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Dokument-ID: 1012671

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 154/18t; OGH; 31. August 2018

GZ: 6 Ob 154/18t | Gericht: OGH vom 31.08.2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der M***** GmbH, FN *****, wegen Eintragung eines Geschäftsführer- und Gesellschafterwechsels, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Ma*****, vertreten durch Hock & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 10. Juli 2018, GZ 6 R 131/18f-10, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 15 FBG).

Begründung

Die M***** GmbH ist seit 22.12.2011 im Firmenbuch des Landesgerichts W***** eingetragen. Als Alleingeschäftsführerin und -gesellschafterin war bis März 2018 H***** G***** eingetragen.

Am 05.03.2018 beantragte der Revisionsrekurswerber beim Erstgericht die Eintragung eines Geschäftsführer- und Gesellschafterwechsels. Er habe mit notarieller Annahmeerklärung vom 23.02.2018 den gesamten Geschäftsanteil der H***** G***** erworben. Mit Gesellschafterbeschluss vom selben Tag sei H***** G***** als Geschäftsführerin der Gesellschaft abberufen und zum neuen Geschäftsführer der Antragstellerin bestellt worden.

Das Erstgericht vollzog nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens die beantragten Eintragungen.

Dagegen erhob H***** G***** Rekurs mit dem Antrag auf Abänderung, den Beschluss aufzuheben und den vorherigen Firmenbuchstand wiederherzustellen. Mit Annahmeerklärung vom 23.02.2018 sei die Annahme zweier Abtretungsanbote durch den Revisionsrekurswerber beurkundet worden. Das Abtretungsanbot vom 02.12.2011 über 51 % ihrer Geschäftsanteile enthalte jedoch eine aufschiebende Bedingung:

„Das Anbot erfolgt unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Antragstellerin ihre Funktion als Geschäftsführerin der Gesellschaft beendet, sei es durch Abberufung, Rücktritt, Pensionierung, Tod oder Geschäftsunfähigkeit.“

Tatsächlich habe die Rekurswerberin ihre Funktion als Geschäftsführerin jedoch nicht beendet.

Grob unrichtig seien weiters die Ausführungen in der Annahmeerklärung, wonach der Revisionsrekurswerber H***** G***** angewiesen habe, einen Gesellschafterbeschluss beglaubigt zu unterfertigen, mit welchem sie als Geschäftsführerin abberufen und der Revisionsrekurswerber als neuer Geschäftsführer bestellt werde. Für den Geschäftsanteil in Höhe von 51 % des Stammkapitals existiere keine Treuhandvereinbarung; eine solche bestehe nur für das Abtretungsanbot über den 49%igen Geschäftsanteil.

Das Erstgericht gab diesem Rekurs selbst statt, hob den Eintragungsbeschluss vom 27.03.2018 ersatzlos auf und stellte den Firmenbuchstand vor dem 27.03.2018 wieder her. Die aufschiebende Bedingung des Abtretungsanbots sei im Zeitpunkt der Annahmeerklärung nicht eingetreten gewesen, sodass dieses nicht wirksam habe angenommen werden können. Damit sei der Abtretungsvorgang unwirksam, weshalb der Revisionsrekurswerber auch nicht berechtigt gewesen sei, die Geschäftsführerin H***** G***** abzuberufen und sich selbst zum Geschäftsführer zu bestellen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Eine Nichtigkeit liege nicht vor. § 50 Abs 1 Z 4 AußStrG eröffne dem Gericht bei einer Sachentscheidung selbst die Möglichkeit einer „Selbstkorrektur“. Die Löschung oder Eintragung eines Gesellschafters berühre unmittelbar seine firmenbuchrechtliche Rechtssphäre, sodass diesem auch Rekurslegitimation zukomme. Die Treuhandvereinbarung beziehe sich nach ihrem Wortlaut nur auf den Geschäftsanteil, der einer zur Gänze einbezahlten Stammeinlage von EUR 17.150,– entspricht. Das Argument, die Pflichten der Treuhandvereinbarung würden sich auch auf den 51%igen Geschäftsanteil erstrecken, sei daher nicht nachvollziehbar.

Im Fall einer treuhändigen Innehabung eines Teils eines Geschäftsanteils sei eine gespaltene Stimmausübung zulässig. Dies könne jedoch dahingestellt bleiben, weil gar nicht behauptet werde, H***** G***** hätte einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss mit uneinheitlicher Stimmabgabe gefasst, sondern der Rekurs lediglich vorbringe, ihre Weigerung, den Gesellschafterbeschluss über ihre Abberufung als Geschäftsführerin zu unterfertigen, sei weisungswidrig gewesen.

