhöhung beschlossen wurden, stimmten J***** R***** und Mag. J***** S***** mit rund 79,17 % für den Beschluss über die durchgreifende Neufassung des Gesellschaftsvertrags zu TOP 4, der Kläger dagegen; er erhob Widerspruch zu Protokoll.

Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten enthielt bis dahin folgende Bestimmungen über Unternehmensgegenstand, Stimmrecht, Übertragung von Geschäftsanteilen und Auflösung der Gesellschaft:

„[…]

Zweitens: Gegenstand und Zweck des Unternehmens:

(1) Gegenstand und Zweck des Unternehmens ist die Errichtung und Verwaltung von Wohnungen im eigenen oder im fremden Namen sowie die Schaffung von Wohnungseigentum, der Handel und die Vermittlung von allen damit verbundenen Waren, insbesondere mit Realitäten, und die Erbringung von Dienstleistungen in diesem Wirtschaftssektor.

(2) […]

[…]

Viertens: Organe der Gesellschaft:

[…]

(14) Je ATS 1.000 (eintausend Schilling) an übernommenen Stammeinlagen gewähren eine Stimme, jedoch steht jedem Gesellschafter mindestens eine Stimme zu. […]

[…]

(18) Die Beschlüsse der Generalversammlung werden, soferne nicht das Gesetz oder dieser Vertrag etwas Abweichendes vorschreibt, mit Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt.

[…]

(23) Beschlüsse über die Auflösung der Gesellschaft, Änderung des Gesellschaftsvertrages, Fusion mit einer Aktiengesellschaft oder einer anderen GmbH (§ 96 GmbHG) und Erhöhung des Stammkapitals müssen mit Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden.

[…]

Siebentens: Übertragung von Geschäftsanteilen:

(1) Die Übertragung von Geschäftsanteilen an den Ehegatten oder Deszendenten des abtretungswilligen Gesellschafters, soferne diese großjährig sind, ist frei und bedarf keinerlei Zustimmung der Generalversammlung. Beabsichtigt ein Gesellschafter seinen Geschäftsanteil an andere Personen als einem Ehegatten oder einem seiner großjährigen Deszendenten abzutreten, hat er seinen Geschäftsanteil vorher allen übrigen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung zum Erwerb gegen Bezahlung des Abtretungsentgeltes gemäß Punkt 'Neuntens' anzubieten.

(2) Der abtretungswillige Gesellschafter ist an sein Abtretungsangebot gegenüber den übrigen Gesellschaftern vier Wochen unwiderruflich gebunden, wobei diese Frist vom Zeitpunkt der spätesten Anbietung an einen Gesellschafter zählt.

(3) Die übrigen Gesellschafter haben im Rahmen dieser Anbietungspflicht ein Aufgriffsrecht, das sie jedoch nur zur Gänze oder gar nicht, aber nicht teilweise geltend machen können.

(4) Macht einer oder mehrere Gesellschafter von diesem Aufgriffsrecht keinen Gebrauch, so wächst das so frei gewordene Aufgriffsrecht den übrigen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung an. Lehnen alle übrigen Gesellschafter die Übernahme des Geschäftsanteils des ausscheidungswilligen Gesellschafters ab, ist dieser berechtigt, in einer abzuhaltenden Generalversammlung den Antrag auf Genehmigung der Abtretung an den namentlich genannten Dritten zu stellen.

(5) Die Abtretung ist genehmigt, wenn 51 % (einundfünfzig Prozent) aller vorhandenen Stimmen die Zustimmung dazu erteilen. Wenn die Zustimmung durch die Gesellschafter nicht erteilt wird, muss von den verbliebenen Gesellschaftern binnen 14 (vierzehn) Tagen ein Ersatzkäufer zu gleichen Bedingungen namhaft gemacht werden und zwar mittels eingeschriebenen Briefes.

(6) Für den Fall, dass die Abtretung nicht genehmigt und ein Ersatzkäufer nicht binnen 14 (vierzehn) Tagen beigestellt wird, gilt die Genehmigung zum Verkauf als erteilt.

(7) Eine Teilung von Geschäftsanteilen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden oder von Tod wegen ist unter Einhaltung der Vorschriften der Punkte 'Siebentens', 'Achtens' und 'Neuntens' erlaubt, wobei jedoch der kleinste Geschäftsanteil nur ATS 1.000,00 (eintausend Schilling) Nominale betragen darf.

[…]

Neuntens: Auflösung der Gesellschaft:

(1) Die Abtretungsentgelte gemäß der Vertragspunkte 'Siebentens' und 'Achtens' werden aufgrund einer von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen zu erstellenden Auseinandersetzungsbilanz zum jeweiligen Stichtag errechnet einschließlich des ideellen Firmenwertes (Good Will) und der stillen Reserven.

(2) Das Entgelt für den Stammanteil ist ein Jahr nach dem Ausscheidungsstichtag auszubezahlen. Vorzeitige Zahlungen müssen angenommen werden.

[…]“.

In der außerordentlichen Generalversammlung vom 9. September 2016 wurden (zu TOP 1) sämtliche im Firmenbuch ersichtlichen Aufsichtsratsmitglieder neu bestellt, (zu TOP 2) der Gesellschaftsvertrag an die Bestimmungen des 1. EuroJuBeG angepasst, (zu TOP 3) das Stammkapital um 163 EUR auf EUR 436.200,– erhöht und zu TOP 4 über den Antrag der Mag. J***** S***** abgestimmt, den Gesellschaftsvertrag durchgreifend neu zu fassen, und zwar in der mit der Einladung zur Generalversammlung an sämtliche Gesellschafter ausgesandten und dem Protokoll angeschlossenen Version. Dazu berichtete der Vorsitzende, im Hinblick auf die notwendigen Änderungen durch die Kapitalerhöhung und die Euroumstellung sowie die Abberufung sämtlicher Mitglieder des Aufsichtsrats erweise es sich als zweckmäßig, den Gesellschaftsvertrag durchgreifend neu zu fassen, damit wieder eine aktualisierte Gesamtfassung des Gesellschaftsvertrags zur Verfügung stehe. Der Gesellschaftsvertrag in dieser Fassung, der mit den Stimmen der Mag. J***** S***** und des J***** R***** beschlossen wurde, enthält folgende Bestimmungen zum Unternehmensgegenstand, Stimmrecht und zur Übertragung von Geschäftsanteilen:

