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Judikatur | Entscheidung

6 Ob 65/17b; OGH; 19. April 2017

GZ: 6 Ob 65/17b | Gericht: OGH vom 19.04.2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Dr. Nowotny und Dr. Hargassner als weitere Richter in der Firmenbuchsache der Eintragungswerberin T***** GmbH, FN *****, mit dem Sitz in ***** und der Geschäftsanschrift *****, vertreten durch Dr. Rupert Brix, Notar in Wien, über den Revisionsrekurs der Eintragungswerberin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 23. Mai 2014, GZ 28 R 135/14z-7, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 31. März 2014, GZ 74 Fr 3035/14b-3, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Dr. T***** B***** beantragte am 21.03.2014 als Geschäftsführer der T***** GmbH beim Erstgericht deren Neueintragung. Das Stammkapital wurde mit EUR 10.000,– angemeldet.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Es begründete seine Abweisung damit, dass das Stammkapital gemäß § 6 GmbHG mindestens EUR 35.000,– erreichen müsse und Dr. T***** B***** in einem Begleitschreiben mitgeteilt habe, er wolle das Gründungsprivileg nach § 10b GmbHG bewusst nicht in Anspruch nehmen, da er die geltende Gesetzeslage für verfassungswidrig halte.

Das von der Eintragungswerberin (in Gründung) angerufene Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluss. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, die ohnehin in ihrer Belastung mit einem Zeitraum von zehn Jahren abgefederte gesetzliche Rückführung des Stammkapitalerfordernisses von EUR 10.000,– auf wiederum mindestens EUR 35.000,– gemäß § 10b Abs 5 GmbHG – wie es durch einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren Bestand des österreichischen GmbH-Rechts gewesen sei – nach einem Zeitraum von nur acht Monaten sei kein verfassungsrechtlich bedenklicher Schritt. Ob und welche Motive dabei in den Materialien für diesen Schritt genannt seien, spiele schon vor dem Hintergrund tatsächlich bestehender und beachtenswerter Gläubigerschutzerwägungen keine Rolle. Dem Gesetzgeber müsse es auch unbenommen bleiben, Schritte, die als nicht zielführend oder notwendig erkannt worden seien, wieder rückgängig zu machen. Im vorliegenden Fall sei ein Zeitraum von zehn Jahren bis zur Rückführung zur Verfügung gestellt worden. Neugründungen würden damit immer noch begünstigt. Alle GmbHs müssten aber in zehn Jahren über ein Mindeststammkapital von EUR 35.000,– verfügen. Eine weitergehende Entkapitalisierung bereits bestehender GmbHs sei gestoppt worden. Angesichts der langen Geltung des Erfordernisses von EUR 35.000,– könne durch die bereits nach kurzem Zeitraum wieder erfolgende Anhebung auf genau den durch mehr als 20 Jahre in allen Kreisen fest verankerten Betrag keine unverhältnismäßige Regelung erkannt werden.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil von der Neuregelung eine Vielzahl von zu gründenden Gesellschaften betroffen sei und eine Auseinandersetzung des Obersten Gerichtshofs mit etwaigen verfassungsrechtlichen Bedenken fehle.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Eintragungswerberin mit dem Antrag auf ihre Eintragung in das Firmenbuch. Sie regt – wie schon in ihrem Rekurs gegenüber dem Rekursgericht – an, der Oberste Gerichtshof möge an den Verfassungsgerichtshof den Antrag stellen, die in den §§ 6, 10 und 54 GmbHG in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2014 (AbgÄG 2014, BGBl I 2014/13) lautenden Beträge von EUR 35.000,– bzw EUR 17.500,– als verfassungswidrig aufzuheben und statt dessen die in diesen Bestimmungen in der Fassung des Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2013 (GesRÄG 2013, BGBl I 2013/109) lautenden Beträge von EUR 10.000,– bzw EUR 5.000,– wieder in Kraft treten zu lassen. Die Revisionsrekurswerberin führt dazu einige Argumente ins Treffen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu Folgendes erwogen:

1. Gesetzliche Grundlagen:

1.1. Mit der GmbH-Novelle 1980 (BGBl 1980/320) wurde in § 6 Abs 1 GmbHG das bis dahin geltende Mindeststammkapital von ATS 100.000,– auf ATS 500.000,– und in § 10 Abs 1 GmbHG die Mindesteinzahlung auf bar zu leistende Einlagen auf ATS 250.000,– erhöht. In den erläuternden Bemerkungen (RV 5 BlgNR 15. GP 5 f) wird dazu angemerkt, dass die bis dahin geltenden Mindestbeträge für das Stammkapital (in der Regel ATS 100.000,–) infolge der Geldwertverdünnung zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger und zur Wahrung der Kapitalgrundlage der Gesellschaften nicht mehr ausreichten.

