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Judikatur | Entscheidung

8 Ob 133/15i; OGH; 28. Juni 2016

GZ: 8 Ob 133/15i | Gericht: OGH vom 28.06.2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Jandl & Schöberl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 2. E***** M*****, 3. H***** K*****, beide vertreten durch Aigner Fischer Unter Rechtsanwaltspartnerschaft in Ried im Innkreis, sowie 4. F***** M*****, vertreten durch Dr. Christof Strasser, Rechtsanwalt in Wien, wegen 10.199,68 EUR samt Anhang, über die Revision der zweit- und drittbeklagten Partei sowie der Revision der viertbeklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. August 2015, GZ 60 R 94/14z-37, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 28. August 2014, GZ 1 C 385/13v-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die zweit- bis viertbeklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 883,15 (darin EUR 147,19 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

Die ursprünglich vier beklagten Parteien waren die persönlich haftenden Gesellschafter einer Offenen Gesellschaft, die mit der Klägerin als Leasinggeberin am 08.02.2012 einen Leasingvertrag über einen Pkw geschlossen hatte.

Wegen Zahlungsverzugs löste die Klägerin den Leasingvertrag nach zwei vergeblichen Mahnungen mit Schreiben vom 05.06.2013 vorzeitig auf.

Die Gesellschaft wurde am 15.08.2013 aus dem Firmenbuch gelöscht. Der Dritt- und Viertbeklagte waren bereits im April bzw Mai 2012 als Gesellschafter ausgeschieden.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von EUR 10.199,68 sA als Endsaldo aus der Leasingabrechnung.

Gegenüber der vormals Erstbeklagten erwuchs der Zahlungsbefehl des Erstgerichts in Rechtskraft.

Die zweit- bis viertbeklagten Parteien bestritten das Klagebegehren und wandten ein, sie seien im Zeitpunkt der Auflösung des Leasingvertrags nicht mehr Gesellschafter der OG gewesen.

Die Klägerin habe keine ordnungsgemäße Mahnung unter der Adresse jedes einzelnen Schuldners vorgenommen und keine Nachfrist gewährt. Auch die Auflösung des Vertrags sei nicht gegenüber allen ehemaligen Gesellschaftern erklärt worden. Der Zweitbeklagte wäre, wäre er von der Nichtzahlung der Leasingraten verständigt worden, in den Vertrag eingetreten, wodurch keine weiteren Kosten aufgelaufen wären. Bei der Verwertung des Fahrzeugs habe die Klägerin ihre Schadenminderungspflicht verletzt, indem sie ein günstigeres Kaufanbot grundlos ausgeschlagen habe, auch seien die vereinbarten Verzugszinsen sittenwidrig.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Die Forderung der Klägerin gegenüber der Leasingnehmerin sei berechtigt. Sie habe keine Schadenminderungsobliegenheiten verletzt, die Höhe der Verzugszinsen sei nicht sittenwidrig. Einer zusätzlichen Mahnung und Auflösungserklärung gegenüber jedem einzelnen Gesellschafter habe es nicht bedurft, vielmehr seien die Beklagten gemäß §§ 159 bzw 160 UGB für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftbar.

Das Berufungsgericht gab den Rechtsmitteln der Beklagten nicht Folge und billigte die Rechtsausführungen des Erstgerichts.

Der Klägerin sei keine Personenmehrheit, sondern die Gesellschaft als Leasingnehmerin gegenübergestanden, weshalb auch Mahnungen und Auflösungserklärung nur an diese zu richten gewesen seien.

Allerdings sei die Frage, ob im Fall einer Personengesellschaft als Leasingnehmerin analog § 1118 ABGB Erklärungen auch den einzelnen Gesellschaftern gesondert zugestellt werden müssten, in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht behandelt worden, sodass die ordentliche Revision zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin beantworteten Revisionen der Zweit- und Dritt- sowie des Viertbeklagten sind im Sinne des Ausspruchs des Berufungsgerichts im über den Einzelfall hinausreichenden Interesse einer Verdeutlichung der Rechtslage zulässig, sie sind aber nicht berechtigt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0025091; RS0025263) wirken bei Gesamtschuldverhältnissen Verschulden und Verzug nur gegen den Schuldigen und Säumigen, sofern sich nicht aus der Natur des Schuldverhältnisses anderes ergibt. Bei einer Personenmehrheit auf der Schuldnerseite eines Leasingvertrags müssen Auflösungserklärungen daher allen Leasingnehmern zugestellt werden (RIS-Justiz RS0025098).

Diese Rechtsprechung ist – wie die Vorinstanzen bereits zutreffend erkannt haben – hier nicht einschlägig. Der gegenständliche Leasingvertrag wurde zwischen der Klägerin und der OG geschlossen, es existiert keine Personenmehrheit auf Schuldnerseite.

Die Beklagten werden im Verfahren nicht als Leasingnehmer, sondern als für die Verbindlichkeiten der Leasingnehmerin persönlich haftende Gesellschafter in Anspruch genommen.

2. Zur Annahme einer gegen die Offene Gesellschaft gerichteten Willenserklärung ist nach § 125 Abs 2 letzter Satz UGB jedenfalls jeder Gesellschafter (der nicht im Gesellschaftsvertrag von der Gesamtvertretung ausgeschlossen wurde) für sich allein passiv vertretungsbefugt. Mit dem Wort „jedenfalls“ wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die passive Vertretungsmacht jedem einzelnen zur Vertretung befugten Gesellschafter immer auch alleine zukommen muss und davon abweichende Vereinbarungen oder Satzungsbestimmungen aus Gründen des Verkehrsschutzes unzulässig sind (ErlRV 1058 BlgNR 22. GP 41). Diese Regelung ist zwingend, die passive Einzelvertretungsmacht bezieht sich sowohl auf rechtserhebliche Erklärungen tatsächlicher Art, wie die Mitteilung von einem Zahlungsverzug, als auch auf die Empfangnahme von Kündigungen (RIS-Justiz RS0062215; Artmann aaO, Rz 31; Koppensteiner/Auer aaO, Rz 23).

Dass die Mahnung und Erklärung der Vertragsauflösung gegenüber der Gesellschaft im dargestellten Sinn wirksam erfolgt ist, stellen die Revisionswerber nicht infrage.

3. Beiden Revisionen war daher nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Leitsätze

  • OG als Vertragspartner (Leasingvertrag)

    Im Falle einer OG als Leasingnehmerin besteht auf der Schuldnerseite keine Personenmehrheit, womit es keiner Zustellung auch an die einzelnen Gesellschafter bedarf. Gemäß § 125 Abs 2 letzter Satz UGB ist zur Annahme einer gegen die OG gerichteten Willenserklärung jedenfalls jeder Gesellschafter (außer beim Ausschluss von der Gesamtvertretung) für sich allein passiv vertretungsbefugt.
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