Dokument-ID: 1011000

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 72/18h; OGH; 28. Juni 2018

GZ: 6 Ob 72/18h | Gericht: OGH vom 28.06.2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin H***** G*****, vertreten durch Müller Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Mag. Dr. I***** K*****, 2. Mag. Dr. S***** D*****, 3. Mag. G***** S*****, alle vertreten durch Dr. Gernot Murko und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, 4. G***** Privatstiftung, *****, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Abberufung nach § 27 PSG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 7. März 2018, GZ 4 R 8/18f-23, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 19. Dezember 2017, GZ 65 Fr 1125/17b-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Anträge der Antragsgegner auf Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens AZ 23 Cg 37/17s des Landesgerichts Klagenfurt abgewiesen werden.

Die Antragsgegner sind zu jeweils einem Viertel schuldig, der Antragstellerin die mit 9.535,59 EUR (darin 839,87 EUR Umsatzsteuer und 4.496,40 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Viertantragsgegnerin, deren Vorstandsmitglieder die Erst- bis Drittantragsgegner sind, ist seit 01.10.1999 zu FN ***** im Firmenbuch des Erstgerichts eingetragen. Erststifter ist Ing. G***** G***** sen, Zweitstifterin dessen damalige Ehefrau (die Antragstellerin), Drittstifterin die G***** G***** GmbH. Stiftungszweck ist unter anderem die Vermögensverwaltung und die Versorgung Begünstigter.

Punkt 14 der Stiftungsurkunde und Punkt C.10.3. der Stiftungszusatzurkunde in der Fassung vom 10.04.2009 lauten:

Wer diese Stiftung oder eine andere Stiftung, bei welcher der Erststifter Stifter ist, als solches, ihre Errichtung oder ihren Bestand, ihre Stiftungsurkunde oder Stiftungszusatzurkunde, sonstige die Errichtung oder den Bestand der Stiftung betreffende Urkunden sowie Vermögenszuwendungen an diese Stiftung oder eine andere Stiftung, bei welcher der Erststifter Stifter ist, von wem immer diese erfolgt sein sollten, ganz, teilweise, direkt oder indirekt anficht oder sonst bekämpft, ist vom Stiftungsvorstand aus dem Begünstigtenkreis auszuschließen.

Die zwischen der Antragstellerin und dem Erststifter 1962 geschlossene Ehe wurde im Juni 2011 aus dem Alleinverschulden des Erststifters geschieden. Am 11.11.2011 und am 02.11.2012 änderte der Erststifter Stiftungsurkunde und -zusatzurkunde (unter anderem) dahin, dass er die Antragstellerin als Begünstigte ausschloss. Am 09.01.2014 änderte er gemeinsam mit der Drittstifterin die Stiftungsurkunden erneut, wobei der Begünstigtenausschluss der Fassung vom 02.11.2012 erhalten blieb. Im Verfahren, das der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 27.02.2017 (6 Ob 122/16h) zugrunde lag, begehrte die Antragstellerin (dort als Klägerin) gegenüber der Viertantragsgegnerin (dort als Erstbeklagte), der V***** Privatstiftung (dort als Zweitbeklagte) und dem Erststifter (dort als Drittbeklagter) deshalb (unter anderem) die Feststellung, dass in der Zeit nach dem 10.04.2009 vorgenommene Änderungen der Stiftungsurkunden und -zusatzurkunden unwirksam seien und die Antragstellerin Begünstigte der Privatstiftungen sei, dass der Erststifter ihr alle Schäden aus der Änderung der Urkunden zu ersetzen habe und dass die Beklagten Änderungen der Stiftungsurkunden und -zusatzurkunden hinsichtlich ihres Zwecks der Versorgung der Antragstellerin als Begünstigte zu unterlassen hätten. In diesem Umfang gab der Oberste Gerichtshof dem Klagebegehren statt. Das Mehrbegehren, der Erststifter sei schuldig, diverse andere Änderungen der Stiftungsurkunden und -zusatzurkunden zu unterlassen, sowie die Eventualbegehren, der Erststifter sei schuldig, die Urkunden wie in der Fassung vom 10.04.2009 wiederherzustellen und Schäden aus jeglicher Änderung zu ersetzen, wurden abgewiesen.

