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Florian Linder - Lukas Schenk | News | 15.04.2020

Änderungen durch das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz bei AG und GmbH

Die Gastautoren Dr. Florian Linder (Foto) und Dr. Lukas Schenk erläutern in ihrem Gastbeitrag ausführlich alle Neuerungen, die sich bezüglich Versammlungen der Gesellschafter und Sitzungen von Organmitgliedern durch das Gesetz ergeben.

In der AG und GmbH sind regelmäßige Versammlungen der Gesellschafter und Sitzungen von Organmitgliedern (insbesondere AR) – teilweise innerhalb bestimmter Fristen – vorgesehen. Nach der gesetzlichen Konzeption handelt es sich um Präsenzversammlungen bzw -sitzungen mit physischer Anwesenheit der Teilnehmer. Von diesem Erfordernis konnte bisher nur unter bestimmten Voraussetzungen abgegangen werden. Mit dem Gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Gesetz (COVID-19-GesG), zuletzt geändert mit dem 4. COVID-19-Gesetz, hat der Gesetzgeber bestimmte Fristen erstreckt und Erleichterungen für die Abhaltung von Versammlungen und Sitzungen vorgesehen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Änderungen, die bis zum 31.12.2020 gelten.

Frist für die ordentliche Hauptversammlung einer AG

Innerhalb der ersten acht Monate eines Geschäftsjahres hat bei der AG eine ordentliche Hauptversammlung (HV) stattzufinden (§ 104 Abs 1 AktG). In dieser ist der Jahresabschluss vorzulegen und über die Verwendung des Bilanzgewinns und die Entlastung der Organe zu beschließen. Nach dem COVID-19-GesG muss die ordentliche HV einer AG nun innerhalb der ersten zwölf Monate des Geschäftsjahrs der betreffenden Gesellschaft stattfinden.

Frist für die ordentliche Generalversammlung einer GmbH

Auch für die GmbH wird festgelegt, dass die ordentliche Generalversammlung gemäß § 35 Abs 1 Z 1 GmbHG innerhalb der ersten zwölf Monate (statt acht Monate) des Geschäftsjahres stattfinden muss (§ 2 Abs 3 COVID-19-GesG).

Andere in der Satzung/im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Versammlungen

Soweit im Gesellschaftsvertrag einer GmbH oder in der Satzung einer AG Fristen oder Termine für bestimmte Versammlungen festgelegt sind, können diese auch zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr 2020 stattfinden (§ 2 Abs 4 COVID-19-GesG).

Fristen für AR-Sitzungen

Gemäß § 94 Abs 3 AktG und § 30i Abs 3 GmbHG muss der AR mindestens ein Mal im Quartal eine Sitzung abhalten. § 2 Abs 5 COVID-19-GesG bestimmt, dass es keine Verletzung von § 94 Abs 3 AktG oder § 30i Abs 3 GmbHG darstellt, wenn aufgrund von COVID-19 die Durchführung von Aufsichtsratssitzungen bis zum 30.04.2020 nicht möglich ist. Nach dem 30.04.2020 können und müssen AR-Sitzungen (allenfalls „virtuell“) wieder stattfinden.

Aufstellung und Einreichung des Jahresabschlusses

Bei Kapitalgesellschaften (AG, GmbH) muss der Jahresabschluss (JA) samt Anhang und Lagebericht (sowie gegebenenfalls weiteren Unterlagen zB Corporate Governance-Bericht) grundsätzlich innerhalb der ersten fünf Monate des Geschäftsjahres aufgestellt und dem AR vorgelegt werden (§ 222 Abs 1 UGB). Gemäß § 3a COVID-19-GesG kann diese Frist um höchstens vier Monate überschritten werden, wenn es den gesetzlichen Vertretern einer Kapitalgesellschaft infolge der COVID-19-Pandemie nicht möglich ist, die Unterlagen rechtzeitig aufzustellen. Die Frist für die Aufstellung endet (bei einem Regelwirtschaftsjahr) damit spätestens am 30.09.2020. Dasselbe gilt auch für den Konzernabschluss und Konzernlagebericht.

Gemäß § 277 Abs 1 UGB müssen der JA samt Lagebericht und der Ergebnisverwendungsbeschluss (sowie gegebenenfalls weitere Unterlagen wie zB der Corporate Governance Bericht) innerhalb von neun Monaten nach dem Bilanzstichtag zum Firmenbuch eingereicht werden. Bei einer großen AG ist der JA gemäß § 277 Abs 2 UGB zu veröffentlichen.

Mit dem 2. COVID-19-Maßnahmenpaket wurde zunächst eine Hemmung dieser Fristen angeordnet, die im Ergebnis eine Verlängerung um 40 Tage bedeutete (= Fristende 09.11.2020). Mit dem 4. COVID-19-Gesetz wird nunmehr festgelegt, dass die in § 277 Abs 1 UGB genannten Unterlagen spätestens 12 Monate nach dem Bilanzstichtag einzureichen sind und die Veröffentlichung gemäß § 277 Abs 2 UGB bis spätestens 12 Monate nach dem Bilanzstichtag zu erfolgen hat.

