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Dokument-ID: 868107

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 143/16x; OGH; 30. August 2016

GZ: 6 Ob 143/16x | Gericht: OGH vom 30.08.2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Dr. Nowotny und Dr. Hargassner als weitere Richter in der Firmenbuchsache der zu FN ***** in das Firmenbuch eingetragenen S***** GmbH mit dem Sitz in S***** über den Revisionsrekurs 1. der Gesellschaft sowie deren je selbstständig vertretungsbefugten Geschäftsführer 2. R***** S*****, und 3. A***** S*****, alle vertreten durch Dr. Christoph Sigl, öffentlicher Notar in Innsbruck, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 20. Juni 2016, GZ 3 R 27/16v-9, womit der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 2. Mai 2016, GZ 60 Fr 720/16y-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Dem Erstgericht wird bei der zu FN ***** eingetragenen Gesellschaft folgende Firmenbucheintragung aufgetragen:

„Generalversammlungsbeschluss vom 29.03.2016.

Änderung des Gesellschaftsvertrages in Punkt Zehntens.“

Begründung

Im Firmenbuch des Erstgerichts ist zu FN ***** die S***** GmbH mit R***** und A***** S***** als je selbstständig vertretungsbefugten Geschäftsführern und einer Stammeinlage von EUR 37.000,– eingetragen, die je zur Hälfte von den beiden Geschäftsführern als Gesellschafter gehalten wird.

Mit Antrag vom 29. März 2016 streben die beiden Geschäftsführer unter Vorlage eines notariell beurkundeten Beschlusses der Generalversammlung der Gesellschaft vom selben Tag, an der beide Gesellschafter teilgenommen hatten, die Eintragung der Änderung des Gesellschaftsvertrags in dessen Punkt 10 an, sodass dieser nach der einstimmigen Beschlussfassung – soweit hier relevant – lautet:

„b) Über die Verwendung eines allfälligen Bilanzgewinnes und über eine Ausschüttung hat die Generalversammlung zu entscheiden.

c) Die Gesellschafter können durch einfachen Mehrheitsbeschluss die Bildung von Rücklagen im angemessenen Ausmaß beschließen.

d) Die Gewinnverteilung erfolgt im Verhältnis der geleisteten Stammeinlagen, es sei denn, die Generalversammlung beschließt einstimmig etwas anderes (zB eine alineare Gewinnverteilung).

Mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter können auch Sachdividenden beschlossen werden.“

Das Erstgericht wies den Eintragungsantrag mit der wesentlichen Begründung ab, die oben kursiv hervorgehobene Formulierung sei „unzureichend“, da das Kriterium der Einstimmigkeit ausgehend von den (in der Generalversammlung) abgegebenen Stimmen berechnet werde, während § 50 Abs 4 GmbHG – unabhängig von der Teilnahme an der Beschlussfassung – die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter für eine Beschlussfassung wie die vorliegende fordere.

Das Rekursgericht gab dem dagegen von der Gesellschaft und den Geschäftsführern erhobenen Rekurs nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, ein Gewinnverteilungsbeschluss sei gemäß § 35 Abs 1 Z 1 GmbHG nur dann zu fassen, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsehe, ansonsten greife die gesetzliche Regelung. Sehe der Gesellschaftsvertrag vor, dass die Gewinnverteilung (oder -verwendung) einem Gesellschafterbeschluss vorbehalten bleibe, könnten die Gesellschafter vom Vollausschüttungsgebot abweichen oder auch – eine entsprechende Bestimmung des Gesellschaftsvertrags vorausgesetzt – eine asymmetrische Gewinnausschüttung (losgelöst von der Höhe der Beteiligungsquoten) beschließen. Wenn die Gesellschafter die Verteilungsquoten von der gesetzlichen Regelung (lineare Verteilung) abweichend per Beschluss festlegen wollten, müssten sie dies eindeutig im Gesellschaftsvertrag regeln. Diesem Erfordernis werde die zur Eintragung begehrte Änderung des Gesellschaftsvertrags in dessen Punkt 10. d) für sich allein betrachtet nicht gerecht, weil offen bleibe, wie sich im konkreten Fall eine alineare Gewinnverteilung darstellen solle. Die zur Eintragung angestrebte Änderung enthalte keine besondere Regelung für das Konsensquorum, sodass sich die dort genannte einstimmige Beschlussfassung auf die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen beziehe. Liege etwa – aus welchen Gründen immer und unter Zugrundelegung der derzeitigen Gesellschafterverhältnisse – nur eine Gesellschafterstimmabgabe vor, könnte eine Gewinnverwendung zum Nachteil des anderen Gesellschafters alinear beschlossen werden, ohne dass dieser hiezu seine Zustimmung erteile und ihm im Vorhinein aufgrund einer klaren Regelung im Gesellschaftsvertrag bewusst sein müsste, wie sich der Entzug seines Gesellschafterrechts konkret darstelle und auswirke. Eine solche Konstellation sei aber mit § 50 Abs 4 GmbHG nicht vereinbar.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Gesellschaft und der Geschäftsführer mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass die beantragte Firmenbucheintragung bewilligt werde; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber bringen vor, betreffend die Gewinnverteilung könne der Gesellschaftsvertrag jede Regelung vorsehen, soweit sie nicht sittenwidrig sei. Darunter sei auch eine Vertragsbestimmung zu verstehen, die die Entscheidung über die Gewinnverteilungsquoten einem Gesellschafterbeschluss vorbehalte. Eine derartige Vertragsbestimmung sei die bereits vorweggenommene Zustimmung sämtlicher Gesellschafter zu einer späteren alinearen Gewinnverteilung. Aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Einberufungsmodalitäten habe jeder Gesellschafter die Möglichkeit, durch Teilnahme an der Generalversammlung eine alineare Gewinnverteilung zu seinen Lasten zu verhindern.

