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Dokument-ID: 010032

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 261/09i; OGH; 14. Jänner 2010

GZ: 6 Ob 261/09i | Gericht: OGH vom 14.01.2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.–Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Außerstreitsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Klagenfurt zu FN ***** eingetragenen R***** Privatstiftung mit dem Sitz in K*****, über den Revisionsrekurs der Vorstandsmitglieder der Privatstiftung 1.) Dr. B***** F*****, 2.) ***** Dr. G***** N*****, 3.) Dr. A***** I*****, alle vertreten durch Hofstätter & Kohlfürst, Rechtsanwälte OG in Graz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 14. Oktober 2009, GZ 4 R 117/09x–9, womit der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 10. Juli 2009, GZ 5 Fr 6381/09w–3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Im Firmenbuch des Erstgerichts ist die von R***** mit Notariatsakt vom 04.10.1995 errichtete R***** Privatstiftung eingetragen. Ursprünglich hatte sich die Stifterin die Änderung der Stiftungsurkunde und der Stiftungszusatzurkunde ohne Einschränkung vorbehalten. Nach der zuletzt gültigen Fassung der Stiftungserklärung konnte die Stifterin die Stiftungsurkunde und die Stiftungszusatzurkunde nur dann ändern, wenn alle Vorstandsmitglieder aus wichtigen Gründen iSd § 27 Abs 2 Z 1, 2 oder 3 PSG vom Gericht abberufen sind, wobei Änderungen innerhalb von vier Wochen ab Rechtskraft des Gerichtsbeschlusses über die Abberufung des letzten Vorstandsmitglieds vorgenommen werden müssen. Diese Einschränkung des Änderungsvorbehalts galt jedoch nicht für Änderungen der Regelungen über die Bestimmung der Begünstigten (Punkt 12. der Stiftungsurkunde in der Fassung vom 18.04.1996).

In der Stiftungszusatzurkunde in der Fassung vom 18.04.1996 stellte die Stifterin ausdrücklich fest, dass der Stiftungsgenuss den in Punkt 1. dieser Urkunde genannten Begünstigten zukommen soll. Nach Punkt 7. dieser Stiftungszusatzurkunde in der Fassung vom 25.06.1997 war die Stiftung im außergewöhnlichen Fall, dass sie ihren Zweck nicht mehr erreichen kann, aufzulösen; der Liquidationserlös sollte diesfalls einer mit Zustimmung des Stiftungsrates vom Stiftungsvorstand zu bestimmenden Institution aus dem Kreis der in Punkt 1. genannten Institutionen zufallen, welche verpflichtet war, den Erlös nach Abzug der Liquidationskosten kranken oder behinderten oder in Not geratenen Kindern iSd Punkt 1. dieser Urkunde zu widmen. Eine ausdrückliche Regelung, wer Letztbegünstigter iSd § 6 PSG im Fall des Widerrufs der Stiftung durch die Stifterin sein sollte, enthält die Stiftungsurkunde nicht.

Der Stifterin wurde am 08.01.1999 eine Sachwalterin bestellt, deren Aufgabenkreis unter anderem die Besorgung sämtlicher Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Privatstiftung umfasste.

Die durch ihre Sachwalterin vertretene Stifterin hat die Stiftung mit Notariatsakt vom 01.03.2001 gemäß § 34 PSG widerrufen. Mangels Fassung eines Auflösungsbeschlusses durch den Stiftungsvorstand wurde die Stiftung auf Antrag der Stifterin mit rechtskräftigem Beschluss des Erstgerichts vom 28.10.2002 gemäß § 35 Abs 1 Z 5 PSG aufgelöst; die Auflösung wurde von Amts wegen im Firmenbuch eingetragen.

Die Vorstandsmitglieder fügten mit notariell beurkundetem Beschluss vom 08.08.2003 dem Punkt 7. der Stiftungszusatzurkunde folgenden Halbsatz an: „Dies gilt auch für jeden anderen Fall der Auflösung der Privatstiftung.“ Der Antrag des Stiftungsvorstands, diese Änderung der Stiftungszusatzurkunde zu genehmigen und im Firmenbuch einzutragen, wurde rechtskräftig abgewiesen.

Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 21.08.2004 änderte die durch ihre Sachwalterin vertretene Stifterin die Stiftungszusatzurkunde dahin, dass dem Punkt 7. folgender Satz angefügt wurde: „Die vorstehende Regelung gilt nicht für den Fall, dass die Stifterin selbst oder durch einen Sachwalter den Widerruf der Stiftung erklärt; in diesem Fall gilt § 36 Abs 4 PSG.“ Der Antrag der Stifterin, diese Änderung der Stiftungszusatzurkunde einzutragen, wurde rechtskräftig zurückgewiesen.