1.2. Von 01.01.1999 bis 30.06.2013 lauteten § 6 Abs 1 und § 10 Abs 1 GmbHG in der Fassung des 1. Euro-Justiz-Begleitgesetzes (BGBl I 1998/125):

„§ 6. (1) Stammkapital und Stammeinlage müssen auf einen in Euro bestimmten Nennbetrag lauten. Das Stammkapital muss mindestens 35 000 Euro erreichen und besteht aus den Stammeinlagen der einzelnen Gesellschafter, deren jede mindestens 70 Euro betragen muss.“

„§ 10 (1) Auf jede bar zu leistende Stammeinlage muss mindestens ein Viertel, jedenfalls aber ein Betrag von 70 Euro eingezahlt sein; soweit auf eine Stammeinlage weniger als 70 Euro bar zu leisten sind, muss die Bareinlage voll eingezahlt sein. Auf die bar zu leistenden Einlagen müssen mindestens insgesamt 17 500 Euro eingezahlt sein; sind sie gemäß § 6a Abs 2 bis 4 niedriger, müssen sie bar voll eingezahlt sein. Insofern auf eine Stammeinlage nach dem Gesellschaftsvertrag die Vergütung für übernommene Vermögensgegenstände angerechnet werden soll, muss die Leistung sofort im vollen Umfang bewirkt werden.“

Mit der Umstellung der Schillingbeträge auf Eurobeträge war somit im Wesentlichen keine Veränderung der Höhe der Mindestkapitalaufbringung bei der GmbH verbunden, es wurden die umgerechneten Eurobeträge nur geringfügig auf runde Beträge abgerundet.

1.3. Mit dem Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2013 (BGBl I 2013/109 – GesRÄG 2013) wurden mit Wirksamkeit ab 01.07.2013 der Betrag in § 6 Abs 1 und § 54 Abs 3 GmbHG von EUR 35.000,– durch den Betrag EUR 10.000,– und in § 10 Abs 1 GmbHG der Betrag EUR 17.500,– durch EUR 5.000,– ersetzt.

In den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 2356 BlgNR 24. GP 1) wird durchaus gesehen, dass sich durch die Absenkung des Mindeststammkapitals die Einnahmen aus der Körperschaftssteuer reduzieren werden. Weiters wird ausgeführt:

„Es besteht mittlerweile weitgehende Einigkeit darüber, dass das Mindeststammkapital – weil es eine abstrakte, nicht auf den Einzelfall abgestimmte Größe ist – keine dem Betrieb angemessene Kapitalausstattung garantiert und als Haftungsfonds im Krisenfall meist nicht mehr zur Verfügung steht, somit Gläubigerschutzzwecke nur eingeschränkt erfüllen kann. Darüber hinaus hat die wirtschaftliche Entwicklung insbesondere im Dienstleistungssektor zur Entstehung wenig betriebsmittel- und kapitalintensiver Unternehmensfelder geführt. Dem Mindeststammkapital kommt jedoch nach wie vor erhebliche Bedeutung als individuelle und für die Rechtsform der GmbH allgemein wichtige Seriositätsschwelle zu (…). Es stellt der Gesellschaft auch einen Kapitalpolster zur Verfügung, der deren Überschuldung bereits bei Unternehmensgründung verhindert und erste Anfangsverluste abfedern kann. Darüber hinaus soll der Zugang zur Haftungsbeschränkung der GmbH nicht allzu leicht ermöglicht werden. Leichtfertige und möglicherweise wenig erfolgversprechende Gründungen sollen verhindert werden.

