Dokument-ID: 634444

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 177/12s; OGH; 27. Februar 2013

GZ: 6 Ob 177/12s | Gericht: OGH vom 27.02.2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen A***** GmbH mit dem Sitz in W*****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 19. Juli 2012, GZ 28 R 75/12y-9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 15 FBG iVm § 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Die Vorinstanzen wiesen den Antrag auf Eintragung der Einbringung eines Unternehmens in die Gesellschaft und des Ausschlusses der Haftung der Gesellschaft für Verbindlichkeiten gemäß § 38 Abs 4 UGB ab. Die Gesellschaft verweigere zu Unrecht die Vorlage des gesamten Einbringungsvertrags; der tatsächlich vorgelegte „Auszug aus dem Unternehmenskaufvertrag“ reiche zur Beurteilung der Eintragungsvoraussetzungen nicht aus.

Die Gesellschaft macht in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs geltend, das Firmenbuchgericht habe „nicht das Recht, auf die Vorlage der gesamten Vereinbarung zu pochen und in weiterer Folge diese zu prüfen“. Es bestehe zwar ein Prüfungsrecht des Firmenbuchgerichts, nicht jedoch eine Prüfungspflicht; keinesfalls komme dem Firmenbuchgericht ein allgemeines Aufsichtsrecht zu.

Rechtliche Beurteilung

Auch wenn dem Firmenbuchgericht tatsächlich kein allgemeines Aufsichtsrecht über einzutragende Unternehmen zukommt (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG [2005] § 15 Rz 25) und seine Prüfungspflicht nicht überspannt werden darf (G. Kodek aaO,Rz 20 mit weiteren Nachweisen), so gilt doch nach ständiger Rechtsprechung im Firmenbuchverfahren gemäß § 16 Abs 1 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG der Untersuchungsgrundsatz. Das Firmenbuchgericht hat die Anmeldung daher in formeller und materieller (etwa Gläubigerschutz- oder Fragen bei fusionsähnlichen Vorgängen udgl) Hinsicht zu prüfen (6 Ob 226/09t RWZ 2010, 264 [Wenger] = GesRz 2010, 276 [Winner/Obradovic; Aburumieh/Foglar-Deinhardstein 328] = ZFR 2011/70 [Ruhm] mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur). Ob Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Eintragungsgesuch zugrunde liegenden Tatsachen bestehen, die Prüfungsbefugnis und Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichts auslösen (vgl 6 Ob 57/01b), ist dabei regelmäßig eine Frage des Einzelfalls und übersteigt deshalb an Bedeutung nicht das konkrete Eintragungsverfahren.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass das Erstgericht die Vorlage des Kaufvertrags verlangt hat, noch nichts darüber aussagt, ob dieser auch in die Urkundensammlung aufzunehmen ist. Vielmehr sind in die Urkundensammlung nur unmittelbare Eintragungsurkunden, nicht aber so genannte „Bewilligungsurkunden“ aufzunehmen (G. Kodek, Die elektronische Urkundensammlung im Firmenbuch, NZ 2006/44). Der Oberste Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass für die Aufnahme von Urkunden, die weder Eintragungsgrundlage waren noch einer ausdrücklichen gesetzlichen Aufbewahrungspflicht unterliegen, kein Raum besteht (6 Ob 227/97v SZ 70/190; vgl auch RIS-Justiz RS0108414). In diesem Sinne sind Gutachten und andere Erhebungsergebnisse, die nicht unmittelbare Eintragungsgrundlage waren, sondern lediglich eingeholt wurden, um allfällige Bedenken des Firmenbuchgerichts zu zerstreuen, nicht in die Urkundensammlung aufzunehmen (G. Kodek aaO). Anders als in dem der Entscheidung 6 Ob 167/01d zugrundeliegenden Fall, der die Aufnahme einer angeblich einen „integrierenden Bestandteil“ des Zusammenschlussvertrags darstellenden Zusammenschluss-bilanz in die Urkundensammlung betraf, hat sich die Gesellschaft auch nicht selbst auf den (gesamten) Kaufvertrag berufen, sondern sich ganz im Gegenteil gegen dessen Vorlage ausgesprochen. Wenngleich daher das Erstgericht mit dem Auftrag zur Vorlage des Vertrags den Umfang des ihm hier zukommenden Beurteilungsspielraums nicht überschritten hat, kann dem berechtigten Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft im vorliegenden Fall dadurch Rechnung getragen werden, dass der Kaufvertrag nicht in die Urkundensammlung aufgenommen wird.

Leitsätze