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Dokument-ID: 1048515

Judikatur | Entscheidung

Ro 2017/13/0009; VwGH; 4. September 2019

GZ: Ro 2017/13/0009 | Gericht: VwGH vom 04.09.2019

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und die Hofräte Dr. Mairinger, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revisionen 1. der B GmbH und 2. der T GmbH, beide in W, beide vertreten durch die Ecovis Austria Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1060 Wien, Schmalzhofgasse 4, gegen die Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichts 1. vom 19. Dezember 2016, Zl RV/5100775/2015, und 2. vom 18. Jänner 2017, Zl RV/5100775/2015, jeweils betreffend Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2010, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von (jeweils) EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Die erstrevisionswerbende Partei (in der Folge auch: B GmbH) war seit 2006 Gruppenmitglied, die zweitrevisionswerbende Partei (in der Folge auch: TB GmbH) Gruppenträgerin einer seit 2006 gebildeten Unternehmensgruppe.

2. Über das Vermögen der B GmbH wurde am 18. November 2008 der Konkurs eröffnet. Am 14. Juli 2010 wurde der Konkurs nach Schlussverteilung (Konkursquote 2,4 %) aufgehoben. Am 10. November 2010 wurde die B GmbH im Firmenbuch amtswegig gelöscht.

3. Mit Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2010 vom 11. Juli 2014 (gerichtet sowohl an die B GmbH als auch an die TB GmbH) stellte das Finanzamt das Einkommen der B GmbH als Gruppenmitglied „im Jahr 2010“ – abweichend von der Erklärung (dort wurde ein Verlust von ca 2 Mio Euro angegeben) – mit ca 2 Mio Euro fest. Das Einkommen werde zu 100 % dem Gruppenträger (der TB GmbH) zugerechnet.

4. In der – gesonderten – Begründung führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, nach § 19 Abs 2 KStG 1988 sei steuerlicher Liquidationsgewinn der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn, der sich aus der Gegenüberstellung des Abwicklungs-Endvermögens und des Abwicklungs-Anfangsvermögens ergebe. Das Abwicklungs-Anfangsvermögen betrage unstrittig ca minus 2 Mio Euro. Ob ein Wirtschaftsgut im Abwicklungs-Endvermögen anzusetzen sei, hänge davon ab, ob es zur Verteilung an die Gesellschafter gelange bzw auf diese übertragen werde. Verbindlichkeiten der abgewickelten Gesellschaft, die – wie im vorliegenden Fall – bis zum Ende der Abwicklung nicht getilgt würden, gingen mangels Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolge nicht auf die Gesellschafter über. Sie kämen am Ende der Abwicklung nicht zur Verteilung und seien aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 19 Abs 4 KStG 1988 („Abwicklungs-Endvermögen ist das zur Verteilung kommende Vermögen“) im Abwicklungs-Endvermögen nicht anzusetzen. Da keine Vermögensverteilung an die Gesellschafter erfolgt sei, sei das Abwicklungsendvermögen mit EUR 0,– anzusetzen, woraus sich der Liquidationsgewinn mit ca 2 Mio Euro ergebe. Dieses Liquidationsergebnis des Gruppenmitglieds sei dem Gruppenträger zuzurechnen.

5. Die revisionswerbenden Parteien erhoben gegen den Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2010 in einem gemeinsamen Schriftsatz Beschwerde. Sie machten insbesondere geltend, das Abwicklungs-Endvermögen habe ein Eigenkapital in Höhe von ca minus 4 Mio Euro ausgewiesen. Insbesondere seien im Zeitraum zwischen dem Beginn des Liquidationszeitraums und der Konkurseröffnung noch massive Verluste angefallen; weitere Verluste seien im Zeitraum der Insolvenzabwicklung zu verzeichnen gewesen. Die nach Abwicklung verbleibenden Verbindlichkeiten seien nicht weggefallen. Trotz amtswegiger Löschung der GmbH könnten Gläubiger ihre Forderungen – innerhalb der Verjährungsfrist von 30 Jahren – bei einem allfälligen Auftauchen von nachträglichem Vermögen im Wege einer Nachtragsliquidation gegenüber der gelöschten GmbH geltend machen. Die Insolvenz einer Kapitalgesellschaft ändere nichts daran, dass Verbindlichkeiten unternehmensrechtlich und steuerlich zu passivieren seien. Anders als im Sanierungsverfahren führe das Konkursverfahren zu keinem Wegfall der Schulden. Die Schulden seien daher weiterhin anzusetzen und dürften nicht „ausgebucht“ werden. Eine Grundlage für die Kürzung des Abwicklungs-Endvermögens um jene Schulden, die bei Gläubigern – bei diesen als Forderungen – allenfalls mangels Einbringlichkeit einer Abschreibung unterliegen könnten, existiere nicht. Im vorliegenden Fall ergebe sich ein Liquidationsverlust, der dem Gruppenträger zuzurechnen sei.