Damit habe der Revisionsrekurswerber weder das Abtretungsanbot des 51%igen Geschäftsanteils rechtswirksam annehmen noch sich selbst zum neuen Geschäftsführer der Gesellschaft bestellen können. Daher sei er zur vorliegenden Anmeldung des Geschäftsführer- und Gesellschafterwechsels nicht legitimiert.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig; Rechtsfragen im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG lägen nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs ist unzulässig.

1.1. Nach § 50 Abs 1 AußStrG kann das Gericht erster Instanz einem Rekurs unter anderem selbst stattgeben, wenn sich dieser gegen einen Beschluss richtet, mit dem über die Sache entschieden worden ist, sofern sich ohne weitere Erhebungen aufgrund der Aktenlage ergibt, dass dieser aufzuheben und der allenfalls zugrundeliegende verfahrensleitende Antrag zurückzuweisen oder dass er im Sinne des Rekursbegehrens zur Gänze abzuändern ist (§ 50 Abs 1 Z 4 AußStrG). Die Bestimmung dient der verfahrensökonomischen Selbstkorrektur des Erstgerichts in klaren Fällen (Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 50 Rz 2).

1.2. Die Befugnis nach § 50 AußStrG kommt auch dem Rechtspfleger zu (§ 11 Abs 1a RPflG; Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 212).

1.3. § 50 AußStrG rechtfertigt aber nicht die Unterlassung der Einholung einer Rekursbeantwortung (Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 50 Rz 5). Auch im Fall eines evidenten Fehlers des Erstgerichts soll vor einer „Selbstkorrektur“ des Erstgerichts der Gegner Gelegenheit haben, den angefochtenen Beschluss zu verteidigen (Fucik/Kloiber, AußStrG § 48 Rz 5).

2.1. Im Außerstreitverfahren führt ein Gehörverstoß jedoch anders als im streitigen Zivilverfahren nicht zur Nichtigkeit. Vielmehr hat das Rekursgericht in einem derartigen Fall nach Möglichkeit in der Sache selbst zu entscheiden. Wenn sich schon aufgrund der Angaben des Rekurswerbers ergibt, dass der angefochtene Beschluss zur Gänze zu bestätigen ist, so hat das Rekursgericht mit Bestätigung vorzugehen (§ 58 Abs 1 AußStrG). Auch wenn dies nicht der Fall ist, hat das Rekursgericht nach § 58 Abs 3 AußStrG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der angefochtene Beschluss ohne weitere Erhebungen abgeändert werden kann. Andernfalls ist er aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

2.2. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs wirkt daher nicht mehr absolut, führt also nicht mehr in jedem Fall zur Aufhebung (RIS-Justiz RS0120213; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 58 Rz 16).

2.3. Nach den Gesetzesmaterialien wird hier der Grundsatz der Sacherledigung besonders betont (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 53). Der Rekurswerber soll sich nicht auf die Geltendmachung des Verfahrensfehlers beschränken können, sondern muss gewissermaßen „seine Karten auf den Tisch legen“ (vgl Kodek aaO).

3.1. Zutreffend haben die Vorinstanzen auch die Rekurslegitimation von H***** G***** bejaht. Rekurslegitimiert sind die Parteien des Verfahrens sowie im Firmenbuchverfahren außerdem der nach § 18 FBG zu verständigende Betroffene (Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 168 mwN). Der Betroffene ist nach ständiger Rechtsprechung derjenige, der nach dem jeweiligen konkreten Verfahrensstand durch die beabsichtigte Maßnahme in seiner auf einer Firmenbucheintragung beruhenden Rechtsstellung unmittelbar beschränkt werden soll oder zwingend beschränkt wird (6 Ob 19/97f uva; Kodek aaO, mwN). Der Zusammenhang zwischen der Verständigungspflicht nach § 18 FBG und der materiellen Parteistellung ist daher von der herrschenden Lehre und Rechtsprechung anerkannt.

3.2. Das Rekursrecht ist auch nicht auf Personen beschränkt, die am Verfahren in erster Instanz teilgenommen haben (Kodek aaO, § 15 FBG Rz 169).

3.3. Nach ständiger Rechtsprechung kommt einem GmbH-Gesellschafter Rechtsmittellegitimation zu, wenn die Entscheidung nach dem konkreten Verfahrensstand seine firmenbuchrechtliche Rechtssphäre berührt, etwa weil es um seine Eintragung oder Nichteintragung oder seine Löschung als Gesellschafter geht (Kodek aaO, § 15 FBG Rz 176; OLG Wien NZ 1997, 128; 6 Ob 168/98v; 6 Ob 111/01v; 6 Ob 183/01g ua).