Der erwünschten Erleichterung des Zugangs zur Rechtsform der GmbH steht somit die Notwendigkeit der Beibehaltung einer gewissen Seriositätsschwelle gegenüber. Auch für letztere lässt sich keine allgemein gültige, für alle Fälle adäquate Größe nennen. Ein Rechtsvergleich zeigt jedoch, dass ein Betrag von 10 000 Euro eine solche sinnvolle und wirksame Seriositätsschwelle sein kann.“ (aaO 13)

Zur Änderung des Betrags in § 54 Abs 3 GmbHG führen die Materialien aus:

„Da das Mindeststammkapital in Hinkunft nur mehr 10.000 Euro betragen soll, kann auch eine Herabsetzung des Stammkapitals bis zu diesem Betrag erfolgen. Diese Möglichkeit soll – unter den sonstigen Voraussetzungen der §§ 54 ff. GmbHG – auch Gesellschaften offen stehen, die bereits vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes gegründet wurden, weil eine auf neu gegründete Gesellschaften beschränkte Regelung wohl verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt wäre.“ (aaO 15)

1.4. Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014 (BGBl I 2014/13 – AbgÄG 2014) wurden mit Wirksamkeit 01.03.2014 die durch das GesRÄG 2013 in den §§ 6, 10 und 54 GmbHG herabgeminderten Beträge wieder auf diejenigen vor dem GesRÄG 2013 hinaufgesetzt. Das Mindeststammkapital beträgt seither wieder EUR 35.000,–.

Überdies wurde mit dem AbgÄG 2014 folgende Regelung neu eingeführt:

„Gründungsprivilegierung

§ 10b (1) Im Gesellschaftsvertrag, nicht jedoch durch eine Abänderung des Gesellschaftsvertrags (§ 49), kann vorgesehen werden, dass die Gesellschaft die Gründungsprivilegierung nach Maßgabe der folgenden Absätze in Anspruch nimmt.

(2) Im Gesellschaftsvertrag ist für jeden Gesellschafter auch die Höhe seiner gründungsprivilegierten Stammeinlage festzusetzen, die nicht höher als die jeweils übernommene Stammeinlage sein darf. Die Summe der gründungsprivilegierten Stammeinlagen muss mindestens 10.000 Euro betragen.

(3) Auf die gründungsprivilegierten Stamm-einlagen müssen abweichend von § 10 Abs 1 insgesamt mindestens 5.000 Euro bar eingezahlt werden. Sacheinlagen sind ausgeschlossen.

(4) Während aufrechter Gründungsprivilegierung sind die Gesellschafter abweichend von § 63 Abs 1 nur insoweit zu weiteren Einzahlungen auf die von ihnen übernommenen Stammeinlagen verpflichtet, als die bereits geleisteten Einzahlungen hinter den gründungsprivilegierten Stammeinlagen zurückbleiben. Dies gilt auch für den Fall, dass während aufrechter Gründungsprivilegierung ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet wird.

(5) Die Gründungsprivilegierung gemäß Abs 2 bis 4 kann durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrags beendet werden, wobei vor Anmeldung der Änderung zum Firmenbuch (§ 51) die Mindesteinzahlungserfordernisse nach § 10 Abs 1 zu erfüllen sind. Ansonsten endet die Gründungsprivilegierung spätestens zehn Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch. Die Eintragungen betreffend die Gründungsprivilegierung im Firmenbuch (§ 5 Z 2a und 6 FBG) können erst entfallen, wenn zuvor die Mindesteinzahlungserfordernisse nach § 10 Abs 1 erfüllt wurden.“

In § 11 GmbHG wurde durch das AbgÄG 2014 der Satz:

„Gegebenenfalls sind auch die Inanspruchnahme der Gründungsprivilegierung nach § 10b und die Höhe der für die einzelnen Gesellschafter festgesetzten gründungsprivilegierten Stammeinlagen einzutragen.“

hinzugefügt.

Nach § 127 Abs 13 GmbHG idF des AbgÄG 2014 treten die § 6 Abs 1, § 10 Abs 1, § 10b, § 11 und § 54 Abs 3 GmbHG idF des AbgÄG 2014 mit 01.03.2014 in Kraft.

