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Dokument-ID: 374400

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 242/11y; OGH; 21. Dezember 2011

GZ: 6 Ob 242/11y | Gericht: OGH vom 21.12.2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in den Firmenbuchsachen der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien 1. zu FN ***** eingetragenen e***** GmbH und 2. zu FN ***** eingetragenen M***** GmbH beide mit dem Sitz in W***** über den Revisionsrekurs beider Gesellschaften, vertreten durch Dr. Michael Günther, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 30. September 2011, GZ 28 R 190/11h-4, mit dem die Beschlüsse des Handelsgerichts Wien vom 1. August 2011, GZ 72 Fr 13912/11g, 72 Fr 14342/11p-2, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Die zu FN ***** im Firmenbuch eingetragene e***** GmbH (in der Folge: Übernehmerin) und die zu FN ***** im Firmenbuch eingetragene M***** GmbH (in der Folge: Überträgerin) werden von Erich Stangl als Geschäftsführer vertreten.

Mit Notariatsakt vom 16.06.2011 vereinbarten die beiden Gesellschaften die Einbringung des Teilbetriebs „Poker“ der Überträgerin in die Übernehmerin unter Inanspruchnahme der umgründungssteuerrechtlichen Begünstigungen gemäß Art III UmgrStG. Dabei hielten sie in Punkt 3. Abs 3 des Einbringungsvertrags fest, „dass sämtliche Abgaben gemäß § 33 TP 17 GebG und die Glücksspielabgabe gemäß § 57 Abs 1 GspG, die bis zum Tag der Eintragung der gegenständlichen Einbringung in das Firmenbuch entstanden sind, bei der übertragenden Gesellschaft verbleiben“. Dieser Einbringungsvertrag wurde am 22.06.2011 sowohl bei der Übernehmerin („Einbringung eines Teilbetriebs der [Überträgerin] FN ***** Teilbetrieb Poker“) als auch bei der Überträgerin („Einbringung eines Teilbetriebs der [Übernehmerin] FN ***** Teilbetrieb Poker“) im Firmenbuch eingetragen.

Mit Notariatsakt vom 22.07.2011 hielten die beiden Gesellschaften als Nachtrag zum Einbringungsvertrag „nunmehr einvernehmlich fest, dass sämtliche Verbindlichkeiten, die nicht ausdrücklich im gegenständlichen Einbringungsvertrag vom 16.06.2011 genannt wurden, sowie sämtliche Abgaben gemäß § 33 TP 17 GebG und die Glücksspielabgabe gemäß § 57 Abs 1 GspG, die bis zum Tag der Eintragung der gegenständlichen Einbringung in das Firmenbuch entstanden sind, von der [Übernehmerin] nicht übernommen werden und für diese Verbindlichkeiten die Haftung der [Übernehmerin] gemäß § 38 Abs 4 UGB ausgeschlossen wird“; weiters hielten sie „hiezu“ fest, „dass diese Vereinbarung bereits den wahren Willen der Parteien zum Zeitpunkt des Abschlusses des Einbringungsvertrags dargestellt hat, jedoch versehentlich nicht in den Einbringungsvertrag aufgenommen wurde“.

Am 25.07.2011 beantragte der Geschäftsführer der beiden Gesellschaften unter Hinweis auf diesen Nachtrag bei beiden Gesellschaften die Eintragung im Firmenbuch: „Nachtrag vom 22.07.2011 zum Einbringungsvertrag vom 16.06.2011; Haftungsausschluss [der Übernehmerin] für Verbindlichkeiten gemäß § 38 Abs 4 UGB“.

Das Erstgericht wies die Eintragungsanträge ab; die Eintragung des Haftungsausschlusses nach § 38 Abs 4 UGB müsse beim Unternehmensübergang erfolgen, wobei angesichts des Zeitablaufs seit Eintragung des Unternehmensübergangs von mehr als einem Monat (bei Beschlussfassung erster Instanz) ein enger zeitlicher Zusammenhang nicht mehr bestehe.

Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs beider Gesellschaften diese Entscheidungen und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob sowohl dem Veräußerer als auch dem Erwerber gegen den Beschluss über einen Antrag auf Eintragung des Haftungsausschlusses nach § 38 Abs 4 UGB Rechtsmittellegitimation zukommt, sowie zur Frage, ob ein derartiger Haftungsausschluss nachträglich wirksam vereinbart werden kann.

