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Stefan Schermaier - Marion Demmer | News | 21.11.2016

Auflösung einer GmbH durch ordentliche Kündigung – Rechtsfolgen bei fehlender gesellschaftsvertraglicher Regelung

Die Gastautoren Dr. Schermaier und Mag. Demmer gehen im Beitrag näher auf die Thematik ein, unter anderem auch darauf, ob eine Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft bei fehlender gesellschaftsvertraglichet Regelung möglich ist.

Einleitung

Die Beendigung von Gesellschaften kann aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Auflösungsgründe erfolgen. Praktisch wichtigster Anwendungsfall der vertraglich vereinbarten Auflösungsgründe ist das gesellschaftsvertraglich vereinbarte Kündigungsrecht durch einen Gesellschafter. Einige Gesellschaftsverträge enthalten Bestimmungen zur Regelung der darauffolgenden Auflösung und Liquidation der GmbH. Der folgende Artikel gibt einen allgemeinen und kompakten Überblick über die Rechtsfolgen nach Auflösung einer Gesellschaft durch Kündigung, wenn zwar die Kündigungsmöglichkeit selbst im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist, jedoch die Kündigungsfolgen gesellschaftsvertraglich nicht weiter festgelegt sind. In diesem Zusammenhang wird auch die mögliche Bestellung der Liquidatoren durch das Gericht aufgrund wichtiger Gründe gemäß § 89 Abs 2 GmbHG und die Möglichkeit der Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft thematisiert.

Übersicht – Gesetzliche und vertragliche Auflösungsgründe

Eine GmbH kann aus im Gesetz angeführten (§ 84 Abs 1 Z 1 bis Z 6 GmbHG), aber auch aus gesellschaftsvertraglich vereinbarten Gründen (§ 84 Abs 2 GmbHG) aufgelöst werden. Zu den in der Praxis wichtigsten vertraglich geregelten Auflösungsgründen zählen (i) die Erreichung des Gesellschaftszwecks, (ii) die Kündigung durch einen Gesellschafter oder (iii) der Ablauf der Schutzdauer eines Patentes. Das gesellschaftsvertraglich vereinbarte Kündigungsrecht bildet den häufigsten Anwendungsfall der gesellschaftsvertraglichen vereinbarten Auflösungsmöglichkeit und wird im Folgenden näher erläutert.

Die ordentliche Kündigung einer GmbH durch Gesellschafter ist (nur) zulässig, wenn der Gesellschaftsvertrag ein Kündigungsrecht vorsieht. Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit von außergesetzlichen Auflösungstatbeständen ist also deren Regelung im Gesellschaftsvertrag, damit die vom Willen der Gesellschafter abhängige Wirkung gegenüber der Gesellschaft unmittelbar eintreten kann. Zudem ist es auch zulässig, dieses Recht nur einzelnen Gesellschaftern zu geben (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 84 Rz 25). Inhaltlich betrachtet kann das Kündigungsrecht im Gesellschaftsvertrag unbedingt eingeräumt werden oder an bestimmte Voraussetzungen gebunden sein. Wenn keine bestimmten Voraussetzungen im Gesellschaftsvertrag festgelegt wurden, wird die Gesellschaft nach Kündigung durch einen Gesellschafter mit sofortiger Wirkung oder unter Einhaltung einer bestimmten Kündigungsfrist zu einem bestimmten Termin aufgelöst (Reich-Rohrwig, GmbH-Recht² 675).

Adressat der Kündigungserklärung durch einen Gesellschafter ist mangels anderer Vereinbarung die Gesellschaft (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 84, Rz 25). Ein Teil der Literatur vertrat in Deutschland die Ansicht, dass bei Fehlen von Regelungen im Gesellschaftsvertrag über die Rechtsfolgen einer Kündigung nicht die Auflösung der Gesellschaft erfolge, sondern lediglich ein Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters zur Folge habe (Rasner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, dGmbHG5 § 60 Rn 44f). Diese Auffassung wird in der österreichischen Lehre und Rechtsprechung allerdings nicht geteilt. Hierzulande wird ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass die Kündigung einer GmbH die Auflösung der Gesellschaft zur Folge hat (OGH HS 9681/2, OGH SZ 11/228, FS Demelius 516 f).

Bestellung der Liquidatoren durch das Gericht nach § 89 Abs 2 GmbHG

Dabei ist wesentlich, dass eine GmbH nicht mit der Auflösung nach Kündigung durch einen Gesellschafter endet, sondern dass der Auflösung die Liquidation der Gesellschaft folgt. Dies ist – soweit der Gesellschaftsvertrag nichts Abweichendes vorsieht – ein Automatismus und ist daher nach Kündigung kein gesonderter Liquidationsbeschluss der Gesellschafter zu fassen.

