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Dokument-ID: 784294

Judikatur | Entscheidung

Ra 2014/02/0049; VwGH; 19. Juni 2015

GZ: Ra 2014/02/0049 | Gericht: VwGH vom 19.06.2015

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Revisionen 1. des J (protokolliert zu hg. Zl Ra 2014/02/0049) sowie 2. des Mag. K (protokolliert zu hg. Zl 2014/02/0050), beide in W, beide vertreten durch die Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Universitätsring 10, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes jeweils vom 8. Mai 2014,

1.) Zl W210 2000445-1/7E (betreffend den Erstrevisionswerber),

2.) Zl W210 2000444-1/5E (betreffend den Zweitrevisionswerber), jeweils betreffend Übertretung des WAG 2007 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzmarktaufsichtsbehörde, weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die Revisionswerber haben dem Bund jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Die Mehrbegehren werden abgewiesen.

Begründung

1. Mit Straferkenntnissen jeweils vom 24. Jänner 2013 verhängte die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) über die Revisionswerber gemäß § 9 des Wertpapieraufsichtsgesetzes 2007 (WAG), BGBl I Nr 60/2007, iVm § 95 Abs 2 zweiter Strafsatz WAG, BGBl I Nr 60/2007 idF BGBl I Nr 35/2012, Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 3.000,– (Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 36 Stunden). Die Revisionswerber hätten als Geschäftsführer der A GmbH, einer Wertpapierfirma, gemäß § 9 Abs 1 VStG zu verantworten, dass die

A GmbH zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2011 unter Zugrundelegung des nach § 9 Abs 2 WAG geforderten Eigenkapitals in der Höhe von EUR 125.000,– bei Berücksichtigung der zusätzlichen Eigenkapitalsanforderung zur Absicherung des operationellen Risikos in der Höhe von EUR 4.507,87 und des Kreditrisikos gemäß § 9 Abs 5 Z 1 WAG in der Höhe von EUR 4.487,87 statt EUR 133.995,63 lediglich EUR 23.846,– an Eigenkapital gehalten und somit eine Eigenkapitalunterdeckung von EUR 110.149,27 aufgewiesen habe. Das Eigenkapitalerfordernis sei bis zur Zurücklegung der Konzession mit 20. August 2012 nicht eingehalten worden. Somit habe die A GmbH im Zeitraum vom 1. Jänner 2012 bis 20. August 2012 gegen die Verpflichtung des § 9 WAG, jederzeit ausreichendes Eigenkapital zu halten, verstoßen.

2. Das Bundesverwaltungsgericht gab mit den angefochtenen Erkenntnissen den dagegen erhobenen Berufungen der Revisionswerber in der Schuldfrage keine Folge und bestätigte die Bescheide jeweils mit der Maßgabe, dass der Tatzeitraum 1. Jänner 2012 bis 20. August 2012 zu lauten habe. In der Straffrage gab das Bundesverwaltungsgericht den Berufungen insofern Folge, als es jeweils die Strafe auf EUR 2.700,– (32 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) herabsetzte. Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG erklärte es die Revision für unzulässig.

3. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes Revisionsbeantwortungen, in denen sie die kostenpflichtige Zurück- bzw Abweisung der Revisionen beantragte.

4. Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.

5. In ihren außerordentlichen Revisionen machen die Revisionswerber zur Begründung der Zulässigkeit zusammengefasst geltend, es bestehe keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, wie lange Geschäftsführer nach der Bestimmung des § 9 WAG Zeit hätten, eine Eigenkapitalunterschreitung zu beseitigen. Das Bundesverwaltungsgericht scheine die Anforderung der „Jederzeitigkeit“ so zu verstehen, dass nicht einmal – wie in den vorliegenden Fällen – unverzüglich getroffene Behebungsversuche ausreichen würden. Eine Strafbarkeit der Revisionswerber könne nur vorliegen, wenn ihnen die Eigenmittelunterschreitung vorwerfbar sei. Da unstrittig sei, dass die Revisionswerber keine Verantwortung für die Unterschreitung treffe, könne sich der Begriff „jederzeit“ nicht darauf beziehen, dass der Geschäftsleiter jedenfalls dann verantwortlich zu machen sei, wenn diese nicht sofort beseitigt werde.