Bereits mit Beschluss vom 26.02.2013 hatte der damalige Stiftungsvorstand die Antragstellerin aus dem Begünstigtenkreis ausgeschlossen, weil diese diverse Verfahren (Abberufung des Stiftungsprüfers und der Mitglieder des Stiftungsvorstands, Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen, Widerruf einer Schenkung an die Privatstiftung [Verfahren 20 Cg 180/11i des Erstgerichts und das der Entscheidung 6 Ob 122/16h zugrundeliegende Verfahren]) angestrengt habe. Mit weiterem Beschluss vom 03.04.2017 schloss der Stiftungsvorstand die Antragstellerin gemäß Punkt 14 der Stiftungsurkunde in der Fassung vom 10.04.2009 unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 26.02.2013 aus dem Kreis der Begünstigten aus, weil sie mit ihren Klagen in den Verfahren 20 Cg 180/11i (rechtskräftig abgewiesen durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 10 Ob 22/13b) und 22 Cg 51/14p jeweils des Erstgerichts Vermögenszuwendungen an die Viertantragsgegnerin angefochten und im so genannten R*****-Verfahren in den USA ihren Bestand bekämpft habe.

Mit Notariatsakt vom 06.04.2017 erfolgte eine Neufassung der Stiftungsurkunde durch den Erststifter und die Drittstifterin. Die Antragstellerin wurde darin als Begünstigte zwar im Sinn der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 122/16h wiederaufgenommen, in Punkt II. wurde jedoch festgehalten, dass der mit den Beschlüssen des Stiftungsvorstands vom 26.02.2013 und 03.04.2017 erfolgte Ausschluss der Antragstellerin aus dem Begünstigtenkreis ungeachtet der Neufassung aufrecht bleibe.

Mit Klage vom 01.06.2017 begehrt die Antragstellerin als Klägerin im Verfahren AZ 23 Cg 37/17s des Erstgerichts von der Viertantragsgegnerin als Erstbeklagte, der V***** Privatstiftung als Zweitbeklagte und dem Erststifter als Drittbeklagten die Zahlung von EUR 3.226.182,45 an weiteren Zuwendungen als Begünstigte und die Feststellung, dass die Neufassungen der Stiftungsurkunden (unter anderem) der Viertantragsgegnerin vom 06.04.2017 und die Beschlüsse deren Stiftungsvorstands vom 26.02.2013 und vom 03.04.2017, mit denen die Antragstellerin als Begünstigte ausgeschlossen worden war, unwirksam seien.

Bereits mit Antrag vom 11.05.2017 hatte die Antragstellerin die Abberufung sämtlicher Mitglieder des Stiftungsvorstands gemäß § 27 Abs 2 PSG wegen grober Pflichtverletzungen begehrt. Mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 122/16h sei rechtskräftig und uneingeschränkt festgestellt worden, dass sie Begünstigte der Privatstiftung sei; eine Berufung auf den Beschluss vom 26.02.2013 sei daher nicht mehr möglich. Der Erststifter und die Viertantragsgegnerin seien verpflichtet worden, Änderungen der Stiftungsurkunde und der Stiftungszusatzurkunde je in der Fassung vom 10.04.2009 hinsichtlich ihres Zwecks der Versorgung der Antragstellerin als Begünstigte zu unterlassen. Dem widersprechend hätten die Vorstandsmitglieder (1) sie rechtswidrig aus dem Begünstigtenkreis ausgeschlossen, (2) ihr die in der Stiftungszusatzurkunde in der Fassung vom 10.04.2009 vorgesehenen Zuwendungen nicht ausbezahlt und somit (3) gegen die Verpflichtung verstoßen, für die Erfüllung des Stiftungszwecks Sorge zu tragen, (4) ihr Auskunftsrecht verletzt und (5) eine rechtsmissbräuchliche Neufassung der Stiftungsurkunde vom 06.04.2017 zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldet; schließlich bestehe (6) eine offenkundige Interessenkollision.