Die Stifterin ist am 06.06.2005 verstorben.

Mit notariell beurkundetem Beschluss vom 27.05.2009 haben die Vorstandsmitglieder den Beschluss gefasst:

„Die aufgelöste R***** Stiftung in Liquidation wird in eine werbende Stiftung rückverwandelt. Begünstigte sind die im Punkt 1. lit b, b1 bis b5, genannten Personen und Institutionen. Mit der Liquidation wird bis zur Erledigung und zum Wirksamwerden des heute gestellten Eintragungsgesuches durch das Firmenbuchgericht innegehalten.“ Die Mitglieder des Stiftungsrates haben diesen Beschluss des Stiftungsvorstands mit notariell beurkundetem Beschluss vom 04.06.2009 genehmigt.

Die Vorstandsmitglieder stellten am 04.06.2009 beim Firmenbuchgericht den Antrag, diese Beschlüsse des Stiftungsvorstands und des Stiftungsrates gemäß § 33 Abs 2 PSG zu genehmigen, die aufgrund des Beschlusses vom 28.10.2002 eingetragene Auflösung der Privatstiftung zu löschen und die Fortsetzung der Privatstiftung im Firmenbuch einzutragen.

Das Erstgericht wies diese Anträge im Wesentlichen mit der Begründung ab, das PSG kenne eine Fortsetzung einer aufgelösten Privatstiftung nicht. Eine analoge Anwendung des § 215 AktG sei nicht zulässig, weil die Auflösungsgründe andere seien als bei einer Privatstiftung. Die Stifterin habe, vertreten durch ihre Sachwalterin, einen rechtsgültigen Widerruf der Privatstiftung vorgenommen. Eine Fortsetzung einer durch Widerruf aufgelösten Privatstiftung widerspräche diesem Stifterwillen. Auf die Motive, die zu diesem Widerruf geführt hätten, komme es nicht an. Selbst ein noch lebender Stifter könnte nach Fassung des Auflösungsbeschlusses durch den Stiftungsvorstand den Widerruf nicht mehr zurücknehmen; auch der Vorstand könnte diesfalls nicht die Fortsetzung der Privatstiftung beschließen. Dafür fehle eine gesetzliche Grundlage. Eine Genehmigung des Beschlusses des Stiftungsvorstands gemäß § 33 Abs 2 PSG komme nicht infrage.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Das Privatstiftungsgesetz enthalte – abgesehen von den Fällen des § 35 Abs 2 Z 3 und Abs 4 iVm Abs 1 Z 4 PSG – keine Bestimmung darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen es möglich sei, aufgelöste Privatstiftungen in werbende rückzuverwandeln. Weitgehende Möglichkeiten bestünden nach § 215 AktG. Voraussetzung einer analogen Anwendung dieser Bestimmung auf Privatstiftungen sei jedoch eine planwidrige Gesetzeslücke. Jedenfalls wäre Voraussetzung einer analogen Anwendung dieser Bestimmung die vorherige Beseitigung des Auflösungsgrundes, also des Widerrufs durch den Stifter. Dieser Auflösungsgrund sei aber nicht beseitigt, sodass schon aus diesem Grund eine Fortsetzung der aufgelösten Stiftung durch Beschluss des Stiftungsvorstands nicht möglich sei und eine Genehmigung nach § 33 Abs 2 PSG nicht in Betracht komme.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Zulässigkeit der Fortsetzung einer gemäß §§ 34, 35 Abs 1 Z 1 PSG aufgelösten Privatstiftung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Vorweg ist festzuhalten, dass im außerstreitigen (vgl § 40 PSG) Genehmigungsverfahren nach § 33 Abs 2 PSG dem Stiftungsvorstand Antrags– und Rechtsmittellegitimation zukommt (6 Ob 187/03y SZ 2004/44; 6 Ob 78/06y; vgl auch 6 Ob 87/07y SZ 2007/86). Dieses Genehmigungsverfahren ist vom eigentlichen Eintragungsverfahren (Firmenbuchverfahren) zu unterscheiden (6 Ob 19/06x; N. Arnold, PSG² § 33 Rz 31; allgemein dazu G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 3 ff; vgl auch 6 Ob 145/09f). Allerdings laufen die Parteistellung und die Rekurslegitimation in beiden Verfahren insofern parallel, als der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass auch im firmenbuchrechtlichen Eintragungsverfahren nicht nur – wie im Regelfall im Eintragungsverfahren – der Privatstiftung als betroffenem Rechtsträger (vgl 6 Ob 49/07k), sondern im Hinblick auf die ihn treffenden Verpflichtungen nach § 33 Abs 3 PSG auch dem Stiftungsvorstand selbst Parteistellung zukommt. Anders als im Verfahren zur Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern (vgl dazu 6 Ob 145/09f) und auf Auflösung der Privatstiftung bzw Aufhebung eines Auflösungsbeschlusses des Vorstands durch das Gericht nach § 35 Abs 3 und 4 PSG (vgl G. Kodek/Zollner, Rechtsschutz der Begünstigten, PSR 2009, 4 [12]; 6 Ob 145/09f) kommt im Verfahren zur Genehmigung und Eintragung einer Änderung der Stiftungserklärung nach § 33 Abs 2 PSG freilich die Antrags– und Rechtsmittellegitimation nur dem Vorstand als Gesamtorgan und nicht auch einzelnen Vorstandsmitgliedern persönlich zu. Im vorliegenden Fall wurde der Revisionsrekurs jedoch ohnehin von allen Vorstandsmitgliedern erhoben.

