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Dokument-ID: 1044076

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 119/19x; OGH; 24. Juli 2019

GZ: 6 Ob 119/19x | Gericht: OGH vom 24.07.2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei W***** AG *****, vertreten durch Dr. Gottfried Thiery, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. N***** GmbH in Liqu., *****, vertreten durch Kubes Passeyrer Rechtsanwälte OG in Wien, 2. N***** Limited, *****, vertreten durch Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung der Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen, hier wegen einstweiliger Verfügung gegen die Gegnerinnen der gefährdeten Partei 1. N***** GmbH in Liqu., 2. Dipl.-Ing. D*****, beide *****, vertreten durch Kubes Passeyrer Rechtsanwälte OG in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 21. Mai 2019, GZ 5 R 54/19a-17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Die Klägerin und gefährdete Partei (im Folgenden nur: Klägerin) und die Zweitbeklagte gründeten mit Gesellschaftsvertrag vom 17.12.2002 die Erstbeklagte und Erstantragsgegnerin (künftig nur: Erstbeklagte), deren Gesellschafterinnen sie nach wie vor sind. Die Klägerin hält eine Beteiligungsquote von 35 %, die Zweitbeklagte eine Beteiligungsquote von 65 %.

In der Generalversammlung der Erstbeklagten am 14.02.2019 wurden mit den Stimmen der Zweitbeklagten die Auflösung und Liquidation der Erstbeklagten, die Abberufung der Geschäftsführer und die Bestellung des Zweitantragsgegners als Liquidator beschlossen.

Die Klägerin begehrt gegenüber der Erstbeklagten die Feststellung der Nichtigkeit dieser Gesellschafterbeschlüsse, hilfsweise deren Nichtigerklärung. Zur Sicherung ihrer Ansprüche beantragte sie die Aufschiebung der Ausführung der bekämpften Beschlüsse gemäß § 42 Abs 4 GmbHG gegenüber der Erstbeklagten sowie die Verpflichtung des Zweitantragsgegners zur Unterlassung von Liquidationsmaßnahmen.

Das Erstgericht gab dem gegen den Zweitantragsgegner gerichteten Sicherungsantrag nach Anhörung der Antragsgegner teilweise – soweit er nicht auf die nicht auf Unterlassung der bereits erfolgten Anmeldung zum Firmenbuch gerichtet war – statt; den darüber hinausgehenden Sicherungsantrag wies es ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin nicht, dem Rekurs des Zweitantragsgegners hingegen Folge und änderte die angefochtene Entscheidung im Sinn einer gänzlichen Antragsabweisung ab.

Das Rekursgericht begründete die Abänderung einerseits mit der nicht ausreichenden Bestimmtheit der Sicherungsanträge, andererseits mit dem Scheitern der Gefahren- sowie der Anspruchsbescheinigung der Klägerin.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Gemäß § 42 Abs 4 GmbHG kann das Gericht die Ausführung eines gemäß § 41 GmbHG angefochtenen Beschlusses aufschieben, wenn ein der Gesellschaft drohender unwiederbringlicher Schaden glaubhaft gemacht wird. § 42 Abs 4 GmbHG ist auch auf nichtige Beschlüsse anwendbar (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 42 Rz 8; Enzinger in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG, § 42 Rz 34). Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 42 Abs 4 GmbHG dient der Absicherung des künftigen Prozesserfolgs im Verfahren auf Beschlussanfechtung bzw Feststellung der Beschlussnichtigkeit (6 Ob 38/18h).

1.2.1. Zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 42 Abs 4 GmbHG ist die Bescheinigung eines drohenden unwiederbringlichen Nachteils erforderlich. Diese Voraussetzung entspricht dem drohenden unwiederbringlichen Schaden gemäß § 381 Z 2 EO (König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren 5 R 10.57; vgl 6 Ob 183/11x; 6 Ob 230/10g). Dabei wird zwar die Ausführung des angefochtenen Beschlusses vermutet und braucht daher nicht gesondert glaubhaft gemacht zu werden (6 Ob 38/18h = RS0060326 [T1]; Koppensteiner/Rüffler, § 42 GmbHG Rz 8). Es bedarf aber insofern der Bescheinigung eines unwiederbringlichen Nachteils für die Gesellschaft, als es auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses (vgl Koppensteiner/Rüffler, § 42 GmbHG Rz 8: das Schadenspotential) ankommt.