Es fehle auch an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage, welche konkreten Pflichten einen Geschäftsführer zur Behebung einer (unvorhersehbaren) Eigenkapitalunterschreitung gemäß § 9 WAG träfen. Die Revisionswerber hätten alle adäquaten Maßnahmen getroffen, um eine Aufstockung des Eigenkapitals herbeizuführen. Es seien Gespräche mit den Gesellschaftern über eine Kapitalerhöhung geführt worden und es hätten intensive Verhandlungen mit der P AG über einen Eintritt in die Gesellschaft stattgefunden. Die vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigte Möglichkeit einer vorübergehenden Zuführung von Kapital durch die Gesellschafter sei rechtlich unzulässig und unwirksam. Den Revisionswerbern fehle es daher an der Möglichkeit eines rechtmäßigen Alternativverhaltens.

6. Gemäß § 9 Abs 2 WAG haben Wertpapierfirmen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen jederzeit ausreichendes Eigenkapital zu halten. Sinkt das Eigenkapital aufgrund einer Auszahlung von Entschädigungen gemäß § 76 unter das gemäß Abs 2 erforderliche Ausmaß, so hat die Wertpapierfirma gemäß § 9 Abs 4 WAG das erforderliche Ausmaß von 25 vH der fixen Gemeinkosten längstens innerhalb der folgenden drei Geschäftsjahre zu erreichen.

Daraus ergibt sich, dass Wertpapierfirmen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen (außer in dem – hier nicht vorliegenden – Fall des § 9 Abs 4 WAG) zu jedem Zeitpunkt ein iSd

§ 9 WAG ausreichendes Eigenkapital zu halten haben. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass das Tatbild des § 95 Abs 2 Z 2 iVm

§ 9 WAG etwa nur dann erfüllt wäre, wenn eine – aus welchem Grund auch immer eingetretene – Unterschreitung des erforderlichen Eigenkapitals nicht innerhalb einer bestimmten Frist behoben wird.

Angesichts einer derart klaren Rechtslage haben die Revisionswerber mit ihrem Vorbringen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 28. Mai 2014, Zl Ro 2014/07/0053).

7. Soweit sich die Revisionswerber mit ihrem Vorbringen dagegen wenden, dass das Bundesverwaltungsgericht das Vorliegen eines Verschuldens bejaht hat, hängen die Revisionen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ab, weil zwischen dem Versuch, die Gesellschafter der A GmbH zu einer Kapitalerhöhung zu bewegen, und der Zurücklegung der Konzession mit 20. August 2012 mehrere Monate lagen, in denen es den Revisionswerbern nicht gelungen ist, für ausreichendes Eigenkapital iSd § 9 WAG zu sorgen. Es kam daher in den vorliegenden Fällen überhaupt nicht darauf an, ob auch eine „unverzügliche“ Behebung zu einer Strafbarkeit geführt hätte.

Im Übrigen ist ein Geschäftsführer im Falle der Behinderung durch die Gesellschafter verpflichtet, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden (vgl. dazu bereits die hg. Erkenntnisse vom 6. Juli 1981, Zl 705/80, VwSlg 5611 F/1981, und vom 27. März 1985, Zl 83/13/0110, sowie das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2008, Zl 2005/08/0129); entsprechendes gilt auch für den Fall, dass die Gesellschafter eine aufgrund gesetzlicher Vorschriften zwingend erforderliche Erhöhung des Eigenkapitals nicht durchführen.

8. In den Revisionen werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.

9. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014. Den Ersatz eines Vorlageaufwandes für die Partei gemäß § 21 Abs 1 Z 2 VwGG sieht das Gesetz nicht vor, weshalb die darauf gerichteten Anträge abzuweisen waren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2015, Zl Ro 2014/02/0121).

Wien, am 19. Juni 2015

Leitsätze

  • Beseitigung einer Eigenkapitalunterschreitung nach § 9 WAG

    § 95 Abs 2 Z 2 WAG iVm § 9 WAG sieht keine Frist vor, innerhalb derer die Unterschreitung des Eigenkapitals im erforderlichen Ausmaß zu beheben ist. Die Strafbarkeit entfällt nicht, wenn die Geschäftsführer mit dem Versuch, die Gesellschafter zu einer Eigenkapitalerhöhung im erforderlichen Ausmaß zu bewegen, scheitern und in der Folge nach einigen Monaten die Konzession zurückgelegt wird.
    WEKA (vpa) | Judikatur | Leitsatz | Ra 2014/02/0049 | VwGH vom 19.06.2015 | Dokument-ID: 784005