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Georg Streit | News | 30.08.2011

Aktuelles zur Offenlegung von Jahresabschlüssen bei Kapitalgesellschaften

Mag. Streit erläutert in seinem Beitrag, welche verschärften Regelungen durch das Budgetbegleitgesetz 2011 im Bezug auf die Einhaltung der Offenlegungspflicht seit 2011 gelten. Bei Nichteinhaltung muss mit gehörigen Zwangsstrafen gerechnet werden.

Am 1.1.2011 trat mit dem Budgetbegleitgesetz (BBG) 2011, BGBl I 2010/111 auch eine Änderung der Rechtslage im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Offenlegung von Jahresabschlüssen von Kapitalgesellschaften in Kraft. Die Einhaltung dieser Offenlegungsverpflichtung soll durch die Verschärfung der Regelung über die Verhängung von Zwangsstrafen sichergestellt werden. Nun, knapp vor dem für die meisten österreichischen Kapitalgesellschaften relevanten Stichtag, dem 30.9., liegen erste Entscheidungen zur verschärften Zwangsstrafenregelung vor.

Offenlegungspflicht

Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder von Kapitalgesellschaften haben den Jahresabschluss und den Lagebericht, gegebenenfalls auch einen Corporate Governance-Bericht spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag samt Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung oder Einschränkung beim zuständigen Firmenbuchgericht einzureichen. Bei kleinen Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind nur Bilanz und Anhang einzureichen (§§ 277 ff UGB). Die Verpflichtung zur Offenlegung umfasst in der Bilanz und in der Gewinn- und Verlustrechnung auch die Angabe der entsprechenden Zahl der vorangegangenen Geschäftsjahre (§ 223 Abs 2 UGB).

Zwangsstrafen zur Durchsetzung

In Umsetzung der Richtlinie 2009/101/EG („Publizitätsrichtlinie“) sah § 283 UGB bis zum 31.12.2010 vor, dass das Firmenbuchgericht die Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder von Kapitalgesellschaften, die dieser Verpflichtung nicht nachkommen, durch die Androhung von Zwangsstrafen zur Einhaltung der Offenlegungsverpflichtung anzuhalten haben. Dies ergab sich aus der Anwendung des § 24 Firmenbuchgesetz (FBG) auch auf das Verfahren zur Verhängung von Zwangsstrafen nach § 283 UGB. Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 erhielt § 283 Abs 1 UGB mit Wirksamkeit ab 1.1.2011 zwei neue Schlusssätze, nämlich „Die Zwangsstrafe ist nach Ablauf der Offenlegungsfrist zu verhängen. Sie ist wiederholt zu verhängen, soweit die genannten Organe ihren Pflichten nach je weiteren zwei Monaten noch nicht nachgekommen sind.“ Gleichzeitig wurde eine Mindeststrafhöhe von EUR 700,00 festgelegt.

Die Absätze 2 bis 6 regeln das Verfahren bei der Verhängung von Zwangsstrafen. Demnach ist bei Verletzung der Offenlegungsverpflichtung seit 1.1.2011 keine vorangegangene Aufforderung zur Einreichung des Jahresabschlusses mehr erforderlich, vielmehr haben die Firmenbuchgerichte sofort die Zwangsstrafen von EUR 700,00 mittels „Zwangsstrafverfügung“ zu verhängen. Gegen diese steht binnen 14 Tagen Einspruch unter Darlegung von Gründen für die Nichtbefolgung der Offenlegungsverpflichtung offen, der die Zwangsstrafverfügung außer Kraft setzt. In diesem Fall hat das Firmenbuchgericht über die Verhängung einer Zwangsstrafe im Ausmaß von EUR 700,00 bis EUR 3.600,00 im ordentlichen Verfahren zu entscheiden. Eine weitere Zwangsstrafe von EUR 700,00 kann verhängt werden, wenn die Offenlegung binnen zwei Monaten nach Ablauf der dafür vorgesehenen Frist immer noch nicht erfolgt ist. Bei mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften sind die Zwangsstrafen auf das Dreifache bzw das Sechsfache zu erhöhen.