Die Antragsgegner wenden ein, der Abberufungsantrag sei unzulässig, jedenfalls aber unbegründet und beantragten am 31.07. und am 05.09.2017 die Unterbrechung dieses Abberufungsverfahrens gemäß § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens AZ 23 Cg 37/17s des Erstgerichts. Die Frage, ob die Änderung der Stiftungserklärung vom 06.04.2017 und die Beschlüsse des Stiftungsvorstands vom 26.02.2013 sowie vom 03.04.2017, mit denen die Antragstellerin als Begünstigte ausgeschlossen worden war, unwirksam und ob Zuwendungen an die Antragstellerin auch nach dem ersten Quartal 2013 auszuzahlen seien, sei für die Beurteilung der von der Antragstellerin behaupteten Pflichtverletzungen, welche im Falle deren Rechtswirksamkeit allesamt nicht vorliegen würden, präjudiziell; der Verfahrensgegenstand beider Verfahren sei ident. Die Lösung dieser Vorfragen im Außerstreitverfahren sei mit einem nicht unerheblichen Verfahrensaufwand verbunden, während im bereits anhängigen Zivilprozess die Klärung von Tatfragen und die Lösung von Rechtsfragen mit den Mitteln des Erkenntnisverfahrens zu erwarten sei.

Die Antragstellerin sprach sich gegen eine Unterbrechung des Verfahrens aus, welches ohne Beweisverfahren bereits aufgrund der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 122/16h spruchreif sei. Durch eine Unterbrechung werde die Abberufung des Stiftungsvorstands verzögert und würden die Interessen der Privatstiftung gefährdet.

Die Vorinstanzen unterbrachen das Abberufungsverfahren antragsgemäß, das Rekursgericht ließ darüber hinaus den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Es vertrat die Auffassung, im Zivilprozess und im Abberufungsverfahren sei (teilweise) Parteienidentität gegeben, sei doch die Viertantragsgegnerin auch Erstbeklagte im Zivilprozess. Mit der Entscheidung über das Feststellungsbegehren im Zivilprozess (und damit über eine dortige Hauptfrage) werde darüber entschieden werden, ob die bereits mehrfach genannten Beschlüsse des Stiftungsvorstands und die Änderung der Stiftungsurkunde rechtswirksam sind oder nicht. Dies sei jedoch die entscheidende Vorfrage für die im Abberufungsverfahren geltend gemachten Pflichtverletzungen, weil im Fall der Rechtswirksamkeit des Ausschlusses der Antragstellerin als Begünstigte diese Pflichtverletzungen nicht gegeben wären. Richtig sei zwar, dass im Fall einer Klagsstattgebung im Zivilprozess im Abberufungsverfahren noch die Frage einer groben Pflichtverletzung geprüft werden müsste, weil der Stiftungsvorstand – ebenso wie die anderen Stiftungsorgane – keinen bestimmten Erfolg schuldet, sondern lediglich sorgfältiges Bemühen; für eine Unterbrechung sei es jedoch nicht erforderlich, dass im anderen Verfahren bereits die Hauptfrage gelöst wird. Die Lösung der Vorfrage erfordere einen erheblichen Verfahrensaufwand, gelte doch nach § 16 Abs 1 AußStrG im Abberufungsverfahren der Untersuchungsgrundsatz. Da nach § 18 AußStrG die Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung gegeben ist, das Abberufungsverfahren sich somit nicht zwingend auf ein reines Aktenverfahren beschränken muss, habe das Außerstreitgericht zur Lösung der Vorfrage zumindest denselben Verfahrensaufwand wie das Prozessgericht. Das Studium der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 122/16h allein sei nicht ausreichend, um über die geltend gemachten Abberufungsgründe entscheiden zu können.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig (§ 26 Abs 4, § 62 Abs 1 AußStrG); er ist auch berechtigt.