6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 19. Jänner 2015 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

7. Die revisionswerbenden Parteien beantragten die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht. 8 Mit den angefochtenen, im Wesentlichen inhaltsgleichen Erkenntnissen wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab.

9. Nach umfangreicher Wiedergabe von Verwaltungspraxis und Literatur kam das Bundesfinanzgericht zusammengefasst zum Ergebnis, dass Verbindlichkeiten keinen Bestandteil des Abwicklungs-Endvermögens einer Körperschaft darstellten. Der Gesetzeswortlaut sei bereits bei grammatikalischer Interpretation, aber auch aus Sicht des historischen Gesetzgebers (beginnend mit dem deutschen KStG 1920), unmissverständlich. Auch der Umstand, dass nach der Liquidation einer Körperschaft verbleibende Verbindlichkeiten, ungeachtet ihres zivilrechtlichen Fortbestehens, in der Regel nicht von den verbleibenden Anteilseignern im Sinne einer „negativen Verteilung“ zu übernehmen seien, spreche für eine derartige Betrachtungsweise. Dies gelte insbesondere beim hier vorliegenden Fall einer Insolvenz, wo ein Fall einer Tilgung der rechtlich noch bestehenden Verbindlichkeiten (seitens der – ehemaligen – Körperschaft) überhaupt nur eintreten könne, wenn nachträglich noch Vermögen hervorkommen sollte. In einem derartigen Fall käme das Korrektiv des § 32 Abs 1 Z 2 EStG 1988 zur Anwendung, sodass insoweit, wenn auch in einem anderen Besteuerungszeitraum, nachträgliche Betriebsausgaben entstünden.

10. Ein Gruppenmitglied scheide – anders als ein Gruppenträger – mit Beginn der Liquidation nicht aus einer Unternehmensgruppe aus, weil es bei ihm nicht zu einer Vermischung der Begünstigungen des § 19 KStG 1988 und § 9 KStG 1988 kommen könne. Eine Ausnahme läge nur im – hier nicht gegebenen – Fall vor, dass die Mindestdauer nicht erfüllt wäre.

11. Die Beantwortung der strittigen Frage, ob Verbindlichkeiten in das Abwicklungs-Endvermögen einer Körperschaft Eingang fänden und demnach Einfluss auf das steuerliche Ergebnis hätten, ergebe sich zwar bereits aus dem Gesetzeswortlaut des § 19 Abs 4 KStG 1988. Da aber namhafte Autoren Bedenken gegen die den Ansatz von Verbindlichkeiten verneinende Rechtsansicht angemeldet hätten und überdies hiezu keine Rechtsprechung existiere, liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, sodass eine ordentliche Revision zulässig sei.

12. Dies alles legte das Bundesfinanzgericht zunächst in einem mit 19. Dezember 2016 datierten Erkenntnis dar, nach dessen Kopf damit die „Beschwerdesache (B GmbH)“ erledigt und das der B GmbH zu Handen ihrer Vertreter zugestellt wurde.

