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Dokument-ID: 961118

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 221/16t; OGH; 23. Juni 2017

GZ: 6 Ob 221/16t | Gericht: OGH vom 23.06.2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Georg Vetter, Rechtsanwalt in Wien, 2. L***** Investmentgesellschaft mbH, *****, Deutschland, vertreten durch Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, und deren Nebenintervenienten 1. Ö*****, 2. Dr. W*****, 3. R*****, 4. P*****, 5. A*****, alle vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner und andere Rechtsanwälte in Wien, 6. T*****, Honduras, vertreten durch Berger Ettel Rechtsanwälte in Wien, 7. I*****, vertreten durch Dr. Maria Brandstetter, Rechtsanwältin in Wien, 8. Mag. J*****, Schweiz, vertreten durch Dr. Martin Löffler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dorda Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen (Streitwert insgesamt EUR 105.000,–), über die Revisionen der klagenden Parteien, der beklagten Partei und der Erst- bis Fünft- sowie der Siebentnebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. Juli 2016, GZ 2 R 112/16b-31, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 11. April 2016, GZ 6 Cg 124/15i, 26 Cg 160/15f-21, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

II. Den Revisionen der Klägerinnen und der Erst- bis Fünft- sowie der Siebentnebenintervenienten wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts in seinen Punkten II.1.B.) und II.2.) wiederhergestellt wird.

III. Die Beklagte ist schuldig, den Klägerinnen und deren Nebenintervenienten nachstehend bestimmte Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen, und zwar

  • der Erstklägerin EUR 8.927,66 (darin EUR 1.260,94 Umsatzsteuer und EUR 1.362,– Barauslagen),
  • der Zweitklägerin EUR 6.613,32 (darin EUR 875,22 Umsatzsteuer und EUR 1.362,– Barauslagen),
  • den Erst- bis Fünftnebenintervenienten EUR 9.674,30 (darin EUR 1.612,38 Umsatzsteuer) und
  • dem Siebentnebenintervenienten EUR 8.927,66 (darin EUR 7.481,54 Umsatzsteuer).

Entscheidungsgründe

Die beklagte Aktiengesellschaft hat ein Grundkapital von EUR 17.833.500,–, eingeteilt in eben diese Anzahl an auf Inhaber lautende Stückaktien ohne Nennbetrag, daher mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von EUR 1,–/Aktie. Die Aktien notieren im Amtlichen Handel der Wiener Börse im Segment „Standard Market Auction“ zu ISIN *****. Die beklagte Partei selbst hält 1.073.418 Stück eigene Aktien (rund 6 % des Grundkapitals). Etwa 60 % des Grundkapitals hält die F***** GmbH (kurz: F*****), weitere (gerundet) 18 % die W***** Privatstiftung (kurz: Stiftung) und (gerundet) 1 % A***** W*****, geboren am 11.12.1959. G***** E***** verfügt über Aktien der Beklagten von rund 0,1 % des Grundkapitals. Vorstandsmitglieder der Beklagten sind A***** W***** und G***** S*****.

Rund 14 % der Aktien befinden sich im Streubesitz, wobei die Klägerinnen und die Nebenintervenienten Minderheitsaktionäre der Beklagten sind. Konkret verfügte die Erstklägerin im August 2015 über 103.949 Aktien, die Zweitklägerin über 250.000 Aktien und der Siebentnebenintervenient über 10 Aktien.

A***** W***** (in der Folge kurz: Stifter) ist außerdem Stifter der Stiftung, deren Vorstände G***** E*****, Dr. W***** H***** und Dipl.-Vw. E***** R***** sind. Die F***** wiederum ist eine österreichische Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Anteile zur Gänze Dr. W***** H***** treuhändig für die Stiftung hält. Dieser ist außerdem neben Mag. A***** W*****, dem Neffen des Stifters, selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der F*****.

Gegenstand der Beklagten sind Entwicklung, Produktion sowie Vertrieb und Service von Produkten, Verfahren und Anlagen für die Wasseraufbereitung. Außerdem ist die Beklagte satzungsgemäß berechtigt, sich an Unternehmen mit gleichem oder ähnlichem Gesellschaftszweck zu beteiligen, die Geschäftsführung zu übernehmen wie auch Zweigniederlassungen zu errichten.

Im September 2014 führte die A***** GmbH (kurz: A*****), eine in der Zwischenzeit mit ihrer 100%igen Tochtergesellschaft F***** verschmolzene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ein freiwilliges Übernahmeangebot gemäß §§ 4 ff ÜbG durch, das auf den Erwerb sämtlicher im Streubesitz befindlicher Aktien der Beklagten gerichtet war. In diesem Übernahmeangebot findet sich unter anderem folgende Passage:

„Die W*****-Gruppe beabsichtigt mit dem geplanten Angebot eine Aufstockung ihres Anteils an der Zielgesellschaft auf 90 % oder mehr des Grundkapitals der Zielgesellschaft (und zwar unter Berücksichtigung der eigenen Aktien der Zielgesellschaft im Sinne des GesAusG). Sollte die W*****-Gruppe ein solches Beteiligungsausmaß erlangen, so bestünde nach österreichischem Recht die Möglichkeit, durch einen Squeeze-Out nach den Bestimmungen des Gesellschafterausschlussgesetzes einen Ausschluss der Minderheitsaktionäre gegen angemessene Barabfindung zu verlangen. Die W*****-Gruppe ist nach heutigem Stand durchaus interessiert und bereit, einen solchen Squeeze-Out zu verlangen und auch in weiterer Folge eine Beendigung der Börsezulassung (Delisting) anzustreben. […]

Daher wird die W*****-Gruppe für den Fall des Nichterreichens der 90 %-Schwelle auch andere gesellschaftsrechtliche Maßnahmen erwägen, für die bereits geringere Mehrheiten in der Hauptversammlung der Zielgesellschaft ausreichen, wie beispielsweise eine Verschmelzung der Zielgesellschaft auf eine nicht börsenotierte Kapitalgesellschaft. Die Bieterin weist ausdrücklich auf das Risiko der Beendigung des Börsehandels in Aktien der Zielgesellschaft hin. Eine solche Beendigung des Börsehandels würde zu einer voraussichtlich stark eingeschränkten Liquidität der Aktien führen und eine marktmäßige Preisbildung einschränken.

Als Angebotspreis wurden mit diesem Übernahmeangebot EUR 17,–/Aktie angeboten, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die Aktie am letzten Tag vor Bekanntgabe der Angebotsabsicht, dem 26.08.2014, an der Wiener Börse bei einem Kurs von EUR 16,–/Aktie geschlossen hatte, der Angebotspreis somit um 6,25 % über dem Schlusskurs der Aktie am Börsetag vor Bekanntgabe der Angebotsabsicht liege.

Die E***** Wirtschaftsprüfungs GmbH gab am 16.09.2014 „als Sachverständige der Zielgesellschaft gemäß §§ 13 f ÜbG“ folgende „abschließende Beurteilung zum freiwilligen öffentlichen Anbot gemäß §§ 4 ff ÜbG der A***** vom 15.09.2014 und zu den Äußerungen des Vorstands der Zielgesellschaft zum 16.09.2014 und des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft vom 16.09.2014“ ab:

„Das freiwillige öffentliche Anbot wurde ordnungsgemäß gelegt und erhält die in § 3 Z 2 ÜbG für die Anbotsempfänger geforderten Informationen.

  • Der angebotene Kaufpreis von EUR 17,00 je Aktie der [Beklagten] liegt über dem EUR 15,79 betragenden, nach dem Handelsvolumen gewichteten Durchschnittskurs der letzten sechs Monate vor Bekanntgabe der Anbotsabsicht je Aktie [der Beklagten].
  • Der angebotene Kaufpreis liegt über den von der Bieterin oder mit ihr gemeinsam vorgehenden Rechtsträgern in den letzten 12 Monaten vor Anzeige des Anbots erworbenen Aktien, die zu einem Höchstbetrag von EUR 15,636 je Aktie erworben wurden.
  • Der angebotene Kaufpreis liegt über dem EUR 16,60 betragenden Höchstkurs der vergangenen 12 Monate der Aktie [der Beklagten].
  • Der angebotene Kaufpreis liegt über dem EUR 16,00 betragenden Schlusskurs am Tag vor Bekanntgabe der Anbotsabsicht der Aktie [der Beklagten].
  • Kurzfristig ist infolge der Ankündigung der Absicht der Bieterin auf Abgabe eines Anbots der Börsenkurs sogar über den Angebotspreis gestiegen, was indiziert, dass einzelne Marktteilnehmer den Wert der Aktie höher einschätzen, als der Anbotspreis ist. In den vergangenen 24 Kalendermonaten vor Anbotslegung lag der Kurs der Aktie nur an zwei Handelstagen, am 11. und 12.02.2013, über dem Angebotspreis von EUR 17,00.

Der Vorstand und der Aufsichtsrat der [Beklagten] nehmen davon Abstand, eine abschließende Empfehlung zu erteilen, und stellen die wesentlichen Argumente für eine Annahme oder eine Ablehnung des Anbots dar.

Die vom Vorstand und vom Aufsichtsrat der [Beklagten] vorgelegten Äußerungen zum freiwilligen öffentlichen Anbot sind schlüssig und ermöglichen eine Beurteilung des Anbots. Weiters haben wir die vom Vorstand der [Beklagten] vorgelegte Äußerung analysiert und haben dabei keine Tatsachen festgestellt, die Zweifel an der Richtigkeit begründen.

Insgesamt ermöglichen sämtliche dargelegten Argumente und Informationen eine Beurteilung des freiwilligen öffentlichen Anbots.“

In der Äußerung des Vorstands der Beklagten zum öffentlichen Anbot finden sich unter anderem folgende Passagen:

„BEURTEILUNG DER AUSWIRKUNGEN DES ANGEBOTS AUF DIE GESELLSCHAFT, DIE DIENSTNEHMER UND DIE GLÄUBIGER SOWIE DAS ÖFFENTLICHE INTERESSE

Geschäftspolitische Ziele und Absichten

Ziele und Strategie der Gesellschaft sind im Angebot richtig wiedergegeben. Eine Änderung dieser Strategie ist nicht beabsichtigt. Die Bieterin beabsichtigt, diese Strategie weiterhin zu unterstützen.

