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Florian Linder - Lukas Schenk | News | 18.12.2018

Aktuelle Rechtsprechung zur Zustimmungspflicht bei Übertragung des ganzen Vermögens einer GmbH

Die Gastautoren Dr. Lukas Schenk und Dr. Florian Linder erläutern anhand einer aktuellen OGH-Entscheidung, ob § 237 AktG auf die GmbH analog anzuwenden ist und somit ein Beschluss der Hauptversammlung erforderlich ist.

In der Entscheidung vom 26.04.2018, 6 Ob 38/18h, bejahte der OGH aufgrund der vergleichbaren Interessenlage die analoge Anwendung des § 237 AktG auf die GmbH, wonach eine Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens einer AG nur aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung zulässig ist.

Ausgangslage für die Entscheidung war die Genehmigung eines Kaufvertrags über die Veräußerung des „weit überwiegenden (Aktiv-)Vermögens“ einer GmbH. Die Genehmigung erfolgte durch Gesellschafterbeschluss mit einfacher Mehrheit, wobei Punkt 8. des Gesellschaftsvertrags für die Beschlussfassung generell eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen vorsah.

Der OGH stellte in analoger Anwendung von § 237 AktG die Unwirksamkeit des Unternehmenskaufvertrags fest, da die Generalversammlung dem Unternehmenskaufvertrag nicht mit (zumindest) Dreiviertelmehrheit zugestimmt hatte. Die analoge Anwendung gilt dabei offenbar gleichermaßen für die Übertragung des Gesellschaftsvermögens auf den Hauptgesellschafter bzw eine Konzerngesellschaft wie für die Übertragung an einen unabhängigen Dritten. Die Frage der erforderlichen Mehrheit für die Zustimmung der Gesellschafter sowie der Pflicht zur notariellen Beurkundung wurden hingegen höchstgerichtlich nicht beantwortet.

Wesentlicher Teil des (Aktiv-)Vermögens

Nach der Rechtsprechung des OGH (RIS-Justiz RS0103746) reicht es für die Anwendbarkeit des § 237 AktG aus, wenn – entgegen dem Gesetzeswortlaut – der wesentliche Teil der Vermögensaktiven der Gesellschaft von der Übertragung erfasst ist. Für die nähere Abgrenzung ist darauf abzustellen, ob so viele und solche Aktiven veräußert werden, dass die Veräußerung als solche – also ohne weitere Maßnahmen – materiell eine Änderung des Unternehmensgegenstands der Aktiengesellschaft bewirken würde oder sachlich eine Abwicklung der Gesellschaft praktisch vorwegnimmt. Nicht erforderlich ist, dass auch (Teile der) Passiva übernommen werden.

Notwendigkeit der Beschlussfassung, Rechtsfolge

Aufgrund der analogen Anwendung des § 237 AktG auf die GmbH ist die Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss Voraussetzung für die Wirksamkeit des Übertragungsvertrags, wobei damit bereits das Verpflichtungsgeschäft (und nicht erst die sachenrechtliche Verfügung) gemeint ist.

Erforderliche Mehrheit

Die einfache Mehrheit reicht nach der gegenständlichen Entscheidung jedenfalls nicht. Die Frage, ob eine Dreiviertelmehrheit oder sogar Einstimmigkeit erforderlich ist, blieb offen. In der Lehre wird diese Frage bisher uneinheitlich beantwortet: Teilweise wird die analoge Anwendung des § 90 Abs 4 GmbHG vertreten, der im Liquidationsstadium die Zustimmung der Gesellschafter zu einer Veräußerung des Vermögens als Ganzes mit Dreiviertelmehrheit normiert. Die Gegenmeinung stützt sich auf § 50 Abs 3 GmbHG (analog), wonach die Änderung des Unternehmensgegenstands eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses bedarf.

Analoge Anwendung der Pflicht zur notariellen Beurkundung?

Die Form des Unternehmenskaufvertrags wurde in der Entscheidung nicht thematisiert, scheiterte seine Wirksamkeit doch bereits an der (zumindest) notwendigen Dreiviertelmehrheit in der Generalversammlung. Ungeachtet dessen, stellt sich die Frage, ob auch die Pflicht zur notariellen Beurkundung von Unternehmenskaufverträgen gemäß § 237 Abs 2 AktG analog anzuwenden ist und bejahendenfalls, mit welchen Konsequenzen die Nichteinhaltung dieser Formvorschrift einhergeht.

Zu § 237 Abs 2 AktG selbst wird die Ansicht vertreten, dass die Formpflicht – bei sonstiger Unwirksamkeit – schon für das Verpflichtungsgeschäft gilt. Unter dem Erfordernis der notariellen Beurkundung wird nach der hA gemeinhin das Erfordernis eines Notariatsakts verstanden. Eine Heilung des Formmangels bei Eintragung in das Firmenbuch gemäß § 5 Z 4 zweiter Fall FBG wird vertreten (so Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 237 Rz 17 mwN; dagegen Winner in MünchKomm3 § 179a Rz 100 unter Verweis auf die bloß deklarative Wirkung der Eintragung).

In der Lehre wird – soweit ersichtlich – ein Analogieschluss hinsichtlich der Formpflicht gemäß § 237 Abs 2 AktG als überschießend abgelehnt (Gall in Doralt/Nowotny/Kalss, Aktiengesetz2 II § 237 Rz 20).

Autoren

Dr. Lukas Schenk:

Dr. Lukas Schenk ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er war als Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien sowie bei der Europäischen Kommission in Brüssel tätig. Dr. Lukas Schenk ist ständiger Vortragender an der Akademie der Wirtschaftstreuhänder. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Umstrukturierungen-Umgründungen, Gesellschaftsrecht einschließlich Gesellschafterkonflikt und Geschäftsführerberatung, Gewerberecht sowie Arbeitsrecht.

Lukas.schenk@vbsn.at

MMag. Dr. Florian Linder:

MMag. Dr. Florian Linder ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er war Universitätsassistent am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien und ist ständiges Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Finanzmarktrecht. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Gesellschafts- und Unternehmensrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht und Liegenschafts-, Miet- und Wohnrecht.

Florian.linder@vbsn.at

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