Nach § 127 Abs 14 GmbHG idF des AbgÄG 2014 sind auf Gesellschaften, die vor dem 01.03.2014 zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldet wurden (§ 9 Abs 1), § 6 Abs 1 und § 10 Abs 1 idF des GesRÄG 2013, BGBl I Nr 109/2013, weiter anzuwenden.

Nach § 127 Abs 15 GmbHG idF des AbgÄG 2014 ist auf Gesellschaften, die vor dem 1. März 2014 eine beabsichtigte Herabsetzung des Stammkapitals zum Firmenbuch angemeldet haben (§ 55 Abs 1), § 54 Abs 3 idF des GesRÄG 2013, BGBl I Nr 109/2013, weiter anzuwenden.

Nach § 127 Abs 16 GmbHG idF des AbgÄG 2014 haben Gesellschaften, deren Stammkapital EUR 35.000,– nicht erreicht, bis längstens 01.03.2024 eine Kapitalerhöhung auf diesen oder einen höheren Betrag durchzuführen.

In den erläuternden Bemerkungen heißt es zu dieser Novelle:

„Aus steuerrechtlichen Erwägungen (siehe S 105 des Regierungsprogramms für die XXV. Gesetz-gebungsperiode) erscheint es geboten, das Mindeststammkapital der GmbH wieder auf den bis Mitte 2013 geltenden Betrag von 35.000 Euro zu erhöhen. Auch der gemäß § 10 Abs 1 auf die Bareinlagen mindestens einzuzahlende Betrag soll – sofern die Gesellschaft nicht die Gründungsprivilegierung nach dem vorgeschlagenen § 10b in Anspruch nimmt – wieder 17.500 Euro betragen.

Durch diese Maßnahmen kann der in der Regierungsvorlage zum GesRÄG 2013 (RV 2356 XXIV. GP) prognostizierte Steuerausfall (Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer) vermieden und gleichzeitig eine günstige Gründungsmöglichkeit aufrechterhalten werden.“ (ErläutRV 24 BlgNR 25. GP 27)

Zur „Gründungsprivilegierung“ des § 10b GmbHG heißt es in den Materialien:

„Damit die Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung auch für Unternehmer mit geringen finanziellen Möglichkeiten attraktiv bleibt, soll es in der – auf maximal zehn Jahre befristeten (vgl. Abs 7) – Anfangsphase der unternehmerischen Tätigkeit möglich sein, durch entsprechende Regelungen im Gesellschaftsvertrag Erleichterungen hinsichtlich des einzuzahlenden Betrags und der Verpflichtung zur Einzahlung weiterer Stammeinlagen in Anspruch zu nehmen.“ (aaO)

2. Der Oberste Gerichtshof stellte beim Verfassungsgerichtshof den Antrag,

a) § 6 Abs 1 GmbHG, in eventu § 6 GmbHG,

b) § 10 Abs 1 GmbHG, in eventu § 10 GmbHG,

c) § 54 Abs 3 erster Satz GmbHG, in eventu § 54 Abs 3 GmbHG, in eventu § 54 GmbHG, und

d) § 127 Abs 13 bis Abs 16 GmbHG,

sämtliche Bestimmungen in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2014 (AbgÄG 2014, BGBl 2014/13), als verfassungswidrig aufzuheben.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