Ziel der Bieterin und der mit ihr gemeinsam vorgehenden Rechtsträger ist offenbar eine Aufstockung ihrer Beteiligung auf 90 % oder mehr des Grundkapitals der Gesellschaft […]. Sollten die Bieterin und die mit ihr gemeinsam vorgehenden Rechtsträger ein solches Beteiligungsausmaß erlangen, so bestünde nach österreichischem Recht die Möglichkeit, durch einen Squeeze-Out nach den Bestimmungen des Gesellschafterausschlussgesetzes einen Ausschluss der Minderheitsaktionäre gegen angemessene Barabfindung zu verlangen. Die Bieterin und die mit ihr gemeinsam vorgehenden Rechtsträger sind entsprechend ihren Ankündigungen im Angebot interessiert und bereit, einen solchen Squeeze-Out zu verlangen und auch eine Beendigung der Börsenzulassung (Delisting) anzustreben.

Es wird im Angebot ausdrücklich angedeutet, ein solches Delisting möglicherweise auch unabhängig von einem Squeeze-Out betreiben zu wollen.

[…]

STELLUNGNAHME DES VORSTANDS DER GESELLSCHAFT ZUM ANGEBOT

Aus Sicht des Vorstands wäre das von der Bieterin als Möglichkeit dargestellte Delisting grundsätzlich zu begrüßen. Nach Überzeugung des Vorstands gehen von der Börsenotierung für die Gesellschaft nämlich keine nennenswerten Vorteile mehr aus. Weder wurde die Börse zur Finanzierung der weiteren Expansion der Gesellschaft genutzt, noch brachte die Börsenotierung eine gesteigerte öffentliche Wahrnehmung des Unternehmens. Die Aktien der Gesellschaft notieren seit 2006 nicht mehr im ATX und seit 2013 nicht mehr im Prime Market. Dem geringen Nutzen der Börsenotierung stehen wesentliche jährliche Fixkosten für Gebühren, Publikationspflichten, Hauptversammlungen und im Zusammenhang mit den steigenden regulatorischen Anforderungen gegenüber.“

Die W*****-Gruppe erreichte die von ihr angestrebte 90 %-Schwelle nicht. Die Beklagte gründete im Juni 2015 die B***** AG (kurz: Holding), die am 23.06.2015 zu FN ***** des Landesgerichts Wels im Firmenbuch eingetragen wurde. Sie ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Beklagten. Der Unternehmensgegenstand ist in der Satzung der Holding entsprechend dem Unternehmensgegenstand der Beklagten festgelegt; zusätzlich ist als Unternehmensgegenstand auch die Ausübung der Tätigkeit einer geschäftsleitenden Holding, insbesondere der Erwerb und die Verwaltung von Unternehmensbeteiligungen und Immobilien, die Leitung der zur B*****-Gruppe gehörenden Unternehmen und Beteiligungen und die Erbringung von Dienstleistungen für diese sowie allgemein die Erbringung von Dienstleistungen auf dem Gebiet der Unternehmensberatung festgeschrieben. Die Holding verfügt über ein Grundkapital von EUR 16.760.082,–, das in ebenso viele auf Namen lautende Stückaktien eingeteilt ist. Die Anzahl der Aktien der Holding entspricht damit genau der Anzahl der Aktien der Beklagten ohne Berücksichtigung deren eigener Aktien. Die Aktien der Holding sind nicht börsenotiert. Die Organe der Holding sind mit jenen der Beklagten ident.

In der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 25.08.2015 kamen unter anderem folgende Beschlüsse zur Abstimmung:

„Top 3: Entlastung des Vorstandsmitglieds A***** W***** für 2014

Top 7: Der Verschmelzung zur Aufnahme gemäß §§ 219 ff AktG der [Beklagten] als übertragende Gesellschaft durch Übertragung des Vermögens als Ganzes mit Stichtag zum 31.12.2014, 24 00 Uhr, im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Holding als übernehmende Gesellschaft unter Ausschluss der Liquidation der [Beklagten] unter Inanspruchnahme der abgabenrechtlichen Begünstigungen des Artikels I UmgrStG wird zugestimmt. Die von der [Beklagten] an der Holding gehaltenen Aktien werden, soweit erforderlich, zur Abfindung der Aktionäre der [Beklagten] verwendet (§ 224 Abs 3 AktG).

Dem Abschluss des Verschmelzungsvertrags zwischen der [Beklagten] und der Holding gemäß dem am 29.06.2015 aufgestellten und am 24.07.2015 in elektronischer Form in der Ediktsdatei gemäß § 89j GOG veröffentlichten Entwurf des Verschmelzungsvertrags wird zugestimmt.“

Der gemeinsame Verschmelzungsbericht der Vorstände der Beklagten und der Holding vom 07.07.2015 enthält unter anderem folgenden Passus:

„Wesentliche Gründe für die Verschmelzung

3.1 Ausgangslage

Im Herbst 2014 führte die A*****, eine in der Zwischenzeit mit ihrer 100%igen Muttergesellschaft F***** verschmolzene Gesellschaft, ein freiwilliges Übernahmeangebot gemäß den §§ 4 ff ÜbG durch, das auf den Erwerb sämtlicher im Streubesitz befindlicher Aktien [der Beklagten] gerichtet war. F***** ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der [Stiftung]. Als Ziel des Übernahmeangebots wurde das Erreichen einer Beteiligungsquote von zumindest 90 % genannt, um im Anschluss an das Übernahmeangebot die Börsenotiz der [Beklagten] durch einen Squeeze-Out nach dem Gesellschafterausschlussgesetz beenden zu können. Darüber hinaus wurde im Rahmen des Übernahmeangebots bereits bekannt gegeben, dass für den Fall des Nichterreichens der 90 % Schwelle auch andere gesellschaftsrechtliche Maßnahmen erwogen werden, für die bereits geringere Mehrheiten in der Hauptversammlung der Gesellschaft ausreichen. Namentlich wurde beispielsweise eine Verschmelzung der [Beklagten] auf eine nicht börsenotierte Kapitalgesellschaft erwähnt.

Am 05.03.2015 erhielt die [Beklagte] von ihrer Aktionärin F***** einen Antrag gemäß § 109 AktG, wonach der folgende Punkt auf die Tagesordnung für die am 25.08.2015 stattfindende ordentliche Hauptversammlung der [Beklagten] zu setzen ist:

‚Beschlussfassung über die Verschmelzung der [Beklagten] durch Übertragung ihres Vermögens als Ganzes auf eine noch zu gründende Aktiengesellschaft als übernehmende Gesellschaft (Verschmelzung zur Aufnahme) und Genehmigung des Abschlusses des Verschmelzungsvertrags zur Bewirkung eines Delisting der Aktien [der Beklagten] von der Wiener Börse.‘

Im Rahmen der Vorbereitung der diesbezüglichen ordentlichen Hauptversammlung der [Beklagten] prüfte der Vorstand der [Beklagten] das Begehren der Aktionäre an F***** und kam zu dem Schluss, dass das Verlangen der Aktionäre an F***** gesetzeskonform, durchführbar und aus den unter Punkt 3.2 genannten Gründen für die Gesellschaft vorteilhaft einzustufen ist. Allerdings kam der Vorstand auch zu dem Schluss, dass ein rechtswirksamer Beschluss über die Verschmelzung von der Hauptversammlung am 25.08.2015 alleine auf Basis des Antrags der Aktionäre an F***** nicht gefasst werden kann, sondern dafür die Mitwirkung der [Beklagten] nötig ist. Deshalb begann der Vorstand der [Beklagten] damit, die für die Umsetzung der Verschmelzung erforderlichen Schritte zu setzen (zB Gründung der Holding).

3.2 Maßgebliche Überlegungen

Nach Ansicht des Vorstands der [Beklagten] und der Holding sprechen insbesondere folgende Erwägungen für die Verschmelzung und das daraus folgende Delisting der Aktien [der Beklagten] von der Wiener Börse:

Aufgrund der Börsenotiz der Aktien [der Beklagten] muss [die Beklagte] zusätzlich zu den gesellschaftsrechtlichen auch die geltenden börserechtlichen Vorschriften beachten. Besonders ins Gewicht fallen dabei die für börsenotierte Gesellschaften geltenden Transparenz- und Publizitätsvorschriften (zB Regelpublizität, Anlasspublizität), die weit über die gesellschaftsrechtlich vorgeschriebenen Informationspflichten hinausgehen. Freilich sollte es für jede Gesellschaft ein Anspruch sein, ihre Aktionäre mit dem größtmöglichen Maß an Information über die Gesellschaft zu versorgen, damit die Aktionäre ihre Mitgliedschaftsrechte bestmöglich ausüben können.