„[…]

II. Gegenstand des Unternehmens

2.1. Gegenstand des Unternehmens ist:

(a) Die Errichtung und Verwaltung wie auch Investitionen in Immobilien im eigenen oder im fremden Namen sowie die Schaffung von Wohnungseigentum, der Handel und die Vermittlung von allen damit verbundenen Waren, insbesondere Realitäten und die Erbringung der diesbezüglichen Dienstleistungen;

(b) die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der automatischen Datenverarbeitung;

(c) die Mietung und Pachtung bzw Vermietung und Verpachtung von beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern jeder Art;

(d) der Betrieb, die Übernahme und Vermittlung aller mit dem Gesellschaftszweck mittelbar in Verbindung stehenden Geschäfte;

(e) der Handel mit Waren aller Art.

2.2. Außerdem ist die Gesellschaft zu allen Handlungen, Geschäften und Maßnahmen im In- und Ausland berechtigt, die zur Erfüllung des Gesellschaftszweckes förderlich erscheinen, wie insbesondere

(a) die Errichtung und der Betrieb von Zweigniederlassungen sowie von Betriebsstätten im In- und Ausland; und

(b) die Übernahme einschlägiger Handelsvertretungen.

2.3. Geschäfte nach dem österreichischen BankwesenG sind ausgeschlossen.

[…]

VII. Generalversammlung

[…]

7.4. Das Stimmrecht richtet sich nach der Höhe der übernommenen Stammeinlage. Je EUR 10,00 einer übernommenen Stammeinlage gewähren eine Stimme; doch muss jedem Gesellschafter mindestens eine Stimme zustehen. Die Beschlüsse werden, soweit der Gesellschaftsvertrag oder das Gesetz nichts anderes bestimmen, mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Bei Stimmengleichheit bzw im Fall einer 'Patt-Situation' (auf einen Beschlussgegenstand entfallen jeweils 50 % Pro-Stimmen und 50 % Kontra-Stimmen) haben sich die Gesellschafter unverzüglich auf einen Schiedsmann zu einigen. Ist dies binnen drei Tagen nicht möglich, ist der Schiedsmann vom Präsidenten der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich aus dem Kreise der Unternehmensberater zu bestellen. Der Schiedsmann hat nach Anhörung der Gesellschafter für einen der widersprüchlichen Standpunkte zu entscheiden. Die Entscheidung hat längstens innerhalb von vier Wochen ab Konstituierung zu ergehen. Es gilt österreichisches Recht und hat der Schiedsrichter mit größtmöglicher Unparteilichkeit vorzugehen. Die Gesellschafter verpflichten sich, in der Generalversammlung entsprechend der Entscheidung des Schiedsmannes abzustimmen. Die Entscheidung ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten im Interesse der Gesellschaft zu fällen. Die Entscheidung ist endgültig und unterliegt, soweit gesetzlich ausschließbar, keinem weiteren Rechtsmittel oder der gerichtlichen Anfechtung. Ein allfälliger Kostenersatz richtet sich nach den Bestimmungen der ZPO für schiedsrichterliche Verfahren. Ausdrücklich ausgenommen von der Zuständigkeit des Schiedsmannes sind folgende Beschlussfassungen:

a) zur Zustimmung hinsichtlich der Übertragung von Geschäftsanteilen;

b) zu Grundlagenbeschlüssen wie insbesondere die Änderungen des Gesellschaftsvertrages einschließlich der Erhöhung und der Herabsetzung des Stammkapitals sowie auch Änderungen betreffend den Unternehmensgegenstand;

c) über die Errichtung eines Aufsichtsrates;

d) über die Ausübung von höchstpersönlichen Rechten eines Gesellschafters sowie

e) Beschlussfassungen gemäß § 35 GmbHG.

[…]

X. Teilung, Abtretung und Übertragung von Geschäftsanteilen

10.1. Die Übertragung, Teilung und Belastung von Geschäftsanteilen bedarf der Zustimmung der Gesellschaft, die durch Beschluss der Gesellschafter, bei dem auch der abtretungswillige Gesellschafter stimmberechtigt ist, erteilt wird.

10.2. Die Zustimmung nach Punkt 10.1. ist nicht für die gänzliche oder teilweise Übertragung von Geschäftsanteilen an die nachfolgend angeführten Personen bzw Gesellschaften (begünstigter Personenkreis) erforderlich:

10.2.1. Die Abtretung von Geschäftsanteilen oder Teilen derselben an Mitgesellschafter wie auch an deren Kinder und Nachkömmlinge im Sinn des § 731 Abs 1 ABGB als auch an den Ehegatten des übertragenden Gesellschafters, sofern im Zeitpunkt der Abtretung die Ehe aufrecht besteht, ist ohne jede Einschränkung zulässig.