2.1. Das Privatstiftungsgesetz enthält – abgesehen von den Fällen des § 35 Abs 2 Z 3 und Abs 4 iVm Abs 1 Z 4 PSG – keine Bestimmung darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen es möglich ist, aufgelöste Privatstiftungen in werbende rückzuverwandeln. Gemäß § 35 Abs 1 Z 4 PSG wird eine Privatstiftung unter anderem aufgelöst, sobald der Stiftungsvorstand einen einstimmigen Auflösungsbeschluss gefasst hat. Nach § 35 Abs 2 Z 3 PSG hat der Stiftungsvorstand unter anderem einen einstimmigen Auflösungsbeschluss zu fassen, sobald eine nicht gemeinnützige Privatstiftung, deren überwiegender Zweck die Versorgung von natürlichen Personen ist, 100 Jahre gedauert hat, es sei denn, dass alle Letztbegünstigten einstimmig beschließen, die Privatstiftung für einen weiteren Zeitraum, längstens jedoch 100 Jahre, fortzusetzen. Dieser Fortsetzungsbeschluss kann vor oder nach Fassung eines Auflösungsbeschlusses durch den Stiftungsvorstand gefasst werden. Fasst der Stiftungsvorstand einen Auflösungsbeschluss, obwohl ein Auflösungsgrund nicht vorliegt, so können gemäß § 35 Abs 4 PSG die Personen, die auch die Auflösung der Stiftung beantragen können (§ 35 Abs 3 PSG), die Aufhebung des Beschlusses des Stiftungsvorstands – auch nach Eintragung der Auflösung – begehren (N. Arnold aaO,§ 35 Rz 20). Weitere Möglichkeiten zur Fortsetzung (Reaktivierung) einer aufgelösten Privatstiftung sieht das Privatstiftungsgesetz hingegen nicht vor.

2.2. Weiter gehende Möglichkeiten zur Reaktivierung einer aufgelösten Gesellschaft kennt hingegen das Aktienrecht. Gemäß § 215 Abs 1 AktG kann die Hauptversammlung die Fortsetzung einer durch Zeitablauf oder durch Beschluss der Hauptversammlung aufgelösten Aktiengesellschaft beschließen, solange noch nicht mit der Verteilung des Vermögens unter die Aktionäre begonnen ist. Gleiches gilt gemäß Abs 2 für die Auflösung der Aktiengesellschaft durch Konkurseröffnung in den dort aufgezählten Fällen der Konkursaufhebung (vgl 6 Ob 87/04v; Geist in Jabornegg/Strasser, AktG4 § 215 Rz 2f). Für die GmbH fehlen zwar entsprechende ausdrückliche Bestimmungen über eine Fortsetzung. Nach herrschender Ansicht ist § 215 AktG jedoch analog auf die GmbH anzuwenden (6 Ob 330/98t; 6 Ob 87/04v; 6 Ob 26/05s; RIS–Justiz RS 0059934; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 84 Rz 12). Eine aufgelöste GmbH kann daher aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses grundsätzlich fortgesetzt werden, solange die GmbH noch nicht beendet ist und noch nicht mit der Verteilung des Gesellschaftsvermögens begonnen wurde (6 Ob 330/98t; 6 Ob 87/04v; 6 Ob 215/05s; Koppensteiner/Rüffler aaO, Rz 34). Die Fortsetzung der Gesellschaft ist aber nur möglich, wenn der Auflösungsgrund beseitigt wird (Koppensteiner/Rüffler aaO, Rz 20 mwN; Ch. Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht Rz 4/546; RIS–Justiz RS 0050183; RS 0059934 [T1, T3 und T4]; 6 Ob 187/04z mwN).