Allerdings stehen die Informationspflichten, die [die Beklagte] gemäß den Transparenz- und Publizitätsvorschriften zu veröffentlichen hat, nicht nur Investoren und Aktionären der [Beklagten] zur Verfügung, sondern sind für jedermann zugänglich. Von den in den Kernmärkten der B*****-Gruppe tätigen Mitbewerbern der [Beklagten] ist keiner in vergleichbarer Weise börsenotiert und unterliegt folglich auch nicht demselben oder einem vergleichbaren strengen Informations- und Veröffentlichungsregime. Anders als diese Mitbewerber muss [die Beklagte] aufgrund der Börsenotiz der Aktien [der Beklagten] laufend eine Vielzahl an Informationen preisgeben, die es Brancheninsidern ermöglichen, Rückschlüsse auf die Strategie der [Beklagten], die finanzielle Lage der [Beklagten], interne Kalkulationen oder Ähnliches zu ziehen. Diese Informationen können nicht nur von (potenziellen) Investoren genützt werden (zB um informierte Anlageentscheidungen treffen zu können), sondern auch von Konkurrenten der [Beklagten] (zB um ihre Strategie oder Preispolitik entsprechend anzupasssen). Der Umstand, dass [die Beklagte] in den Kernmärkten der B*****-Gruppe, anders als ihre wesentlichen Mitbewerber, dem erwähnten strengen Informations- und Veröffentlichungsregime unterliegt, bedeutet für [die Beklagte] einen immensen Wettbewerbsnachteil. Auch wenn dieser Wettbewerbsnachteil monetär nur schwer quantifizierbar ist, behinderte er bereits in der Vergangenheit doch spürbar die weitere erforderliche Entwicklung der [Beklagten], insbesondere auch vor dem Hintergrund des jüngst verstärkten Marktauftritts im Bereich des Geschäfts mit privaten Kunden. Aus Sicht der [Beklagten] würde sich dieser Wettbewerbsnachteil weiterhin nachteilig auf die B*****-Gruppe und ihre Entwicklung auswirken. […]

Darüber hinaus entstehen der [Beklagten] im Zusammenhang mit der Börsenotiz der Aktien [der Beklagten] Jahr für Jahr erhebliche Kosten und Aufwendungen. Diese laufenden Kosten fallen mit Durchführung der Verschmelzung und dem [dadurch] bewirkten Delisting der Aktien [der Beklagten] weg. Der Vorstand der [Beklagten] schätzt die durch die Beendigung der Börsenotiz der Aktien [der Beklagten] erzielbare Kosteneinsparung auf rund EUR 560.000,– pro Geschäftsjahr. Umgerechnet auf den Planungshorizont der [Beklagten] (drei Jahre) resultieren daraus Einsparungen (nicht diskontiert und ohne Berücksichtigung von Steuereffekten) von rund EUR 1,680.000,–. […]

Allerdings kommen im Zuge der Verschmelzung auch nicht ganz unwesentliche einmalige Kosten und Aufwendungen auf die [Beklagte] und die Holding zu. Der größte Teil der einmalig auftretenden Kosten und Aufwendungen entfällt dabei auf die Grunderwerbssteuer bzw Grundbuchseintragungsgebühren […]. Hinzu kommen einmalige Beratungskosten. Der Vorstand der [Beklagten] schätzt die durch die Durchführung der Verschmelzung bedingten einmaligen Kosten und Aufwendungen (zur Berücksichtigung von darauf entfallenden Ertragssteuerersparnissen) auf rund EUR 750.000,–. Für den Fall, dass die […] dargestellte Einschätzung der [Beklagten] und der Holding wider Erwarten von den zuständigen Behörden nicht geteilt wird, ist mit zusätzlichen Einmalkosten in Höhe von rund EUR 379.000,– zu rechnen. […]

Nachteilige Auswirkungen der Verschmelzung und des damit verbundenen Delistings auf die Arbeitnehmer, das öffentliche Interesse und die Gläubiger der beteiligten Gesellschaften sind nicht ersichtlich. Aus Sicht der Aktionäre der [Beklagten] führt die Verschmelzung zwar dazu, dass diese als zukünftige Aktionäre der Holding ihre Aktien nicht wie bisher auch über einen geregelten Markt handeln können, allerdings sind die Holding-Aktien, abgesehen von der Börsenotiz, gleich übertragbar und damit handelbar wie Aktien [der Beklagten], sodass insgesamt die identifizierten Vorteile, die ein Delisting mit sich bringt, solche Nachteile, die bei den in § 70 AktG genannten Personen und den Gläubigern auftreten können, bei Weitem überwiegen.

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass – selbst unter Berücksichtigung der durch die Verschmelzung hervorgerufenen einmalig auftretenden Kosten und Aufwendungen – die Durchführung der Verschmelzung und das dadurch bewirkte Delisting der Aktien [der Beklagten] nicht unerhebliche jährliche Kosteneinsparungen mit sich bringen würden. Vom Wegfall des erheblichen Wettbewerbsnachteils gegenüber den Konkurrenten der [Beklagten] aufgrund der umfangreichen Transparenz- und Publizitätsvorschriften ganz zu schweigen.“

Weiters wird in diesem gemeinsamen Verschmelzungsbericht ausgeführt, dass bei Verfassen des Berichts keine Eigenkapitalfinanzierung benötigt werde. Der Verschmelzungsvertrag enthält keine Bedingungen zu einer Barabfindung.

In der Hauptversammlung vom 25.08.2015 präsentierte G***** S***** eine Power-Point-Unterlage, wonach die geschätzte Kosteneinsparung jährlich rund EUR 560.000,– bzw für drei Jahre EUR 1,68 Mio betrage, künftig wegen steigender gesetzlicher Ansprüche mit einem weiteren Anstieg der Kosten zu rechnen sei, die einmaligen Kosten und Aufwendungen der Verschmelzung rund EUR 750.000,– ausmachen würden, „keine nachteiligen Auswirkungen der Verschmelzung und des damit verbundenen Delistings auf Arbeitnehmer, öffentliches Interesse und Gläubiger“ bestünden und die den Satz enthielt: „Rechte und Pflichten der Aktionäre bleiben unberührt“. Mündlich ergänzte G***** S*****, dass es sich hier „um die gesellschaftsrechtlichen Rechte und Pflichten“ handle.

Mit Umlaufbeschluss vom 25.08.2015 hatte Dr. W***** H***** als (treuhändischer) Alleingesellschafter der F***** folgende Gesellschafterbeschlüsse gefasst:

„1. Auf alle Formalitäten für die Beschlussfassung wird hiemit verzichtet.

2. Die Geschäftsführung wird für die Ausübung der Stimmrechte der F***** in der ordentlichen Hauptversammlung der [Beklagten] am 25.08.2015 für die Beschlussfassung über den Tagesordnungspunkt 3 (Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2014) sowie den Tagesordnungspunkt 4 […] weisungsfrei gestellt.

3. Die beigeschlossenen Beschlussvorschläge der Geschäftsführung der F***** hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts aus den von der F***** und der [Beklagten] gehaltenen Aktien in der ordentlichen Hauptversammlung der [Beklagten] am 25.08.2015 werden zur Kenntnis genommen.“

Dieser beigeschlossene Beschluss(-vorschlag) über das Stimmverhalten betreffend die Entlastung des A***** W***** enthält in der Spalte Stimmverhalten für Dr. W***** H***** den Eintrag „Enthaltung“ und für Mag. A***** W***** den Eintrag „Ja“.

In der Hauptversammlung übte Dr. P***** W***** als Bevollmächtigter der F***** für diese das Stimmrecht aus und beantragte entsprechend der ihm von Mag. A***** W***** erteilten Vollmacht im Sinn des Auftrags der F***** eine gesonderte Abstimmung über jedes Vorstandsmitglied. In der Abstimmung über die Entlastung des Vorstandsmitglieds A***** W***** stimmte er für die F***** mit „Ja“.

In der Hauptversammlung stimmte die Erstklägerin gegen die Beschlüsse Top 3 sowie Top 7 und erklärte Widerspruch zu Protokoll. Die Zweitklägerin stimmte gegen Top 7 und erklärte ebenfalls Widerspruch zu Protokoll.

Zu Top 3 wurde A***** W***** für das Geschäftsjahr 2014 mit 11.090.451 Ja-Stimmen gegen 382.051 Nein-Stimmen bei 3.661.219 Enthaltungen entlastet, wobei bei den Stimmenthaltungen 3,175 Mio einem Stimmverbot unterliegende Stimmen der Stiftung mitgezählt wurden. In den Ja-Stimmen sind 10.794.681 Stimmen der F***** enthalten. Ohne diese Stimmen wäre es rechnerisch nicht zur Entlastung des A***** W***** gekommen.

Der Beschluss zu Top 7 kam mit 14,493.440 Ja-Stimmen, davon 3,175 Mio Stimmen der Stiftung und 10.794.681 Stimmen der F*****, gegen 640.181 Nein-Stimmen zustande. Ohne die Stimmen der Stiftung und der F***** wäre der Beschluss nicht zustande gekommen.

In den 24 Kalendermonaten vor Legung des freiwilligen Angebots der A***** vom 15.09.2014 war der Kurs der Aktie [der Beklagten] nur an zwei Handelstagen, nämlich am 11. und 12.02.2013, über dem Angebotspreis von EUR 17,– gelegen. Der nach dem Handelsvolumen gewichtete Durchschnittskurs der letzten sechs Monate vor Bekanntgabe der Angebotsabsicht hatte EUR 15,79 betragen. Die Bieterin oder die mit ihr gemeinsam vorgehenden Rechtsträger hatten in den letzten 12 Monaten vor der Anzeige des Angebots Aktien zu einem Höchstbetrag von EUR 15,636/Aktie erworben. Der Höchstkurs der Aktie hatte in den zwölf Monaten vor dem 16.09.2014 EUR 16,60 betragen. Am 26.08.2014 war der Schlusskurs bei EUR 16,– gelegen. Am 27.08.2014 um 9:04 Uhr war eine Ad-hoc-Meldung der Beklagten über die Absicht der F*****, ein freiwilliges Anbot gemäß den §§ 4 ÜbG von EUR 17,–/Aktie zu stellen, erfolgt. Danach hatte es Kursanstiege gegeben. Am 06.03.2015 war der Antrag der F***** auf Ergänzung der Tagesordnung der Hauptversammlung der Beklagten gemäß § 109 AktG um den Tagesordnungspunkt 7 veröffentlicht worden, am 28.05.2015 war die Bekanntmachung des Vorstands der Beklagten, die Vorbereitung der Verschmelzung in Angriff zu nehmen, erfolgt. Danach war der Kurs der Aktie weiter angestiegen. Seit dem Übernahmeangebot der F***** war der Kurs bis auf eine einzige Ausnahme nie mehr unter die EUR 17,– aus dem Übernahmeangebot gefallen. Zwischen 25.08.2015 und 01.04.2016 lag der Kurs zwischen rund EUR 17,50 (jedenfalls deutlich über EUR 17,40) und EUR 20,25.

