Dokument-ID: 327785

Lisa Korninger | News | 22.11.2011

Bescheid an übertragende Kapitalgesellschaft bei Verschmelzung

Ein "Bescheid" an eine übertragende GmbH, deren Verschmelzung bereits eingetragen ist, ist ein Nichtbescheid: Die übertragende GmbH ist ab dem Zeitpunkt der Verschmelzung nicht mehr Subjekt abgabenrechtlicher Rechte und Pflichten.

Geschäftszahl

VwGH 11.04.2011, 2011/17/0082

Norm

§ 96 Abs 1 und 2 GmbHG; § 225a Abs 3 Z 1 1. Satz und Z 2 AktG

Leitsatz

Quintessenz

Wird ein Bescheid an eine übertragende GmbH gerichtet, deren Verschmelzung bereits im Firmenbuch eingetragen ist, handelt es sich um einen Nichtbescheid. Die aufnehmende GmbH tritt als Gesamtrechtsnachfolgerin in die Rechtsstellung der übertragenden Kapitalgesellschaft ein. Die übertragende GmbH ist dann ab dem Zeitpunkt der Verschmelzung nicht mehr Subjekt abgabenrechtlicher Rechte und Pflichten.

VwGH: Gesellschaften mit beschränkter Haftung können gemäß § 96 Abs 1 GmbH Gesetz unter Ausschluss der Abwicklung verschmolzen werden. Bei einer Verschmelzung wird zwischen der „Verschmelzung durch Aufnahme“ und der „Verschmelzung durch Neugründung“ unterschieden.

Bei der „Verschmelzung durch Aufnahme“ kommt es zu einer Übertragung des Vermögens einer oder mehrerer „übertragender Gesellschaften“ im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge auf eine andere bestehende „übernehmende Gesellschaft“ gegen Gewährung von Geschäftsanteilen dieser Gesellschaft.

Bei der „Verschmelzung durch Neugründung“ hingegen findet eine Übertragung der Vermögen von zwei oder mehreren „übertragenden Gesellschaften“ im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge auf eine von ihnen dadurch gegründete neue Gesellschaft gegen Gewährung von Geschäftsanteilen dieser Gesellschaft statt.

Gemäß § 96 Abs 2 GmbH Gesetz sind die §§ 220 bis 233 Aktiengesetz sinngemäß anzuwenden.

Mit der Eintragung der Verschmelzung bei der übernehmenden Gesellschaft geht das Vermögen der übertragenden Gesellschaft samt Schulden auf die übernehmende Gesellschaft über (§ 225a Abs 3 Z 1 1. Satz Aktiengesetz). Es erlischt die übertragende Gesellschaft (§ 225a Abs 3 Z 2 Aktiengesetz).

Dadurch, dass also die aufnehmende Gesellschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin in die Rechtsstellung der übertragenden Gesellschaft eintritt, ist die übertragende Gesellschaft ab dem Verschmelzungszeitpunkt nicht mehr Subjekt abgabenrechtlicher Rechte und Pflichten und kann also auch kein Adressat eines abgabenrechtlichen Bescheides sein. Die Eintragung der Verschmelzung im Firmenbuch entspricht der Löschung der Gesellschaft. Richtet sich daher ein Bescheid an eine Gesellschaft, die zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides schon im Firmenbuch gelöscht ist, handelt es sich um einen „Nichtbescheid“.

Richtet sich die Zustellung nach Eintragung der Verschmelzung an die übertragende GmbH erlangt die Erledigung der Behörde auch keine Rechtswirksamkeit, wenn sie (körperlich) in die Hände des Rechtsnachfolgers gelangt.

Sämtliche Leitsätze zu aktuellen OGH- und VwGH-Entscheidungen sowie Entscheidungen im Volltext rund um das Thema Gesellschaftsrecht finden Sie auf www.weka.at/gesellschaftsrecht/Judikatur.