10.3. Vor einer Antragstellung des abtretungswilligen Gesellschafters an andere als im Punkt 10.2.1. genannte Personen oder Gesellschaften ist folgendes Verfahren einzuhalten:

a) Der abtretungswillige Gesellschafter, der seinen Geschäftsanteil oder Teil desselben unter Lebenden entgeltlich oder unentgeltlich an andere Personen oder Gesellschaften als im Punkt 10.2.1. beschrieben abtreten will, hat seinen Geschäftsanteil oder Teil desselben vorher seinen Mitgesellschaftern durch Übersendung eines Abtretungsangebotes in Notariatsaktsform mit eingeschriebenem Brief zum Erwerb anzubieten.

b) Die Mitgesellschafter haben nach Erhalt des Anbotsschreibens das Recht, die Abtretung untereinander im Verhältnis ihrer Stammeinlagen für sich in Anspruch zu nehmen.

c) Macht ein Mitgesellschafter von seinem Aufgriffsrecht binnen Monatsfrist nach Erhalt des Anbotes keinen Gebrauch, so wächst das auf ihn entfallende Übernahmerecht verhältnismäßig den anderen Mitgesellschaftern zu.

d) Die Gesellschafter, die von ihrem Aufgriffsrecht Gebrauch machen, haben eine bindende Aufgriffserklärung in Form eines Notariatsaktes binnen Monatsfrist gegenüber dem abtretungswilligen Gesellschafter durch eingeschriebenen Brief abzugeben.

e) Greifen die Gesellschafter einen Geschäftsanteil entsprechend dem vorstehenden Verfahren auf und wird keine Einigung über den Abtretungspreis erzielt, so errechnet sich der zu leistende Abtretungspreis nach dem Fachgutachten KFS-BW1 des Fachsenates für Betriebswirtschaft und Organisation der Kammer der Wirtschaftstreuhänder oder nach einem allenfalls an seine Stelle tretenden Fachgutachten. Der Abtretungspreis entspricht dabei dem Geschäftsanteil anteilsmäßig entsprechend dem nach den Grundsätzen des Fachgutachtens ermittelten Unternehmenswert. Der Abtretungspreis ist binnen eines Jahres nach Abgabe der Aufgriffserklärungen zur Zahlung fällig. Vorzeitige Auszahlungen müssen angenommen werden. Die Kosten des zu erstellenden Gutachtens hat der abtretungswillige Gesellschafter zu bezahlen.

10.4. Macht keiner der Mitgesellschafter von diesem Aufgriffsrecht Gebrauch und gibt die Gesellschaft dennoch keine Zustimmung zur Abtretung von Geschäftsanteilen oder Teilen derselben an Dritte, kann der abtretungswillige Gesellschafter gerichtliche Hilfe im Sinn des § 77 GmbHG in Anspruch nehmen.

10.5. […]

[…].“

Der Kläger begehrt die Nichtigerklärung des zu TOP 4 gefassten Beschlusses und brachte vor, der neue Gesellschaftsvertrag greife in verschiedenen Punkten in die Rechte des Minderheitsgesellschafters, aber auch in die Kernbereiche der Mitgliedschaft, etwa das Stimmrecht, ein. Solche Eingriffe wie auch die nachträgliche Verschärfung einer Vinkulierungsbestimmung oder die Einführung einer Schiedsklausel wären nur mit Zustimmung aller Gesellschafter zulässig. Die Verschärfung der Vinkulierungsbestimmungen führe dazu, dass für den Fall einer Ablehnung der Übertragung an einen Dritten durch die Generalversammlung eine zügige Übertragung nicht mehr möglich sei. Mit der Änderung wolle der Mehrheitsgesellschafter die ihm bekannte Absicht des Verkaufs des Geschäftsanteils durch den Kläger behindern. Darüber hinaus rügte der Kläger die Einführung einer Geheimhaltungsklausel und die Änderung des Unternehmensgegenstands.

Die Beklagte wendete ein, mit der Neufassung des Gesellschaftsvertrags werde nicht unzulässig in die Position des Klägers eingegriffen. Satzungsänderungen seien mit Drei-Viertel-Mehrheit möglich. Weder werde das Stimmgewicht geändert noch in den Kernbereich der Mitgliedschaft eingegriffen. Vielmehr seien Bestimmungen geschaffen worden, die für einen funktionierenden Ablauf unerlässlich seien, weil bei Patt-Situationen ein anhaltender Stillstand verhindert werde. Es sei nicht eine Schiedsklausel, sondern eine Schiedsgutachterregelung vorgesehen worden, im Übrigen wäre auch eine Schiedsklausel gegen den Willen der Minderheit zulässig. Eine Patt-Situation sei im konkreten Fall aufgrund der Beteiligungsverhältnisse ohnehin denkunmöglich. Die Vinkulierungsbestimmungen seien nicht verschärft, sondern lediglich präzisiert worden; die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe im Sinn des § 77 GmbHG sei auch nach der alten Fassung des Gesellschaftsvertrags möglich gewesen. Eine Erweiterung einer bereits bestehenden Vinkulierungsbestimmung sei auch gegen den Willen des Minderheitsgesellschafters zulässig. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes liege nicht vor, ebenso wenig werde ein Individualrecht verletzt. Die neue Präzisierung sei erforderlich und verhältnismäßig, weil nur so sicherzustellen sei, dass künftig Verkaufsabsichten nach einem für alle Seiten klaren Reglement erfolgen könnten.