Mit Ad-hoc-Mitteilung vom 23.01.2015 – übermittelt durch euro adhoc (einen Dienst der APA-OTS Originalstext-Service GmbH zur Verbreitung von Unternehmensmeldungen mit dem Ziel der europaweiten Verbreitung) – hatte die Beklagte bekannt gegeben, dass die B*****-Gruppe durch den mit der Unterzeichnung eines Framework-Agreements fixierten mehrheitlichen Einstieg in die Firmengruppe M*****, (kurz: M*****) ihre Präsenz im „point of use“-consumer-Geschäft verstärkt, dass M***** im Vorjahr einen Umsatz von etwa 2,6 Milliarden R***** (umgerechnet rund EUR 35 Mio) erzielt habe und dass das Closing unter diversen Bedingungen, unter anderem Zustimmung der Kartellbehörden, stehe und im Laufe des ersten Halbjahrs 2013 (richtig: 2015) erwartet werde. Der geplante Erwerb der kontrollierenden Beteiligung der Beklagten an der M*****-Gruppe war bei der Bundeswettbewerbsbehörde am 20.04.2015 angemeldet, die Zusammenschlussmeldung am 20.04.2015 gemäß § 10 Abs 3 Z 2 KartellG bekannt gemacht worden. Mit Ad-Hoc-Mitteilung gemäß § 48d Abs 1 BörseG gab die Beklagte am 20.10.2015 bekannt, ihren bereits im Jänner 2015 vereinbarten mehrheitlichen Einstieg in die M*****-Gruppe nach Erhalt der kartellrechtlichen Genehmigungen durch die zuständigen Behörden in Österreich, in R***** und in der U***** am 19.10.2015 rechtlich abgeschlossen zu haben. Beim Einstieg der B*****-Gruppe in die M*****-Gruppe machte diese rund 3 Milliarden R***** Umsatz (etwa EUR 50 Mio); in der Folge trat ein Marktanteilsverlust von 6 % ein. G***** S***** führt diesen Marktanteilsverlust darauf zurück, dass die Mitbewerber in R***** aufgrund der verpflichtenden Veröffentlichung einen Informationsvorsprung hatten.

Die Hauptaktionärsgruppe der Beklagten (F*****, Stiftung, A***** W*****) bezweckte mit der Verschmelzung das Delisting der Aktien der Beklagten, welches über den Weg des Squeeze-Out nicht bewirkt werden konnte. Der Verschmelzungsvertrag verweist in der Präambel auf den gemeinsamen Bericht der Vorstände der Beklagten und der Holding, enthält aber selbst keine Begründung für die Verschmelzung.

Aufgrund des Wegfalls der Börsenotiz würde sich die Beklagte aus der börserechtlichen Transparenz- und Offenlegungspflicht resultierende Kosten ersparen, deren Höhe nicht feststeht.

Der Hauptaktionär hat inzwischen 500.000 Aktien zum Kurs von EUR 19,50 zugekauft. Es steht nicht fest, dass die Beklagte über Aktionäre verfügt, die nur in börsenotierte Aktiengesellschaften veranlagen dürfen; generell gibt es aber Gesellschaften, die solche Auflagen haben.

Die Klägerinnen streben die Nichtigerklärung des Hauptversammlungsbeschlusses Top 7 zur Verschmelzung, die Erstklägerin auch des Beschlusses Top 3 zur Entlastung des A***** W***** an. Bei Beschluss Top 3 hätte die F***** im Hinblick auf § 125 AktG nicht mitstimmen dürfen, weil sie gegenüber den Organen der Privatstiftung weisungsgebunden sei. Die Gründung einer Tochtergesellschaft zum alleinigen Zweck der Verschmelzung auf die Muttergesellschaft samt darauf folgendem Delisting von der Börse sei vom Unternehmensgegenstand der Beklagten nicht gedeckt, weshalb der Verschmelzungs-beschluss Top 7 gegen die Satzung verstoße. Den Aktionären hätte ein Barabfindungsangebot unterbreitet werden müssen, weil das Delisting zu einer Einschränkung der Aktionärsrechte und darüber hinaus zu einem Wertverlust führe. Eine Verschmelzung rückwirkend auf den 31. 12. 2014 sei nicht möglich, weil zu diesem Zeitpunkt die Holding noch nicht existiert habe. Die gewählte Konstruktion diene der Umgehung der Unzulässigkeit eines Delistings; da die Minderheitsaktionäre dem Delisting nicht zustimmten, sei die Verschmelzung auf eine genau zu diesem Zweck gegründete Tochtergesellschaft gewählt worden. Durch den Börsenabgang sollte die Handelbarkeit der Aktie erschwert werden, was auf den Preis drücke, sodass die Aktionäre zum Verkauf motiviert werden sollten. Erhalte der Mehrheitseigentümer so mehr als die für den Gesellschafterausschluss geforderten 90 %, stehe ihm dieser Weg frei. Der vom Gesetzgeber intendierte Weg wäre hingegen, dass der Mehrheitseigentümer ein freiwilliges Angebot lege, das so attraktiv sei, dass entsprechend viele Aktionäre ihre Aktien verkaufen. Eine börsenotierte Gesellschaft mit einer Umgehungskonstruktion zu delisten, damit den Preis unter Druck zu bringen und anschließend die Gesellschafter günstig auszuschließen, sei hingegen nicht die Intention des Gesetzgebers. Der Zweck der Verschmelzung liege nicht im Interesse der Gesellschaft, sondern nur im Interesse der Mehrheitsgesellschafterin. Das durch die börserechtlichen Bestimmungen den Minderheitsaktionären garantierte Recht, über börsenotierte Aktien zu verfügen, wiege wesentlich höher als das Interesse des Hauptaktionärs und der Beklagten, sich den börserechtlichen und übernahmerechtlichen Transparenz- und Schutzbestimmungen zu entziehen, weshalb Rechtsmissbrauch vorliege. Der Hauptaktionär habe gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten gegenüber den Mitgesellschaftern verstoßen, indem er die eigenen Interessen am billigen Ankauf der Aktien über jene der Mitgesellschafter an der Aufrechterhaltung der Börsenotiz gestellt habe.

Die Nebenintervenienten ergänzten, das Delisting durch Verschmelzung auf eine neu zu gründende Tochtergesellschaft stelle eine Umgehung der börserechtlichen Vorschriften und damit einen Akt des Rechtsmissbrauchs in der Absicht der Teilenteignung des Streubesitzes zum Zweck eines billigen Ankaufs der Aktien dar. Wegen der eingeschränkten Verkehrsfähigkeit der Aktie komme als Käufer praktisch nur noch der Hauptaktionär infrage, der den Preis diktieren könne. Die Kostenersparnis und der Wegfall der mit der Börsenotiz verbundenen Publizitätsvorschriften würden den Vorteil der Finanzierungsmöglichkeit über den Kapitalmarkt nicht aufwiegen, weshalb kein überwiegender Vorteil der Beklagten in der Konstruktion liege.

Die Beklagte wendete ein, bei der Abstimmung über die Entlastung sei die F***** nicht weisungsgebunden gewesen, sondern durch Gesellschafterbeschluss weisungsfrei gestellt worden. Dr. W***** H***** habe sich bei der Beschlussfassung über die Entlastung nicht selbst beteiligt; das Stimmrecht habe ausschließlich der Neffe des zu entlastenden Vorstandsmitglieds ausgeübt. Im Übrigen seien die Unternehmensgegenstände der Beklagten und der neu gegründeten Holding im Wesentlichen ident, weshalb die Gründung der Holding auch vom Unternehmensgegenstand der Beklagten gedeckt sei. Die Festlegung des Verschmelzungsstichtags sei auch mit einem vor Eintragung der zu gründenden Gesellschaft liegenden Zeitpunkt zulässig. Der österreichische Gesetzgeber habe ein Austrittsrecht, verbunden mit einem Recht auf Barabfindung der mit der Verschmelzung und einem damit einhergehenden Delisting nicht einverstandenen Aktionäre, bewusst nicht vorgesehen; jedenfalls sei aber das vorangegangene öffentliche Angebot im Sinn der §§ 4 ff ÜbG ausreichend gewesen, um Anlegerinteressen abzusichern. Der Angebotspreis sei deutlich über dem damaligen Schlusskurs vor Veröffentlichung des Angebots gelegen und habe den Regelungen des § 26 ÜbG zur Bestimmung des gesetzlichen Mindestpreises eines Pflichtanbots entsprochen. Die Verschmelzung einer börsenotierten auf eine nicht börsenotierte Aktiengesellschaft sei nicht unzulässig, die Beendigung der Börsenotiz im Amtlichen Handel sei eine bloße Konsequenz der Verschmelzung. Die Einschränkung der Handelbarkeit der Aktien durch die Verschmelzung sei nicht Beweggrund für die Durchführung gewesen; die Verschmelzung selbst bedürfe keiner sachlichen Rechtfertigung. Mit der Umstellung von Inhaber- auf Namensaktien sei keine wesentliche Erschwernis der wertpapierrechtlichen Übertragung verbunden, weil Namensaktien grundsätzlich so wie auch Inhaberaktien im Effektengiro übertragen werden könnten; der Unterschied reduziere sich auf die Eintragung ins Aktienbuch. Ein Delisting sei nicht unzulässig, es liege kein rechtsmissbräuchliches Umgehungsgeschäft vor. Ohne gesetzliche Grundlage verhinderten zwingende Kapitalerhaltungsvorschriften des Aktienrechts und das Verbot der Einlagenrückgewähr das Anbot einer freiwilligen Barabfindung. Die Aktionäre seien auch nicht schutzbedürftig, weil sie das vorgeschaltete freiwillige Übernahmeangebot hätten annehmen können. Der Hauptaktionär habe nicht treuwidrig abgestimmt; vielmehr entspreche seine Interessenlage mit dem Augenmerk auf stetiges nachhaltiges Wachstum und langfristige Wertsteigerung des Unternehmens eher den Interessen der Gesellschaft als jene der Minderheitsaktionäre als bloße Anleger. Die mehrheitliche Übernahme der M*****-Gruppe habe den auf die kapitalmarktrechtlichen Transparenz- und Offenlegungspflichten zurückzuführenden Wettbewerbs-nachteil der Beklagten als börsenotiertes Unternehmen gezeigt, weil sich die Mitbewerber wegen der frühzeitig notwendigen Ad-hoc-Mitteilung auf den verstärkten Marktauftritt der Beklagten hätten vorbereiten können, weshalb der Marktanteil um rund 6 % gesunken sei, wohingegen zwei nicht börsenotierte Mitbewerber am russischen Markt ihren Marktanteil beträchtlich hätten steigern können. Ein Interessenkonflikt bei der Stimmausübung über die Verschmelzung habe nicht vorgelegen.