Bei einem Bilanzstichtag 31. 12. gelten daher folgende Fristen:

  • Aufstellung Jahresabschluss (+ weitere Unterlagen) bis 30. 9. 2020
  • Abhaltung der ordentlichen HV/GV bis 31. 12. 2020
  • Einreichung zum Firmenbuch bis 31. 12. 2020
  • Veröffentlichung gem § 277 Abs 2 UGB bis 31. 12. 2020

Abhaltung einer virtuellen HV bei der AG

Es stellt sich die Frage, ob (ordentliche oder außerordentliche) Gesellschafterversammlungen als Präsenzversammlungen abzuhalten oder auch „virtuelle“ Versammlungen zulässig sind.

Bei der AG müssen Beschlüsse in der HV gefasst werden, eine schriftliche Beschlussfassung wie bei der GmbH ist im AktG nicht vorgesehen (wenngleich die Satzung eine schriftliche Stimmabgabe vorsehen kann; § 102 Abs 6 iVm § 127 AktG). Die HV ist grundsätzlich eine Präsenzversammlung. Allerdings kann die Satzung vorsehen, dass die Aktionäre an der HV im Weg elektronischer Kommunikation in der Form einer Satellitenversammlung, Fernteilnahme oder Fernabstimmung teilnehmen (§ 102 Abs 3 AktG). Dennoch ist die HV weiterhin als Präsenzversammlung konzipiert (Bachner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 102 Rz 12).

§ 1 Abs 1 COVID-19-GesG bestimmt nunmehr, dass zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 Versammlungen von Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft nach Maßgabe der Verordnung gemäß Abs 2 auch ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer durchgeführt und Beschlüsse auch auf andere Weise gefasst werden können. Diese Möglichkeiten stehen jedenfalls bis Ende 2020 zur Verfügung.

Gemäß § 1 Abs 2 COVID-19-GesG ist die BMJ ermächtigt, durch Verordnung nähere Regelungen betreffend die Durchführung der in Abs 1 genannten Versammlungen zu treffen, die im Rahmen der jeweils eingesetzten Kommunikationswege eine möglichst hohe Qualität der Rechtssicherheit bei der Willensbildung gewährleisten.

Bestimmungen der Gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Verordnung

Die entsprechende Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Verordnung (COVID-19-GesV) wurde mit BGBl II 140/2020 am 08.04.2020 kundgemacht. Das BMJ hat auch schon einen Erlass mit Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen der Verordnung veröffentlicht (GZ 2020-0.223.429).

Gemäß § 2 COVID-19-GesV ist die Durchführung einer virtuellen Versammlung zulässig, wenn eine Teilnahmemöglichkeit an der Versammlung von jedem Ort aus mittels einer akustischen und optischen Zweiweg-Verbindung in Echtzeit besteht. Dabei muss es jedem Teilnehmer möglich sein, sich zu Wort zu melden und an Abstimmungen teilzunehmen. Falls einzelne, höchstens jedoch die Hälfte der Teilnehmer nicht über die technischen Mittel für eine akustische und optische Verbindung mit der virtuellen Versammlung verfügen oder diese Mittel nicht verwenden können oder wollen, so ist es auch ausreichend, wenn die betreffenden Teilnehmer nur akustisch mit der Versammlung verbunden sind. Wenn bei einer virtuellen Versammlung Anlass zu Zweifeln an der Identität eines Teilnehmers besteht, so hat die Gesellschaft seine Identität auf geeignete Weise zu überprüfen.

Sonderbestimmungen bestehen für die virtuelle HV einer AG (§ 3 COVID-19-GesV). Dafür ist es auch ausreichend, wenn eine Teilnahmemöglichkeit an der Versammlung von jedem Ort aus mittels einer akustischen und optischen Verbindung in Echtzeit besteht, wobei der einzelne Aktionär dem Verlauf der Versammlung nur folgen kann, aber auf andere Weise in die Lage versetzt wird, während der Versammlung Wortmeldungen abzugeben und an Abstimmungen teilzunehmen. Für die Abgabe von Wortmeldungen (Fragen und Beschlussanträge) können während der Versammlung angemessene zeitliche Beschränkungen festgelegt werden. Ergänzend sind die Bestimmungen über die Fernteilnahme (§ 102 Abs 3 Z2 AktG) und die Fernabstimmung (§ 102 Abs 3 Z 3 AktG und § 126 AktG) sinngemäß anzuwenden. Zusätzlich zur virtuellen Durchführung der Hauptversammlung kann auch eine Übertragung der Hauptversammlung (§ 102 Abs 4 AktG) und/oder eine Abstimmung per Brief (§ 127 AktG) erfolgen, auch wenn dies nicht in der Satzung vorgesehen ist. Bei einer börsenotierten AG kann unter bestimmten Voraussetzungen die Ausübung von Aktionärsrechten durch einen besonderen Stimmrechtsvertreter vorgeschrieben werden (§ 3 Abs 4 COVID-19-GesV).

