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Dokument-ID: 760001

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 170/14i; OGH; 29. Jänner 2015

GZ: 6 Ob 170/14i | Gericht: OGH vom 29.01.2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Stingl und Dieter Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei Dipl.-Ing. K***** T*****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen EUR 140.000,– sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 13. August 2014, GZ 5 R 214/13z-43, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

1.1. Der erkennende Senat hat erst jüngst in der Entscheidung 6 Ob 43/13m (GesRz 2014, 93 [Hackl]) unter anderem ausgeführt:

„8.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Verbraucher- beziehungsweise Unternehmereigenschaft eines Gesellschafters in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu beurteilen (7 Ob 315/01a; 3 Ob 141/03m; 9 Ob 27/05v; 6 Ob 12/03p; 9 Ob 27/05v; 8 Ob 91/09d; 6 Ob 105/10z; 1 Ob 99/10f; 2 Ob 169/11h). Darin liegt der Sache nach – worauf im Schrifttum F. Schumacher (wbl 2012, 71 ff) und unlängst der 4. Senat (4 Ob 232/12i mit ausführlicher Begründung) hingewiesen haben – eine teleologische Reduktion. Maßgeblich ist demnach, ob der betroffene Vertragspartner angesichts der Interessenidentität zwischen Gesellschafter und Gesellschaft in Wahrheit selbst unternehmerisch tätig wird.

8.2. Die teleologische Reduktion hat nicht beim Anwendungsbereich des § 1 KSchG zu erfolgen, sondern bei der jeweils konkret fraglichen Norm (so schon RIS-Justiz RS0065288; ebenso P. Bydlinski, ÖBA 2012, 616; Harrer, wbl 2010, 609; U. Torggler in Straube, UGB4 § 105 Rz 41; Schumacher, wbl 2012, 73; 4 Ob 232/12i). Diese Auffassung entspricht herrschender Lehre und Rechtsprechung; ihre Bezeichnung als 'novum' (Terlitza, ÖBA 2013, 671 f [Entscheidungsbesprechung von 4 Ob 232/12i]) trifft daher nicht zu.

8.3. Nach herrschender Auffassung ist für die Unanwendbarkeit konsumentenschutzrechtlicher Vorschriften in erster Linie maßgeblich, inwieweit der Gesellschafter Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nehmen kann. Der bloße Umstand, ob der Gesellschafter darüber hinaus auch Geschäftsführer ist, ist demgegenüber nicht ausschlaggebend.

8.4. Demgemäß stellte der erkennende Senat in der Entscheidung 6 Ob 105/10z darauf ab, ob der Gesellschafter maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen und Handlungen der Gesellschaft ausüben konnte. Dieser Fall betraf eine Konstellation, in der beide Gesellschafter jeweils 50 % hielten. Auch die Entscheidung 2 Ob 169/11h, der die Kreditvergabe an eine GmbH zu Grunde lag, der der geschäftsführende Minderheitsgesellschafter mit einer (durchgerechneten) Beteiligung von 32,5 % als Bürge beigetreten war, stellte auf den beherrschenden Einfluss des Gesellschafters auf die Geschäftsführung ab. Dieser werde typischerweise durch eine Mehrheit der Geschäftsanteile vermittelt. Darüber hinaus sei eine Vermittlung von 'beherrschendem' beziehungsweise 'entscheidendem' Einfluss auf die Geschäftsführung auch bei einer gesellschaftsvertraglichen Sperrminorität ausreichend.

8.5. Neuerdings hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 232/12i im Fall eines atypischen Kommanditisten, der zusammen mit seinem Bruder die Geschäfte der KG führte, diese Auffassung auch auf den geschäftsführenden Gesellschafter einer Personengesellschaft übertragen. …“

1.2. Zuletzt stellte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 72/14t klar, dass sich der (dort) Beklagte nicht mehr auf die Entscheidung 7 Ob 266/06b berufen könne. In dieser Entscheidung habe der Oberste Gerichtshof zwar zu § 1 KSchG ausgesprochen, dass ein Gesellschafter, der nicht auch Geschäftsführer der Gesellschaft ist, mangels eigener unternehmerischer Tätigkeit als Verbraucher zu beurteilen sei. Diese Entscheidung entspreche jedoch heute nicht mehr dem Stand der Rechtsprechung. Maßgeblich sei, ob der betroffene Vertragspartner angesichts der Interessenidentität zwischen Gesellschafter und Gesellschaft in Wahrheit selbst unternehmerisch tätig wird und dementsprechend einen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen kann.