In der Sache selbst bejahte das Rekursgericht die Rechtsmittellegitimation beider Gesellschaften mit der Begründung, der Haftungsausschluss sei sowohl beim Veräußerer als auch beim Erwerber einzutragen. Das Erstgericht habe die Eintragungsbegehren jedoch zu Recht abgewiesen, weil die Gesellschaften im Verfahren erster Instanz nicht einmal behauptet hätten, dass der Haftungsausschluss bereits ursprünglich vereinbart worden war; dies wäre aber jedenfalls Voraussetzung für seine nachträgliche Eintragung gewesen. Darüber hinaus sei die Umschreibung der vom Haftungsausschluss erfassten Verbindlichkeiten nicht ausreichend bestimmt; weiters habe der Geschäftsführer der beiden Gesellschaften bei Abschluss der Nachtragsvereinbarung gegen das Doppelvertretungsverbot verstoßen und damit ohne Vertretungsmacht gehandelt, weil durch diesen Nachtrag die übertragende Gesellschaft belastet wäre, die nunmehr allein für die Verbindlichkeiten hafte.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

1. Die Rechtsmittellegitimation beider Gesellschaften ergibt sich schon allein daraus, dass sie Anträge auf eine nachträgliche Eintragung des Haftungsausschlusses nach § 38 Abs 4 UGB gestellt haben, die von den Vorinstanzen abgewiesen wurden. Bei welcher der beiden Gesellschaften die Eintragung vorzunehmen wäre, ist jedoch nach § 3 FBG zu beurteilen, wobei die nunmehr – vor allem auf der Entscheidung 6 Ob 2/92 und § 3 Z 15 FBG basierende – Auffassung, ein Haftungsausschluss nach § 38 Abs 4 UGB sei, sofern dieser Publizitätsakt gewählt wird, sowohl beim Veräußerer als auch beim Erwerber einzutragen (Burgstaller/Pilgerstorfer in Jabornegg/Artmann, UGB² [2010] § 3 FBG, Rz 48; Zib in Zib/Dellinger, UGB I/1 [2010] § 3 FBG Rz 39), durchaus vertretbar ist.

2. Die Gesellschaften haben die Einbringung des Teilbetriebs Poker der Überträgerin nach Art III UmgrStG vorgenommen. Derartige Umgründungen erfolgen im Wege der Einzelrechtsnachfolge aufgrund des Einbringungsvertrags, und zwar nicht zum vereinbarten Einbringungsstichtag – dieser markiert gemäß Art III § 13 UmgrStG lediglich ertragssteuerlich den Zeitpunkt des Übergangs der Einkunftsquelle – sondern vielmehr zum Zeitpunkt der Firmenbucheintragung des Einbringungsvertrags (6 Ob 132/08t GesRz 2009, 109 [Haberer]). Der Übergang des Teilbetriebs erfolgte hier also am 22.06.2011.

3. Bei Erwerb eines Unternehmens haftet der Erwerber den Unternehmensgläubigern gegenüber für Verbindlichkeiten aus unternehmensbezogenen Rechtsverhältnissen auch dann, wenn er diese Rechtsverhältnisse vom Veräußerer nicht übernommen hat (§ 38 UGB). Um diese Haftung auszuschließen oder einzuschränken, bedarf es einer besonderen abweichenden Vereinbarung (Haftungsausschluss), die Dritten gegenüber allerdings nur dann wirksam wird, wenn sie etwa in das Firmenbuch eingetragen wird (§ 38 Abs 4 UGB).

