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WEKA (wed) | News | 12.03.2014

Anwendung konsumentenschutzrechtlicher Bestimmungen im Gesellschafterstreit

Dass § 617 ZPO und der darin enthaltene verbraucherrechtliche Schutzmechanismus auf Schiedsvereinbarungen für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten anzuwenden ist, stellt eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers dar.

Geschäftszahl

OGH 16.12.2013, 6 Ob 43/13m

Norm 

§ 617 ZPO

Leitsatz

Quintessenz:

Dass § 617 ZPO und der darin enthaltene verbraucherrechtliche Schutzmechanismus auf Schiedsvereinbarungen für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten anzuwenden ist, stellt eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers dar, basierend auf den Gesetzesmaterialien zum SchiedsRÄG 2013.

OGH: Es entspricht der herrschenden Auffassung, dass Streitigkeiten, die einem Gesellschaftsvertrag entspringen, schiedsfähig sind.

§ 617 Zivilprozessordnung (ZPO) regelt, dass Schiedsvereinbarung zwischen einem Unternehmer und Verbraucher nur für bereits entstandene Streitigkeiten abgeschlossen werden können. Es handelt sich hierbei um eine sonstige Wirksamkeitsvoraussetzung für Schiedsvereinbarungen und beschränkt diese nicht in ihrem objektiven Zustandekommen.

Für Schiedsvereinbarungen im Zusammenhang mit ausländischen Parteien hält der OGH fest, dass § 617 ZPO unzweifelhaft auf alle Schiedsverfahren anzuwenden ist, wenn der Schiedsort in Österreich liegt.

Durch das (auf den vorliegenden Fall nicht anzuwendende) SchiedsRÄG 2013 bestätigte der Gesetzgeber die Bedeutung des Schutzes des Verbrauchers auch im internationalen Kontext. Gemäß den Gesetzesmaterialien soll ausdrücklich für Sachverhalte, bei denen sich über- bzw untergeordnete Parteien gegenüberstehen (Unternehmer – Konsument), keine Verkürzung der Instanzenzüge zur Anwendung kommen.

Aus dem eben Angeführten wird ersichtlich, dass sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine (in der literarischen Diskussion geforderte) Abschaffung oder Ausnahmeregelung des § 617 ZPO für internationale Schiedsverfahren entschieden hat.

Es lässt sich aus den Gesetzesmaterialien auch nicht herauslesen, dass § 617 ZPO nicht auf gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten anzuwenden sei. Damit lässt sich feststellen, dass durch das SchiedsRÄG 2013 am umfassenden verfahrensrechtlichen Verbraucherschutz im Schiedsverfahren nichts geändert werden sollte.

Dass gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten von Verbrauchern in bestimmten Fällen vor ordentlichen Gerichten ausgetragen werden müssen, stellt keinen gravierenden Nachteil dar, da dem Verbraucher damit der Rechtsschutz bei üblichen streitigen Auseinandersetzungen gewahrt wird.

Ein Verbraucher kann jedenfalls auch erst nach Entstehen einer Streitigkeit eine Schiedsvereinbarung abschließen, sofern er von den Vorteilen einer solchen Regelung überzeugt ist.

Auch wenn man davon ausgeht, dass im Bereich des Gesellschaftsrechts die Ungleichgewichtslage zwischen Unternehmer und Verbraucher weniger stark ausgeprägt ist (was der OGH jedoch für höchst zweifelhaft hält), wäre dieser Umstand kein ausreichendes Argument dafür, § 617 ZPO durch eine teleologische Reduktion einzuschränken.

Der OGH wertet auch jenes Argument als nicht zutreffend, wonach (in Anlehnung an das Verhältnis Emittent und Aktionär) im GmbH-Recht ausreichende Schutzmechanismen bestünden, die Gesellschafter vor Überstimmung und Übervorteilung schützen. Gerade einen mit § 617 ZPO vergleichbaren prozessrechtlichen Schutzmechanismus sucht man im GmbH-Recht vergebens.

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