Das Erstgericht sprach aus, der in der Generalversammlung vom 9. September 2016 zu TOP 4 gefasste Beschluss, wonach der Gesellschaftsvertrag durchgreifend geändert wurde, werde hinsichtlich der Punkte VII. 7.4. und X. 10.3. und 10.4. für nichtig erklärt, und wies das darüber hinausgehende Begehren, den gesamten in der Generalversammlung zu TOP 4 gefassten Beschluss für nichtig zu erklären, ab. Es traf die schon wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen und führte in rechtlicher Beurteilung aus, die Nichtigkeit könne sich auch auf einzelne Beschlussteile beschränken, es sei daher möglich, vom Generalversammlungsbeschluss lediglich TOP 4 oder Teile davon für nichtig zu erklären und die anderen Teile unverändert aufrecht zu erhalten. Zwar ändere der neue Gesellschaftsvertrag nichts am Stimmrecht der Gesellschafter, weil nach wie vor eine Mehrheit für einen Beschluss erforderlich sei, allerdings bedürfe die Änderung der Vorgehensweise bei einer Patt-Situation einer Überprüfung. Bei der nach Punkt VII. 7.4. des neuen Gesellschaftsvertrags zu bestellenden Person handle es sich um einen Schiedsrichter und nicht einen bloßen Schiedsmann oder Schiedsgutachter, weil er nicht darauf beschränkt sei, die wirtschaftlichen Grundlagen der jeweiligen widersprüchlichen Standpunkte der Gesellschafter aufzuarbeiten und diesen eine bloße Entscheidungshilfe oder Basis für eine Streitbereinigung zu bieten. Vielmehr habe er nach Anhörung der Gesellschafter eine Entscheidung zwischen den widersprüchlichen Standpunkten zu fällen. Mit Punkt VII. 7.4. werde eine Schiedsklausel im Sinne der §§ 577 bis 599 ZPO eingeführt und damit grundsätzlich auf den gerichtlichen Rechtsschutz verzichtet. Da die Gesellschaft und die Gesellschafter den staatlichen Gerichten entzogen würden, sei die Einführung einer Schiedsklausel nicht der Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen, sondern entsprechend § 50 Abs 4 GmbHG oder analog zu § 129 AktG der Zustimmung aller Gesellschafter unterworfen. Punkt 7.1. bis 6. des alten Gesellschaftsvertrags und die Punkte X. 10.1. bis 10.4. des neuen Gesellschaftsvertrags enthielten unter anderem eine unterschiedliche Bindung der Übertragung von Geschäftsanteilen an die Zustimmung der Gesellschaft und damit verschieden ausgestaltete Anteilsvinkulierungen. § 99 Abs 4 GmbHG und § 10 Abs 3 SpaltG seien als „klares Wort des Gesetzgebers“ für eine Zustimmungspflicht aller Gesellschafter zu einer nachträglichen Einführung einer Anteilsvinkulierung zu verstehen. Dies gelte nicht nur für die Neueinführung von Vinkulierungsklauseln, sondern auch für deren Verschärfung. Punkt X. 10.4. des neuen Gesellschaftsvertrags bedeute einen Rückschritt hinsichtlich der Verkaufsmöglichkeiten des Minderheitsgesellschafters auf jene Rechte, die ihm schon nach dem Gesetz zustünden. Habe der abtretungswillige Minderheitsgesellschafter nach dem alten Vertrag noch, wenn die Zustimmung durch die Gesellschafter nicht erteilt werde, seinen Geschäftsanteil binnen 14 Tagen jedenfalls verkaufen können, so sei aufgrund der neuen Regelung eine zügige Übertragung aufgrund der durchaus anspruchsvollen Entscheidungsfindung des § 77 GmbHG nicht mehr möglich und zumindest eine massive zeitliche Verschlechterung gegeben. Auch weil der neue Gesellschaftsvertrag keine Kündigungsmöglichkeit vorsehe, hätte die Verschärfung der alten Vinkulierungsbestimmung jedenfalls der Zustimmung des Klägers bedurft. Auch hinsichtlich des Punktes X. 10.3. hätte die Änderung der Zustimmung des Klägers bedurft, weil auch die Änderung des Aufgriffsrechts eine Verschärfung bedeute, weil nun strengere Vorschriften zumindest hinsichtlich der Äußerungsabsicht des abtretungswilligen Gesellschafters herrschten. Die Einführung der Geheimhaltungsverpflichtung sei jedenfalls vor dem Hintergrund der vorhandenen Dreiviertel-Mehrheit unbedenklich, sei der GmbH-Gesellschafter doch nach der Rechtsprechung schon aus seiner gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht verpflichtet, das Interesse der Gesellschaft an der Geheimhaltung von Gesellschaftsinterna zu beachten. Unbedenklich sei auch die Änderung des Unternehmensgegenstands mit Dreiviertel-Mehrheit entsprechend Punkt 4.23. des alten Gesellschaftsvertrags.

Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht änderte mit dem angefochtenen Urteil das Ersturteil dahingehend ab, dass es dem gesamten Klagebegehren stattgab.

Bei einem so genannten zusammengesetzten Gesellschafterbeschluss sei grundsätzlich die nur teilweise Nichtigerklärung eines Beschlusses möglich, wenn nur ein Teil des Beschlusses von dem die Anfechtung begründenden Mangel erfasst sei. Die Beurteilung, ob Teil- oder Totalnichtigkeit vorliege, sei objektiv – allenfalls nach dem hypothetischen Willen der Gesellschafter – vorzunehmen. Im vorliegenden Fall komme eine nur teilweise Nichtigerklärung nicht in Betracht. Denn zu TOP 4 der Generalversammlung sei nicht die Änderung des Gesellschaftsvertrags in einzelnen, mehreren oder auch allen Punkten beschlossen, sondern vielmehr über die durchgreifende Neufassung des Gesellschaftsvertrags und damit über eine Gesamtfassung abgestimmt worden. Dass die Gesellschafter eine Gesamtfassung des Gesellschaftsvertrags auch ohne die inkriminierten Regelungen über die Aufgriffsrechte und die Mehrheitserfordernisse beschlossen hätten, sei nicht anzunehmen und auch von keiner Partei behauptet worden. Eine Änderung des Beschlusses von der durchgreifenden Neufassung auf eine teilweise Änderung des Gesellschaftsvertrags sei nicht möglich, weil im Urteil über die Nichtigkeitsklage nur kassatorisch, nicht aber den Beschluss (auch) abändernd entschieden werden könne.

Nach herrschender Auffassung könne eine Schiedsklausel nicht gegen den Willen der Minderheit eingeführt werden. Mit der mit Punkt VII. 7.4. veränderten Klausel liege keine Schiedsgutachterabrede, sondern eine Schiedsvereinbarung vor. Damit solle gerade die nicht weiter nachprüfbare Entscheidung durch den „Schiedsmann“ bewirkt werden. Dessen Entscheidung sei endgültig und unterliege keinem weiteren Rechtsmittel oder der gerichtlichen Anfechtung. Die Gesellschafter seien verpflichtet, in der Generalversammlung nach der Entscheidung des Schiedsmanns abzustimmen. Faktisch unterscheide sich diese Regelung nicht von einer unmittelbaren Entscheidungstätigkeit eines Schiedsrichters. Schon deshalb sei zur nachträglichen Einführung der Regelung die Zustimmung aller Gesellschafter zu fordern.