2.3. Voraussetzung einer analogen Anwendung des § 215 AktG für Privatstiftungen wäre jedenfalls eine planwidrige (nicht gewollte) Gesetzeslücke (RIS–Justiz RS 0098756; 6 Ob 112/04w). Eine Lücke im Rechtssinn liegt vor, wenn das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und seinem immanenten Zweck, unvollständig und daher ergänzungsbedürftig ist, ohne dass die Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RIS–Justiz RS 0098756; RS 0008866; 6 Ob 112/04w; 4 Ob 193/06w). An einer planwidrigen Gesetzeslücke und damit an der Grundvoraussetzung für eine ergänzende Rechtsfindung fehlt es demnach, wenn der Gesetzgeber eine bestimmte Rechtsfolge für einen bestimmten Sachverhalt bewusst nicht angeordnet hat (RIS–Justiz RS 0008866; RS 0008870; RS 0008839; RS 0025102; 6 Ob 112/04w).

2.4. Die Möglichkeit der Fortsetzung einer aufgelösten Privatstiftung wird im Schrifttum vor allem im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Zwangsausgleichs erörtert. N. Arnold (PSG² § 35 Rz 4) hält eine Fortsetzung der Privatstiftung – wie sie § 215 Abs 2 AktG vorsieht – für nicht möglich, weil die Privatstiftung über keine Gesellschafter verfüge, die die Fortsetzung beschließen könnten, und auch eine Beschlussfassung durch die Letztbegünstigten analog § 35 Abs 2 Z 3 PSG ausscheide. Diese Rechtsauffassung vertritt auch Riel (in Doralt/Nowotny/Kalss, PSG § 35 Rz 10).

2.5. Demgegenüber ist nach Csoklich (ÖBA 2008, 416 [FN 128]) auch noch nach Fassung des Beschlusses des Vorstands auf Auflösung der Stiftung iSd § 35 Abs 2 Z 1 PSG eine Zurücknahme des Widerrufs durch den Stifter möglich, wenn dieser Letztbegünstigter ist oder der Letztbegünstigte zustimmt. Der Stiftungsvorstand habe in einem derartigen Fall einen entsprechenden Fortsetzungsbeschluss zu fassen. Auch nach Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer (Gesellschaftsrecht Rz 7/82) kann die Auflösung einer Privatstiftung trotz Fehlens einer Regelung auch rückgängig gemacht werden, sofern die materiellen Voraussetzungen dafür vorliegen (zB der Widerruf zurückgenommen wurde), der Stiftungsvorstand einen Fortsetzungsbeschluss fasst und mit der Verteilung des Vermögens noch nicht begonnen wurde.

2.6. Die für die analoge Anwendung des § 215 AktG von den Revisionsrekurswerbern ins Treffen geführten Argumente überzeugen nicht: Soweit sich die Revisionsrekurswerber in diesem Zusammenhang auf das Beispiel eines Abschlusses eines Zwangsausgleichs durch die Privatstiftung berufen, ist ihnen zunächst entgegenzuhalten, dass gerade die Möglichkeit einer Fortsetzung in diesem Fall im einschlägigen Schrifttum abgelehnt wird (vgl Riel in Doralt/Nowotny/Kalss, PSG § 35 Rz 10; N. Arnold, PSG2 § 35 Rz 4). Der Umstand, dass die Privatstiftung im Gegensatz zur Aktiengesellschaft gerade nicht gewerbsmäßig tätig sein darf, rechtfertigt hier durchaus eine unterschiedliche Behandlung durch den Gesetzgeber.

Zudem unterscheidet sich dieses Beispiel ebenso wie das weitere von den Revisionsrekurswerbern angeführte Beispiel eines in der irrigen Annahme, eine Krankheit, deren Bekämpfung Zweck der Stiftung bilde, sei endgültig ausgerottet, gefassten Auflösungsbechlusses vom vorliegenden Fall dadurch, dass hier ein Widerruf der Stifterin vorliegt und dieser durch die Vorgangsweise der Revisionsrekurswerber unterlaufen werden soll.

