Dokument-ID: 009690

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 252/09s; OGH; 18. Dezember 2009

GZ: 6 Ob 252/09s | Gericht: OGH vom 18.12.2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz zu FN ***** eingetragenen F*****gesellschaft mbH mit dem Sitz in G*****, über den Revisionsrekurs des Geschäftsführers Mag. H***** L*****, vertreten durch Reif & Partner Rechtsanwälte OG in Graz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 4. November 2009, GZ 4 R 137/09p-53, womit der Rekurs des Geschäftsführers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 15. April 2008, GZ 27 Fr 2843/03h-37, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Im Firmenbuch des Erstgerichts ist zu FN ***** die F*****gesellschaft mbH mit dem Sitz in G***** eingetragen. Im hier relevanten Zeitraum waren Mag. G***** L***** und H***** L***** jeweils selbstständig vertretungsbefugte Geschäftsführer. Mag. G***** L***** wurde am 21.02.2009 als Geschäftsführer im Firmenbuch gelöscht. Stichtag für den Jahresabschluss ist der 31. März.

Gegenstand dieses Verfahrens ist die Offenlegung des Jahresabschlusses zum 31.03.2002, zu dessen Erzwingung im Jahr 2003 ein Zwangsstrafenverfahren gegen die Geschäftsführer eingeleitet wurde. Zum Teil wurden die verhängten Zwangsstrafen von Mag. H***** L***** auch bezahlt.

Mit Beschluss vom 15.04.2008 verhängte das Erstgericht eine weitere Zwangsstrafe von EUR 3.600,– ua über den Geschäftsführer Mag. H***** L*****, weil er seine Verpflichtung zur Einreichung des Jahresabschlusses zum Stichtag 31.03.2002 noch immer nicht erfüllt habe. Dieser Beschluss wurde Mag. H***** L***** am 17.04.2008 zugestellt.

Mit Zahlungsauftrag vom 18.02.2009 wurde Mag. H***** L***** aufgefordert, die mit diesem Beschluss verhängte Zwangsstrafe von EUR 3.600,– samt Einhebungsgebühr zu zahlen, widrigenfalls der Betrag zwangsweise eingetrieben werde. Der Zahlungsauftrag wurde Mag. H***** L***** am 23.02.2009 zugestellt und – versehen mit einer Vollstreckbarkeitsbestätigung vom 26.03.2009 – der Einbringungsstelle zu Str 100753/09-8 übermittelt. Die Einbringungsstelle beantragte zur Hereinbringung der Forderung des Bundes aus der verhängten Zwangsstrafe (zusammengefasst zu Str 100550/09-8) beim Bezirksgericht Graz-West die zwangsweise Pfandrechtsbegründung auf den Liegenschaften des Mag. H***** L*****. Die Pfandrechte wurden bereits im Grundbuch (*****) einverleibt. Hinsichtlich der Fahrnisexekution liegt noch kein Vollzugsbericht vor. Eine Zahlung erfolgte nicht (ON 51).

Am 22.07.2008 wurde der Jahresabschluss zum 31.03.2002 beim Erstgericht eingereicht, diese Tatsache wurde mittlerweile auch im Firmenbuch eingetragen.

Am 21.09.2009 erhob Mag. H***** L***** gegen den Zwangsstrafenbeschluss vom 15.04.2008 Rekurs.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht diesen Rekurs als verspätet zurück. Verspätete Rekurse seien gemäß § 15 Abs 1 FBG iVm § 46 Abs 3 AußStrG inhaltlich zu behandeln, wenn ihre Abänderung oder Aufhebung mit keinem Nachteil für eine andere Person verbunden sei. Einer der Anwendungsfälle dieser Regelung sei das Zwangsstrafenverfahren. Im vorliegenden Verfahren habe der Bund aber mit Erlassung des Zahlungsauftrags vom 18.02.2009 eine materiellrechtliche Stellung, nämlich den Anspruch auf EUR 3.600,– zuzüglich der Einhebungsgebühr, erlangt. Daher sei eine sachliche Erledigung des Rechtsmittels nicht zulässig.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein verspäteter Rekurs im Zwangsstrafenverfahren auch dann noch meritorisch zu behandeln sei, wenn der Zahlungsauftrag zur Hereinbringung der Zwangsstrafe zu Gunsten des Bundes bereits erlassen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Nach § 46 Abs 3 AußStrG können nach Ablauf der Rekursfrist Beschlüsse angefochten werden, wenn ihre Abänderung oder Aufhebung mit keinem Nachteil für eine andere Person verbunden ist. Unter den in § 46 Abs 3 AußStrG angeführten „anderen Personen“ sind alle vom Rechtsmittelwerber verschiedenen Personen zu verstehen (Schenk in Straube, HGB³ I 103; G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 200; GesRz 1979, 71; NZ 1980, 168; HS 11.623; RIS-Justiz RS0007126 [T2], RS0007180; 7 Ob 88/09f; 6 Ob 199/06t).