13. In einem zweiten, mit 18. Jänner 2017 datierten, der TB GmbH zu Handen ihrer Vertreter zugestellten und im Wesentlichen inhaltsgleichen Erkenntnis behandelte das Bundesfinanzgericht - dem Kopf zufolge - die „Beschwerdesache (TB GmbH)“. Als beschwerdeführende Gesellschaft wurde in den Entscheidungsgründen aber auch hier (nur) die B GmbH angeführt. Entschieden wurde über „das Einkommen der Bf“, die „seit 2006 Gruppenmitglied“ gewesen sei.

14. Gegen diese Erkenntnisse wenden sich die getrennt eingebrachten Revisionen, in denen es zur Vorgangsweise des Bundesfinanzgerichtes heißt, „das Erkenntnis“ sei zunächst dem Gruppenmitglied (B GmbH) und in der Folge „auch an den Gruppenträger“ (TB GmbH) „zugestellt“ worden.

15. Das Finanzamt hat jeweils eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

16. Der Verwaltungsgerichtshof hat – nach Verbindung der Verfahren – erwogen:

17. Vorauszuschicken ist, dass das Bundesfinanzgericht über die in einem gemeinsamen Schriftsatz eingebrachten Beschwerden zweier beschwerdeführender Parteien gegen einen einheitlichen Feststellungsbescheid iSd § 24a KStG 1988 zu entscheiden hatte und darüber in einer einheitlichen Beschwerdeentscheidung (§ 281 BAO) abzusprechen war (vgl. dazu etwa VwGH 24.6.2010, 2007/15/0284). Inwieweit das – in den Revisionen nicht weiter gerügte – Vorgehen des Bundesfinanzgerichtes sich damit in Einklang bringen ließe, bedarf aus den im Folgenden dargestellten Gründen aber keiner näheren Prüfung.

18. Die Revisionswerberinnen erachten sich in den Rechten darauf verletzt, dass es erstens nicht – aufgrund des in den angefochtenen Erkenntnissen angenommenen Wegfalls von Verbindlichkeiten (in Höhe der in der Schlussbilanz ausgewiesenen Schulden) – beim Gruppenmitglied zu einer Gewinnerhöhung im Zuge des Abwicklungsergebnisses gemäß § 19 KStG 1988 komme und zweitens das steuerliche Ergebnis des Gruppenmitglieds nicht dem Gruppenträger zugerechnet werde, da das Gruppenmitglied – „insbesondere“ wegen der Konkurseröffnung „bzw der Liquidation“ – in den „Streitjahren“ nicht mehr zur Unternehmensgruppe gehört habe.

19. Die Revisionen sind im Hinblick darauf, dass zu den strittigen Fragen keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, zulässig; sie sind auch begründet.

20. § 19 KStG 1988 (idF BGBl I Nr 161/2005) lautet:

Auflösung und Abwicklung (Liquidation)

§ 19. (1) Erfolgt bei einem unter § 7 Abs 3 fallenden Steuerpflichtigen, der seine Auflösung beschlossen hat, tatsächlich die Abwicklung, ist der Besteuerung der Liquidationsgewinn zugrunde zu legen.

(2) Liquidationsgewinn ist der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn, der sich aus der Gegenüberstellung des Abwicklungs-Endvermögens und des Abwicklungs-Anfangsvermögens ergibt.

(3) Der Besteuerungszeitraum darf drei Jahre, in den Fällen der Abwicklung im Insolvenzverfahren fünf Jahre nicht übersteigen. Das Finanzamt kann diesen Zeitraum in berücksichtigungswürdigen Fällen auf Antrag verlängern.

(4) Abwicklungs-Endvermögen ist das zur Verteilung kommende Vermögen. Sind im Abwicklungs-Endvermögen nicht veräußerte Wirtschaftsgüter enthalten, sind sie mit dem gemeinen Wert anzusetzen.

(5) Abwicklungs-Anfangsvermögen ist das Betriebsvermögen, das am Schluß des der Auflösung vorangegangenen Wirtschaftsjahres nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung anzusetzen war. Wird die Auflösung im Wirtschaftsjahr der Gründung (Errichtung) beschlossen, ist Abwicklungs-Anfangsvermögen das eingezahlte Kapital.

(6) Auf die Gewinnermittlung sind im Übrigen die sonst geltenden Vorschriften anzuwenden.