Es sei in der Tat nicht zu sehen, dass sich bereits acht Monate nach Inkrafttreten des GesRÄG 2013, nämlich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AbgÄG 2014 am 01.03.2014, die Verhältnisse so grundlegend geändert hätten, dass nunmehr wieder entgegen den dargelegten Erwägungen des Gesetzgebers des GesRÄG 2013 ein höheres Stammkapital von Nöten wäre. Sowohl unter den Aspekten des Gläubigerschutzes als auch der „Seriositätsschwelle“ bei der Gründung scheine eine Regelung, die nach den klaren statistischen Werten erst eine Erhöhung der Mindeststammeinlage vorsieht, wenn die Schwelle der Unternehmensgründung lange überschritten und die Gefahr einer Unternehmensinsolvenz deutlich gesunken ist, nicht dem Sachlichkeitsgebot zu entsprechen. Es ließen also sowohl der doppelte Schwenk des Gesetzgebers in der rechtspolitischen Bewertung als auch das im Ergebnis geschaffene System keine sachliche Begründung aus den Funktionen des Mindeststammkapitals erkennen. Bereits der Gesetzgeber des GesRÄG 2013 habe – wie sich aus den oben zitierten Materialien ergebe – Bedenken gehabt, dass die Möglichkeit, Neugründungen von GmbHs mit einem Mindeststammkapital von EUR 10.000,– zuzulassen und gleichzeitig aber für Altgesellschaften keine Möglichkeit, das Stammkapital (von mindestens EUR 35.000,–) auf EUR 10.000,– herabzusetzen, zuzulassen, verfassungswidrig sein könnte, weil es zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung von Alt- und Neugesellschaften käme. Deshalb entschloss sich der Gesetzgeber des GesRÄG 2013 dazu, in § 54 Abs 3 GmbHG den Betrag, auf den GmbHs, und zwar auch Altgesellschaften, die Kapitalherabsetzung durchführen können, auf EUR 10.000,– abzusenken. Durch das AbgÄG 2014 sei das Mindeststammkapital, auf das das Stammkapital herabgesetzt werden könne, wieder auf EUR 35.000,– erhöht worden. Dadurch entstehe aber im Endeffekt genau jene bedenkliche Ungleichbehandlung zwischen einerseits solchen GmbHs, die entweder zwischen 01.07.2013 und 28.02.2014 mit einem Stammkapital von EUR 10.000,– gegründet worden seien (und dieses Stammkapital bis 01.03.2024 beibehalten dürften, vgl § 127 Abs 16 GmbHG idF des AbgÄG 2014) oder seit 01.03.2014 die Gründungsprivilegierung des § 10b GmbHG für zehn Jahre ab Eintragung in Anspruch nehmen könnten, und andererseits jenen Altgesellschaften, die zwischen 01.03.2004 und dem Inkrafttreten des GesRÄG 2013 (01.07.2013) zwingend mit mindestens EUR 35.000,– Stammkapital gegründet hätten werden müssen und jetzt – auch bis 01.03.2024 – aber keine Möglichkeit mehr hätten, das Stammkapital auf EUR 10.000,– herabzusetzen oder die Gründungsprivilegierung des § 10b GmbHG in Anspruch zu nehmen. Die geltende Rechtslage könne auch insoweit gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen.

3. Mit Erkenntnis vom 14.03.2017, GZ G 311/2016-11, hat der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag des Obersten Gerichtshofs in Bezug auf § 6 Abs 1 und § 10 Abs 1 GmbHG in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2014 (AbgÄG 2014, BGBl 2014/13) abgewiesen, im Übrigen zurückgewiesen. Die Abweisung begründete der Verfassungsgerichtshof damit, die unterschiedliche Behandlung der Gesellschaften, je nachdem wann diese gegründet worden seien und ob sie von der Gründung mit einem Stammkapital von EUR 10.000,– oder der Herabsetzung des Stammkapitals auf EUR 10.000,– Gebrauch gemacht hätten, überschreite nicht den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Geschenkgebers und sei nicht gleichheitswidrig.

4. Im Hinblick auf dieses Erkenntnis ist auf die Eintragungswerberin § 6 Abs 1 GmbHG in der Fassung des AbgÄG 2014 (§ 127 Abs 13 GmbHG) anzuwenden. Danach beträgt das Mindeststammkapital EUR 35.000,–. Mit dem mit EUR 10.000,– angemeldeten Stammkapital erfüllt die Eintragungswerberin nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eintragung. Die Vorinstanzen haben daher das Eintragungsgesuch zu Recht abgewiesen.

Leitsätze

  • Verfassungswidrigkeit der Änderungen des GmbHG durch das Abgabenänderungsgesetz 2014?

    Die Wiederanhebung des Mindeststammkapitals einer GmbH auf EUR 35.000,– sowie des auf die bar zu leistenden Einlagen mindestens insgesamt einzuzahlenden Betrages auf EUR 17.500,– durch das Abgabenänderungsgesetz 2014 verstößt trotz der diesbezüglichen Bedenken des OGH nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz.
    WEKA (epu) | Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 65/17b | OGH vom 19.04.2017 | Dokument-ID: 959099