2.1. Anders als nach § 11 Abs 1 AußStrG 1854 ist die Zulässigkeit des Rekurses in diesen Fällen nicht mehr dem Ermessen des Rekursgerichts anheim gestellt (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 201; Mayr, Das verspätete Rechtsmittel im Außerstreitverfahren - Ein Nachtrag, Zak 2009, 283 ff). Die bisherige Rechtsprechung, die in diesen Fällen im Rahmen der Ermessensübung nach § 11 Abs 1 AußStrG 1854 die sachliche Berechtigung des Rechtsmittels prüfte und bei fehlender sachlicher Berechtigung den verspäteten Rekurs zurückwies (zB RIS-Justiz RS0111098; 3 Ob 2390/96h EFSlg 82.784; ausdrücklich zum Firmenbuchverfahren OLG Wien 28 R 314/00b; OLG Wien 28 R 288/00d NZ 2002/85; OLG Wien 28 R 123/00i NZ 2002/64; OLG Wien 28 R 141/01p NZ 2002/152; OLG Wien 28 R 337/00k) ist damit überholt (G. Kodek aaO; Mayr aaO).

2.2. Der in der Lehre teilweise vertretenen gegenteiligen Auffassung (Fucik/Kloiber, AußStrG § 46 Rz 3; Klicka in Rechberger, AußStrG § 46 Rz 4; Nunner-Krautgasser, Zur Berücksichtigung verspäteter Rekurse im Außerstreitverfahren, Zak 2009, 70) kann in Anbetracht des klaren Gesetzeswortlauts nicht gefolgt werden. Das Wort „können“ bezieht sich zweifelsfrei auf die Anfechtungsbefugnis der Parteien und nicht auf die Entscheidung durch das Gericht (Mayr aaO).

3.1. Hängt aber die Berücksichtigung eines verspäteten Rechtsmittels nicht mehr vom Ermessen des Rekursgerichts ab, so erübrigt sich auch eine Prüfung der Erfolgsaussichten als Kriterium der Ermessensübung. Vielmehr sind nach § 46 Abs 3 AußStrG verspätete Rechtsmittel unabhängig von ihren Erfolgsaussichten jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn die dafür gesetzlich vorausgesetzten Bedingungen erfüllt sind. Andernfalls sind sie als verspätet zurückzuweisen. Für ein – im Übrigen verfassungsrechtlich bedenkliches – (freies) Ermessen der Gerichte bei der Berücksichtigung verspäteter Rechtsmittel besteht nach der neuen Rechtslage kein Raum (vgl auch Mayr aaO).

3.2. Daher spielt es für die Zulässigkeit des verspäteten Rekurses keine Rolle, dass der Geschäftsführer darin im Wesentlichen auf eine Ressortverteilung hinwies, die nach herrschender Auffassung nur im Innenverhältnis wirkt (Schenk in Straube, HGB³ I 129; G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 29; ecolex 2001/80; OLG Innsbruck 3 R 207/99m).

3.3. Einziges Kriterium für die Berücksichtigung des nach Ablauf der Rekursfrist erhobenen Rechtsmittels ist vielmehr, ob im Sinne des § 46 Abs 3 AußStrG die Abänderung oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses mit einem Nachteil für eine andere Person verbunden wäre.