1.2.2. Der Beschluss auf Auflösung der Gesellschaft ist zur Dartuung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens geeignet (1 Ob 705/54; zustimmend Zackl, Einstweiliger Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht [2006] Rz 410; Koppensteiner/Rüffler, § 42 GmbHG Rz 8).

1.3.1. Zusätzlich bedarf die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 42 Abs 4 GmbHG der Bescheinigung des zu sichernden Anspruchs, sohin der Bescheinigung der Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage (Koppensteiner/Rüffler, § 42 GmbHG Rz 8; Zackl, Einstweiliger Rechtsschutz, Rz 410; vgl 8 Ob 605/84). Die Ansicht, dass nur die Erhebung der Anfechtungsklage bzw das Vorliegen der Voraussetzungen der Klagserhebung bescheinigt werden müssten (so offenbar Enzinger in WK GmbHG, § 42 Rz 35) greift zu kurz, kommt es doch nicht bloß auf die Zulässigkeit, sondern auf die Berechtigung der Anfechtungsklage bzw Klage auf Feststellung der Beschlussnichtigkeit an.

1.3.2. Ob die Anspruchsgefährdung im konkreten Fall ausreichend bescheinigt ist, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0005118; RS0005103 [T1]; RS0013475 [T1]).

1.4. Der erkennende Senat hat bereits zu 6 Ob 38/18h klargestellt, dass § 42 Abs 4 GmbHG zwar keine ausdrückliche Aussage darüber trifft, gegen wen die einstweilige Verfügung erlassen werden kann, dass aber die Verhängung eines entsprechenden Verbots auch gegen den Geschäftsführer der im Beschlussanfechtungsverfahren beklagten Gesellschaft nicht ausgeschlossen ist. Nichts anderes kann für die Verhängung eines Verbots gegen den Liquidator gelten.

2. Das Rekursgericht sah es als bescheinigt an, dass die Klägerin zeitlich nach Gründung der Erstbeklagten und Abschluss des Syndikatsvertrags Beteiligungen an Gesellschaften erworben habe, deren Unternehmens-gegenstand sich mit dem der Erstbeklagten überschnitt, worin es eine Verletzung des im Syndikatsvertrag verankerten Wettbewerbsverbots durch die Klägerin erkannte. Daraus leitete es die Berechtigung der Zweitbeklagten ab, entsprechend der für den Fall des Zuwiderhandelns vorgesehenen Regelung die Gesellschaft zu liquidieren, sodass der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit bzw Anfechtung der im Hauptverfahren bekämpften Beschlüsse kein Erfolg beschieden wäre. Das vereinbarte Wettbewerbsverbot beurteilte das Rekursgericht als weder sitten- noch kartellrechtswidrig; es verneinte auch den weiteren geltend gemachten Beschlussanfechtungsgrund der mangelhaften Einberufung der Generalversammlung.

3.1. Die Revisionsrekurswerberin zeigt im Zusammenhang mit der Verneinung der Anspruchsbescheinigung durch das Rekursgericht keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO auf.

3.2.1. Das GmbHG unterwirft den GmbH-Gesellschafter keinem generellen gesetzlichen Wettbewerbsverbot. Die GmbH-Gesellschafter können allerdings im Gesellschaftsvertrag oder in einem Syndikatsvertrag – vorbehaltlich der kartellrechtlichen Schranken und einer allfälligen Sittenwidrigkeit der Vertragsregelung – ein Wettbewerbsverbot (Konkurrenzklausel) vereinbaren (RS0060115 [T2]).

Die Sittenwidrigkeit einer solchen Konkurrenzklausel im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB ist nur gegeben, wenn die Beschränkungen im übergroßen Umfang ohne zeitliche oder örtliche Begrenzungen auferlegt werden oder ein auffallendes Missverhältnis zwischen den durch das Verbot zu schützenden Interessen des einen Vertragsteils und der dem anderen Teil auferlegten Beschränkung besteht (RS0016609 [T1]). Ob dies der Fall ist, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0016609 [T6]).