3.4. Ebenso entspricht es herrschender Auffassung, dass ein Geschäftsführer dann rekurslegitimiert ist, wenn es um seine Eintragung als Geschäftsführer geht und die Wirksamkeit des Bestellungsvorgangs Gegenstand der Überprüfung durch das Firmenbuchgericht war (OLG Wien 28 R 276/03v; Kodek aaO, § 15 FBG Rz 176).

4.1. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung hat das Firmenbuchgericht die Anmeldung in formeller und materieller Hinsicht zu prüfen (Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer FBG § 15 Rz 11 mwN; Kodek, Zur Prüfpflicht im Firmenbuchverfahren – Grundlagen und Ausgestaltung, in Zib, 25 Jahre Firmenbuch [2016] 43 ff). Dies gilt auch in den Fällen vereinfachter Anmeldung (Kodek aaO). Die materielle Prüfungspflicht besteht sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht (Kodek aaO; RIS-Justiz RS0014295).

4.2. Vor diesem Hintergrund erscheint die Argumentation im Revisionsrekurs, der Eintritt der im Abtretungsangebot enthaltenen Bedingung könne im Eintragungsverfahren „nicht erörtert und entschieden werden“, nicht nachvollziehbar. Die im Revisionsrekurs erhobene Behauptung, dem Firmenbuchgericht stehe eine diesbezügliche Prüfungskompetenz nicht zu, entbehrt jeder Grundlage. Warum – wie der Revisionsrekurs vermeint – die bloße Erklärung des Revisionsrekurswerbers, die Bedingung sei eingetreten, zur Folge haben soll, dass sich die Frage, ob die Erklärung zutreffend sei, der Entscheidungskompetenz des Firmenbuchgerichts entziehe, ist nicht nachvollziehbar.

5.1. Soweit der Revisionsrekurs sich gegen das Verständnis der Treuhandvereinbarung durch das Rekursgericht wendet, verweist er ohne jegliche inhaltlichen Ausführungen nur darauf, dass die Ausführungen des Rekursgerichts „überschießend“ seien, „ohne die wahre Absicht der Parteien über die Tragweite dieses Vertrags und über die vereinbarten Bindungen und Pflichten zu kennen und ohne diese würdigen zu können“. Aufgrund welcher Erwägungen es im vorliegenden Fall gerechtfertigt sein könnte, die sich nach dem klaren Wortlaut auf die Stammeinlage von 17.150 EUR beziehende Treuhandvereinbarung auch auf die Stammeinlage von 51 % zu erstrecken, ist nicht zu erkennen.

5.2. Dass ein ungeteilter Geschäftsanteil grundsätzlich ein ungeteiltes und unteilbares Stimmrecht gewährt, entspricht zwar ständiger Rechtsprechung (6 Ob 202/10i; RIS-Justiz RS0127332). Nach Teilen der Lehre ist jedoch im Fall einer bloß treuhändigen Innehabung eines Teils eines Geschäftsanteils eine gespaltene Stimmrechtsausübung zulässig (Enzinger in Straube, Wiener Kommentar GmbHG § 39 Rz 41; Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht2 Rz 4/293). Auf die Richtigkeit dieser Auffassung ist im vorliegenden Zusammenhang nicht einzugehen. Wenn man ihr nicht folgt, wäre eine uneinheitliche Stimmabgabe – wie in anderen Fällen auch – als Stimmenthaltung zu werten (vgl 6 Ob 202/10i). Auch bei Zugrundelegung dieser Sichtweise läge aber kein den Revisionsrekurswerber zum Geschäftsführer bestellender Gesellschafterbeschluss vor.

5.3. Damit sind die Vorinstanzen aber zutreffend davon ausgegangen, dass die Bedingung, an die das Anbot geknüpft war, nicht eingetreten ist, sodass dieses Angebot auch nicht angenommen werden konnte. Damit kam dem Revisionsrekurswerber aber weder die Berechtigung zur Abberufung der Geschäftsführerin noch die Legitimation zur Anmeldung des Gesellschafter- und Geschäftsführerwechsels im Firmenbuch zu.

6. Damit bringt der Revisionsrekurswerber aber keine Rechtsfragen der vom § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

Leitsätze

  • Ist eine uneinheitliche Stimmrechtsausübung bei einer treuhändigen Innehabung eines Teils des Geschäftsanteils möglich?

    Bei einer Abstimmung ist ein ungeteilter Geschäftsanteil mit einem ungeteilten und unteilbaren Stimmrecht verbunden. Dennoch gibt es Teile der Lehre, die vertreten, dass bei einer bloß treuhändigen Innehabung eines Teils des Geschäftsanteils eine uneinheitliche Stimmrechtsausübung zulässig ist. Sollte man dieser Ansicht nicht folgen und es kommt zu einer uneinheitlichen Stimmrechtsausübung, ist dies als Stimmenthaltung zu werten.
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