1. Das Rechtsmittelverfahren gegen eine Unterbrechung eines außerstreitigen Verfahrens (§ 25 AußStrG) ist einseitig, handelt es sich doch bei dieser Entscheidung nicht um eine Entscheidung über die Sache iSd § 48 Abs 1 AußStrG, sondern bloß um einen verfahrensleitenden Beschluss (vgl Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG [2013] § 26 Rz 56; ebenda G. Kodek § 48 Rz 6; Rechberger in Rechberger, AußStrG² [2013] § 26 Rz 9; LGZ Wien EFSlg 132.921; LG Krems an der Donau EFSlg 144.160). Den Antragsgegnern war die Beantwortung des Revisionsrekurses der Antragstellerin somit nicht zwingend freizustellen; es bedurfte auch nicht der – an sich zulässigen – Einholung einer Äußerung, weil die Antragsgegner ohnehin im erst- und im zweitinstanzlichen Verfahren ausreichend ihre jeweiligen Standpunkte dargelegt haben.

2. Nach § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG kann das Verfahren ganz oder zum Teil […] unterbrochen werden, wenn eine Vorfrage über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses den Gegenstand eines anderen anhängigen oder eines von Amts wegen einzuleitenden Verfahrens vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde bildet, die Lösung der Vorfrage im anhängigen Verfahren nicht ohne einen erheblichen Verfahrensaufwand möglich und mit der Unterbrechung keine unzumutbare Verzögerung verbunden ist. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (Rechberger in Rechberger, AußStrG² [2013] § 25 Rz 9).

2.1. Damit eine Unterbrechung zulässig ist, müsste die selbstständige Beurteilung der präjudiziellen Vorfrage im Außerstreitverfahren einen erheblichen Verfahrensaufwand (etwa durch die Einholung von Sachverständigengutachten, die Durchführung von Rechtshilfeersuchen ins Ausland und dergleichen) erfordern; ist dies nicht der Fall, ist eine Unterbrechung untunlich bzw unzweckmäßig (Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 25 Rz 43). Ist die Lösung der Vorfrage umgekehrt im Außerstreitverfahren mit normalem Aufwand möglich, darf das Verfahren nicht unterbrochen werden; es ist vielmehr weiterzuführen. Daran zeigt sich nach Rechberger (in Rechberger, AußStrG² § 25 Rz 9), dass das Gesetz die Lösung der Vorfrage im anhängigen Verfahren bevorzugt; erst wenn es derart unrentabel wird, dass es einen erheblichen Aufwand erzeugt, ist das Außerstreitverfahren zu unterbrechen.

2.2. Mit der Unterbrechung darf keine unzumutbare Verfahrensverzögerung verbunden sein; dieses Kriterium wird regelmäßig gegen die Unterbrechung von Rechtsfürsorge-, aber auch von Obsorge- und Kontaktregelungsverfahren oder von Kindesunterhalts-verfahren sprechen (Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 25 Rz 45; ähnlich Rechberger in Rechberger, AußStrG² § 25 Rz 8). Ganz generell kommt mit diesem Kriterium wiederum der Grundsatz des Vorrangs der Fortsetzung des Außerstreitverfahrens zum Ausdruck (Rechberger in Rechberger, AußStrG² § 25 Rz 9).

2.3. Als Kriterien für die Unterbrechung sind Tunlichkeit, Zweckmäßigkeit und Dringlichkeit heranzuziehen (Rechberger in Rechberger, AußStrG² § 25 Rz 8). Ob das Gericht das Verfahren außer Streitsachen unterbricht oder nicht, ist fakultativ; dies bedeutet aber nicht freies Ermessen, sondern Berücksichtigung der genannten Vorgaben des § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG (Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 25 Rz 46; vgl auch RIS-Justiz RS0036765). Aufgrund der präzisen gesetzlichen Voraussetzungen bleibt bei der Ermessensausübung allerdings nicht viel Spielraum (Rechberger in Rechberger, AußStrG² § 25 Rz 8; LGZ Wien EFSlg 129.178 [2010]). Auch wenn Zweck des § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG grundsätzlich die Vermeidung widersprechender Ergebnisse ist, hat im Zweifel der Außerstreitrichter die Vorfrage im anhängigen Verfahren selbst zu beurteilen (RIS-Justiz RS0131141 [T2]).