Fraglich ist die Einhaltung von Formgeboten, etwa die notarielle Protokollierung von Beschlüssen oder bei einem Beschluss auf Satzungsänderung. Das 4. COVID-19-Gesetz sieht in dieser Hinsicht eine Änderung der Notariatsordnung zur Ermöglichung von notariellen Amtshandlungen unter Nutzung von elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten vor (§ 90a NO).

Ob die Nichteinhaltung der Anforderungen des COVID-10-GesG und der COVID-19-GesV einen Anfechtungsgrund bildet, wird letztlich wohl nach der Relevanz des Beschlussmangels zu beurteilen sein.

Abhaltung einer virtuellen Generalversammlung bei der GmbH

Bei der GmbH können Beschlüsse grundsätzlich gemäß § 34 Abs 1 GmbHG schriftlich im Umlaufweg gefasst werden, wenn sich sämtliche Gesellschafter damit einverstanden erklären. Eine schriftliche Beschlussfassung scheidet hingegen dann aus, wenn ein Gesellschafter widerspricht oder der Gesellschaftsvertrag – zulässigerweise – vorsieht, dass eine schriftliche Beschlussfassung nicht zulässig ist. Bei einer entsprechenden Grundlage im Gesellschaftsvertrag wurde auch schon bisher eine Versammlung in Form einer Telefon- oder Videokonferenz als zulässig erachtet (W. Winkler in FAH § 34 GmbHG Rz 4).

Auch für die GmbH sehen § 1 COVID-19-GesG und § 2 COVID-19-GesV die Möglichkeit einer „virtuellen“ Generalversammlung vor. Hiefür sind die allgemeinen Voraussetzungen von § 2 COVID-19-GesV zu beachten (siehe oben bei der AG), Sondervorschriften für die GV einer GmbH sieht die Verordnung nicht vor. Diese Möglichkeit einer virtuellen GV ist insbesondere dann relevant, wenn der Gesellschaftsvertrag keine entsprechende Grundlage enthält. Unklar ist hingegen, ob schriftliche Beschlussfassungen unabhängig davon zulässig sind, ob sämtliche Gesellschafter mit einer solchen Beschlussfassung einverstanden sind oder der Gesellschaftsvertrag eine abweichende Regelung enthält. Die COVID-19-GesV enthält keine entsprechende Ermächtigung; in den genannten Fällen wird daher im Zweifel die Abhaltung einer virtuellen GV angeraten sein.

Abhaltung von virtuellen AR-Sitzungen

§ 1 Abs 1 COVID-19-GesG sieht ferner die Möglichkeiten von virtuellen Sitzungen von Organmitgliedern einer Kapitalgesellschaft (somit insbesondere des Aufsichtsrats) nach Maßgabe der COVID-19-GesV vor. Die virtuellen Sitzungen sind uE auf die erforderliche Mindestzahl an Sitzungen gemäß § 94 Abs 3 AktG, § 30i Abs 3 GmbHG anzurechnen.

Durchführung außerordentlicher Versammlungen in der Krise

Sowohl bei der AG als auch bei der GmbH können außerordentliche Gesellschafterversammlungen erforderlich werden, insbesondere bei Verlust des halben Grundkapitals gem § 83 AktG bzw halben Stammkapitals bei der GmbH oder wenn bei der GmbH die Eigenmittelquote weniger als 8 % und die fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre beträgt (§ 36 Abs 2 GmbHG). In diesen Fällen trifft den Vorstand bzw die Geschäftsführer die Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung. Gerade in der derzeitigen Krisensituation werden in vielen Unternehmen diese Pflichten zu beachten sein. Auch solche Versammlungen können nach Maßgabe des COVID-19-GesG und der COVID-19-GesV als virtuelle Versammlungen abgehalten werden. Eine schriftliche Beschlussfassung wird hier in der Regel hingegen nicht zweckmäßig sein. Gerade in der Unternehmenskrise wird es sinnvoll sein, von der Geschäftsführung zunächst Auskünfte über die wirtschaftliche Lage zu verlangen und über mögliche Sanierungsmaßnahmen zu diskutieren. Dies ist bei einer schriftlichen Beschlussfassung nicht möglich.

Autoren

MMag. Dr. Florian Linder:

MMag. Dr. Florian Linder ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er war Universitätsassistent am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien und ist ständiges Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Finanzmarktrecht. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Gesellschafts- und Unternehmensrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht und Liegenschafts-, Miet- und Wohnrecht.

Florian.linder@vbsn.at

Dr. Lukas Schenk:

Dr. Lukas Schenk ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er war als Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien sowie bei der Europäischen Kommission in Brüssel tätig. Dr. Lukas Schenk ist ständiger Vortragender an der Akademie der Wirtschaftstreuhänder. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Umstrukturierungen-Umgründungen, Gesellschaftsrecht einschließlich Gesellschafterkonflikt und Geschäftsführerberatung, Gewerberecht sowie Arbeitsrecht.

Lukas.schenk@vbsn.at

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