Gleichwohl bedarf es im vorliegenden Fall keines abschließenden Eingehens auf die Zulässigkeit einer analogen Anwendung des § 215 AktG im Privatstiftungsrecht:

3.1. Nach § 33 Abs 2 PSG kann nach dem Entstehen einer Privatstiftung die Stiftungserklärung vom Stifter nur geändert werden, wenn er sich Änderungen vorbehalten hat. Ist eine Änderung wegen Wegfalls eines Stifters, mangels Einigkeit bei mehreren Stiftern oder deswegen nicht möglich, weil Änderungen nicht vorbehalten sind, so kann der Stiftungsvorstand unter Wahrung des Stiftungszwecks Änderungen der Stiftungserklärung zur Anpassung an geänderte Verhältnisse vornehmen.

3.2. Eine derartige Änderung der Stiftungserklärung durch den Stiftungsvorstand bedarf der Genehmigung des Gerichts. Diese Genehmigung dient der Kontrolle der ordnungsgemäßen Ausübung des Änderungsrechts durch den Stiftungsvorstand (N. Arnold, PSG² § 33 Rz 61; 6 Ob 19/06x). Sie soll den in der Stiftungserklärung zum Ausdruck kommenden Stifterwillen vor nachträglicher, unkontrollierter und leichtfertiger Veränderung und Verfälschung und zugleich die Privatstiftung vor dem Zugriff ihrer eigenen Organe schützen (Müller in Csoklich/Müller/Gröhs/Helbich, Handbuch zum Privatstiftungsgesetz [1994] 271 FN 28; 6 Ob 19/06x).

3.3. Der Stiftungsvorstand darf im Hinblick auf § 33 Abs 2 PSG nach Entstehen der Privatstiftung Änderungen nur zur Anpassung an geänderte Verhältnisse und nur unter Wahrung des Stiftungszwecks vornehmen; der im Stiftungszweck dargelegte Stifterwille ist vom Vorstand jedenfalls zu beachten (6 Ob 187/03y; vgl auch N. Arnold, GesRz 2004, 240 [Entscheidungsanmerkung]; ders, PSG² § 33 Rz 29). Ob der dem § 33 Abs 2 PSG entsprechende Rahmen, innerhalb dessen Änderungen durch den Stiftungsvorstand zulässig sind, gewahrt ist, ist vom Gericht bei seiner Entscheidung über den Antrag auf Genehmigung der Änderung zu prüfen (6 Ob 187/03y; 6 Ob 19/06x).

3.4. Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für die Änderung der Stiftungserklärung durch den Vorstand nach § 33 Abs 2 PSG aus mehreren Gründen nicht erfüllt: Zunächst ist Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung das Vorliegen geänderter Verhältnisse. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch keineswegs gesichert. Fest steht lediglich, dass die Stifterin zwischenzeitig verstorben ist. Die Ausführungen im Revisionsrekurs über den angeblichen Zweck des Widerrufs der Stiftung durch die Stifterin finden in den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen keine Deckung; die Revisionsrekurswerber verweisen darin vielmehr auf ihre eigenen Erklärungen in einem notariellen Protokoll. Der Umstand, dass dieses Protokoll von einem Notar aufgenommen wurde, beweist jedoch lediglich, dass die betreffenden Erklärungen tatsächlich abgegeben wurden, sagt über die inhaltliche Richtigkeit dieser Erklärungen hingegen nichts aus.

3.5. Nach § 34 PSG kann die Privatstiftung vom Stifter widerrufen werden, wenn er sich den Widerruf in der Stiftungserklärung vorbehalten hat. Dieser Widerruf ist ein einseitiges höchstpersönliches (nicht übertragbares) Gestaltungsrecht (N. Arnold, PSG² § 34 Rz 3). Dabei handelt es sich gewissermaßen um den vom Stifter privatautonom gesetzten „contrarius actus“ zur Errichtung der Privatstiftung.