2.4. Dies entspricht auch der Rechtslage bei der Unterbrechung eines Zivilprozesses nach § 190 ZPO. Auch dort gilt, dass die Verhandlung, soweit tunlich, ohne Unterbrechung zu Ende zu führen und daher grundsätzlich ein Verfahrensstillstand nicht erwünscht, sondern vielmehr eine zügige Klärung der Rechtsfrage anzustreben ist. Die Unterbrechung muss also ausnahmsweise tunlich sein. Durch die Unterbrechung soll insgesamt eine tendenziell verfahrensökonomische Verbesserung der Situation im gegebenenfalls zu unterbrechenden Verfahren erzielt werden. Eine Unterbrechung ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn die alsbaldige Beendigung des präjudiziellen Verfahrens zu erwarten ist und im zu unterbrechenden Prozess voraussichtlich umfangreiche, mit großem Aufwand verbundene Beweisaufnahmen vermieden werden können. Lässt sich dagegen die Vorfrage ohne nennenswerten zusätzlichen Verfahrensaufwand lösen, bewirkt deren Lösung keine besonderen Komplikationen und kommt dem Verfahren (besondere) Dringlichkeit zu, so hat das Gericht die Klärung der Vorfragen ohne Unterbrechung des Verfahrens selbst vorzunehmen (vgl Höllwerth in Fasching/Konecny³ II/3 [2015] § 190 ZPO Rz 77).

3. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage vermag sich der erkennende Senat den Ausführungen der Vorinstanzen nicht anzuschließen:

3.1. Bei der gerichtlichen Bestellung oder Abberufung von Stiftungsorganen handelt es sich um ein Rechtsfürsorgeverfahren (RIS-Justiz RS0130581). Dies ergibt sich in einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit bereits aus dem Text des § 27 Abs 2 PSG, wonach die Abberufung von Mitgliedern eines Stiftungsorgans nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen zu erfolgen hat, wenn einer der im Gesetz genannten Abberufungsgründe vorliegt. Dies und das bei der Privatstiftung bestehende „Kontrolldefizit“ (6 Ob 224/16h; 6 Ob 243/15a) sprechen für ein besonders enges Verständnis der genannten Voraussetzungen bei der Unterbrechung eines Verfahrens auf Abberufung von Stiftungsvorständen:

Die Antragstellerin ist auf ein rasches Tätigwerden des Gerichts als einzige Kontrollinstanz angewiesen, zumal nur so dem aus Art 6 EMRK abgeleiteten Justizgewährungsanspruch, wonach jedermann Anspruch auf rasche und korrekte Abwicklung von Verfahren durch Gerichte hat, zum Durchbruch verholfen werden kann (vgl Konecny in Fasching/Konecny³ I [2013] Einleitung Rz 58 ff, insbesondere Rz 63). Aus diesem Grund müssen ganz besonders gewichtige Gründe vorliegen, die eine Unterbrechung des Verfahrens rechtfertigen.

3.2. Die Abberufung von Vorstandsmitgliedern einer Privatstiftung wirkt sofort, ohne dass der Ausspruch einer vorläufigen Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit iSd § 44 AußStrG erforderlich wäre (RIS-Justiz RS0120299 [T2]). Damit ist aber im weitergeführten Abberufungsverfahren ein wesentlich rascherer und effektiverer Rechtsschutz zu erreichen, als ein solcher bei Unterbrechung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Zivilprozesses gegeben wäre.

3.3. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Antragstellerin bereits am 11.05.2017 den Abberufungsantrag eingebracht und erst danach am 01.06.2017 den Zivilprozess gerichtsanhängig gemacht hat. Das Gesetz normiert keinen Grundsatz des Vorrangs des Zivilprozesses vor dem Außerstreitverfahren, weshalb Tunlichkeit und Zweckmäßigkeit der Unterbrechung des früher eingeleiteten Verfahrens schwer zu begründen sind; eine verfahrensökonomische Verbesserung der Situation (vgl Höllwerth in Fasching/Konecny³ II/3 § 190 ZPO Rz 77) wird durch die von den Vorinstanzen beschlossene Unterbrechung jedenfalls nicht erreicht.