Das Erstgericht erklärte beide Beschlussfassungen für nichtig. Die Stiftung sei bei der Beschlussfassung zu Top 3 vom Stimmrecht ausgeschlossen gewesen, weil sie von dem nach § 125 AktG befangenen Stifter A***** W***** kontrolliert werde und somit eine rechtlich abgesicherte Einflussmöglichkeit bestehe. Da die F***** eine 100%ige Tochtergesellschaft der Stiftung sei und Dr. W***** H***** als Alleingesellschafter der F***** deren Anteile treuhändig für die Stiftung halte, erstrecke sich der maßgebliche Einfluss des zu entlastenden Vorstandsmitglieds A***** W***** über die Stiftung auch auf die F*****. Die Stimmabgaben der Stiftung und der F***** seien deshalb nicht mitzuzählen gewesen. Für im Amtlichen Handel gelistete Börseunternehmen stehe der Weg des unechten oder kalten Delistings offen, der grundsätzlich auch zulässig sei. Allerdings müssten als Ausgleich für die Beeinträchtigungen der Minderheitsaktionäre ein Austrittsrecht und die zwingende Vornahme eines Barangebots vorgesehen werden; die Angebotsadressaten müssten vom bevorstehenden Börserückzug spätestens mit Abgabe des Angebots informiert werden. Jedenfalls habe im Verschmelzungsvertrag ein Barabfindungsangebot unterbreitet werden müssen. Das bereits im Herbst 2014 erstattete freiwillige öffentliche Anbot der A***** sei jedoch im Verschmelzungsvertrag nicht wiederholt worden, weshalb den Minderheitsaktionären zum Zeitpunkt des Verschmelzungs-beschlusses auch kein Austrittsrecht gestattet worden sei. Vielmehr stehe das freiwillige öffentliche Anbot in keinem Zusammenhang mit dem später eingeleiteten Verschmelzungsvorgang; nur wegen seines endgültigen Scheiterns sei überhaupt die Verschmelzung eingeleitet worden. Im Übrigen habe der Zweck der Verschmelzung einzig und allein darin bestanden, ein Delisting zu erreichen, weshalb der Beschluss über die Verschmelzung rechtsmissbräuchlich erfolgt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte zwar die Entscheidung des Erstgerichts hinsichtlich des Entlastungsbeschlusses, wies jedoch das Klagebegehren hinsichtlich des Verschmelzungsbeschlusses ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000,– übersteigt und dass die ordentliche Revision zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die Weisungsfreistellung des selbst nicht von Befangenheit betroffenen Organs der Gesellschaftergesellschaft einem von der (Ur-)großmuttergesellschaft vermittelten Stimmverbot in der Abstimmungsgesellschaft entgegenwirkt, ob die Verschmelzung einer börsenotierten Aktiengesellschaft auf eine nicht börsenotierte Aktiengesellschaft zum Zweck des Delistings eine rechtsmissbräuchliche Umgehung einer börserechtlichen Unzulässigkeit des freiwilligen Rückzugs aus dem Amtlichen Handel bedeutet und ob der Verschmelzungsvertrag ein Abfindungsangebot entsprechend § 234b AktG vorsehen muss.

In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht zum Entlastungsbeschluss die Auffassung, die Beklagte habe ein Stimmverbot der Stiftung bei der Beschlussfassung über die Entlastung deren Stifters als ihr Vorstandsmitglied der beklagten AG nicht in Zweifel gezogen und damit einen beherrschenden Einfluss des Stifters auf die Stiftung implizit zugestanden. Nicht erst bei „Wesensgleichheit“ des Aktionärs mit dem Organmitglied trete ein Stimmverbot ein, sondern schon dann, wenn eine von der Interessenkollision ungetrübte Stimmabgabe nicht zu erwarten sei. Allein auf die rechtlich abgesicherte Möglichkeit einer Einflussnahme abzustellen, werde dieser Festlegung nicht gerecht. Berücksichtige man, dass gerade im Bereich der Privatstiftung bei der Befangenheit aufgrund von Einflussnahmemöglichkeiten des Stifters darauf abzustellen ist, inwieweit sich der Stifter die Möglichkeit vorbehalten hat, den Stiftungsvorstand oder eines seiner Mitglieder abzuberufen, könne es allein auf ein Weisungsrecht und dessen Abdingen durch Gesellschafterbeschluss nicht ankommen, bleibe über die Abberufungsmöglichkeit der Gesellschaftsorgane der Einfluss doch wesentlich. Beherrsche der Stifter die Privatstiftung derart, dass sie vom Stimmrecht über seine Entlastung als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft, an der die Stiftung beteiligt ist, nach § 125 AktG ausgeschlossen ist, so schlage die Befangenheit auch auf die (über eine Treuhandschaft vermittelte) 100%ige Tochter-GmbH der Stiftung durch, auch wenn diese im Einzelfall durch Gesellschafterbeschluss für eine Abstimmung weisungsfrei gestellt worden sein sollte. Der Nachweis, dem möglichen Einfluss des die Privatstiftung als (über einen Treuhänder vermittelte) Muttergesellschaft der GmbH beherrschenden Stifters auf das Abstimmungsverhalten der GmbH als Aktionärin ausreichend entgegenzusteuern, könne durch Weisungsfreistellung für die Abstimmung über die Entlastung mittels Gesellschafterbeschlusses nicht gelingen.

Zum Verschmelzungsbeschluss meinte das Berufungsgericht, den erstgerichtlichen Feststellungen sei Schädigungsabsicht des Hauptaktionärs nicht zu entnehmen, wobei die Beweislast für das Vorliegen von Rechtsmissbrauch denjenigen treffe, der sich darauf berufe. Die gewählte Konstruktion sei nicht schon deshalb unzulässig (rechtsmissbräuchlich), weil sie auf das Delisting abzielt. Die Verneinung einer Analogie zu § 83 Abs 4 BörseG über die Möglichkeit des Delistings bei bloß im Freiverkehr gehandelten Aktien mangels planwidriger Lücke beim Amtlichen Handel durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bedeute nicht, dass eine Beendigung der Börsenotiz im Amtlichen Handel für eine Aktiengesellschaft generell unzulässig wäre; die Aktiengesellschaft könne bloß die Aktien nicht analog § 83 Abs 4 BörseG vom Amtlichen Handel zurückziehen. Stellt es der Gesetzgeber der Aktiengesellschaft frei, eine Börsenotiz ihrer Aktien anzustreben oder nicht, so liege auch im Wunsch nach einem Rückzug von der Börse kein verpöntes Motiv. Auch eine Kosten-Nutzen-Analyse stehe nicht „außerhalb der gesellschaftlichen Ordnung“. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs unterliege ein Umwandlungsbeschluss nicht der Inhaltskontrolle, dieser könne nicht wegen Verletzung gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten, sondern nur wegen Rechtsmissbrauchs angefochten werden; Rechtsmissbrauch liege aber nicht schon dann vor, wenn das Motiv für die Umwandlung der Ausschluss des Minderheitsgesellschafters war. Rechtsmissbrauch könnte etwa in einer Schädigung der Anleger gelegen sein; die sei hier aber nicht festgestellt worden. Ein krasses Missverhältnis der Interessen könne nicht vorliegen, weil sowohl die Rechtsformwahl als auch die Entscheidung für oder gegen einen Börsegang weitgehend freie unternehmerische Entscheidungen darstellen; es stehe auch nicht fest, dass ein Rückzug von der Börse der Beklagten keinerlei Vorteile bringen könnte. Sei nun die Verschmelzung in concreto nicht rechtsmissbräuchlich, sei zu klären, ob im Verschmelzungsvertrag ein Barabfindungsangebot vorzusehen gewesen wäre, um den Minderheitsaktionären ein Austrittsrecht zu gewähren, wobei eine gesetzliche Regelung in Österreich – anders als in Deutschland – nicht existiere. Eine analoge Anwendung des § 234b AktG, der für die rechtsformändernde Verschmelzung ein solches Austrittsrecht samt Barabfindungsangebot vorsieht, komme nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber des EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetzes wegen des Fehlens einer entsprechenden Regelung bei der Verschmelzung eine spezielle, der Regelung rechtsformübergreifender Spaltung ähnliche Regelung für die Spaltung börsennotierter in nicht börsennotierte Gesellschaften unterlassen und trotz zahlreicher Änderungen – einschließlich solcher über die Auswirkungen der Beendigung der Börsennotiz auf die Behandlung von Inhaberaktien (§ 10 Abs 3 AktG) – keine § 234b AktG entsprechende Regelung für diese Umwandlungen geschaffen habe. Im Übrigen seien auch die Hinweise im vorgeschalteten freiwilligen Anbot der A***** ausreichend deutlich gewesen, um ein Austrittsrecht zu substituieren. Dabei seien damit bereits das Interesse und die Bereitschaft der W*****-Gruppe angekündigt worden, nicht nur einen Squeeze-Out zu verlangen, sondern eine Beendigung der Börsezulassung anzustreben und für den Fall des Nichterreichens der Schwelle für einen Squezze-Out auch andere gesellschaftsrechtliche Maßnahmen zu erwägen, für die bereits geringere Mehrheiten ausreichen, etwa eine Verschmelzung der Zielgesellschaft auf eine nicht börsenotierte Kapitalgesellschaft. Ausdrücklich hingewiesen worden sei auch auf das Risiko der Beendigung des Börsehandels, die zu einer voraussichtlich stark eingeschränkten Liquidität der Aktien führen und eine marktmäßige Preisbildung einschränken würde. Damit sei aber ein Aktionär in der Lage gewesen, eine überlegte Entscheidung zu treffen; ob es dem konkreten Anleger günstiger erscheint, Aktien zu halten oder zu verkaufen, hänge stets von seiner Einschätzung ungewisser Ereignisse ab. Dass ein Delisting angestrebt worden sei, sei zum damaligen Zeitpunkt jedoch abzusehen gewesen. Die zeitliche Nähe des Übernahmeangebots erscheine ausreichend, sei doch bereits Anfang März 2015 der Antrag für die am 25.08.2015 stattfindende (jährliche, ordentliche) Hauptversammlung gestellt worden. Dass eine Verschmelzung auf eine erst zu gründende Gesellschaft Vorbereitungen erfordere und daher nicht wenige Wochen nach Ablauf der Übernahmeangebotsfrist durchgeführt werden könne, sei auch für Minderheitsaktionäre ebenso wenig überraschend wie der Umstand, dass eine Beschlussfassung im Rahmen der nächsten ordentlichen Hauptversammlung stattfinden würde. Ob im Übernahmeanbot ein angemessener Preis geboten worden sei, sei nicht im Verfahren über die Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses zu überprüfen. Die Verschmelzung erfolge nicht auf die Mutter, sondern auf die Tochter; die Aktiengesellschaft könne ihren Unternehmensgegenstand aber auch durch Tochtergesellschaften ausüben. Im Übrigen finde sich eine Beteiligungsklausel bereits in der Satzung der übertragenden Gesellschaft. Der gemäß § 220 Abs 2 Z 5 AktG festzulegende Verschmelzungsstichtag gebe den Zeitpunkt an, von dem an die Handlungen der übertragenden Gesellschaft als für Rechnung der übernehmenden Gesellschaft vorgenommen gelten. Die zivilrechtliche Bedeutung beschränke sich auf die Rechnungslegung. Die Rechtswirkungen der Verschmelzung, insbesondere der Vermögensübergang, würden mit dem Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung in das Firmenbuch eintreten. Die Stichtagswahl sei unabhängig davon, ob die bilanzierende Gesellschaft zum Stichtag bereits bestanden hat; eine Verschmelzung zur Neugründung, bei der der Verschmelzungsstichtag denknotwendig vor Entstehen der übernehmenden Gesellschaft liegt, wäre anders auch nicht realisierbar. Ein vor der Gründung der übernehmenden Aktiengesellschaft liegender Verschmelzungsstichtag stehe der Verschmelzung daher nicht entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist nicht zulässig, die Revisionen der Klägerinnen und der Erst- bis Fünft- sowie der Siebentnebenintervenienten sind zulässig; sie sind auch berechtigt.