Wesentliche Neuerungen sind somit der Wegfall des Vorverfahrens und die verpflichtende Verhängung einer Zwangsstrafe nach Ablauf der Offenlegungsfrist ohne vorherige Androhung durch die Firmenbuchgerichte. Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder einer Kapitalgesellschaft können die Offenlegung zwar delegieren, der Zwangsstrafe jedoch nicht entgehen, solange sie nicht nachweislich alles unternommen haben, um die rechtzeitige Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten zu gewährleisten (OGH 5.8.2009, 6 Ob 130/09z). Weil das Zwangsstrafenverfahren erst mit der Verhängung einer Zwangsstrafverfügung beginnt, steht der Verhängung einer Zwangsstrafe aber entgegen, wenn die Bilanz spätestens am Tag vor der Erlassung der Zwangsstrafverfügung eingereicht wurde. In diesem Fall kann weder eine Strafverfügung noch im ordentlichen Verfahren eine Zwangsstrafe verhängt werden (OGH 18.7.2011, 6 Ob 129/11f).

Da die Zwangsstrafenregelung in § 283 Abs 1 der Umsetzung der Publizitätsrichtlinie dient, ist sie im Übrigen auch auf die Unterlassung der Angabe der Vorjahreszahlen in der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung (s. o., § 223 Abs 2 UGB) anzuwenden (OGH 19.3.2010, 6 Ob 262/09m). Keinen Mangel bildet es hingegen, wenn der Jahresabschluss entgegen der gesetzlichen Vorgabe in § 277 Abs 6 UGB nicht elektronisch, sondern nur in Papierform eingereicht wird. Die Rechtsprechung sieht darin keinen die Aufnahme des Jahresabschlusses in die Urkundensammlung hindernden Form- oder Inhaltsmangel (OLG Linz, 3.2.2009, 6 R 10/09x).

Nach dem neuen 7. Absatz von § 283 UGB treffen die Verpflichtungen zur Offenlegung schließlich nicht nur die gesetzlichen Vertreter der Kapitalgesellschaft, sondern auch die Gesellschaft selbst. Konsequenterweise ist daher auch die Gesellschaft im Falle des Verstoßes gegen die Offenlegungspflicht Adressatin von Zwangsstrafen, und zwar neben den Gesellschaftern.

Nach der Rechtslage in der Fassung des BBG 2011 ist gemäß § 906 Abs 23 UGB bereits seit dem 1.1.2011 vorzugehen, und zwar auch, wenn der Verstoß zwar vor dem 1.1.2011 gesetzt wurde, aber nach diesem Datum fortdauerte oder nach diesem Datum gesetzt wurde. Das Strafverfügungsverfahren ist erst seit 1.3.2011 anzuwenden (vgl. OLG Wien, 18.2.2011, 4 R 43/11).

Die neue Zwangsstrafenregelung in der Rechtsprechungspraxis

Diese „Doppelbestrafung“ ist, wie der Oberste Gerichtshof (OGH) jüngst klarstellte, ebenso wie die Festsetzung einer Mindeststrafe von EUR 700,00 verfassungsrechtlich nicht bedenklich (OGH 18.7.2011, 6 Ob 129/11f).

Eine Fristerstreckung zur Vorlage des Jahresabschlusses nach Ablauf der in § 277 OGB genannten Frist kommt nicht in Betracht, eine vom Firmenbuchgericht gewährte Frist wäre gesetzwidrig (OGH 14.1.2010, 6 Ob 263/09h).

Jede Unterlassung der Vorlage des Jahresabschlusses innerhalb der Offenlegungsfrist führt nach der jüngsten Rechtsprechung des OGH zwingend zur Verhängung der Zwangsstrafe. Relevant ist die Offenlegung des Jahresabschlusses nach Ende der dafür vorgesehenen Offenlegungsfrist nur für die Verhängung allfälliger weiterer Zwangsstrafen (OGH 18.7.2011, 6 Ob 129/111f).