Die Überlegungen des Erstgerichts, das streitige Verfahren sei für die Behandlung „kontradiktorischer Verfahren zweifellos besser geeignet als das außerstreitige Verfahren“, ein umfangreiches Beweisverfahren gehöre „naturgemäß“ in das streitige Verfahren, sind seit Inkrafttreten des AußStrG 2003 mit 01.01.2005 überholt (ausführlich Rechberger in Rechberger, AußStrG² Einl Punkt 2). Der Gesetzgeber hat zahlreiche Materien, die sich durch ein kontradiktorisches Verfahren und umfangreiches Beweisverfahren auszeichnen, bewusst in das Außerstreitverfahren verwiesen, so beispielsweise das Verfahren über das Erbrecht („Erbrechtsstreit“, §§ 161 ff AußStrG) oder zahlreiche Entscheidungen im Bereich des Wohnrechts (§ 37 MRG, § 52 WEG). Es unterliegt keinerlei Zweifel, dass das Außerstreitgesetz heute ein vollwertiges, eigenständiges zivilgerichtliches Erkenntnisverfahren normiert (vgl Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG Einl Rz 6).

3.4. Von ganz besonderer Bedeutung erscheint im vorliegenden Verfahren aber schließlich der Umstand, dass im Zivilprozess AZ 23 Cg 37/17s des Erstgerichts bislang noch nicht einmal eine vorbereitende Tagsatzung anberaumt wurde, obwohl bereits in der ersten Julihälfte 2017 die Klagebeantwortungen vorlagen und die Antragstellerin am 17.01.2018 ein „höfliches Ersuchen“ an den Streitrichter richtete, eine solche auszuschreiben. Seit Gerichtsanhängigkeit des Zivilprozesses am 01.06.2017 sind somit bislang rund 13 Monate vergangen, ohne dass irgendeine richterliche Tätigkeit erkennbar wäre. Bereits allein dieser Umstand macht eine Unterbrechung des Abberufungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Erledigung des Zivilprozesses für die Antragstellerin unzumutbar (vgl auch 1 Ob 233/12i, wonach sogar die Fortsetzung eines unterbrochenen Außerstreitverfahrens nach § 26 Abs 3 Satz 1 AußStrG zu erfolgen hat, wenn sich das präjudizielle Verfahren in einer Weise entwickelt, dass ein weiteres Zuwarten im unterbrochenen Verfahren für eine Partei mit einer unzumutbaren Verzögerung verbunden wäre; RIS-Justiz RS0128680).

4. Damit war aber dem Revisionsrekurs der Antragstellerin Folge zu geben und der Unterbrechungsantrag der Antragsgegner abzuweisen, ohne dass auf die Frage, ob das Verfahren AZ 23 Cg 37/17s des Erstgerichts überhaupt präjudiziell ist, näher einzugehen gewesen wäre.

5. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 78 Abs 2 ZPO. Im Abberufungsverfahren haften die Antragsgegner nach Köpfen (6 Ob 145/16s).

Leitsätze

  • Unterbrechung eines Verfahrens auf Abberufung von Stiftungsorganen

    Ein Außerstreitverfahren kann nur dann unterbrochen werden, wenn eine Vorfrage Gegenstand eines anderen Verfahrens ist, dessen Lösung im anhängigen Verfahren nicht ohne erheblichen Verfahrensaufwand möglich wäre und mit der Unterbrechung keine unzumutbare Verzögerung verbunden ist. Wenn nach 13 Monaten Gerichtsanhängigkeit noch keine richterliche Tätigkeit in einem Verfahren erkennbar ist, stellt das eine unzumutbare Verzögerung dar, schon deshalb war der Unterbrechungsantrag abzuweisen.
    WEKA (ffa) | Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 72/18h | OGH vom 28.06.2018 | Dokument-ID: 1010869