(7) Erfolgt bei einem nicht unter Abs 1 fallenden Steuerpflichtigen die Abwicklung, richtet sich die Steuerpflicht nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1988 und dieses Bundesgesetzes.“

21. Im vorliegenden Fall erfolgte die Auflösung der B GmbH durch Konkurseröffnung (§ 84 Abs 1 Z 4 GmbHG idF vor BGBl I Nr 58/2010). Es folgte eine „Verteilung“ des vorhandenen Vermögens nicht durch Liquidatoren an die Gesellschafter, wie in § 91 Abs 3 GmbHG geregelt, sondern durch den Masseverwalter und das Gericht an die Gläubiger nach den Regeln des Insolvenzverfahrens. Die Abwicklungsvorschriften der §§ 89 ff GmbH gelten in einem solchen Fall als „verdrängt“ (vgl. Gelter in Gruber/Harrer, GmbHG2, § 84 Rz 26).

22. Dass § 19 KStG 1988 – und damit vor allem der besondere Besteuerungszeitraum gemäß § 19 Abs 3 KStG 1988 – dessen ungeachtet zur Anwendung kommt, steht seit der darauf Bezug nehmenden Änderung dieses Absatzes durch das Abgabenänderungsgesetz 2005, BGBl I Nr 161/2005, jedenfalls fest und ist trotz des Umstandes, dass die Auflösung in diesen Fällen nicht vom „Steuerpflichtigen (…) beschlossen“ wird, unstrittig (vgl. auch insoweit schon das im Folgenden zu erörternde Erkenntnis VwGH 26.11.2014, 2011/13/0008, 0009, VwSlg 8959/F). An die Stelle einer „Abwicklung“ im gesellschaftsrechtlichen Sinn tritt dabei die „Konkursabwicklung“ (vgl. zu Schwierigkeiten mit dem Wortlaut, die sich in diesem Zusammenhang aus Änderungen gegenüber den deutschen KStG von 1920 und 1922 im deutschen KStG 1934 ergaben, RFH 05.03.1940, I 44/40).

23. Strittig ist zunächst die Interpretation des Begriffes des Abwicklungs-Endvermögens. Nach § 19 Abs 4 KStG 1988 handelt es sich hiebei um „das zur Verteilung kommende Vermögen“.

24. Bei Interpretation dieser Formulierung ist der Zweck der Bestimmung des § 19 KStG 1988 zu berücksichtigen. § 19 KStG 1988 ordnet auf Ebene der Körperschaft eine Schlussbesteuerung an. Diese Bestimmung sieht eine finale Besteuerung der im Betriebsvermögen im Laufe des Bestandes der Körperschaft angesammelten stillen Reserven vor; es kommt somit zu einer „Steuerentstrickung“. Damit wird sichergestellt, dass die aufgrund der allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften unversteuert gebliebenen Vermögensvermehrungen (stillen Reserven) bei der letzten sich bietenden Möglichkeit besteuert werden, bevor das Steuersubjekt endgültig wegfällt (vgl. Schneider in Achatz/Kirchmayr, KStG, § 19 Tz 68, mwN).

25. Eine darüber hinausgehende Besteuerung einer bei der zu liquidierenden Gesellschaft nicht eingetretenen Vermögensmehrung ergibt sich daraus nicht. Im Regelfall einer Abwicklung (durch Liquidatoren) wird das „zur Verteilung kommende Vermögen“ nur mehr aus dem Erlös der (unter Aufdeckung der stillen Reserven) versilberten Aktiven nach Abrechnung der Passiven bestehen. Soweit einzelne Aktiven in natura verteilt werden, sind sie mit dem gemeinen Wert anzusetzen (vgl. Pucharski, Körperschaftsteuergesetz (1950), § 14 Anm 7; Hristov in Lang ua, KStG2, § 19 Rz 54 und 57). Es kann aber auch eine Naturalteilung des Vermögens erfolgen. Im Zuge etwa einer Übernahme eines Teilbetriebes können dabei von einem Gesellschafter auch Verbindlichkeiten übernommen werden (vgl. Gelter, aaO, § 91 Tz 36). Diese offenen Verbindlichkeiten sind dann als verteiltes Vermögen zu beurteilen.