Sowohl die nachträgliche Vinkulierung von Geschäftsanteilen als auch deren Verschärfung bedürften der Zustimmung aller Gesellschafter. In der Entscheidung 5 Ob 103/65 habe der Oberste Gerichtshof noch eine Verletzung eines einem einzelnen Gesellschafter vertragsmäßig zugestandenen Individualrechts durch die Änderung einer Vinkulierungsklausel dadurch, dass nunmehr nicht bloß die Zustimmung der Gesellschaft, sondern auch die Nichtausübung eines den einzelnen Gesellschaftern eingeräumten Aufgriffs-(Vorkaufsrechts) als erforderlich angesehen worden sei, verneint. Diese Rechtsprechung sei in der Folge nicht aufrecht erhalten worden (6 Ob 4/15d). Wenn die nachträgliche Änderung oder Verschärfung einer Vinkulierungsbestimmung der Zustimmung der davon betroffenen Gesellschafter bedürfe, komme es nicht darauf an, ob die Bestimmung als erforderlich und verhältnismäßig anzusehen wäre. Die Neuregelung beinhalte auch Präzisierungen, die, weil damit Auffassungsunterschiede hintangehalten werden könnten, einer rascheren Durchführung der Anteilsübertragung dienlich sein könnten. Allerdings sei die Vinkulierungsbestimmung des alten Gesellschaftsvertrags nicht so lückenhaft gewesen, dass sie nicht praktikabel gewesen wäre. So wäre die Annahmefrist wohl aus der geregelten Anbotsfrist (Punkt 7.2.) abzuleiten. Der Entfall der Genehmigungsfiktion des Punktes 7.6. führe auch bei Gesamtbetrachtung zu einer Verschlechterung für den Abtretungswilligen, die nicht durch andere Vorteile kompensiert werde, weil für ihn nur das gerichtliche Verfahren nach § 77 GmbHG verbleibe, das jedenfalls nicht binnen vierzehn Tagen abzuschließen sei. Diese Verschärfung der Vinkulierungsbestimmung hätte daher der Zustimmung des Klägers bedurft.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage, ob die nachträgliche Einführung einer Schiedsklausel der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter bedürfe, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung in klagsabweisendem Sinn.

Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin trägt vor, die neu eingeführte Klausel 7.4. sei als Schiedsgutachterregelung zu verstehen. Selbst für die Einführung einer – ohnehin nicht vorliegenden – Schiedsgerichtsvereinbarung iSd § 581 Abs 1 ZPO wäre Einstimmigkeit nicht erforderlich. Überdies sei die Zustimmung eines Betroffenen dann entbehrlich, wenn der Eingriff im Interesse der Gesellschaft erforderlich und verhältnismäßig sei, was hier der Fall sei. Zur Vinkulierung gehe die Rechtsansicht des Berufungsgerichts von der unzutreffenden Prämisse aus, die alte Regelung habe eine zeitnahe Verkaufsmöglichkeit sichergestellt. Dies sei nicht der Fall, weil die Altregelung mir ihrer Lückenhaftigkeit und unpräzisen Formulierung zahlreiche Probleme aufwerfe. Bei gebotener Gesamtbetrachtung liege in der Neuregelung keine Verschärfung vor. Für die Frage, ob Gesamtnichtigkeit oder Teilnichtigkeit vorliege, sei § 878 ABGB anzuwenden. Nach Satz 2 dieser Bestimmung gelte die Vermutung der Restgültigkeit. Diese gesetzliche Vermutung greife nur dann nicht, wenn kein Punkt von dem anderen abgesondert werden könne. Diese Trennbarkeit sei nach objektiven Kriterien zu beurteilen und im vorliegenden Fall gegeben.

Hierzu wurde erwogen:

1. Zur Qualifikation der Schieds-gutachterklausel 7.4.

In ständiger Rechtsprechung wird zwischen einem „Schiedsgutachter“ und einem „Schiedsrichter“ unterschieden: Für die Frage, ob ein Schiedsgutachtervertrag oder ein echter Schiedsvertrag vorliegt, ist maßgebend, ob die bestellten Vertrauensmänner einen Rechtsstreit zu entscheiden oder ob sie bloß eine Tatsache oder die Höhe einer Leistung festzustellen haben (RIS-Justiz RS0016769). Die Schiedsgutachterabrede kann auch auf die Ergänzung des Parteiwillens gerichtet sein (RIS-Justiz RS0016769 [T10]). Der Schiedsgutachter hat bloß ein Gutachten abzugeben, während der Schiedsrichter eine Entscheidung trifft, den Parteien also eine Leistung auferlegen kann (RIS-Justiz RS0045351). Schiedsgutachter (Schiedsmänner) entscheiden damit nicht, was zwischen den Parteien rechtens ist, sondern schaffen bloß die Grundlage für eine solche Entscheidung oder eine Streitbereinigung durch die Parteien selbst (RIS-Justiz RS0045057). Im Fall des Schiedsgutachtervertrags soll der Schiedsgutachter also vermöge seiner Sachkunde bloß gewisse Unterlagen und Tatsachen beschaffen und mit bindender Wirkung für die Parteien Feststellungen gewinnen (RIS-Justiz RS0106358).