Grundsätzlich können die Geschäftsführer als Liquidatoren agieren („geborene Liquidatoren“). Zudem können – soweit Einigkeit der Gesellschafter besteht – andere oder weitere Personen zu Liquidatoren durch Gesellschafterbeschluss ernannt werden („gekorene Liquidatoren“). Schließlich ist es auch möglich, dass die Bestellung der Liquidatoren gemäß § 89 Abs 2 GmbHG durch das Gericht erfolgt. Letztere Variante ist in der Praxis besonders brisant, weil das Gericht Liquidatoren gegen den Willen der Gesellschafter bestimmen kann, und zwar auch dann, wenn Liquidatoren bereits vorhanden sind. Über die Bestellung externer Liquidatoren durch das Gericht wird im Außerstreitverfahren entschieden. Wichtigster Anwendungsfall in der Praxis ist die Bestellung eines Liquidators durch das Gericht auf Antrag eines Gesellschafters (§ 89 Abs 2 GmbHG).

Das Gericht kann in diesem Fall aber nur bei Vorliegen wichtiger Gründe einen externen Liquidator bestellen und somit dem Antragsteller Folge leisten. Ein solcher wichtiger Grund, der die (zusätzliche) Bestellung eines Liquidators rechtfertigt, liegt vor, wenn die Gesellschaft keinen Liquidator hat (OGH NZ 1995, 114) oder wenn nicht erwartet werde kann, dass vorhandene Liquidatoren ihre Aufgabe korrekt ausführen. Zudem können Pflichtverletzungen als wichtiger Grund geltend gemacht werden oder nicht überbrückbare Differenzen unter den Liquidatoren (OGH SZ 49/90). Zu beachten ist allerdings, dass bloßes Misstrauen eines Minderheitengesellschafters nicht als wichtiger Grund angesehen wird (OGH NZ 1961, 184). Grundsätzlich können die Antragsteller durch Vorschläge auf die Auswahl Einfluss nehmen, jedoch ist das Gericht nicht daran gebunden. Der externe Liquidator kann neben dem vorhandenen Liquidator oder an dessen Stelle vom Gericht ernannt werden.

Grundsätzlich wird dem Antragsgegner (das ist der aktuelle Liquidator) vom Gericht die Möglichkeit gegeben, eine Stellungnahme abzugeben, um die Argumente des Antragsstellers für die Bestellung eines externen Liquidators durch das Gericht zu widerlegen.

Weitere Rechtsfolgen der Auflösung – Liquidation der Gesellschaft

Gemäß § 88 GmbHG ist die Auflösung der Gesellschaft von den bisherigen Geschäftsführern umgehend zum Firmenbuch anzumelden. Die Eingabe hat (i) die Personenbezeichnung der Liquidatoren und die Art der Vertretungsbefugnis, (ii) die Namhaftmachung des Liquidationsfirmenwortlautes (die Gesellschaft erhält zu dem bisherigen Firmenwortlaut den Zusatz „in Liquidation“) und (iii) die beglaubigte Musterzeichnungserklärung der Liquidatoren zu enthalten.

Der Liquidator hat die Auflösung der GmbH mit der Aufforderung an die Gläubiger sich zu melden und ihre Forderungen gegen die GmbH geltend zu machen, im Amtsblatt zur Wiener Zeitung zu veröffentlichen (Gläubigeraufruf). Die weiteren Aufgaben des Liquidators bestehen in der Beendigung der laufenden Geschäfte, der Eintreibung von offenen Forderungen der GmbH, der Verwertung des Gesellschaftsvermögens sowie der Befriedigung der Gläubiger. Für die Durchführung der Liquidation gibt es grundsätzlich keine gesetzlich geregelte Dauer. Zu beachten ist jedoch die dreimonatige Sperrfrist ab Veröffentlichung des Gläubigeraufrufs im Amtsblatt zur Wiener Zeitung. Mit der Verteilung des nach Befriedigung sämtlicher Gläubiger verbleibenden Restvermögens darf erst nach der Sperrfrist begonnen werden. Wenn keine abweichenden gesellschaftsvertraglichen Regelungen bestehen, wird das verbleibende Vermögen an die Gesellschafter nach ihrer Beteiligung aufgeteilt.

Zudem ist mit der Auflösung der Gesellschaft eine Änderung des Gesellschaftszwecks verbunden. An die Stelle des ursprünglichen Gesellschaftszwecks (VwGH 06.10.1994 GesRz 1995, 199) tritt der Abwicklungszweck. Rechtsverhältnisse, an denen die Gesellschaft beteiligt war, bestehen allerdings weiter (OGH RdW 1991, 233, JBl 1931, 145, SZ 7/393, OGH ZBl 1924/132), dies wird als „Kontinuität der Gesellschaft“ bezeichnet.

Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft bei fehlender gesellschaftsvertraglichen Regelung?

Das GmbHG enthält keine Regel darüber, ob oder unter welchen Voraussetzungen es möglich ist, aufgelöste Gesellschaften fortzusetzen. Dennoch wird heute in Anlehnung an § 215 AktG angenommen, dass diese Möglichkeit grundsätzlich bei allen Auflösungsvarianten besteht (OGH wbl 2006, 288, GesRz 2005, 40, GesRz 1999, 186, wbl 1996, 459, GesRz 1994, 303, GesRz 1992, 286, OLG Wien NZ 1997, 229, OLG Graz EvBl 1988/2, FS Demelius, 512 f).

Voraussetzung für die Fortsetzung der Gesellschaft ist zunächst die Beseitigung des Auflösungsgrunds (OGH wbl 1996, 459, GesRz 1992, 286), beispielsweise die Aufhebung des Konkurseröffnungsbeschlusses. In weiterer Folge ist in den meisten Fällen ein Gesellschafterbeschluss erforderlich. Eines solchen bedarf es nicht, wenn der Auflösungsgrund rückwirkend wegfällt (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 84, Rz 31). Wenn allerdings ein Gesellschafterbeschluss erforderlich ist, stellt sich die umstrittene Frage nach der erforderlichen Mehrheit des Gesellschafterbeschlusses. In Österreich vertritt ein Teil des Schrifttums die Meinung, dass die einfache Mehrheit (§ 39 Abs 1 GmbHG) ausreichend ist (Gellis/Feil, GmbHG7 § 84 Rn 11, Umfahrer, GmbH6 § 84 Rn 767). Andere Stimmen sprechen sich für die Einstimmigkeit des Beschlusses aus (Reich-Rohrwig, ecolex 1990, 486). In der Praxis wird der erstgenannten Auffassung gefolgt und ist der Fortsetzungsbeschluss notariell zu beurkunden.

Schwieriger gestaltet sich die Situation, wenn die Auflösung der Gesellschaft durch Kündigung eines Gesellschafters erfolgt. Bei Auflösung infolge Kündigung ist für die Fortsetzung der Gesellschaft die Zustimmung des Kündigenden erforderlich (OGH HS 9681/2, Rasner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG5 § 60 Rn 70). Aufgrund der häufig fehlenden Zustimmung des Kündigenden werden Gesellschaften, die durch Kündigung eines Gesellschafters aufgelöst werden, nur sehr selten fortgesetzt. In der Praxis ist es daher sehr ratsam, für den Fall der Kündigung der Gesellschaft durch einen Gesellschafter gesellschaftsvertragliche Regelungen für die Fortsetzung vorzusehen (Fortsetzungsklausel).

Zu beachten ist ebenfalls, dass die Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft nur so lange beschlossen werden kann, als die GmbH noch nicht beendet ist. Die Gesellschaft ist erst dann beendet, wenn sie vermögenslos ist und ihre Löschung im Firmenbuch eingetragen ist (8 ObA 46/06g). Nach der Löschung der GmbH im Firmenbuch kann die Gesellschaft nicht mehr rechtswirksam fortgesetzt werden (OGH 6 Ob 216/05s).

Fazit

Im Interesse der Rechtssicherheit ist es empfehlenswert, gesellschaftsvertraglich durch die Aufnahme detaillierter Bestimmungen festzulegen, wie die Inanspruchnahme eines Kündigungsrechts letztlich zu vollziehen ist. Es ist durchaus üblich, eine Kündigungsfrist samt Termin vorzusehen und liegt dies in der Regel im Interesse aller Beteiligten, um geeignete Nachfolgeregelungen treffen zu können. Zudem kann die ordentliche Kündigung auch von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht werden, um eine beliebige Kündigung zu vermeiden. Der gesellschaftsvertragliche Regelungsspielraum ist vielfältig und sollte auch ausgenützt werden. Wenn die verbleibenden Gesellschafter nach Kündigung eines Gesellschafters die Gesellschaft unter sich fortführen möchten, wird dringend zu einer Fortsetzungsklausel im Gesellschaftsvertrag geraten. Oft entstehen Streitigkeiten erst viele Jahre nach Errichtung der Gesellschaft. Je detaillierter und durchdachter die gesellschaftsvertraglichen Regelungen in Bezug auf das Kündigungsrecht sind, desto unkomplizierter gestaltet sich die Rechtsanwendung im Bedarfsfall.

Über die Autoren

Dr. Stefan Schermaier ist Rechtsanwalt und Partner, Mag. Marion Demmer Rechtsanwaltsanwärterin bei Tonninger | Schermaier | Maierhofer & Partner Rechtsanwälte (http://www.tsm-law.at). Schwerpunkttätigkeiten der Autoren sind Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, M & A, Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Vertragsrecht.

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