4.1. Ein Anwendungsbereich für die Berücksichtigung verspäteter Rekurse ist das Zwangsstrafenverfahren (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 202 und § 24 Rz 115; Nunner-Krautgasser, Zak 2009, 70 [73]; RIS-Justiz RS0123332 = 6 Ob 39/08s und 6 Ob 288/08h).

4.2. Hingegen ist im Amtslöschungsverfahren nach § 40 FBG ein nach Ablauf der Rekursfrist erhobener Rekurs der Gesellschaft gegen die amtswegige Löschung nicht mehr inhaltlich zu behandeln, weil die Steuerbehörde und die gesetzliche Interessenvertretung (Wirtschaftskammer) als Dritte bereits Rechte aus der erstinstanzlichen Löschung erlangt haben (6 Ob 21/07t).

5.1. Nicht entscheidend ist hingegen das vom Rekursgericht angeführte Argument, der Zwangsstrafenbeschluss sei bereits in formelle Rechtskraft erwachsen. Darin ist richtig, dass nach mehreren Entscheidungen ohne Nachteil für andere Personen abänderbare Beschlüsse stets nur solche sein könnten, die weder der formellen noch der materiellen Rechtskraft fähig sind (RIS-Justiz RS0007084). Diese – auf Rintelen (Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen [1914] 41) zurückgehende – Formulierung erscheint jedoch vor dem Hintergrund der neuen Rechtslage nicht zutreffend. Teilweise wird dazu vertreten, die Tragweite des § 46 Abs 3 AußStrG liege darin, dass eine bereits eingetretene Rechtskraft durchbrochen werden könne (Neumayr, Außerstreitverfahren² 53). Andererseits wird in einzelnen Entscheidungen ausgeführt, ein bestimmter Beschluss sei bereits in formelle Rechtskraft erwachsen und unterliege daher nicht mehr § 46 Abs 3 AußStrG (2 Ob 102/08a; vgl auch 3 Ob 216/07x und 7 Ob 27/08h). Dagegen hat Nunner-Krautgasser (aaO) eingewendet, diese Argumentation komme einem Zirkelschluss schon recht nahe. Denkbar wäre auch eine Auslegung des § 46 Abs 3 AußStrG dahin, dass wegen der unbefristeten Rekursmöglichkeit eben der Eintritt der formellen Rechtskraft des betreffenden Beschlusses verhindert werde.

5.2. Das zwischen § 42 und § 46 Abs 3 AußStrG auf den ersten Blick bestehende Spannungsverhältnis lässt sich durch die von Nunner-Krautgasser vorgeschlagene Auslegung am ehesten lösen, dass man den Anfechtungsbegriff des § 42 AußStrG eng fasst und auf die Anfechtung während der „regulären“ Rechtsmittelfrist reduziert. Damit können im Ergebnis auch Beschlüsse, die noch nach dem Ablauf der Rechtsmittelfrist anfechtbar sind, (zunächst) formell und materiell rechtskräftig werden. Damit ist die Zulässigkeit der Berücksichtigung eines verspäteten Rechtsmittels (allein) anhand des Kriteriums des Nachteils für eine andere Person zu beurteilen; eines Rückgriffs auf das überkommene „Rechtskraftkorrektiv“ bedarf es nach der neuen Rechtslage nicht mehr.

6.1. Nach Auffassung des Rekursgerichts sollen allerdings verspätete Rekurse gegen Zwangsstrafenbeschlüsse dann nicht mehr nach § 46 Abs 3 AußStrG zulässig sein, wenn bereits ein Zahlungsauftrag erlassen wurde. Dieser Auffassung vermag sich der Oberste Gerichtshof nicht anzuschließen. Gleichwohl erweist sich die Rechtsansicht des Rekursgerichts – wie zu zeigen sein wird – im Ergebnis als zutreffend:

6.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist im Falle der Verhängung von Geld(-Zwangs-)Strafen durch die Firmenbuchgerichte Exekutionstitel im Sinne der Exekutionsordnung nicht der vom Firmenbuch erlassene Strafbeschluss, sondern (erst) der Zahlungsauftrag des Kostenbeamten (6 Ob 43/05z SZ 2005/60; 3 Ob 258/07y; RIS-Justiz RS0119232). Allerdings besteht nach einzelnen Entscheidungen (6 Ob 208/03m; 6 Ob 209/03h; 6 Ob 212/03z) für den Fall, dass der Kostenbeamte bereits einen Zahlungsauftrag erlassen hat, keine Befugnis des Firmenbuchgerichts mehr, von der Vollstreckung der verhängten Zwangsstrafe abzusehen; der Verpflichtete könne jedoch vor Einleitung des Exekutionsverfahrens mit negativer Feststellungsklage das Erlöschen des Exekutionstitels feststellen lassen und nach Einleitung des Exekutionsverfahrens ein Oppositionsverfahren einleiten. Demgegenüber sprach der für Exekutionssachen als Fachsenat zuständige 3. Senat des Obersten Gerichtshofs aus, die Frage des Erlöschens des betriebenen Strafverfolgungsanspruchs liege nicht in der alleinigen Entscheidungskompetenz des Exekutionsgerichts; wohl könnte die Exekution mit Zustimmung der betreibenden Partei vom Exekutionsgericht eingestellt werden, ansonsten sei jedoch ein Oppositionsverfahren vor Gericht unzulässig, weil im Hinblick auf § 35 Abs 2 letzter Satz EO Einwendungen gegen Titel von Verwaltungsbehörden, also auch gegen jene eines Kostenbeamten, bei jener Behörde anzubringen seien, von welcher der Exekutionstitel ausgegangen sei (3 Ob 199/03s; 3 Ob 258/07y EvBl 2008/103).

6.3. In der Entscheidung 6 Ob 78/09b ging der für Firmenbuchsachen und Gesellschaftsrecht zuständige Fachsenat des Obersten Gerichtshofs allerdings von den Entscheidungen 6 Ob 208/03m, 6 Ob 209/03h und 6 Ob 212/03z ausdrücklich ab und schloss sich den im Schrifttum (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 130) erhobenen Bedenken gegen diese Judikatur an. Demnach stehe im Hinblick auf § 35 Abs 2 letzter Satz EO einer Oppositionsklage gegen einen verwaltungsbehördlichen Exekutionstitel die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen; selbst wenn man den Zahlungsauftrag als Exekutionstitel sui generis nicht unter § 35 Abs 2 letzter Satz EO iVm § 1 Z 12 und 13 EO subsumierte, könnte in einem Oppositionsverfahren wohl keine weitergehende Prüfung des Anspruchs erfolgen als im zu Grunde liegenden Titelverfahren; im Einbringungsverfahren könne nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 1999/17/0204; VwGH 2002/17/0269) die Berechtigung der Zwangsstrafe nicht nachgeprüft werden, sodass zur Vermeidung einer unerträglichen Rechtsschutzlücke eine Befugnis des Firmenbuchgerichts anzunehmen sei, von der Einbringung einer verhängten Zwangsstrafe abzusehen (so schon 6 Ob 204/01w; 6 Ob 205/01t; 6 Ob 210/01b).

6.4. Der Erlassung des Zahlungsauftrags kommt im Sinne dieser Rechtsprechung kein entscheidendes Gewicht zu. Gleichwohl erweist sich die Rechtsansicht des Rekursgerichts im vorliegenden Fall im Ergebnis als zutreffend: Durch das PuG (BGBl I 2006/103) wurde § 283 Abs 4 UGB eingefügt. Nach dieser Bestimmung ist eine verhängte Zwangsstrafe auch dann zu vollstrecken, wenn die bestraften Personen ihrer Pflicht nachkommen oder deren Erfüllung unmöglich geworden ist. Nach den Gesetzesmaterialien (vgl ErläutRV PuG 1427 BlgNR 22. GP 6) soll die Neuregelung Zweifel an der ordnungsgemäßen Umsetzung des Art 6 der Publizitäts-Richtlinie zerstreuen. Aus diesem Grund wollte der Gesetzgeber an die ältere Judikatur anknüpfen und den repressiven Charakter der Zwangsstrafe im Gesetz ausdrücklich verankern. Damit folgt der Gesetzgeber einer rechtspolitischen Entscheidung, die mit der EO-Novelle 2000, BGBl I 2000/59, für die Regelung der Geldstrafen zur Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen in § 359 EO getroffen wurde. Eine Stellungnahme des Gesetzgebers zur Zuständigkeit des Firmenbuchgerichts für die Aufhebung einer Zwangsstrafe bzw die Notwendigkeit der Einleitung eines Streit- bzw Oppositionsverfahrens erübrige sich, weil ein solcher Antrag ohnedies keinen Erfolg mehr haben könne.