Hierzu wurde erwogen:

1. Gemäß § 82 Abs 1 GmbHG haben die Gesellschafter, solange die Gesellschaft besteht, nur Anspruch auf den nach dem Jahresabschluss als Überschuss der Aktiven über die Passiven sich ergebenden Bilanzgewinn, soweit dieser nicht aus dem Gesellschaftsvertrag oder durch einen Beschluss der Gesellschafter von der Verteilung ausgeschlossen ist. Gemäß § 82 Abs 2 GmbHG erfolgt die Verteilung des Bilanzgewinns in Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags nach Verhältnis der eingezahlten Stammeinlagen.

Gemäß § 35 Abs 1 Z 1 GmbHG unterliegt der Beschlussfassung der Gesellschafter unter anderem die Verteilung des Bilanzgewinns, falls letzterer im Gesellschaftsvertrag einer besonderen Beschlussfassung von Jahr zu Jahr vorbehalten ist.

Gemäß § 50 Abs 4 GmbHG kann eine Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Vertrage obliegenden Leistungen oder eine Verkürzung der einzelnen Gesellschaftern durch den Vertrag eingeräumten Rechte nur unter Zustimmung sämtlicher von der Vermehrung oder Verkürzung betroffenen Gesellschafter beschlossen werden.

2.1. Nach dem bisher geltenden Gesellschaftsvertrag hat die Generalversammlung über die Verwendung eines allfälligen, bilanzmäßigen Reingewinns zu beschließen (Punkt 10 letzter Satz des Gesellschaftsvertrags idF vom 22.10.2003).

Mit dieser dem Gesetzeswortlaut entsprechenden Wendung ist in der Regel (nur) die Frage der (möglichen, vgl § 35 Abs 1 Z 1, § 82 Abs 1 GmbHG) Einschränkung des Vollausschüttungsgebots (und nicht der Verteilungsquoten) gemeint. Wenn der Gesellschaftsvertrag die Gewinnverteilung oder die Gewinnverwendung einem Gesellschafterbeschluss vorbehält, muss man (mangels sonstiger Anhaltspunkte im konkreten Gesellschaftsvertrag) wohl davon ausgehen, dass die Gesellschafter sich die Entscheidung vorbehalten haben, ob überhaupt bzw in welchem Umfang es zu einer Ausschüttung des Bilanzgewinns kommen soll. Wenn die Gesellschafter (auch) die Verteilungsquoten abweichend per Beschluss festlegen wollen, müssen sie dies eindeutig im Gesellschaftsvertrag regeln (Bauer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG [2009], § 82 Rz 32).

Letzteres (mögliche abweichende Verteilungsquoten) ist im bisherigen Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehen.

Auch eine in den Gesellschaftsvertrag aufgenommene gesetzliche Regel kann ein Sonderrecht im Sinn des § 50 Abs 4 GmbHG sein (Milchrahm/Rauter in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG [2015], § 50 Rz 70). Ob dies zutrifft, muss im Weg der Auslegung ermittelt werden (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 [2007], § 50 Rz 12).

Die gesetzliche Verteilungsregel des § 82 Abs 2 GmbHG ist aber nicht im Gesellschaftsvertrag enthalten, weshalb die Gesellschafter nach dem bisherigen Gesellschaftsvertrag kein Sonderrecht im Sinn des § 50 Abs 4 GmbHG auf eine dem § 82 Abs 2 GmbHG entsprechende Gewinnverteilung haben.

Daraus folgt aber, dass mit der nunmehr zur Eintragung angemeldeten Änderung des Gesellschaftsvertrags in kein Sonderrecht von Gesellschaftern eingegriffen wurde.

2.2. Der Gesellschaftsvertrag kann jede von § 82 Abs 2 GmbHG abweichende Regelung treffen, soweit sie nicht sittenwidrig ist (Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht [2008] 4/393). Darunter fällt auch eine Bestimmung des Gesellschaftsvertrags für einen Gesellschafterbeschluss über eine asymmetrische Gewinnausschüttung (Bauer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG [2009], § 82 Rz 29).

Dies ist mit der gegenständlichen Änderung des Gesellschaftsvertrags geschehen. Was daran rechtswidrig sein soll, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen ist für eine alineare Gewinnverteilung eine einstimmige Beschlussfassung vorgesehen, sodass eine solche Gewinnverteilung jeder Gesellschafter ohnehin durch entsprechende Stimmabgabe oder – unter den Voraussetzungen des § 41 GmbHG – durch Klage verhindern kann.

Da somit gegen die beantragte Änderung des Gesellschaftsvertrags keine Bedenken bestehen, war dem Erstgericht die Firmenbucheintragung aufzutragen.

Leitsätze

  • Gesellschaftsvertragliche Bestimmung betreffend eine asymmetrische Gewinnausschüttung

    Der Gesellschaftsvertrag kann hinsichtlich der Verteilung des Bilanzgewinnes jede von § 82 Abs 2 GmbHG abweichende Regelung treffen, soweit diese nicht sittenwidrig ist. Dazu zählt auch die Bestimmung für einen einstimmigen Gesellschafterbeschluss über eine asymmetrische Gewinnausschüttung. Eine in den Gesellschaftsvertrag aufgenommene gesetzliche Regel kann ein Sonderrecht iSd § 50 Abs 4 GmbHG darstellen – ob dies in concreto der Fall ist, muss mittels Auslegung ermittelt werden.
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