1. Werden mehrere – wenn auch in derselben General- oder Hauptversammlung gefasste – Beschlüsse einer Gesellschaft angefochten, findet eine Zusammenrechnung im Sinn des § 55 JN zwar grundsätzlich nicht statt (4 Ob 504/79); der Oberste Gerichtshof hat jedoch auch schon ausgesprochen, dass ein tatsächlicher und rechtlicher Zusammenhang dann vorliegt, wenn jeweils die selben Anfechtungsgründe geltend gemacht werden (6 Ob 199/09x). Ob dies hier der Fall ist, kann jedoch dahingestellt bleiben, hat doch das Berufungsgericht ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt EUR 30.000,– übersteigt, woraus sich zwanglos erschließen lässt, dass der Wert eines jeden der beiden angefochtenen Beschlüsse EUR 5.000,– übersteigt.

2. Zum Entlastungsbeschluss Top 3

2.1. Nach § 125 Satz 1 AktG kann niemand für sich oder einen anderen das Stimmrecht ausüben, wenn unter anderem darüber Beschluss gefasst wird, ob er zu entlasten ist. Für Aktien, aus denen ein Aktionär gemäß dieser Norm das Stimmrecht nicht ausüben kann, kann das Stimmrecht auch nicht durch einen anderen ausgeübt werden (§ 125 Satz 2 AktG). Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ausschließlich die Frage, ob bei der Beschlussfassung über die Entlastung des Stifters nicht bloß dieser selbst und die Stiftung, sondern auch die F***** vom Stimmrecht ausgeschlossen gewesen wären. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wäre es in diesem Fall nicht zur Entlastung des Stifters gekommen.

2.2. Der Oberste Gerichtshof hat in jüngerer Zeit seine Rechtsprechung zu Stimmverboten juristischer Personen bei Beschlussfassungen betreffend die Entlastung von Organwaltern bei Aktiengesellschaften („in zweckorientierter, sachgerechter Auslegung“; vgl Kalss, GesRz 2015, 326 [Entscheidungsanmerkung zu 6 Ob 196/14p]) gefestigt. Der wesentliche Grundsatz dieser Rechtsprechung besteht darin, dass ein Stimmverbot nicht erst bei „Wesensgleichheit“ des Aktionärs mit dem Organmitglied eintritt (so 2 Ob 789/52), sondern schon dann, wenn eine von der Interessenkollision ungetrübte Stimmabgabe nicht zu erwarten ist (6 Ob 28/08y GesRz 2008, 304 [Schmidt]; 6 Ob 196/14p GesRz 2015, 326 [Kalss] = ZfS 2015, 270 [Gordon]; 6 Ob 79/15h). Die Anwendung dieser Rechtsprechung auf konkrete Sachverhalte stellt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (6 Ob 16/11p GesRz 2011, 360 [Schmidt-Pachinger]).

2.3. Von der Beklagten wird nicht konkret bezweifelt, dass sich der Stifter in der Stiftung so viele und umfassende Rechte und Einflussmöglichkeiten vorbehalten hat, dass von einem beherrschenden Einfluss auf „seine“ Stiftung auszugehen ist, der es gebietet, das Stimmverbot des Stifters auf die Stiftung durchschlagen zu lassen (vgl 6 Ob 196/14p). Die Stiftung ist aber nicht nur – ebenso wie der Stifter selbst – Minderheitsgesellschafterin der Beklagten, sondern über ein Treuhandverhältnis auch Alleingesellschafterin der Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten (F*****). Dass der Stimmrechtsausschluss nicht nur für den betroffenen Aktionär, sondern für jeden gilt, der seine Stimmberechtigung von diesem – etwa als Treuhänder – ableitet, entspricht herrschender Auffassung (S. Bydlinski/Potyka in Jabornegg/Strasser, AktG5 [2010] § 125 Rz 7; Schmidt-Pachinger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² [2012] § 125 Rz 15 f). Bei der hier anzunehmenden fremdnützigen Treuhand (der Treuhänder hält die Geschäftsanteile an der F***** im eigenen Namen, aber im Interesse des Treugebers, der Stiftung) ist das Treugut (die Geschäftsanteile) im Rahmen der Treuhand dem Treugeber wirtschaftlich zugeordnet (7 Ob 287/03m; 6 Ob 63/14d RWZ 2015/45 [Wenger] = GesRz 2015, 262 [Apathy] = ecolex 2015/256 [Fritzer]). Die Auffassung des Berufungsgerichts, bei dieser Sachverhaltskonstellation sei eine von jeglicher Interessenkollision ungetrübte Stimmabgabe durch die F***** nicht zu erwarten gewesen, ist durchaus vertretbar. Zu berücksichtigen ist ja außerdem, dass der Treuhänder einerseits Geschäftsführer der F***** und andererseits Vorstandsmitglied der Stiftung ist und somit letztlich zusätzlich vom Stifter in seiner persönlichen und wirtschaftlichen Situation tangiert werden kann.

2.4. Die Argumentation der Beklagten im Revisionsverfahren, ein Stimmrechtsausschluss sei nur anzunehmen, wenn der befangene Gesellschafter über die rechtlich abgesicherte Möglichkeit verfügt, die Ausübung des Stimmrechts in seiner Gesellschaft zu beeinflussen, eine lediglich faktisch bestehende Möglichkeit reiche nicht aus, kann sich zwar auf Stimmen in der Literatur (vgl die Nachweise bei Simonishvili, Entlastungsbeschlüsse im Aktien- und GmbH-Recht [2016] 117 FN 703) berufen. Maßgeblich ist jedoch – wie schon ausgeführt – die Erwartung des Fehlens einer von der Interessenkollision ungetrübten Stimmabgabe. Dies ist aber bei der Konstellation Stifter – Stiftung – F***** – Beklagte gerade nicht der Fall.

2.5. Dass der Treuhänder als Alleingesellschafter die Organe der F***** weisungsfrei gestellt hat, ändert nichts an der Abhängigkeit, ist er doch (auch) Geschäftsführer der F*****.

2.6. Schließlich ist der von Kalss (GesRz 2015, 326 [Entscheidungsanmerkung zu 6 Ob 196/14p]) unter Hinweis auf den Grundsatz des österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, wonach nur natürliche Personen Organfunktionen ausüben können, in den Vordergrund gestellte Umstand zu berücksichtigen, dass § 125 AktG zu eng wäre, wenn durch Zwischenschaltung einer Gesellschaft und Einbringung der Aktien das Stimmrecht wieder aufleben würde und ein Gesellschafter mit maßgeblichem Einfluss in der zwischengeschalteten Gesellschaft sehr wohl das Stimmrecht für die Entlastung als Vorstand der Aktiengesellschaft ausüben könnte, obwohl er dies als Aktionär ohne Einschieben dieser Zwischengesellschaft nicht könnte.

2.7. Damit war aber die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

3. Zum Verschmelzungsbeschluss Top 7

3.1. Die Klagsseite vertritt im Revisionsverfahren den Standpunkt, ein „Delisting“ (dieser Begriff wird derzeit ausschließlich in § 16 FMA-Kostenverordnung 2016 und in den Entscheidungen 1 Ob 225/07f sowie 1 Ob 105/10p verwendet, wobei sich dort eine Begriffsdefinition jeweils nicht finden lässt) aus dem Amtlichen Handel sei generell unzulässig. Sie stützt diese Ansicht vor allem auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (2014/02/0033 ÖBA 2015, 303 [Dollenz]), wonach eine analoge Anwendung des § 83 Abs 4 BörseG, der eine Zurückziehung der Aktien vom geregelten Freiverkehr gestattet, auf den Amtlichen Handel zu verneinen sei; wenn das Delisting aber schon nicht durch formellen Zurückziehungs- bzw Widerrufsantrag möglich ist, sei es nicht nachvollziehbar, dieses im Wege eines Umgehungsgeschäfts zuzulassen.

