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Stefan Schermaier - Florian Schönberg | News | 24.06.2019

Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern oder dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats

Die Gastautoren Dr. Stefen Schermaier und Mag. Florian Schönberg setzen sich mit den notwendigen Voraussetzungen für eine „Doppelrolle“ als Berater und Mitglied des Aufsichtsrates sowie Entgelt- bzw. Vergütungsfragen auseinander.

Neben Rechtsanwälten stellt sich auch für viele andere Beratungsdienstleister regelmäßig die Frage, ob und in welchem Umfang diese neben einer Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied oder als Vorsitzender des Aufsichtsrats einer Gesellschaft von dieser gleichzeitig als Berater beauftragt werden dürfen. Fraglich ist daher insbesondere, ob ein mögliches Spannungsverhältnis der Interessenslagen die gleichzeitige Organfunktion und Beraterfunktion unzulässig machen. Der folgende Beitrag soll einen Einblick in die Tätigkeit des Aufsichtsrats sowie die möglichen Ausschlussgründe für deren Mitglieder und insbesondere auch den Vorsitzenden geben.

1. Kerntätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds und Vergütung

Die gesetzlichen Regeln zum Aufsichtsrat befinden sich für Aktiengesellschaften in §§ 86ff AktG und für Gesellschaften mit beschränkter Haftung in §§ 29ff GmbHG. Die folgenden Ausführungen gelten daher – sofern nicht anders festgehalten – sowohl für Aktiengesellschaften als auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

Kern des gesetzlichen Tätigkeitsbereichs eines Mitglieds des Aufsichtsrats (und somit auch des Vorsitzenden des Aufsichtsrats) ist die Überwachung beziehungsweise die Kontrolle des Vorstands. Dazu zählt auch die Wahrnehmung der gesetzlich sowie allenfalls auch durch Satzung und Geschäftsordnung normierten Zustimmungspflichten. Neben den Kontroll- und Überwachungsaufgaben haben die Mitglieder des Aufsichtsrats auch eine beratende Aufgabe. Sie haben den Vorstand in allgemeinen strategischen Belangen zu beraten. Gemäß § 95 Abs 7 AktG muss diese Tätigkeit höchstpersönlich ausgeübt werden und darf nicht auf Dritte übertragen werden.

Der Vorsitzende des Aufsichtsrats hat einen darüberhinausgehenden Aufgabebereich: Dieser leitet einerseits die einzelnen Sitzungen als auch das Kollegialorgan selbst. Dazu gehören insbesondere die Einberufung von Sitzungen, die Protokollverantwortlichkeit und spezielle Entscheidungsrechte. Umgekehrt hat der Vorsitzende des Aufsichtsrats aber auch besondere Informationsrechte gegenüber dem Vorstand.

1.1. Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern

Nach § 98 AktG kann den Mitgliedern des Aufsichtsrats für ihre Tätigkeit eine mit ihren Aufgaben und mit der Lage der Gesellschaft in Einklang stehende Vergütung gewährt werden. Die herrschende Lehre geht davon aus, dass es sich bei dem im Gesetz verwendeten „kann“ eigentlich um ein „muss“ handelt, sohin die Mitglieder des Aufsichtsrats ungeachtet einer entsprechenden Regelung einen „Vergütungsanspruch“ haben (vgl. Strasser in Jabornegg/Strasser AktG II3 § 98, Rz 18). Diese Vergütung kann nicht durch den Vorstand, sondern ausschließlich in der Satzung oder durch Beschluss der Hauptversammlung festgesetzt werden. Mit „Vergütung“ meint das Gesetz eine Gegenleistung für die vom Aufsichtsratsmitglied in dieser Funktion – und nur in dieser – erbrachten Leistungen. Davon ist insbesondere der Ersatz von Aufwendungen sowie die Abgeltung außerhalb der Funktionsausübung liegender Tätigkeit zu unterscheiden (siehe unten 2.).

Aufwendungen, die dem Aufsichtsratsmitglied in Zusammenhang mit der Ausübung seiner Funktion entstehen, sind nach herrschender Lehre jedenfalls zusätzlich zu ersetzen, ohne dass es hierfür eine gesetzliche Grundlage gibt.

Grundsätzlich ist der Vorstand berechtigt, mit dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied einen die Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds näher ausgestaltenden Vertrag abzuschließen, dieser darf jedoch keine Vergütung im Sinn des § 98 AktG vorsehen, weil eine solche Vergütung eben nur durch Satzung oder Hauptversammlungsbeschluss gewährt werden kann.

2. Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds als Berater

Neben den einem als Aufsichtsrat zugewiesenen Organtätigkeiten ist anerkannt, dass ein Aufsichtsratsmitglied auch zusätzliche Leistungen an die Gesellschaft erbringen darf und hierfür eine Gegenleistung erhält. Dies wird insbesondere durch § 95 Abs 5 Z 12 AktG zum Ausdruck gebracht, wonach der Abschluss eines diese Leistungen abdeckenden Vertrags durch den Aufsichtsrat mit Beschluss genehmigt werden muss. Das Gesetz spricht konkret von der Genehmigungspflicht von Verträgen, durch die sich ein Aufsichtsratsmitglied zu einer Leistung gegenüber der Gesellschaft verpflichtet. Der Gesetzgeber hat bei der Einführung des § 95 Abs 5 Z 12 AktG mit dem GesRÄG 2005 primär Beratungsverträge im Auge (vgl. 927 dB. XXII. GP); von der Regelung sind grundsätzlich aber auch sonstige Dienstleistungen, wie insbesondere Buchhaltung, Bilanzerstellung, Versicherungs- und Bankdienstleistungen, Lobbying sowie Sachverständigengutachten des Aufsichtsratsmitglieds, erfasst. Nach dem klaren Wortlaut sollen auch Verträge erfasst werden, die nicht mit dem Aufsichtsratsmitglied selbst, sondern im Sinn des letzten Satzes mit einem Unternehmen geschlossen werden, von dessen Geschäftstätigkeit das Aufsichtsratsmitglied wirtschaftlich profitiert.

Nach dem klaren Wortlaut des § 95 Abs 5 Z 12 AktG muss die Leistung des Aufsichtsratsmitglieds außerhalb seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat erbracht werden. Dies bedeutet, dass es sich dabei nicht um Leistungen handeln darf, die ohnehin in den Pflichtenkreis der gewöhnlichen Aufsichtstätigkeit fallen. Die Abgrenzung des verpflichtend zu erbringenden Leistungsspektrums eines Aufsichtsratsmitglieds in seiner Organfunktion und außerhalb liegender Leistungen kann im Einzelfall schwierig sein. Bei der Beurteilung ist auf den konkreten Aufgabenbereich des jeweiligen Mitglieds des Aufsichtsrats, der in seiner Organfunktion auch seine Spezialkenntnisse einzubringen hat, abzustellen. So gilt etwa, dass ein Aufsichtsratsmitglied, das über spezifische Fachkenntnisse (etwa juristischer Natur) verfügt, für grundlegende Entscheidungen und Leistungen, die in die Organpflicht bzw in die Pflicht als Organträger fallen, für den Einsatz seiner Spezialkenntnisse keine gesonderte Vergütung verlangen darf (vgl. Kalss, ecolex 2009, 923).

2.1. Überwachungstätigkeit und strategische Begleitung

Die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats bezieht sich auf Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Leitungstätigkeit des Vorstands. Die Überwachung erfasst sowohl die nachträgliche Kontrolle als auch eine präventive Überwachung in Form der strategischen Begleitung des Vorstands. Überwachung und strategische Begleitung haben grundsätzliche Fragen der Geschäftspolitik und der Unternehmensplanung zum Gegenstand. Die Aufsichts- und strategische Beratungstätigkeit des Aufsichtsrats bezieht sich hingegen nicht auf die täglichen Geschäfte und allgemein weniger bedeutende Angelegenheiten (Kalss in Kunz/Kalss, Handbuch für den Aufsichtsrat, 268, Rz 12).

2.2. Beratung im Tagesgeschäft sowie komplexe Beratungstätigkeiten erlaubt?

Außerhalb der organschaftlichen Tätigkeit liegen insbesondere Beratungsleistungen, im Zusammenhang mit Detailfragen im Tagesgeschäft des Vorstands, sowie Beratungstätigkeiten, die eine Komplexität und inhaltliche Verfeinerung erreichen, die von einem Aufsichtsratsmitglied im Rahmen seiner organschaftlichen Tätigkeit nicht erbracht werden. In bestimmten Fällen würden derartige Tätigkeiten auch schon deshalb aus dem Aufgabenkreis der organschaftlichen Tätigkeit ausscheiden, weil diese einen Eingriff in die Zuständigkeit des Vorstands beziehungsweise der Geschäftsführung darstellen würden (Kalss in Kunz/Kalss, Handbuch für den Aufsichtsrat, 268, Rz 15). Ein Aufsichtsratsmitglied schuldet der Gesellschaft daher weder eine Prozessführung für die Gesellschaft, noch die Erstellung von Steuererklärungen, Bauüberwachung, rechtliche Gutachten oder die Erarbeitung komplexer Verträge. Grundsätzlich gilt dies auch für den Vorsitzenden des Aufsichtsrats, wobei man bei diesem von einem größeren von der Organfunktion umfassten Tätigkeitsumfang ausgehen muss.