3.6. Das Privatstiftungsgesetz unterscheidet deutlich zwischen der in § 33 PSG geregelten Änderung der Privatstiftung und dem Widerruf der Privatstiftung. Letzterer ist, soweit es sich um den Widerruf vor Entstehen der Privatstiftung handelt, in § 33 Abs 1 PSG geregelt. Sedes materiae des Widerrufs der Privatstiftung nach deren Entstehen ist hingegen § 34 PSG. Schon das Fehlen einer Kompetenz des Vorstands im Zusammenhang mit dem Widerruf der Privatstiftung nach § 34 PSG zeigt, dass der Gesetzgeber hier die autonome Entscheidung des Stifters respektiert und deren Unterlaufen durch den Vorstand der Privatstiftung nicht billigt. Die gegenteilige Auffassung der Revisionsrekurswerber würde dazu führen, dass die Stiftung entgegen dem ausdrücklich erklärten Auflösungswunsch der Stifterin ein Eigenleben entfaltet. Dies wäre mit der Konzeption der Privatstiftung nach dem Privatstiftungsgesetz aber nicht vereinbar. Solange daher der Widerruf der Privatstiftung durch den Stifter noch aufrecht ist, liegt – wie schon das Rekursgericht zutreffend erkannt hat – keine relevante Änderung vor, die eine Beschlussfassung durch den Vorstand iSd § 33 Abs 2 PSG zuließe. Weil von der Stifterin nicht einmal der Versuch unternommen wurde, den wirksam erklärten Widerruf der Privatstiftung wieder zurückzunehmen oder sonst zu beseitigen, ist im vorliegenden Fall auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine derartige Rücknahme überhaupt in Betracht kommen könnte, nicht einzugehen.

3.7. Die Anwendung des § 33 Abs 2 PSG, auf die sich die Revisionsrekurswerber stützen, ist aber noch aus einer weiteren Erwägung verfehlt: Bei der Fortsetzung einer Aktiengesellschaft nach § 215 AktG handelt es sich nämlich um keine Satzungsänderung (Geist in Jabornegg/Strasser AktG4 § 215 Rz 1). Gleiches gilt nach herrschender Auffassung auch für die GmbH (ReichRohrwig, GmbH [1983] 689; Umfahrer, GmbHG6 [2008] Rz 787). Gleiches müsste im Fall der analogen Anwendung dieser Bestimmung auch für die Privatstiftung gelten. Dies bedeutet freilich nicht, dass der Stiftungsvorstand hier keiner gerichtlichen Kontrolle unterläge. Vielmehr hat das Firmenbuchgericht im Rahmen des Eintragungsverfahrens die Zulässigkeit der begehrten Eintragung zu prüfen; diese Kontrolle im Rahmen des firmenbuchrechtlichen Eintragungsverfahrens ist aber nach dem Gesagten von der Genehmigung einer Änderung der Stiftungsurkunde nach § 33 PSG zu unterscheiden (6 Ob 19/06x; N. Arnold, PSG² § 33 Rz 31 aE).

3.8. Weil somit das Unterlaufen des vom Stifter ausgeübten Widerrufsrechts durch den Stiftungsvorstand überhaupt ausgeschlossen ist, kann auch der in der Revisionsrekursbeantwortung vertretenen Auffassung nicht gefolgt werden, ein Größenschluss aus § 33 Abs 2 PSG erfordere eine gerichtliche Genehmigung. Wenn schon geringfügige Änderungen der Stiftungserklärung durch den Stiftungsvorstand nach § 33 Abs 2 PSG der gerichtlichen Kontrolle unterworfen seien, müsse dies umso mehr für solche Beschlüsse gelten, die wesentlich weitergehend in die Struktur der Privatstiftung eingriffen. Für eine derartige Kontrolle des Firmenbuchgerichts im Außerstreitverfahren nach §§ 33 Abs 2, 40 PSG besteht im vorliegenden Fall aber schon deshalb kein Bedürfnis, weil nach dem Gesagten das Unterlaufen des Widerrufs überhaupt unzulässig ist. Dieser Umstand kann aber vom Firmenbuchgericht im Eintragungsverfahren auch ohne Vorschaltung eines separaten Genehmigungsverfahrens wahrgenommen werden.

3.9. Damit bestand aber für die von den Revisionsrekurswerbern beantragte Genehmigung des Beschlusses des Stiftungsvorstands bzw Stiftungsrates keine gesetzliche Grundlage. Ob das Begehren insoweit nicht abzuweisen, sondern zurückzuweisen gewesen wäre, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil sich die Revisionsrekurswerber durch die Wahl einer allenfalls unrichtigen Entscheidungsform nicht beschwert erachten können. Für die von ihnen angestrebte gerichtliche Genehmigung der Fortsetzung der Privatstiftung bestand nach dem Gesagten jedenfalls keine Grundlage, sodass auch das weiters gestellte Begehren auf Löschung der Auflösung und Eintragung der Fortsetzung ins Leere geht.

4. Damit erweisen sich die Beschlüsse der Vorinstanzen als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

Leitsätze