26. Wie Schulden zu bewerten sind, die im Zuge einer Abwicklung durch Liquidatoren auf keinen Gesellschafter übergehen, bedarf hier keiner Erörterung (vgl. zu § 11 des deutschen KStG Micker in Hermann/Heuer/Raupach, EStG und KStG, Lfg. 278, § 11 KStG, Anm 44, wonach eine auf Bewertungsgesichtspunkten beruhende gewinnwirksame Ausbuchung nicht stattzufinden habe). Dass sie Teil des Abwicklungs-Endvermögens sind, steht – bei im Wesentlichen gleicher Rechtslage – in Deutschland außer Frage (vgl. insoweit BFH 05.02.2014, I R 34/12). Den Ansatz der Schulden im Abwicklungs-Endvermögen in einem der Bewertung vorgelagerten Schritt von ihrer tatsächlichen „Verteilung“ abhängig zu machen, wie dies das Bundesfinanzgericht vertritt, stünde mit dem oben dargelegten Gesetzeszweck in keinem Zusammenhang und wird durch den Wortlaut der Bestimmung nur auf den ersten Blick nahegelegt. Gemeint war mit der Formulierung im Gesetz, die aus einer Hinzurechnungsvorschrift im deutschen KStG 1920 stammt, stets das für eine Verteilung zur Verfügung stehende Vermögen, das auch negativ sein kann (vgl. – mit Argumenten gegen ein zu wörtliches Verständnis und Ausführungen uA zu Fusionsfällen, in denen die Verteilung unterbleibt – schon Evers, Kommentar zum Körperschaftssteuergesetz (1923), 340 ff).

27. Im Konkurs, in dem das Vermögen nicht an die Gesellschafter, sondern nach den insolvenzrechtlichen Regeln an die Gläubiger verteilt wird, ist die in § 19 Abs 4 KStG 1988 auf den Regelfall der Verteilung an Gesellschafter abstellende Bestimmung auch nur sinngemäß anwendbar (so ausdrücklich § 11 Abs 7 des deutschen KStG, wo vom Unterbleiben einer „Abwicklung“ ausgegangen wird, während § 19 Abs 3 KStG 1988 - insoweit noch der zitierten Entscheidung des RFH folgend - dem gesellschaftsrechtlichen Begriff der „Abwicklung“ den Begriff der „Abwicklung im Insolvenzverfahren“ zur Seite stellt). Der Betrachtungsweise des Bundesfinanzgerichtes ist auch deshalb nicht zu folgen.

28. Die Revisionswerberinnen machen weiters geltend, die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des einzigen Gruppenmitglieds habe die Gruppe beendet und der vom Bundesfinanzgericht bestätigte Feststellungsbescheid sei schon deshalb nicht rechtmäßig gewesen. Sie verweisen dazu auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 2014, 2011/13/0008, 0009, VwSlg 8959/F.

29. In diesem Erkenntnis, das die Eröffnung des Konkurses über eine als Gruppenträgerin vorgesehene Gesellschaft betraf, betonte der Verwaltungsgerichtshof mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, das „Regime der Gruppenbesteuerung“ sei „nach der Gesetzessystematik auf die operativen Einkünfte werbender Körperschaften im Sinne des § 7 KStG 1988 ausgerichtet“. Im zu entscheidenden Fall einer Insolvenz des angestrebten Gruppenträgers würde eine Vermischung der Besteuerungsregime des (die Gruppe betreffenden) § 9 KStG 1988 und des (die Ermittlung des Liquidationsgewinnes betreffenden) § 19 KStG 1988 auch zu dem nicht sachgerechten Ergebnis führen, dass die Gruppenmitglieder von den steuerlichen Erleichterungen des in Liquidation befindlichen Gruppenträgers, etwa in Form eines durch den besonderen Besteuerungszeitraum ermöglichten Verlustrücktrages, profitieren könnten. In teleologischer Interpretation sei daher davon auszugehen, dass eine nach § 19 KStG 1988 in Liquidation befindliche Kapitalgesellschaft nicht als Gruppenträger im Sinne des § 9 KStG 1988 in Betracht komme.

