Dokument-ID: 890202

WEKA (api) | News | 23.01.2017

Besteht eine Unabhängigkeitsverpflichtung des gemeinsamen Vertreters auch gegenüber einem Antragsteller?

Um als gemeinsamer Vertreter iSd § 225f AktG fungieren zu können, muss man nicht nur Anwalt, Notar oder Wirtschaftsprüfer sein, sondern auch vom Antragsgegner und Antragssteller unabhängig.

Geschäftszahl

OGH 27. September 2016, 6 Ob 31/16a

Norm

§ 225f AktG; § 62 Abs 1 AußStrG; §§ 271, 271a UGB

Leitsatz

Quintessenz:

Um als gemeinsamer Vertreter iSd § 225f AktG fungieren zu können, muss man nicht nur Anwalt, Notar oder Wirtschaftsprüfer sein, sondern auch vom Antragsgegner und Antragssteller unabhängig. Sollten sich auch durch eine objektive Betrachtungsweise Zweifel an der Unbefangenheit jener Person ergeben, weil diese den Anschein einer geschäftlichen, finanziellen oder persönlichen Abhängigkeit hervorruft, ist es ihr nicht möglich, als gemeinsamer Vertreter bestellt zu werden.

OGH: Einen gemeinsamen Vertreter iSd § 225f AktG zeichnet aus, dass er in seinen Entscheidungen weisungsfrei und unabhängig ist und vor allem nach pflichtgemäßen Ermessen für die Wahrung der Interessen der nichtantragstellenden Aktionäre Sorge zu tragen hat. Seine Stellung ist die eines gesetzlichen Vertreters. In seiner Position muss er nicht nur vom Antragsgegner unabhängig sein, sondern auch von den Antragstellern. Dies ergibt sich aus § 225f Abs 6 AktG, wonach der gemeinsame Vertreter das Verfahren weiterzuführen hat, auch wenn die von ihm vertreten Aktionäre ihre Anträge zurücknehmen. Einzige Voraussetzung dafür ist, dass der Antrag seiner Beurteilung zufolge erfolgreich sein könnte. Daher ist es für einen Rechtsanwalt, Notar oder Wirtschaftsprüfer nicht möglich, als gemeinsamer Vertreter bestellt zu werden, solange er Vertreter bzw Verfahrensbevollmächtigter eines Antragstellers ist.

Um die Unabhängigkeit des gemeinsamen Vertreters sicherzustellen, verweist § 225f Abs 3 Satz 2 AktG auf die §§ 271, 271a UGB. Diese enthalten Bestimmungen zur Befangen- und Ausgeschlossenheit von Wirtschaftsprüfern. § 271 Abs 1 UGB besagt, dass eine Abschlussprüfung nicht von einem Wirtschaftsprüfer durchgeführt werden darf, wenn der Verdacht besteht, dass dieser wegen geschäftlicher, finanzieller oder persönlicher Beziehungen befangen sein könnte. Nach der herrschenden Meinung liegt Befangenheit schon dort vor, wo objektiv betrachtet auch nur der Anschein einer Abhängigkeit vorliegt, sodass es auf die tatsächlichen Umstände nicht mehr ankommt.

Ob ein gemeinsamer Vertreter befangen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass grundsätzlich keine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vorliegt und auch ein Revisionsrekurs nicht zulässig ist. Im vorliegenden Fall fand der OGH die Entscheidung des Rekursgerichts vertretbar, dass für einen objektiven Betrachter Zweifel an der Unabhängigkeit des gemeinsamen Vertreter entstehen könnten, wenn dieser Gesellschafter bei jener Rechtsanwaltsgesellschaft ist, die einen Antragsteller des gerichtlichen Verfahrens bei einem anderen Verfahren gegen den Antragsgegner vertritt.

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