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Dokument-ID: 462062

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 97/12a; OGH 22. Juni 2012

GZ: 6 Ob 97/12a | Gericht: OGH vom 22.06.2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen W***** GmbH, mit dem Sitz in W*****, vertreten durch Dr. Günther Fuchs, öffentlicher Notar in Purkersdorf, über den Revisionsrekurs der Gesellschaft gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 29. März 2012, GZ 28 R 33/12x-13, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 25. Jänner 2012, GZ 73 Fr 26613/11t-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Mit Eingabe vom 21.12.2011, beim Erstgericht eingelangt am 27.12.2011, meldete Mag. M***** Z***** als einziger selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer die mit Gesellschaftsvertrag vom 21.12.2011 gegründete W***** GmbH zur Eintragung in das Firmenbuch an. Der Beginn seiner Vertretungsbefugnis sei mit 21.12.2011 einzutragen.

Das Erstgericht erteilte mit Zwischenerledigung vom 30.12.2011 einen Verbesserungsauftrag zur Nachreichung von Urkunden und wies außerdem darauf hin, dass im Firmenbuch als Beginn der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers das Datum der Neueintragung der Gesellschaft eingetragen werde.

Der Antragsteller replizierte darauf mit Eingabe vom 02.01.2012, die beabsichtigte Eintragung des Beginns seiner Vertretungsbefugnis erfolge gegen seinen Antrag und ohne Rechtsgrundlage. Er sei mit sofortiger Wirkung zum Geschäftsführer bestellt worden, dies sei nach Lehre und Judikatur zulässig. Im konkreten Fall sei es zur Annahme der Sacheinlage sogar geboten gewesen, anders hätte die Sacheinlage vor der Firmenbuchanmeldung nicht geleistet werden und er die Erklärung nach § 10 GmbHG nicht abgeben können. Der Antrag werde daher aufrecht erhalten.

Nachdem der Antragsteller in den weiteren Punkten dem Verbesserungsauftrag entsprochen hatte, verfügte das Erstgericht mit Beschluss vom 25.01.2012 die Neueintragung der Gesellschaft, die am 26.01.2012 im Firmenbuch vollzogen wurde. Als Beginn der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers Mag. M***** Z***** wurde der 26.01.2012 eingetragen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Da die Vorgesellschaft als solche nicht im Firmenbuch einzutragen sei, wäre die Eintragung der für die Vorgesellschaft vertretungsbefugten Personen lückenhaft, was dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit zuwiderlaufen würde. Dass die Vertretungsberechtigung schon für den Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung nach § 10 Abs 3 GmbHG ins Firmenbuch einzutragen wäre, könne dem Gesetz nicht entnommen werden. Auch das Bedürfnis nach Publizität rechtfertige es nicht, die begehrte Eintragung ohne gesetzliche Anordnung vorzunehmen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob für die Eintragung gemäß § 3 Abs 1 Z 8 FBG bei den vor der Entstehung des Rechtsträgers bestellten Geschäftsführern/Vorstandsmitgliedern das Datum der Bestellung eingetragen werden könne oder auch die Entstehung des Rechtsträgers und damit das Datum der Firmenbucheintragung abzustellen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass uneingeschränkt darauf verwiesen werden kann (§ 72 Abs 3 AußStrG).

2. Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung sind gemäß § 3 Z 8 FBG Name und Geburtsdatum ihrer vertretungsbefugten Personen sowie der Beginn und die Art ihrer Vertretungsbefugnis einzutragen.

3.1. Die GmbH selbst entsteht gemäß § 2 Abs 1 GmbHG erst mit ihrer Eintragung in das Firmenbuch (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 2 Rz 3; U. Torggler in Straube, Wiener Kommentar GmbHG § 3 Rz 7 ff). Die Vereinigung der Gesellschafter vor Entstehen der GmbH im Zeitraum zwischen dem Abschluss des Gesellschaftsvertrags und der Eintragung in das Firmenbuch wird als Vorgesellschaft bezeichnet. Diese ist im Gesetz nur äußerst rudimentär geregelt; im Wesentlichen beschränkt sich das Gesetz auf die Regelung der Haftung für vor dem Entstehen der GmbH in deren Namen eingegangene Verpflichtungen (§ 2 GmbHG).