1.3. Bei einer solchen wirtschaftlichen Betrachtungsweise und bei der Beurteilung, welchen Einfluss eine bestimmte Person auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nahm beziehungsweise nehmen konnte, kommt es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an. Dem Berufungsgericht, welches sich insbesondere auf die bereits erwähnte Entscheidung 6 Ob 43/13m stützte, ist bei Beurteilung dieser Umstände ein vom Obersten Gerichtshof aus den in § 502 Abs 1 ZPO genannten Gründen aufzugreifender Fehler nicht vorzuwerfen.

Nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen traf der wirtschaftlich erfahrene Beklagte, der zwar Hälftegesellschafter der GmbH, jedoch nie deren Geschäftsführer war, in sämtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Gründung der Gesellschaft und in wirtschaftlichen Belangen, so etwa, in welcher Höhe der Kredit aufgenommen werden sollte, die Entscheidungen gemeinsam mit seinem Mitgesellschafter. Auch dem Fremdgeschäftsführer teilte der Beklagte mit, dass er zwar nicht operativ mitarbeiten werde, wichtige wirtschaftliche Entscheidungen jedoch nur unter Einbindung des Beklagten und nach vorangegangener Rücksprache getroffen werden. Der Geschäftsführer hielt bei der Kreditvergabe ständig Rücksprache mit den Gesellschaftern. Der Vertrag wurde erst nach deren Einverständnis abgeschlossen, wobei dem Beklagten zuvor der Vertragstext übermittelt worden war. Der Beklagte hatte ein wirtschaftliches Interesse an dem der GmbH eingeräumten Kredit, weil er ansonsten als Hälftegesellschafter das Hotel nicht gekauft hätte; er hatte auch Kenntnis über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens.

Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage den Beklagten, der für den von der Klägerin gewährten Kredit als Garant haftet, als Unternehmer und nicht als Verbraucher einstufte und damit § 25c KSchG nicht anwendete, so ist darin keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung zu sehen. Dass sich – wie die außerordentliche Revision meint – der Oberste Gerichtshof der Literaturmeinung von Huemer (JBl 2007, 240 [Entscheidungsanmerkung zu 4 Ob 108/06w]), wonach ein Gesellschafter, der nicht mehr als 50 % der Anteile hält, nur bei Streubesitz an den übrigen Anteilen relevanten Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben könne, angeschlossen hätte, ist den Entscheidungen 6 Ob 105/10z (JAP 2010/2011/11 [Rauter] = GesRz 2010, 348 [Kosesnik-Wehrle] = EvBl 2011/10 [Wendehorst]) und 2 Ob 169/11h (ÖBA 2012/1838 [P. Bydlinski]) nicht zu entnehmen.

2. Im Kreditvertrag wurde ein Verzugszinssatz von 16,5 % vereinbart. Ein solcher Zinssatz ist nach den Feststellungen bei Unternehmen der höchste, aber noch übliche Zinssatz. Dennoch macht der Beklagte die Sittenwidrigkeit dieser Vereinbarung geltend. Auch diesen Einwand haben die Vorinstanzen in vertretbarer Weise verworfen.

Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit eines Vertrags wegen Wuchers setzt ein auffallendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, die mangelnde Wahrungsmöglichkeit der Äquivalenz seitens des Bewucherten wegen Leichtsinns, Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung und schließlich die Ausnützung der Lage des Bewucherten durch den Wucherer voraus (RIS-Justiz RS0016861). Ob die notwendigen Voraussetzungen für die Annahme eines Wuchergeschäfts vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0016861 [T1]).

Der Einwand muss bereits deshalb scheitern, weil der Beklagte weder ein konkretes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung noch eine – auf seiner Seite – gestörte Willensbildung noch eine Ausnützung durch die Klägerin noch ein anderes Element der Sittenwidrigkeit nachweisen konnte. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte wirtschaftlich erfahren ist und im Rahmen der Vertragsabschlüsse ausdrücklich auf die Höhe der Verzugszinsen hingewiesen wurde.

Leitsätze