2.3. Zur Zustimmung und Beschlussfassung des Aufsichtsrates bei Beraterverträgen

Nach dem Wortlaut des Gesetzes darf der Vorstand ein derartiges Geschäft nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats abschließen ohne hierfür einen konkreten Zeitpunkt zu nennen. Nach herrschender Ansicht müssen Aufsichtsratsgenehmigungen jedoch grundsätzlich vor Abschluss des Geschäfts durch den Vorstand vorgenommen werden. Nachträgliche Beschlüsse sind nur in Ausnahmefällen zulässig, jedoch grundsätzlich wirksam, weil dadurch zumindest nachträglich die Kontrolle und Genehmigung durch den Aufsichtsrat vorgenommen werden (vgl. W. Doralt, JBl 2008, 759). Das betroffene Aufsichtsratsmitglied ist vom Stimmrecht ausgeschlossen.

Voraussetzung für einen genehmigenden Beschluss des Aufsichtsrats über eine entsprechende Vereinbarung ist, dass dieser ausreichend informiert ist, um abzuwägen, ob diese im Interesse der Gesellschaft ist. Ein genehmigender Beschluss darf insbesondere dann nicht erfolgen, wenn der Abschluss einer Vereinbarung mit einem Aufsichtsratsmitglied entweder gar nicht erforderlich ist, sohin die zu vereinbarenden Leistungen für die Gesellschaft nicht notwendig oder sinnvoll sind, oder das Geschäft aufgrund des von der Gesellschaft zu leistendem Entgelt einem Drittvergleich nicht standhält. (vgl. Kalss in Kunz/Kalss, Handbuch für den Aufsichtsrat, 268, Rz 43ff)

2.4. Entgelt bei Beraterverträgen

Wesentliches Beurteilungskriterium für die Beschlussfassung ist das an den jeweiligen Aufsichtsrat von der Gesellschaft aufgrund der entsprechenden Vereinbarung zu leistendem Entgelt. Dieses muss einerseits einem Drittvergleich standhalten und es muss gewährleistet sein, dass das Aufsichtsratsmitglied bei Genehmigung der Vereinbarung seine Pflichten als Aufsichtsrat unbefangen und im Interesse der Gesellschaft erbringen kann (vgl. 927 dB. XXII. GP). Bei der Entscheidung über die Genehmigung muss der Aufsichtsrat eine Interessensabwägung vornehmen, in der er mögliche Argumente, die für eine Befangenheit sprechen, gegen jene, welche für eine Beauftragung sprechen, abzuwägen hat. Dem Aufsichtsrat wird dadurch ein sehr weiter Ermessensspielraum gegeben.

Ob ein Vertrag tatsächlich der Zustimmung bedarf, hängt nicht von der Art der Gegenleistung, sondern von der Höhe des vereinbarten Entgelts ab. Entscheidend wird letztlich sein, ob durch den entsprechenden Vertrag und die wirtschaftliche Bedeutung des Entgelts für das jeweilige Aufsichtsratsmitglied der Anschein einer Befangenheit entstehen könnte (vgl. 927 dB. XXII. GP).

3. Fazit

Damit der Aufsichtsrat in der Lage ist eine fundierte Entscheidung zu treffen, ist diesem zumindest der wesentliche Inhalt des Beratungsvertrags offenzulegen. Der Aufsichtsrat muss sowohl Art und Umfang der Leistung als auch das Honorar kennen, um eine Einschätzung über die Notwendigkeit der Leistung sowie der Höhe des Entgelts treffen zu können. Festgehalten wird, dass das Entgelt jedoch nur vom Vorstand selbst mit dem Aufsichtsratsmitglied vereinbart werden kann. Die genaue Kenntnis über den Leistungsinhalt ist auch schon deshalb erforderlich, weil der Aufsichtsrat auch beurteilen muss, ob es sich bei den beauftragten Leistungen nicht ohnehin um Tätigkeiten handelt, die im Bereich der Organfunktion liegen (vgl. Kalss in Kunz/Kalss, Handbuch für den Aufsichtsrat, 279, Rz 50ff).

Über die Autoren

Dr. Stefan Schermaier ist Rechtsanwalt und Partner, Mag. Florian Schönberg Rechtsanwalt bei TONNINGER | SCHERMAIER & Partner Rechtsanwälte (http://www.ts.at). Schwerpunkttätigkeiten der Autoren sind Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, M & A, Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Vertragsrecht.