3.2.2. Mit ihrem Vorbringen, das im Wesentlichen allein aus dem Sitzstaat der Zweitbeklagten deren geringere Betroffenheit vom Wettbewerbsverbot im Vergleich zur Revisionsrekurswerberin ableitet, zeigt diese nicht auf, dass dem Rekursgericht in Abwägung der den Parteien jeweils auferlegten Beschränkungen eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.

3.3.1. § 1 KartG und Art 101 AEUV liegt das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal zugrunde, dass eine Wettbewerbsbeschränkung spürbar sein muss (RS0129518 = 16 Ok 12/13; RS0106875). Aufgrund welcher Umstände die vom Rekursgericht nicht erkannte Spürbarkeit im vorliegenden Fall gegeben sein sollte, wird im Revisionsrekurs nicht nachvollziehbar ausgeführt, wird doch zu den dafür maßgeblichen Kriterien – etwa dem Marktanteil, der Marktstellung und den finanziellen Ressourcen der beteiligten Unternehmen (vgl RS0106875) – kein konkretes Vorbringen erstattet.

3.3.2. Mit ihrer Rüge, das Rekursgericht habe die offenkundige Kenntnis der Zweitbeklagten von jenen Umständen außer Acht gelassen, aus denen das Rekursgericht den Verstoß der Klägerin gegen das Wettbewerbsverbot ableitete, wird ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage dargetan. Ob – wie im Revisionsrekurs vorgebracht – eine stillschweigende Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit vorliegt, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Dass das Rekursgericht eine solche Einwilligung nicht angenommen hat, begegnet angesichts der in § 12 Abs 3 des Syndikatsvertrags für die Erteilung der Zustimmung vorgesehenen Schriftform keinen Bedenken.

3.4.1. Nicht jeder Verstoß gegen Formvorschriften bei Einberufung der Generalversammlung berechtigt zur Beschlussanfechtung gemäß § 41 GmbHG. Vielmehr stellt ein Formverstoß dann keinen Anfechtungsgrund dar, wenn es an seiner Relevanz fehlt (6 Ob 65/15z). Nach der Relevanztheorie ist für die Anfechtbarkeit eines Beschlusses vielmehr der Zweck der eingehaltenen Verfahrensbestimmungen entscheidend. Nur wenn durch die Verletzung ein konkretes Informations- oder Partizipationsinteresse eines Gesellschafters verletzt wurde, begründet dies die Anfechtbarkeit; irrelevante Mängel scheiden daher aus (RS0059771 [T7]).

3.4.2. In der Einberufung der Generalversammlung vom 14.02.2019 waren die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft sowie die Abberufung der Geschäftsführer und die Bestellung von Liquidatoren als Tagesordnungspunkte angeführt. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass der fehlende Hinweis auf die Behandlung eines allfälligen Verstoßes der Klägerin gegen das Wettbewerbsverbot und auf die für die Fassung des Liquidationsbeschlusses erforderlichen Quoren schon angesichts der der Generalversammlung unmittelbar vorausgegangenen Korrespondenz zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten keine Verletzung eines konkreten Informations- oder Partizipationsinteresses der Klägerin bewirkt habe, ist im vorliegenden Einzelfall vertretbar.

3.5. Da das Rekursgericht die Abweisung des Sicherungsantrags vertretbar mit der mangelnden Anspruchsbescheinigung begründete, wird mit dem Vorbringen zur ausreichenden Bestimmtheit des Sicherungsantrags keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO aufgezeigt (vgl RS0042736).

Leitsätze

  • Voraussetzungen für eine einstweilige Verfügung nach § 42 Abs 4 GmbHG

    Kann glaubhaft gemacht werden, dass durch die Ausführung eines gemäß § 41 GmbHG angefochtenen Beschlusses der Gesellschaft ein unwiederbringlicher Nachteil droht, kann das Gericht nach § 42 Abs 4 GmbHG die Ausführung aufschieben. Bescheinigt werden muss der drohende unwiederbringliche Nachteil, der sich aus dem Inhalt des Beschlusses zu ergeben hat, sowie der zu sichernde Anspruch, dh die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage. Die Verhängung eines Ausführungsverbots kann jedenfalls auch gegen den Liquidator erfolgen.
    Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 119/19x | OGH vom 24.07.2019 | Dokument-ID: 1044084