3.2. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung muss bereits die Vorgesellschaft nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags einen oder mehrere Geschäftsführer haben. Dies ergibt sich aus § 3 Abs 1 Z 2 GmbHG, aber auch aus dem Inhalt der Anmeldung zum Firmenbuch (§ 9 GmbHG) und aus § 10 Abs 3 GmbHG. Die Geschäftsführer der Vorgesellschaft sind nach herrschender Ansicht nicht etwa Ermächtigungstreuhänder der Gründer, sondern Organe der Vorgesellschaft. Die Geschäftsführungsbefugnis hängt im Gründungsstadium davon ab, ob eine Bar- oder eine Sachgründung vorliegt. Bei Bargründung ist die Geschäftsführung auf die gründungsnotwendigen Handlungen beschränkt (SZ 48/141 ua), sofern der Gesellschaftsvertrag nichts Abweichendes bestimmt. Liegt hingegen eine Sachgründung vor, insbesondere die Einbringung ganzer Betriebe, erstreckt sich die Geschäftsführungsbefugnis auch auf die ordnungsgemäße Verwaltung der eingebrachten Sachen und die Weiterführung der Betriebe (Koppensteiner/Rüffler aaO, § 2 Rz 12 mwN).

4.1. Nach einer zweitinstanzlichen Entscheidung (OLG Innsbruck 3 R 20/08b NZ 2008, 305 = wbl 2009, 43) kann bei einer Aktiengesellschaft im Firmenbuch als Beginn der Vertretungsbefugnis auch ein vor Eintragung der Gesellschaft liegendes Datum eingetragen werden.

4.2. Umlauft (NZ 2008, 307 f) hat dieser Entscheidung zugestimmt. Weil der Vorstand bereits im Stadium der umfassend rechtsfähigen Vorgesellschaft für diese uneingeschränkt Rechte und Pflichten begründen könne und zwischen der Vorgesellschaft und der eingetragenen Gesellschaft in der Weise Identität herrsche, dass sämtliche Rechte und Pflichten, welche für die Vorgesellschaft begründet wurden, im Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft eo ipso zu solchen der eingetragenen Gesellschaft würden, sei bereits dieser vor Registrierung des Rechtsträgers im Firmenbuch gelegene Zeitpunkt des Beginns des Vertretungsrechts im Firmenbuch einzutragen, sofern im körperschaftsrechtlichen Bestellungsakt bereits dieser Zeitpunkt als Beginn des Vertretungsrechts vorgesehen sei.

4.3. Auch nach Torggler (wbl 2009, 44 f) besteht auch ohne Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Vorgesellschaft ein berechtigtes Verkehrsinteresse, das Datum der Bestellung der ersten Vorstandsmitglieder zu erfahren, weil bestellte Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zusammensetzung zumindest durch so genannte gründungsnotwendige Geschäfte unmittelbare Wirkungen zu Gunsten und zu Lasten des entstandenen Verbandes erzeugen könnten. Denselben Standpunkt vertritt Zib (in Zib/Dellinger, GroßKomm UGB § 3 FBG Rz 29).

5.1. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Dagegen spricht schon der Umstand, dass der Gesetzgeber eine Eintragung der Vorgesellschaft im Firmenbuch nicht vorsieht. Nach herrschender Rechtsprechung (6 Ob 33/92; 6 Ob 349/60 NZ 1961, 91 = ÖBA 1964, 314; RIS-Justiz RS0061788) und Lehre (G. Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 1 Rz 6 mwN; Eiselsberg/Schenk/Weißmann, FBG § 1 Rz 4 Burgstaller/Pilgerstorfer in Jabornegg/Artmann, UGB² § 1 FBG Rz 3) regelt das Gesetz die eintragungsfähigen Tatsachen abschließend; gesetzlich nicht vorgesehene Eintragungen haben grundsätzlich zu unterbleiben, zumal andernfalls die Gefahr besteht, dass das Firmenbuch unübersichtlich wird.

5.2. Die Zulässigkeit der begehrten Eintragung kann auch nicht auf die Generalklausel des § 3 Z 16 FBG gestützt werden. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut bezieht sich diese Bestimmung nämlich nur auf „sonstige Eintragungen, die gesetzlich vorgesehen sind“, also etwa Eintragungen nach §§ 2 ff EWIVG (G. Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 3 Rz 47). Für die Zulässigkeit nicht gesetzlich vorgesehener Eintragungen ist aus dieser Bestimmung nichts abzuleiten.