Es kommt nicht darauf an, beziehungsweise ist höchstens für die Auslegung von Bedeutung, ob im Vertrag das Wort „Schiedsrichter“ („Schiedsgericht“) oder das Wort „Schiedsmann“ gebraucht wird; maßgebend ist, welche Aufgabe den darin bezeichneten Personen zugedacht wird (RIS-Justiz RS0045057; RS0016769 [T5]). Die Abgrenzung ist stets durch Auslegung zu gewinnen (RIS-Justiz RS0016769 [T9]). Die Einordnung eines konkreten Vertrags als Schiedsgutachtervertrag oder als Schiedsvertrag ist im Einzelfall zu prüfen und entzieht sich einer generellen Beurteilung (RIS-Justiz RS0106358 [T3]).

Bei der Auslegung des vorliegenden Gesellschaftsvertrags bzw des Wortlauts der geplanten Änderung ist zu beachten, dass diese Auslegung nach deren Wortlaut und Zweck in ihrem systematischen Zusammenhang objektiv (normativ) zu erfolgen hat (RIS-Justiz RS0108891). Es kommt also nicht auf den subjektiven Willen der für Satzungsänderungen zuständigen Generalversammlung an, sondern es ist nur der einer objektiven Auslegung zugängliche Wortlaut entscheidend (RIS-Justiz RS0108891 [T7]). Die Auslegung erfolgt nach den Regeln der §§ 6, 7 ABGB (RIS-Justiz RS0108891 [T9]). Eine objektive Auslegung einer echten (notwendig materiellen) Satzungsregelung einer GmbH hat auch dann zu erfolgen, wenn an dem Rechtsstreit nur die Gründungsgesellschafter oder die Gesellschafter, die die Satzung änderten, beteiligt sind, oder die Gesellschaft personalistisch oder kapitalistisch strukturiert ist (RIS-Justiz RS0108891 [T19]).

Die Beurteilung der Vorinstanzen, im vorliegenden Fall sei die angestrebte Regelung im Gesellschaftsvertrag wie eine „echte“ Schiedsklausel und nicht bloß eine Schiedsgutachterregelung zu beurteilen, ist nicht zu beanstanden. Fraglich könnte zwar sein, ob hier eine (ansonsten von Gerichten zu entscheidende) „Rechtsstreitigkeit“ vorliegt. Denn abgesehen von der nachträglichen Möglichkeit, die Anfechtungsklage nach § 41 GmbHG zu erheben, besteht keine gerichtliche Kompetenz im Rahmen der Generalversammlung einer GmbH. Im Ergebnis ist aber die in Punkt 7.4. des neu gefassten Gesellschaftsvertrags vorgesehene Regelung einer Schiedsklausel gleichwertig. Dass die dort als „Schiedsmann“ und auch als „Schiedsrichter“ bezeichnete Person nicht bloß ein Gutachten abzugeben bzw Tatsachen festzustellen hat, wird vor allem an der mehrfach verwendeten Formulierung deutlich, wonach der Schiedsmann eine „Entscheidung“ trifft; weiters haben die Gesellschafter entsprechend dieser Entscheidung, die im Übrigen auch keiner Anfechtung unterliegen, soll abzustimmen.

2. Zum Zustimmungserfordernis

2.1. Rechtsprechung

Einschlägige oberstgerichtliche Rechtsprechung liegt nicht vor:

In der Entscheidung 7 Ob 221/98w sprach der Oberste Gerichtshof zur Nichtigerklärung eines Generalversammlungsbeschlusses einer GmbH aus, die Schiedsfähigkeit sei zu bejahen, wenn die von der Rechtskrafterstreckung Betroffenen an der Schiedsgerichtsvereinbarung beteiligt seien. Dies sei dann der Fall, wenn die Schiedsklausel in der Satzung der Gesellschaft enthalten sei. Eine Aussage, ob die nachträgliche Einführung einer Schiedsklausel in die Satzung die einstimmige Beschlussfassung erfordert, enthält die Entscheidung nicht.

Soweit sich die Revisionswerberin auf die Entscheidung 5 Ob 112/03m beruft, ist auszuführen: Diese Entscheidung betrifft eine Genossenschaft und nicht – wie hier – eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Davon abgesehen spräche diese Entscheidung eher gegen den Rechtsstandpunkt der Revisionswerberin, weil darin die Wirksamkeit einer nach dem Beitritt des Genossenschafters zur Genossenschaft in deren Satzung aufgenommenen Ausdehnung einer Schiedsklausel, der der Genossenschafter nicht zugestimmt hatte, gegenüber diesem Genossenschafter abgelehnt wird.

In der Entscheidung 6 Ob 84/14t = GesRz 2014, 387 (Reiner) führte der Oberste Gerichtshof (unter Hinweis auf die eine Kommanditgesellschaft betreffende Entscheidung 6 Ob 16/84) aus, der Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten stehe auch die Rechtskrafterstreckung des über eine derartige Klage ergehenden Urteils nicht entgegen, wenn die Schiedsklausel bereits in der ursprünglichen Satzung enthalten gewesen oder durch einstimmigen Beschluss nachträglich eingeführt worden sei. Diese Entscheidung betraf aber ebenfalls eine Genossenschaft.

2.2. Lehre

Die weit überwiegende Lehre vertritt die Ansicht, für die nachträgliche Einführung einer Schiedsklausel in den Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bedürfe es der Zustimmung aller Gesellschafter (Reich-Rohrwig, GmbH-Recht [1983], 547; Thöni, Zur Schiedsfähigkeit des GmbH-rechtlichen Anfechtungsstreits, wbl 1994, 298 [300]; derselbe, Rechtsfolgen fehlerhafter GmbH-Gesellschafterbeschlüsse [1998], 229; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 [2007], § 49 Rz 12; Trenker/Demetz, Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten in der GmbH, wbl 2013, 1 f; Baumgartner/Mollnhuber/U. Torggler in U. Torggler, GmbHG [2014] § 42 Rz 6; Kalss, Gesellschaftsrecht und Schiedsrecht in Österreich, JBl 2015, 205 [210]; Milchrahm/Rauter in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG [2015], § 50 Rz 76/1; Hausmaninger in Fasching/Konecny, ZPO3 [2016], § 581 Rz 314) oder (zumindest) der einstimmigen Beschlussfassung (Reiner, Schiedsverfahren und Gesellschaftsrecht, GesRz 2007, 151 [163]; Schmidsberger/Duursma in Gruber/Harrer, GmbHG [2014], § 4 Rz 78). Der Unterschied beider Auffassungen liegt darin, dass bei einstimmiger Beschlussfassung die Abwesenheit einzelner Gesellschafter bei der Abstimmung nicht schadet.