3.1.1. Im österreichischen Börsegesetz fehlt für das oberste Marktsegment, den Amtlichen Handel, eine Regelung für den freiwilligen Rückzug von der Börse, während § 83 Abs 4 BörseG den freiwilligen Rückzug aus dem geregelten Freiverkehr auf sehr einfache Weise zulässt; es reicht eine Anzeige im Regelfall einen Monat vor Notierungsbeendigung (freiwilliges Delisting; vgl Diregger/Kalss/Winner, Das österreichische Übernahmerecht² [2006] Rz 357 mwN). Diese Bestimmung ist auf die beklagte Aktiengesellschaft nicht anzuwenden, deren Aktien im Amtlichen Handel der Wiener Börse im Segment „Standard Market Auction“ notieren. Auch der Fall eines unfreiwilligen Delistings, einer Notierungsbeendigung durch einen Zulassungswiderruf in Bescheidform durch das Börseunternehmen wegen des Nichterfüllens der Zulassungsvoraussetzungen (Diregger/Kalss/Winner aaO, mwN; Hasch/Brditschka, Delisting, in Hausmaninger/Gratzl/Justich, Handbuch zur Aktiengesellschaft [2013] 995 [Rz 9 ff]), liegt auf Seiten der Beklagten (derzeit) nicht vor.

Von einem unechten oder kalten Delisting, das die Beklagte und die Holding anstreben, spricht man, wenn die Notierungsbeendigung Rechtsfolge einer Umstrukturierung ist, wozu unter anderem eine Verschmelzung der börsenotierten Aktiengesellschaft auf eine kapitalmarktferne Aktiengesellschaft gezählt wird (vgl bloß Diregger/Kalss/Winner aaO; Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht² [2015] § 25 Rz 28; Hasch/Brditschka aaO, [Rz 15 ff]). Nach § 219 Z 1 AktG können Aktiengesellschaften unter Ausschluss der Abwicklung verschmolzen werden, wobei die Verschmelzung durch Übertragung des Vermögens einer Gesellschaft oder mehrerer Gesellschaften (übertragende Gesellschaften) im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf eine andere bestehende Gesellschaft (übernehmende Gesellschaft) gegen Gewährung von Aktien dieser Gesellschaft (Verschmelzung durch Aufnahme) erfolgen kann.

3.1.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in der zuvor erwähnten Entscheidung zusammengefasst ausgeführt, eine Zurückziehung von Aktien könne nur vom geregelten Freiverkehr, nicht jedoch auch vom Amtlichen Handel erfolgen; bei diesem könne ein Widerruf der Zulassung von Aktien ausschließlich von Amts wegen erfolgen. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass das Börsegesetz keine Bestimmung enthalte, die es dem Emittenten ermöglicht, einmal zum Amtlichen Handel zugelassene Wertpapiere über seinen Antrag vom Amtlichen Handel zu nehmen oder den Widerruf auszusprechen. § 83 Abs 4 BörseG ermögliche zwar die Zurückziehung von Aktien vom geregelten Freiverkehr, aufgrund der unterschiedlich geregelten Zulassungsverfahren und Zulassungsvoraussetzungen (§§ 64, 66a, 67 f BörseG) sei jedoch ersichtlich, dass der Gesetzgeber nicht die Absicht verfolgte, für beide Formen des geregelten Markts einheitliche Regelungen zu treffen, weshalb § 83 Abs 4 BörseG auch nicht analog auf den Amtlichen Handel angewendet werden könne.

Abgesehen davon, dass diese Entscheidung etwa von Dollenz (ÖBA 2015, 304 [Entscheidungsanmerkung]) und Koppensteiner (Über den Rückzug von der Börse, RdW 2015, 549) mit durchaus beachtlichen Argumenten kritisiert wurde, lässt sich daraus jedenfalls nicht der von der Klagsseite gewünschte Schluss ziehen, der Verwaltungsgerichtshof habe damit auch einem (unechten bzw kalten) Delisting den Boden entzogen. Der Gerichtshof hat sich vielmehr (ausschließlich) auf den freiwilligen Börserückzug aus dem Amtlichen Handel bezogen; (unechtes bzw kaltes) Delisting (insbesondere durch Verschmelzung) wird in der Entscheidung weder unmittelbar noch nebenbei erwähnt.

3.1.3. Die Literatur hält praktisch einhellig (Kalss in Aicher/Kalss/Oppitz, Grundfragen des neuen Börserechts [1998] 294 ff; dies, Anlegerinteressen [2001] 496 ff; Kalss/Zollner, Stück- und Namensaktien aus börsenrechtlicher Sicht, ÖBA 2002, 595 [596]; Klement, Börserückzug – Going Private – Delisting – P2P, wbl 2003, 11; Zollner, Einbahnstraße Börsenotierung? Delisting nach österreichischem Recht – Teil 1, GeS 2004, 140 [141]; Diregger/Kalss/Winner, Das österreichische Übernahmerecht2 Rz 358; Kalss, Kommentar zur Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung [2010] 230 Rz 66; Temmel in Temmel, Börsegesetz [2011] §§ 83, 84 Rz 22; Nicolussi, „Kaltes“ Delisting als Konsequenz der Verschmelzung zweier Aktiengesellschaften, GesRz 2013, 124 [125]; Hasch/Brditschka, Delisting, in Hausmaninger/Gratzl/Justich, Handbuch zur Aktiengesellschaft 995 [Rz 18]; Koppensteiner, RdW 2015, 549 [550 f]; Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht² § 25 Rz 28; Dollenz aaO) ein unechtes bzw kaltes Delisting (etwa durch Verschmelzung auf eine nicht börsenotierte Gesellschaft) nicht per se für unzulässig. Lediglich Talos/Thaler (Die Braut, die sich traut. Grenzüberschreitende Verschmelzung zweier börsenotierter Gesellschaften, CFO 2001, 54 [56]) meinen, dass ein solcher Vorgang „als Umgehung angesehen werden könnte und als überwiegend verpönt [gelte]“; weiterführende Nachweise für diese Aussage finden sich nicht.

3.2. Die Beantwortung dieser Frage kann hier dahin gestellt bleiben:

3.2.1. Auf der einen Seite ist es zwar richtig, dass gegen ein unechtes bzw kaltes Delisting weder gesetzliche Vorgaben noch Entscheidungen (vgl 3.1.2.; die Entscheidungen 1 Ob 225/07f und 1 Ob 105/10p sind nicht einschlägig) sprechen und dass ein grundsätzliches Verbot eines (unechten bzw kalten) Delistings letztlich dazu führen muss, dass eine einmal am Amtlichen Handel notierte Aktiengesellschaft keinerlei Möglichkeit mehr hätte, diese Notierung jemals beenden zu können; wie etwa Dollenz (aaO unter Hinweis auf Kalss/Oppitz/Zollner und Nicolussi) nachgewiesen hat, bliebe in einem solchen Fall der börsenotierten Aktiengesellschaft lediglich die Möglichkeit, die Zulassung durch Widerruf von Amts wegen etwa dadurch zu beenden, dass sie beharrlich kapitalmarktrechtliche Pflichten verletzt, was aber allein schon im Hinblick darauf nicht zumutbar sein kann, dass sie damit Verwaltungsstrafen nach dem Börsegesetz in Kauf nehmen muss.

3.2.2. Auf der anderen Seite finden sich jedoch in der Literatur durchaus beachtliche Stimmen, die meinen, ein unechtes bzw kaltes Delisting sei dann rechtsmissbräuchlich, wenn der Schritt, der das Delisting bewirkt (etwa die Verschmelzung), einzig zum Zweck der Notierungsbeendigung erfolgt (Limberg, „Nichts wie weg!“ – Delisting auch im Amtlichen Handel? Ecolex 2015, 847 [848]). Nach Dollenz (ÖBA 2015, 305 [Entscheidungsanmerkung]) entscheidet ganz generell „das Kriterium des Rechtsmissbrauchs, ob ein Delisting erfolgreich ist“. In diesem Sinn meinen auch andere Teile der Literatur, die Durchführung einer gesellschaftsrechtlichen Maßnahme (wie etwa eine Verschmelzung auf eine nicht börsenotierte Gesellschaft), als deren Rechtsfolge die Börsenotierung beendet wird, sei nicht per se rechtsmissbräuchlich. Anderes gelte jedoch, wenn die Notierungsbeendigung durch eine notorische Verletzung der periodischen oder anlassbezogenen Publizitätsvorschriften erreicht werden soll (Kalss/Zollner, ÖBA 2002, 596; Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht² § 26 Rz 18; vgl auch Klement, wbl 2003, 11 [17 f]).

3.2.3. Der erkennende Senat hat erst jüngst in einem dem vorliegenden Fall insoweit durchaus vergleichbaren Fall (6 Ob 122/16h) ausgesprochen, dass von einer gegen die guten Sitten verstoßenden missbräuchlichen Rechtsausübung zwar nach älterer Rechtsprechung nur gesprochen werden konnte, wenn demjenigen, der sein Recht ausübte, jedes andere Interesse abgesprochen werden musste als eben das Interesse, dem anderen Schaden zuzufügen. Bestand jedoch ein begründetes Interesse des Rechtsausübenden, einen seinem Rechte entsprechenden Zustand herzustellen, wurde die Rechtsausübung deshalb nicht schon dadurch zu einer missbräuchlichen, dass der sein Recht Ausübende unter anderem auch die Absicht verfolgte, mit der Rechtsausübung dem anderen Schaden zuzufügen. Demgegenüber liegen nach der jüngeren Rechtsprechung Rechtsmissbrauch bzw Schikane auch dann vor, wenn unlautere Motive der Rechtsausübung das lautere Motiv bzw die lauteren Motive eindeutig überwiegen oder wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte ein Mitstifter einer Privatstiftung, der sich das alleinige Änderungsrecht vorbehalten gehabt hatte, der Mitstifterin (seiner Ehefrau) und den gemeinsamen Kindern deren Begünstigtenstellungen (sukzessive) zur Gänze entzogen, obwohl mit dieser Begünstigtenstellung ursprünglich (auch) der Mitstifterin „im Verhältnis ihrer Anteile an [einem bestimmten] Unternehmen eine gewisse Rechtsposition eingeräumt werden“ sollte, die Mitstifterin diese Anteile letztlich praktisch zur Gänze in die Stiftung eingebracht und die Mitstifterin sowie die Kinder auf ihre Pflichtteilsansprüche verzichtet hatten. Der erkennende Senat bejahte das Vorliegen eines „ganz krasse[n] Missverhältnis[ses]“ zwischen den vom Stifter verfolgten eigenen Interessen („Schutz seines Lebenswerk“; der Stifter unterstellt der Mitstifterin und den Kindern einen „Putschversuch“ gegen sich im Unternehmen) und den beeinträchtigten Interessen der Mitstifterin.

