Dokument-ID: 1087197

Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Leitsatz

Gilt die Notariatsaktspflicht des § 76 Abs 2 GmbHG auch für Nebenabreden wie eine Anweisung zur Zahlung des Kaufpreises?

Geschäftszahl

OGH vom 17.12.2020, 6 Ob 186/20a

Norm

§ 76 GmbHG

Leitsatz

Quintessenz:

Die Notariatsaktspflicht des § 76 Abs 2 GmbHG bezieht sich nur auf den notwendigen Mindestinhalt des Vertrags. Es genügt, wenn der Notariatsakt eine genaue Bezeichnung des Geschäftsanteils, des Veräußerers und des Erwerbers enthält. Der Formzwang erstreckt sich somit weder auf die Gegenleistung noch auf Nebenabreden wie eine Anweisung zur Bezahlung des Preises. Auch Vereinbarungen, die nur im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Anteilsübertragung stehen, sind von der Formpflicht nicht umfasst.

OGH: Im Anlassfall schloss die Alleingesellschafterin der beklagten Gesellschaft als Verkäuferin mit einer weiteren Gesellschaft „E“ als Käuferin einen Vorvertrag über den Verkauf der Geschäftsanteile. Dieser Vorvertrag wurde nicht als Notariatsakt errichtet. Ein Anteilskaufvertrag bzw Abtretungsvertrag in Notariatsaktsform wurde im Anschluss ebenfalls nicht errichtet.

Die Klägerin vereinbarte mit der erwerbenden Gesellschaft „E“, dass ihr diese Teile des zu erwerbenden Geschäftsanteils abtreten werde und der Kaufpreis direkt an die beklagte Alleingesellschafterin zu leisten sei. Auch dieser Vertrag wurde nicht in Notariatsaktsform errichtet. Da beide Verträge mangels Notariatsakts ungültig waren, begehrte die Klägerin von der Beklagten nun die Rückzahlung des bezahlten Kaufpreises.

Nach § 76 Abs 2 GmbHG bedarf es zur Übertragung von Geschäftsanteilen mittels Rechtsgeschäfts unter Lebenden eines Notariatsakts. Der Formpflicht unterliegen auch Vereinbarungen über die Verpflichtung eines Gesellschafters zur künftigen Abtretung eines Geschäftsanteils. Die Verletzung der Formvorschrift führt zur Ungültigkeit des Geschäfts.

Während in der vorliegenden Anweisungskonstellation das Deckungs- und das Valutaverhältnis mangels Notariatsakts ungültig waren, gilt das nicht für die zwischen der Klägerin und der „E“-GmbH vereinbarte Anweisung. Der Formzwang des § 76 Abs 2 GmbHG bezieht sich nach hA nur auf den notwendigen Mindestinhalt des Vertrags. Reine Nebenabreden sind dagegen nicht formbedürftig. Es ist sogar ausreichend, wenn der Notariatsakt nur eine genaue Bezeichnung des Geschäftsanteils, des Veräußerers und des Erwerbers enthält. Der Formzwang erstreckt sich somit nicht einmal auf die Gegenleistung.

Reine Nebenabreden sind somit nicht formpflichtig, wobei nach der Rechtsprechung zu berücksichtigen ist, ob eine Nebenabrede dem Formzweck zuwiderläuft. Wird zum Notariatsakt in einer formlosen Nebenabrede zusätzlich ein weiterer Kaufpreis für den Erwerb eines Geschäftsanteils vereinbart, so liegt darin nach der Judikatur keine Verletzung der Formvorschrift des § 76 Abs 2 GmbHG. Auch Vereinbarungen, die bloß im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Anteilsübertragung stehen, sind von der Formpflicht nicht umfasst.

Daraus ergibt sich, dass im vorliegenden Fall die Anweisung nicht von der Notariatsaktspflicht umfasst war. Wenn nicht einmal die Gegenleistung, dh die Preisvereinbarung selbst von der Formpflicht erfasst ist, so kann dies umso weniger für eine Anweisung gelten, die die Zahlung des Kaufpreises zum Gegenstand hat. Da es sich somit um eine wirksam vereinbarte Anweisung handelt, kann die Klägerin den Kaufpreis nur von der anweisenden „E“-GmbH kondizieren, nicht aber von der anweisungsempfangenden Beklagten.

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