Koller in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht I [2011], 3/337–3/339, befürwortet zwar eher die Zulässigkeit eines Mehrheitsbeschlusses, merkt aber an, Zweifel an der Zulässigkeit der Aufnahme einer Schiedsanordnung durch satzungsändernden Mehrheits-beschluss würden vor allem im GmbH- und Aktienrecht geäußert, weil dort kein dem Vereinsrecht vergleichbares Austrittsrecht vorgesehen sei.

Linder in Foglar-Deinhardstein/Aburumieh/Hoffenscher-Summer, GmbH [2017], § 42 Rz 16, führt aus, im Fall einer nachträglichen, nicht einstimmigen Aufnahme der Schiedsklausel in den Gesellschaftsvertrag sei die Schiedsfähigkeit nach der Rechtsprechung fraglich.

Für die Zulässigkeit eines satzungsändernden Mehrheitsbeschlusses für die Einführung einer Schiedsklausel in den Gesellschaftsvertrag einer GmbH sprechen sich nur Hempel, Zur Schiedsfähigkeit von Rechtsstreitigkeiten über Beschlussmängel in der GmbH, FS Krejci (2001), 1769 (1777–1782) und Czernich, Schiedsklauseln bei österreichischen Kapitalgesellschaften, SchiedsVZ 2014, 86 (88), aus. Zur Begründung verweisen beide Autoren ua auf § 599 Abs 1 ZPO idF vor dem SchiedsRÄG 2006 (BGBl I 2006/7) bzw den im Wesentlichen gleichlautenden § 581 Abs 2 ZPO idF des SchiedsRÄG 2006, wonach die Regeln der ZPO über das Schiedsverfahren ua auf Schiedsgerichte sinngemäß anzuwenden sind, die in gesetzlich zulässiger Weise durch Statuten angeordnet werden.

2.3. Deutsche Rechtsprechung und Lehre

2.3.1. Rechtsprechung

In der Entscheidung vom 3. 4. 2000, II ZR 373/98, sprach der Bundesgerichtshof aus, dem Mitglied eines eingetragenen Vereins könne die in die Satzung aufgenommene Schiedsklausel nicht entgegengehalten werden, wenn das Mitglied der betreffenden Satzungsänderung nicht zugestimmt habe. Der Verzicht auf die Entscheidung eines staatlichen Rechtsprechungsorgans müsse grundsätzlich auf dem freien Willen des Betroffenen beruhen.

In der Entscheidung vom 6. 4. 2009, II ZR 255/08 (NJW 2009, 1962), führte der Bundesgerichtshof zu einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung aus, die Schiedsabrede müsse grundsätzlich mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter in der Satzung verankert sein; alternativ reiche eine außerhalb der Satzung unter Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter und der Gesellschaft getroffene Absprache aus (Rn 23).

2.3.2. Lehre

Soweit zu sehen, vertritt die jüngere deutsche Lehre einhellig die Auffassung, die nachträgliche Einführung einer Schiedsklausel in die Satzung einer GmbH bedürfe der Zustimmung aller Gesellschafter (Raiser in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG [2006], Anh § 47 Rz 234; K. Schmidt in Scholz, GmbHG11 [2014], § 45 Rz 150; Roth in Altmeppen/Roth, GmbHG8 [2015], § 47 Rz 153b; Wertenbruch in MünchKomm zum GmbHG2 [2016], § 47 Anh Rz 308; Harbarth in MünchKomm zum GmbHG2 [2016], § 53 Rz 237; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG19 [2016], Anh zu § 47 Rz 98; Römermann in Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG3 [2017], Anh § 47 Rz 559; anders noch etwa Ebbing, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, NZG 1999, 754 [755]). Zur Begründung verweisen einige der zitierten Autoren auf den Verzicht auf den staatlichen Justizgewährungsanspruch.

2.4. Stellungnahme

Der erkennende Senat schließt sich der in Österreich und Deutschland herrschenden Auffassung an: Die Einführung einer Schiedsklausel in den Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bedarf der Zustimmung aller Gesellschafter.

Dies gilt auch für die hier gegenständliche Klausel. Da der Kläger in der Generalversammlung gegen die Neufassung des Gesellschaftsvertrags gestimmt hat, ist zumindest die beabsichtigte Einführung der Schiedsklausel in Punkt 7.4. des neu gefassten Gesellschaftsvertrags unwirksam.

3. Änderung der Vinkulierungsbestimmungen

Hierzu wird die Revisionswerberin auf die zutreffenden Ausführungen beider Vorinstanzen verwiesen (vgl § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Diese lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Nach der ausführlich begründeten und von der Lehre jedenfalls im Ergebnis gebilligten Entscheidung des erkennenden Senats vom 27.04.2015, 6 Ob 4/15d (= GesRz 2015, 259 [zust Walch] = EvBl 2016/1 [zust Endl]; vgl auch Huf in Foglar-Deinhardstein/Aburumieh/Hoffenscher-Summer, GmbH [2017], § 76 Rz 13), bedürfen sowohl die nachträgliche Einführung von Vinkulierungen von Geschäftsanteilen als auch deren Verschärfung der Zustimmung aller Gesellschafter (vgl auch RIS-Justiz RS0049351 [T1]; RS0060409 [T1, T2, T3]). Daran wird festgehalten. Die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach die neue Regelung über die Vinkulierung insgesamt eine Verschärfung darstellt, ist nicht zu beanstanden.