30. Dass das Regime der Gruppenbesteuerung nach der Gesetzessystematik auf die Einkünfte werbender Körperschaften im Sinne des § 7 KStG 1988 ausgerichtet sei, legte der Verwaltungsgerichtshof auch dem Erkenntnis vom 20. Dezember 2016, Ro 2014/15/0045, zugrunde, in dem er mit diesem Hinweis begründete, schon die Gesetzessystematik spreche auch dagegen, dass mit einer nur eine Liebhabereitätigkeit ausübenden Körperschaft als Gruppenmitglied eine Gruppe gebildet werden könne. Das Kriterium einer werbenden Tätigkeit wurde hier auf das Gruppenmitglied angewendet.

31. Aus dem ersten dieser beiden Erkenntnisse wurde schon abgeleitet, nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes scheine „lediglich eine Einbeziehung von operativen Einkünften der Gruppenmitglieder in das Ergebnis der Unternehmensgruppe zulässig zu sein“ (so Punkt 3.2. des Erlasses des Bundesministeriums für Finanzen vom 25. August 2015, BMF-010216/0009-VI/6/2015, daraus aber in Punkt 3.6. für den Fall der Liquidation eines Gruppenmitglieds keine Konsequenzen ziehend; vgl dazu Mayr, RdW 2015, 453 (456), mit dem Hinweis, die in Punkt 3.6. des Erlasses vertretene Position könne sich angesichts der Aussagen des Erkenntnisses als „zu großzügig“ erweisen, und nochmals Mayr, RdW 2015, 601; vgl auch Wurm, GES 2015, 310 (313)).

32. Es trifft zu, dass die Vermischung der beiden Besteuerungsregime im Falle (hier:) des Konkurses eines Gruppenmitglieds nicht mit den gleichen konkreten Folgen verbunden wäre, um die es in dem Erkenntnis vom 26. November 2014 ging (so vor allem Mechtler/Pinetz, ÖStZ 2015, 497). Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Gruppenbesteuerung dem Ausgleich der Gewinne und Verluste werbender Gesellschaften dient, die Verrechnung von Abwicklungsergebnissen mit operativen Ergebnissen diesem Zweck nicht entspräche und im Besonderen auch die Erfassung eines konsolidierten Ergebnisses mehrerer Jahre in einem Jahresergebnis des Gruppenträgers systemwidrig wäre (vgl. dazu etwa Urtz in Achatz/Kirchmayr, KStG § 9 Tz 253; zur dort problematisierten Wahl des Ausdrucks „Einkommen“ statt „Gewinn oder Verlust aus Einkunftsquellen des jeweiligen Wirtschaftsjahres“ das Erkenntnis vom 26.11.2014).

33. Das Abwicklungsergebnis war daher nicht gemäß § 24a Abs 1 KStG 1988 als dem Gruppenträger zuzurechnendes Einkommen des Gruppenmitglieds festzustellen.

34. Die angefochtenen Erkenntnisse waren aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

35. Von der von den Revisionswerberinnen beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. 36 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Leitsätze

  • Sind Verbindlichkeiten Bestandteil des Abwicklungs-Endvermögens einer Körperschaft?

    Ziel des § 19 KStG 1988 ist es, den Liquidationsgewinn zu besteuern, dh die bis dahin unversteuert gebliebenen Vermögensvermehrungen (stillen Reserven) zu besteuern, bevor das Steuersubjekt wegfällt. Beurteilungsmaßstab ist das Abwicklungs-Endvermögen, das auch negativ sein, dh aus Verbindlichkeiten bestehen kann. Dass diese Passiva keiner „Verteilung“ im engeren Sinn unterliegen, ändert angesichts des Gesetzeszwecks nichts an ihrer Qualifikation als Abwicklungs-Endvermögen.
    Judikatur | Leitsatz | Ro 2017/13/0009 | VwGH vom 04.09.2019 | Dokument-ID: 1048502