5.3. Die Eintragung von Geschäftsführern der Vorgesellschaft für einen vor Eintragung der Gesellschaft in das Firmenbuch liegenden Zeitraum kann auch nicht durch den Grundsatz der lückenlosen Dokumentation (vgl dazu G. Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 1 Rz 4; 6 Ob 235/03g) gerechtfertigt werden. Nach diesem Grundsatz kommt es nicht darauf an, ob der anmeldungspflichtigen Änderung im Zeitpunkt der Anmeldung bzw der Entscheidung über den Eintragungsantrag noch Aktualität zukommt. Vielmehr ergibt sich aus einer Reihe von Bestimmungen, dass vom Gesetzgeber eine lückenlose Dokumentation der anmeldungspflichtigen Daten angestrebt wird (G. Nowotny, aaO). Diese Überlegung gilt jedoch nur für bereits eingetragene Rechtsträger bzw für anmeldungspflichtige Daten und lässt sich nicht auf die Vorgesellschaft übertragen, für die der Gesetzgeber eine Eintragung im Firmenbuch gerade nicht vorsieht.

5.4. Die Eintragung einzelner Geschäftsführer einer Vorgesellschaft könnte bei den beteiligten Verkehrskreisen zudem den unzutreffenden Eindruck erwecken, dass das Firmenbuch hier ebenso wie bei allen Vorgängen hinsichtlich eingetragener Gesellschaften vollständig sei. Insoweit sprechen auch Rechtssicherheitsüberlegungen gegen die begehrte Eintragung. Schon das Rekursgericht hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Gründung der Gesellschaft nicht notwendig unmittelbar die Eintragung im Firmenbuch nach sich ziehen muss. Vielmehr kann es bei längerem Fortbestand der Vorgesellschaft durchaus zu einem Wechsel der Organwalter und/oder der Art und des Umfangs ihrer Vertretungsbefugnis kommen. Weil die Vorgesellschaft als solche im Firmenbuch nicht einzutragen ist, wäre in einem solchen Fall die Eintragung der für die Vorgesellschaft vertretungsbefugten Personen lückenhaft, was dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit zuwiderlaufen würde.

5.5. Zutreffend hat das Rekursgericht auch erkannt, dass die Eintragung des Beginns der Vertretungsbefugnis vor der Entstehung des Rechtsträgers auch aus Publizitätsgründen nicht erforderlich ist. Die Publizitätswirkungen des § 15 UGB umfassen jeweils nur den Firmenbuchstand im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, sodass der Verkehrsschutz nachträglich nicht begründet werden kann. Diejenigen Organwalter, die bereits für die Vorgesellschaft vertretungsberechtigt waren, werden einem Dritten in Bezug auf die gründungsnotwendigen Geschäfte ihre fehlende Bevollmächtigung nicht mit Erfolg entgegenhalten können. Sofern die Geschäftsführungsbefugnis im Stadium der Vorgesellschaft über die gründungsnotwendigen Geschäfte hinausging, wäre für diese die Eintragung des Beginns der Vertretungsberechtigung der Geschäftsführer bzw Vorstandsmitglieder schon vor Entstehung der Gesellschaft ebenso wenig aussagekräftig wie für den Fall, dass zwischen der Gründung der Gesellschaft und deren Eintragung im Firmenbuch ein Wechsel in den vertretungsberechtigten Personen und/oder der Art ihrer Vertretungsbefugnis stattgefunden hat.

5.6. Ebenfalls zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, dass aus der Verpflichtung zur Abgabe einer Erklärung nach § 10 Abs 3 GmbHG nicht auf die Notwendigkeit der Eintragung der Vertretungsbefugnis im Firmenbuch geschlossen werden kann.

6. Damit erweist sich die angefochtene Entscheidung aber als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

Leitsätze

  • Keine Eintragung von Geschäftsführern einer Vorgesellschaft

    Sowohl Überlegungen zur Rechtssicherheit und Publizität als auch der Grundsatz der lückenlosen Dokumentation sprechen gegen die Eintragung von Geschäftsführern einer Vorgesellschaft im Firmenbuch.
    WEKA (gau) | Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 97/12a | OGH vom 22.06.2012 | Dokument-ID: 447335