4. Teil- oder Gesamtnichtigkeit

Bei einem so genannten zusammengesetzten Beschluss ist grundsätzlich die nur teilweise Nichtigerklärung eines Beschlusses möglich, wenn nur ein Teil des Beschlusses von dem die Anfechtung begründenden Mangel erfasst ist (RIS-Justiz RS0060163).

In der Entscheidung 6 Ob 213/16s = GesRz 2017, 114 (Reich-Rohrwig) hat sich der erkennende Senat der deutschen Lehre angeschlossen. Wenn ein einheitlicher Beschluss teilweise fehlerhaft ist, richten sich die Folgen einer teilweisen Fehlerhaftigkeit nach dem sinngemäß anzuwendenden § 139 BGB. Nach dieser Bestimmung ist, wenn ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig ist, das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Der ganze Beschluss sei fehlerhaft, wenn nicht anzunehmen sei, dass er auch ohne den fehlerhaften Teil zustande gekommen wäre. Zur Widerlegung der Vermutung geht es nicht um den Nachweis des tatsächlichen, sondern nur des hypothetischen Willens der Gesellschafter, also die Frage, ob der Beschluss bei objektiver Betrachtung vernünftigerweise auch ohne den nichtigen Teil gefasst worden wäre. Konkret hat der erkennende Senat auf die entsprechend §§ 45 ff GmbHG abgeleitete objektive Trennbarkeit abgestellt.

Auch in der Entscheidung 6 Ob 122/16h (2.5.1.) (dort betreffend die Änderung einer Stiftungsurkunde und einer Stiftungszusatzurkunde) wurde dazu festgehalten, dass eine objektive Betrachtung zur Trennbarkeit anzustellen ist.

Reich-Rohrwig (GesRz 2017, 116 [Anm zu 6 Ob 213/16s]) hat darauf hingewiesen, in Österreich sei die Frage der Teilnichtigkeit nicht nach § 139 BGB (wonach im Zweifel Totalnichtigkeit vorliegt), sondern nach § 878 Satz 2 ABGB (wonach im Zweifel Restgültigkeit vorliegt) zu beurteilen.

Ein Eingehen auf diese Kritik ist nicht erforderlich, weil aus den schon vom Berufungsgericht angeführten Gründen und den folgenden Erwägungen im vorliegenden Fall eine teilweise Nichtigerklärung nicht in Betracht kommt:

Hinzuweisen ist darauf, dass sich aus dem Generalversammlungsprotokoll ergibt, dass der Kläger nach der einstimmigen Beschlussfassung des zweiten Punkts der Tagesordnung (Euro-Umstellung) und des dritten Punkts der Tagesordnung (Kapitalerhöhung) nach dem Bericht des Vorsitzenden zum vierten Punkt der Tagesordnung (durchgreifende Neufassung des Gesellschaftsvertrags) beantragte, den Gesellschaftsvertrag ausschließlich hinsichtlich der Euro-Umstellung und der Kapitalerhöhung zu ändern; viele (sonstige) Änderungen dienten dazu, den laufenden Verkaufsprozess des Geschäftsanteils des Klägers zu „torpedieren“. Der Anwalt der Gesellschaft und der Mehrheitsgesellschafter verwahrten sich daraufhin gegen die Unterstellung, man „torpediere“ Verkaufsbemühungen. Sodann wurde ohne weitere Erörterung (insbesondere auch nicht zur Schiedsklausel und zu den Bestimmungen über die Vinkulierung) über die durchgreifende Neufassung des Gesellschaftsvertrags abgestimmt.

Gestaltet ein Hauptversammlungsbeschluss sachlich verschiedene Materien, die keine untrennbare Einheit bilden und deshalb auch Gegenstand mehrerer voneinander gesonderter Beschlüsse sein könnten, so wirkt sich die Nichtigkeit bloß eines der (trennbaren) Teile nicht auf die anderen Teile desselben Beschlusses aus. Wird dagegen der Hauptversammlungsbeschluss aufgrund eines einheitlichen, nach Materien nicht zerlegbaren Antrags gefasst, kommt Teilnichtigkeit nicht in Betracht (1 Ob 586/94 = RIS-Justiz RS0080302). In aller Regel gibt die Gesellschaft durch die Zusammenfassung von mehreren Beschlussgegenständen in einem einheitlichen Abstimmungsvorgang zu verstehen, dass der Hauptversammlungsbeschluss eine rechtliche und/oder wirtschaftliche Einheit bilden soll (vgl Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² [2012], § 199 Rz 54). Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn nicht die Änderung einzelner Bestimmungen der Satzung (vgl dazu die Entscheidung 6 Ob 187/17v vom heutigen Tag), sondern deren Neufassung beschlossen wird, mögen auch in der Neufassung etliche Bestimmungen mit denen der vorherigen Fassung ident sein.

Mangels ersichtlicher hier relevanter Wertungsunterschiede sind diese Erwägungen auch im GmbH-Recht anwendbar (vgl dazu auch Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 16 Rz 20).

Nach diesen Erwägungen ist auch im vorliegenden Fall von Gesamtnichtigkeit auszugehen.

5. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.

Leitsätze

  • Zustimmungserfordernis bei Einführung einer Schiedsklausel und Verschärfung von Vinkulierungsbestimmungen

    Ob ein Schiedsgutachtervertrag oder ein Schiedsvertrag vorliegt, hängt davon ab, ob die bestellten Vertrauensmänner einen Rechtsstreit zu entscheiden oder ob sie bloß eine Tatsache oder die Höhe einer Leistung festzustellen haben, was im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln ist. Soll eine Schiedsklausel nachträglich in den Gesellschaftsvertrag eingeführt werden, so bedarf es der Zustimmung aller Gesellschafter. Dies gilt auch für die Einführung bzw Verschärfung von Vinkulierungsbestimmungen.
    WEKA (ato) | Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 104/17p | OGH vom 21.12.2017 | Dokument-ID: 981443