3.2.4. Die Vorstände der Beklagten und der Holding begründeten in ihrem gemeinsamen Verschmelzungsbericht den Vorteil der Beklagten durch ein Delisting damit, dass diese aufgrund der Börsenotiz die börserechtlichen Vorschriften, somit auch die geltenden Transparenz- und Publizitätsvorschriften (beispielsweise Regelpublizität, Anlasspublizität) beachten müsse. Diese Informationen stünden jedermann zur Verfügung, was es vor allem Mitbewerbern ermögliche, Rückschlüsse auf Strategie, finanzielle Lage und interne Kalkulation der Beklagten zu ziehen. Dies bedeute für die Beklagte einen immensen Wettbewerbsnachteil, zumal die wesentlichen Mitbewerber selbst nicht börsenotiert seien. Überdies entstünden der Beklagten im Zusammenhang mit der Börsenotiz erhebliche Kosten und Aufwendungen; die Kosteneinsparung im Fall eines Delistings sei mit rund EUR 560.000,– pro Geschäftsjahr einzuschätzen, was umgerechnet auf den Planungshorizont in drei Jahren Einsparungen von EUR 1,68 Mio ausmache. Demgegenüber seien die einmaligen Kosten und Aufwendungen für das Delisting auf EUR 750.000,– bis EUR 1.129.000,– einzuschätzen. Auf diese (behaupteten) Vorteile eines Delistings hat sich auch die Beklagte im Verfahren gestützt.

Das Erstgericht traf hiezu überwiegend Non-liquet-Feststellungen. Die Beklagte hat diese zwar in ihrer Berufung angefochten und Feststellungen dahingehend begehrt, es sei zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass ein russischer Mitbewerber der Beklagten deren Ad-hoc-Meldung vom 23.01.2015 gelesen und entsprechend darauf reagiert hat, was einen Marktanteilsverlust von 6 % zur Folge hatte; mit den kapitalmarktrechtlichen Transparenz- und Offenlegungs-pflichten gehe ein Wettbewerbsnachteil für die Beklagte als börsenotiertes Unternehmen gegenüber ihren nichtbörsenotierten Mitbewerbern einher, der durch allenfalls bestehende geringe Vorteile der Börsenotiz mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aufgewogen werde; es erscheine plausibel, dass mit der Aufrechterhaltung der Börsenotiz insgesamt und insbesondere mit der Erfüllung der kapitalmarktrechtlichen Transparenz- und Offenlegungs-vorschriften erhebliche Kosten verbunden sind, die mit EUR 560.000,– pro Geschäftsjahr anzunehmen seien. Das Berufungsgericht hat diese Feststellungsrüge allerdings unerledigt gelassen.

3.2.5. Nach österreichischem Gesellschaftsrecht steht einem Mehrheitsaktionär (Hauptgesellschafter) – neben einer freiwilligen Übernahme im Sinn der §§ 4 ff ÜbG – eine Möglichkeit einer erzwungenen Übertragung der restlichen Anteile an einer Aktiengesellschaft nur dann zu, wenn ihm eine Mehrheit von mindestens 90 % des Nennkapitals gehört (§ 1 Abs 2 GesAusG). Diese Voraussetzung liegt hier auf Seiten jener Aktionärsgruppe, die das Delisting der Beklagten betreibt (W*****-Gruppe), nicht vor. Ein Übernahmeangebot an den Streubesitz scheiterte. Durch die von der Hauptversammlung am 25.08.2015 beschlossene Verschmelzung der börsenotierten Beklagten auf die nichtbörsenotierte Holding (für die im Übrigen gemäß § 221 Abs 2 AktG eine Mehrheit von 75 % ausreichte) würden sich diese Beteiligungsverhältnisse zwar nicht verändern, die Klägerinnen und die Nebenintervenienten würden somit im selben Verhältnis an der Holding beteiligt sein. Allerdings hat das Erstgericht die Feststellung getroffen, dass mit einem Börseabgang eine erschwerte Handelbarkeit der delisteten Aktien verbunden ist, welcher Umstand auch durchaus als gerichtsnotorisch angesehen werden kann, fehlt es in diesem Fall dann doch an den Handelsmöglichkeiten (abseits der Börse). Darauf wurde im Übrigen im Übernahmeanbot der W*****-Gruppe selbst ausdrücklich hingewiesen, wonach eine „Beendigung des Börsehandels zu einer voraussichtlich stark eingeschränkten Liquidität der Aktien führen und marktmäßige Preisbildung einschränken“ würde. Auch wenn das Erstgericht in diesem Zusammenhang nicht feststellen konnte, dass „die Ankündigung des Börserückzugs“ regelmäßig zu einem Kursverlust führt, kann zwangslos davon ausgegangen werden, dass der „erfolgte Börseabgang“ der Beklagten infolge deren Verschmelzung auf die Holding zu einem Wertverlust der Streubesitzaktien infolge deren eingeschränkter Handelbarkeit führen wird; darauf wird im Übernahmeanbot ja durch den Hinweis auf die Einschränkung einer „marktmäßige[n] Preisbildung“ klar Bedacht genommen. Denn realistischerweise werden die Streubesitzaktien in diesem Fall nur noch an die Gruppe der Mehrheitsaktionäre veräußerbar sein.

Im Gegensatz zu den Regelungen des Gesellschafter-Ausschlussgesetzes ist im Fall eines kalten Delistings weder die Höhe einer angebotenen Abfindung geregelt noch können die Minderheitsaktionäre die Angemessenheit einer solchen Abfindung in einem geregelten Verfahren überprüfen lassen.

3.2.6. Stellt man nun diese Interessenlagen einander gegenüber, so ist auf Seiten des Streubesitzes zu beachten, dass sich diese Aktionäre bewusst an einem Börseunternehmen beteiligten, welcher Umstand (die Börsenotierung) zu einer marktmäßigen Preisbildung der Aktie führen sollte; für sie war es nicht absehbar, dass die Beklagte durch einseitige gesellschaftsrechtliche Maßnahmen gerade dieses Preisbildungsinstrument beseitigen und ihnen dadurch einen Wertverlust zufügen würde. Demgegenüber kommt den von der Beklagten ins Treffen geführten Argumenten (und zwar durchaus im Sinn der Feststellungsrüge ihrer Berufung) eine untergeordnete Bedeutung zu. Sowohl die Wettbewerbsnachteile als auch die Kosten einer Börsenotierung waren zum Zeitpunkt des Börsegangs entweder bekannt oder mussten jedenfalls bekannt sein. Die Beklagte legt nicht dar, aufgrund welcher nachträglich hervorgekommener Umstände die Nachteile entstanden sein sollten. Zwischen den abzuwägenden Interessen der Klägerinnen und der Beklagten bestand somit ein krasses Missverhältnis zu Lasten der Klägerinnen. Ähnlich dem zu 6 Ob 122/16h entschiedenen Fall vermögen die Handlungsmotive auf Seiten der Beklagten (auch wenn eine konkrete Schädigungsabsicht möglicherweise gar nicht vorgelegen haben mag) nicht dazu führen, dass dies einen (weitgehenden) Verlust der Beteiligungswerte auf Seiten der Klägerinnen rechtfertigt.

Damit erfolgte die Mehrheitsbeschlussfassung betreffend die Verschmelzung der Beklagten auf die Holding aber rechtsmissbräuchlich, ohne dass es einer grundsätzlichen Beantwortung der Frage bedürfte, ob ein unechtes bzw kaltes Delisting (etwa) durch Verschmelzung auf eine nicht börsenotierte Gesellschaft aufgrund der gegebenen Gesetzeslage nicht ohnehin per se unzulässig ist. Der Verschmelzungsbeschluss war damit für nichtig zu erklären und insoweit das Ersturteil wieder herzustellen.

4. Kostenentscheidung

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Erstklägerin und die Erst- bis Fünft- sowie die Siebentnebenintervenienten haben in ihren Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten hingewiesen; die Schriftsätze sind daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen. Den Erst- bis Fünftnebenintervenienten stehen gemäß § 15 RATG für ihre Berufungsbeantwortung und ihre Revision jeweils lediglich 25 % Streitgenossenzuschlag zu. Für ihre Revisionen haben die Nebenintervenienten keine Pauschalgebühr zu entrichten (RIS-Justiz RS0111757).

Leitsätze

  • Zulässigkeitsprüfung eines Entlastungs- und Verschmelzungsbeschlusses

    Bei einem Entlastungsbeschluss betreffend einen Stifter gilt das Stimmverbot nach § 125 Satz 1 AktG für jeden, der sein Stimmrecht von ihm ableitet, wenn eine von der Interessenkollision ungetrübte Stimmabgabe nicht zu erwarten ist. Ein kaltes Delisting durch Verschmelzungsbeschluss mit einer nicht börsenotierten Gesellschaft als übernehmende Gesellschaft ist im amtlichen Handel nicht per se unzulässig, sondern nur, wenn es rechtsmissbräuchlich erfolgt.
    WEKA (ffa) | Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 221/16t | OGH vom 23.06.2017 | Dokument-ID: 961115