Milde zeigt der Gesetzgeber wenn das zur Offenlegung verpflichtende Organ „offenkundig durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der fristgerechten Offenlegung gehindert war“ (§ 283 Abs 2 UGB). In diesem Fall kann das zuständige Firmenbuchgericht mit der Verhängung der Strafverfügung bis zum Ablauf von vier Wochen nach Wegfall des Hindernisses zuwarten. Das OLG Wien erachtet als „unvorhergesehen“ jedes Ereignis, das die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Es müssen aber alle zumutbaren Maßnahmen getroffen worden sein, um die Offenlegungsverpflichtung fristgerecht umsetzen zu können. Mit anderen Worten: Das unvorhergesehene Ereignis muss auch unverschuldet eingetreten sein. Unabwendbar war das Ereignis wenn sein Eintritt durch die zur Offenlegung verpflichtende Person nicht verhindert hätte werden können, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah. Schließlich muss dieses Ereignis für die Versäumung der Verpflichtung kausal gewesen sein, die Versäumung muss ausschließlich auf das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zurückzuführen sein.

Beim Anlassfall, dem Verschwinden eines rechtzeitig eingereichten Jahresabschlusses auf dem Postweg, billigte das OLG Wien der zur Offenlegung verpflichteten Gesellschaft und ihrer Geschäftsführerin zu, dass sie darauf vertrauen konnten, das Firmenbuchgericht würde für den Fall des Nichteinlangens des Jahresabschlusses entsprechend den damaligen Gepflogenheiten urgieren. Spätestens mit der anstandslosen Eintragung des Jahresabschlusses des Folgejahres konnten Gesellschaft und Geschäftsführerin daher davon ausgehen, dass auch der vorangegangene Jahresabschluss eingelangt wäre. Selbst der Wegfall der vorigen Androhung einer Zwangsstrafe ab In-Kraft-treten der neuen Rechtslage am 1.1.2011 führte im gegenständlichen Fall nicht zur Festsetzung einer Zwangsstrafe über die Gesellschaft und deren Geschäftsführerin. Das OLG Wien gestand diesen zu, dass sie mangels irgendwelcher Anhaltspunkte nicht damit rechnen mussten, dass ein Jahresabschluss zu einem acht Jahre zurückliegenden Stichtag noch ausständig sein könnte (OLG Wien, 21.6.2011, 4 R 261/11y).

Zusammengefasst haben sich also alle Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder von Kapitalgesellschaften, deren Bilanzstichtag am 31.12. liegt, darauf gefasst zu machen, dass ab dem 1.10.2011 Zwangsstrafenverfügungen ohne vorherige Androhung einer Zwangsstrafe ausgestellt werden können, wenn die zum Firmenbuch einzureichenden Unterlagen nicht rechtzeitig vorgelegt werden. Auf Milde des Firmenbuchgerichts zu hoffen, ist aufgrund der neuen Rechtslage vergeblich. Und dazu droht auch noch die Klage eines Mitbewerbers wegen der Anwendung einer unlauteren Geschäftspraktik bei Verletzung der Offenlegungsverpflichtung. Zur Möglichkeit, Mitbewerber zur Offenlegung von Jahresabschlüssen und Bilanzen nach § 277ff UGB auch mit den Mitteln des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu zwingen, sei an dieser Stelle auf die Entscheidung des OGH vom 24.3.2009, 4 Ob 229/08t und den Gastbeitrag zum Newsletter ihres Online-Portals vom April 2010 verwiesen.

Autor

Mag. Georg Streit ist seit 2000 Rechtsanwalt und seit 2001 Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Immaterialgüterrecht, Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Rundfunkrecht und Vergaberecht. Weiters ist er Lektor an den Universitäten Wien und Salzburg, Vortragender bei Seminaren und Lehrgängen. Für WEKA ist er Herausgeber des Newsletters für Gesellschaftsrecht Online sowie für das Werk „Personengesellschaften in Fallbeispielen“.

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(17.08.2011)