Diese Vereinbarung muss zwischen Veräußerer und Erwerber tatsächlich vereinbart worden sein (Karollus in Jabornegg/Artmann, UGB² [2010] § 38 Rz 71), und zwar spätestens beim Unternehmensübergang, wie sich zwingend aus § 38 Abs 4 letzter Satz UGB ergibt. Eine aus dem Titelgeschäft hervorgehende Nichtübernahme des betreffenden Rechtsverhältnisses genügt dabei, weil auch daraus der eindeutige Parteiwille hervorgeht, dass der Erwerber mit den diesbezüglichen Verbindlichkeiten nichts zu tun haben will (Karollus aaO). Ein solcher Haftungsausschluss ergibt sich hier aus der Textierung des Punktes 3. Abs 3 des Einbringungsvertrags, wonach bestimmte Abgaben, die bis zum Tag der Eintragung der Einbringung in das Firmenbuch entstanden sind, bei der Überträgerin verbleiben sollen. Dazu kommt, dass die Gesellschaften in ihrer Nachtragsvereinbarung ausdrücklich festhielten, der Inhalt dieser Nachtragsvereinbarung stelle bereits den wahren Willen der Parteien zum Abschluss des Einbringungsvertrags dar.

Damit hätte sich aber bereits das Erstgericht davon überzeugen können, dass eine solche Vereinbarung – bereits ursprünglich – tatsächlich abge-schlossen wurde (Burgstaller/Pilgerstorfer aaO, § 3 FBG Rz 31). Da die Gesellschaften die Nachtragsvereinbarung bereits ihren Eintragungsgesuchen beigelegt haben, liegt ein Verstoß gegen das Neuerungsverbot des § 49 AußStrG, wie ihn das Rekursgericht angenommen hat, nicht vor.

4. Das Rekursgericht hat die Eintragung des Haftungsausschlusses auch deshalb für unzulässig gehalten, weil dieser zu unbestimmt formuliert sei. Da ein genereller Haftungsausschluss für Altverbindlichkeiten aller nicht übernommenen Rechtsverhältnisse zulässig ist, weshalb diese nicht im Einzelnen aufgezählt werden müssen (Leb, Zur Bekanntmachung des Haftungsausschlusses im Firmenbuch [§ 38 UGB], GeS 2008, 312; Zib in Zib/Dellinger, UGB I/1 [2010] § 3 FBG Rz 38), besteht dieses Eintragungshindernis nicht.

5. Die Eintragung des Haftungsausschlusses muss – wenn dies der Publizitätsakt nach § 38 Abs 4 UGB ist – „beim Unternehmensübergang“ in das Firmenbuch eingetragen werden. Nach herrschender Auffassung reicht dabei zwar ein enger zeitlicher Zusammenhang aus (Burgstaller/Pilgerstorfer aaO, Rz 49; Karollus aaO, Rz 70; Fuchs/Schuhmacher in Straube, UGB4 [2009] § 38 Rz 85 alle mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Ein derartiger enger zeitlicher Zusammenhang wird in der Literatur bereits bei Ablauf eines Monats seit dem Unternehmensübergang verneint (Karollus aaO, Rz 70; Fuchs/Schuhmacher aaO). Dem ist angesichts des anzuwendenden strengen Maßstabs und der Formulierung des § 38 Abs 4 UGB („Eintragung ins Firmenbuch bei Unternehmensübergang“) beizupflichten; die Eintragung des Haftungsausschlusses soll den Gläubigern signalisieren, dass unter Umständen rasches Vorgehen gegen den Unternehmensveräußerer angebracht ist (Zib, Zur Eintragung von Haftungsaussschlüssen nach § 25 Abs 2 HGB, wbl 1992, 287 mwN). Die hier erst am 25.07.2011 und damit erst knapp fünf Wochen nach der Eintragung des Einbringungsvertrags in das Firmenbuch beantragte Eintragung des Haftungsausschlusses ist somit verspätet, weil sie nicht mehr im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Einbringung des Teilbetriebs erfolgte. Darüber hinaus ist im vorliegenden Fall auch zu berücksichtigen, dass zwischenzeitig seit der Eintragung des Einbringungsvertrags bereits rund sechs Monate vergangen sind (zur Problematik der Berücksichtigung des Instanzenzugs bei Abweisung des Eintragungsbegehrens durch das Firmenbuchgericht vgl Zib, wbl 1992, 287; ebenso Burgstaller/Pilgerstorfer aaO,,Rz 49).

6. Damit haben die Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend die Eintragungsbegehren abgewiesen, weshalb es einer Auseinandersetzung mit der vom Rekursgericht angenommenen – und seiner Meinung nach unzulässigen – Doppelvertretung des Geschäftsführers der beiden Gesellschaften nicht mehr bedarf.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Leitsätze