Dokument-ID: 514678

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 187/12m; OGH; 15. Oktober 2012

GZ: 6 Ob 187/12m | Gericht: OGH vom 15.10.2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts St. Pölten zu FN *****, eingetragenen P***** Privatstiftung, mit dem Sitz in B*****, wegen Abberufung und Neubestellung der Mitglieder des Stiftungsvorstands nach § 27 Abs 1 und 2 PSG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Mag. Dr. J***** K*****, und des Dr. J***** R*****, beide vertreten durch Puschner Spernbauer Rosenauer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 16. Juli 2012, GZ 28 R 7/12y, 28 R 8/12w und 28 R 10/12i-43, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Rekurslegitimation im Abberufungsverfahren liegen bereits mehrere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs vor. In der Entscheidung 6 Ob 195/10k hat sich der erkennende Senat eingehend mit der Rekurslegitimation von einzelnen Organmitgliedern gegen die Abberufung von Stiftungsorganen durch andere Stiftungsorgane befasst. In der Entscheidung 6 Ob 101/11p bejahte der erkennende Senat die Rekurslegitimation eines von einem Stiftungsorgan (Beirat) abberufenen Vorstandsmitglieds gegen seine Löschung im Firmenbuch. Für das gerichtliche Abberufungsverfahren nach § 27 Abs 2 PSG hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 6 Ob 145/09f eingehend zur Rechtsmittellegitimation Stellung genommen. In der Auffassung des Rekursgerichts, das den Revisionsrekurswerbern keine Rechtsmittellegitimation gegen die gerichtliche Abberufung bzw Bestellung anderer Vorstandsmitglieder zusteht, weil sie selbst vom Erstgericht mit sofortiger Wirkung abberufen wurden, sodass ihnen überhaupt keine Befugnis zum Tätigwerden für die Privatstiftung mehr zukommt, ist keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

2. Die Frage, ob ein „wichtiger Grund“ für die Abberufung eines Mitglieds eines Stiftungsorgans gemäß § 27 Abs 2 PSG gegeben ist, insbesondere ob eine Pflichtverletzung vorliegt bzw ob diese grob ist, hängt so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass sie regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG bildet (6 Ob 255/08f; RIS-Justiz RS0112248 [T5, T6]; vgl auch RIS-Justiz RS0059403).

3.1. Dass die Verweigerung der Auskunftserteilung und Einsichtsgewährung gegenüber dem Begünstigten eine grobe Pflichtverletzung darstellen kann, hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 6 Ob 82/11v ausgesprochen.

3.2. Die Auffassung der Vorinstanzen, dass die in der Stiftungserklärung ausdrücklich als „Begünstigte“ bezeichneten Antragsteller Begünstigte im Rechtssinne sind, sodass ihnen auch Auskunfts- und Einsichtsrechte zukommen, ist nicht zu beanstanden, zumal der Kreis der Auskunfts- und Einsichtsberechtigten in der Stiftungserklärung auch über den Kreis der Begünstigten hinaus erweitert werden kann (Arnold, PSG³ § 30 Rz 3). Auf die Frage der „Nachwirkung“ der Begünstigtenstellung kommt es im vorliegenden Fall daher nicht an (vgl dazu 6 Ob 57/12m).

3.3. Zudem übersehen die Revisionsrekurswerber, dass sie nach den Ergebnissen des Verfahrens über die Auskunftserteilung auch bei Zugrundelegung ihrer eigenen Rechtsansicht bis zur Zahlung der ausständigen Beträge an die Begünstigten diesen zu Unrecht die Auskunftserteilung und Einsichtsgewährung verweigerten.

4. Die Privatstiftung hält nach den Feststellungen der Vorinstanzen 100 % der Anteile an der L***** GmbH. Diese wurde eigens als Konzernleitungsgesellschaft gegründet und übt die Leitung der Unternehmensgruppe aus. Dass für diese Gesellschaft gemäß § 29 Abs 1 Z 3 GmbHG ein Aufsichtsrat zu bestellen gewesen wäre, wird im Rechtsmittel nicht weiter bestritten. Die Pflicht zur Bestellung des Aufsichtsrats trifft gemäß § 30b GmbHG grundsätzlich die Gesellschafter und nur für den Fall, dass diese untätig bleiben, das Gericht. Warum dies anders sein sollte, wenn es sich – wie im vorliegenden Fall – beim (Allein-)Gesellschafter um eine Privatstiftung handelt, vermögen die Revisionsrekurswerber nicht aufzuzeigen. Zu Recht gingen daher die Vorinstanzen davon aus, dass in der Nichtbestellung eines Aufsichtsrats für die genannte Gesellschaft ein weiterer Pflichtverstoß des Stiftungsvorstands liegt.

5. Der Abschluss eines Abtretungsvertrags über GmbH-Anteile zwischen einem Vorstandsmitglied und der Privatstiftung ohne Einhaltung des Verfahrens nach § 17 Abs 5 PSG wurde bereits in der Entscheidung 6 Ob 233/09x als grobe Pflichtverletzung beurteilt.

6. Wenn die Vorinstanzen im Versuch, das anhängige Verfahren auf Abberufung der Vorstandsmitglieder und Bestellung neuer Vorstandsmitglieder durch kurzfristige Kooptierung weiterer Vorstandsmitglieder zu unterlaufen, als weitere Pflichtverletzung einstuften und wegen des schon durch diese Vorgangsweise und darüber hinaus aufgrund des von den Vorinstanzen im Einzelnen näher dargelegten Naheverhältnisses auch die kooptierten Vorstandsmitglieder abberiefen, ist darin keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

7. Soweit sich der außerordentliche Revisionsrekurs gegen die Zurückweisung des von den Revisionsrekurswerbern erhobenen Rekurses gegen die Bestellung von vier Vorstandsmitgliedern anstelle der abberufenen Mitglieder durch das Rekursgericht wendet, ist ihm überdies entgegenzuhalten, dass die Bestellung der neuen Vorstandsmitglieder lediglich die Kehrseite bzw Folge der Abberufung der bisherigen Vorstandsmitglieder darstellt. Insoweit hat das Rekursgericht aber die Entscheidung des Erstgerichts ohnedies auch umfassend meritorisch überprüft; die Zurückweisung des Rekurses der Revisionsrekurswerber gegen die Bestellung neuer Mitglieder hatte daher keine Beschränkung deren Rechtsschutzes zur Folge (vgl auch § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG).

8. Damit bringt der Revisionsrekurs aber keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass er spruchgemäß zurückzuweisen war.

Leitsätze