6.5. Damit hat sich der Gesetzgeber zur Erhöhung der Wirksamkeit des Zwangsstrafenverfahrens dafür entschieden, dass nachträgliche Änderungen den Vollzug der verhängten Zwangsstrafe in der Regel nicht hindern. Das gesetzliche Ziel der Beugung des Willens des Verpflichteten kann nämlich nur erreicht werden, wenn dieser weiß, dass die Strafe im Fall des Zuwiderhandelns nicht bloß verhängt, sondern auch vollzogen wird (vgl 3 Ob 12/93 ecolex 1993, 686; zum Firmenbuchverfahren schon 6 Ob 177/00y; G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 62).

6.6. Vor dem Hintergrund der Neuregelung des § 283 Abs 4 UGB hat aber die Position der Republik Österreich mit Rechtskraft der Zwangsstrafe eine deutliche Verfestigung erfahren. Anträge an das Firmenbuchgericht auf Absehen vom Vollzug sind zwar im Sinne der Entscheidung 6 Ob 78/09b weiterhin möglich; sie sind aber nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers in der Regel nicht berechtigt (1427 BlgNR 22. GP 6). Im Sinne einer Straffung des Zwangsstrafenverfahrens und Erhöhung von dessen Effizienz, um die ordnungsgemäße Erfüllung der Verpflichtung Österreichs zur Umsetzung der Vorgaben der Publizitätsrichtlinie zu gewährleisten, sind daher Einwendungen gegen Zwangsstrafen in der Regel nur mehr im Wege des Rekursverfahrens möglich. Die Annahme einer unbefristeten Rekursmöglichkeit wäre mit diesem Ziel des Gesetzgebers nicht vereinbar. Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, dass ein Geschäftsführer zunächst während des Zwangsstrafenverfahrens untätig bleiben und erst während des Einbringungsverfahrens Rekurs erheben und damit eine Aufschiebung des Exekutionsverfahrens erreichen könnte. Damit wäre aber die schon aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen erforderliche Effizienz des der Durchsetzung der Bilanzpublizität dienenden Zwangsstrafenverfahrens deutlich beeinträchtigt. Daher ist seit Einführung des § 283 Abs 4 UGB durch das PuG davon auszugehen, dass die Abänderung oder Aufhebung eines Zwangsstrafenbeschlusses nach Ablauf der Rekursfrist die materiellrechtliche Stellung der Republik Österreich (vgl RIS-Justiz RS0007180; Klicka/Oberhammer/Domej, Außerstreitverfahren4 [2006] Rz 175; Klicka in Rechberger, AußStrG § 46 Rz 4; Nunner-Krautgasser aaO, 73) beeinträchtigen würde. Daher liegt in der Aufhebung oder Abänderung eines Zwangsstrafenbeschlusses ein „Nachteil“ im Sinn des § 46 Abs 3 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG für die Republik Österreich, der der Berücksichtigung verspäteter Rekurse entgegensteht.

7. Damit erweist sich der angefochtene Beschluss aber im Ergebnis als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

Leitsätze

  • Berücksichtigung verspäteter Rekurse im Zwangsstrafenverfahren

    Verspätete Rekurse können im Zwangsstrafenverfahren nicht gemäß § 46 Abs 3 AußStrG berücksichtigt werden, weil in der Aufhebung bzw Abänderung eines Zwangsstrafbeschlusses ein Nachteil für die Republik Österreich entsteht.
    Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 252/09s | OGH vom 18.12.2009 | Dokument-ID: 254295