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Florian Linder - Lukas Schenk | News | 14.12.2015

Business Judgement Rule für Manager – „Entwarnung“ bei Untreue?

Die Gastautoren Dr. Florian Linder und Dr. Lukas Schenk erläutern in ihrem Beitrag, welche Änderungen sich beim Untreuetatbestand durch die Strafrechtsreform ergeben, die am 1.1.2016 in Kraft tritt.

Mit der „LIBRO“-Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH 30.01.2014, 12 Os 117/12s) ist der Straftatbestand der Untreue in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Sie betrifft einen speziellen Typus der Organuntreue, bei dem das Fehlverhalten von Vertretungsorganen zu Lasten von Kapitalgesellschaften im Mittelpunkt steht. Die Entscheidung hat zu erheblicher Verunsicherung in Wirtschaftskreisen geführt (Stichwort: „Untreue als Managerfalle“). So mancher Manager stellte sich die Frage, ob er sich mit einer von den Gesellschaftern beschlossenen Gewinnausschüttung dem Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzt. Dasselbe gilt für eine gescheiterte Expansionspolitik, die Spende für das lokale Feuerwehrfest oder eine „Kulanzlösung“ mit einem Kunden. Gerade die Frage, was man noch „darf“ kann – sofern keine konkreten Handlungsvorgaben bestehen – im Einzelfall schwierig zu beurteilen sein. Es wird allgemein auf die „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ verwiesen. Bislang hat (vor allem in Konzernverhältnissen) ein genehmigender Beschluss des Alleingesellschafters für Rechtssicherheit gesorgt. Auch dies ist seit der LIBRO-Entscheidung fraglich.

Untreuetatbestand: Änderungen durch Strafrechtsreform

Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015 (BGBl I 112/2015) wurde (neben einer Erhöhung der strafbestimmenden Wertgrenzen) der Untreuetatbestand präzisiert. Die Änderungen treten mit 1.1.2016 in Kraft.

„Unvertretbarer Verstoß“

Untreue gemäß § 153 Abs 1 StGB (neu) ist nach wie vor der wissentliche Missbrauch der Vertretungsmacht zum Schaden des Vertretenen („Machtgeber“). In Zukunft wird ein Befugnismissbrauch nur bei einem unvertretbaren Verstoß gegen Regeln vorliegen, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen. Es wird klargestellt, dass die Verletzung reiner Ordnungsanliegen oder Interessen Dritter (wie Gläubiger oder die Öffentlichkeit) für die Begründung einer Untreuestrafbarkeit nicht infrage kommen. Dies soll den Bilanz- und Kridadelikten vorbehalten bleiben. Zudem ist nur ein unvertretbarer Verstoß strafrechtlich relevant. Unter „unvertretbar“ versteht der Gesetzgeber jenen Gebrauch, der außerhalb des Bereichs des vernünftigerweise Argumentierbaren liegt. Wird dem Entscheidungsträger ein Ermessensspielraum eingeräumt, so liegt ein Missbrauch erst bei Handlungen außerhalb jeder vernünftigen Ermessensausübung vor. Bei konkreten Handlungsanweisungen ohne Spielraum kann bereits jede Abweichung unvertretbar sein.

„Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten“

Die „Regeln, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen“, bedürfen insbesondere in Gesellschaftsverhältnissen der Konkretisierung und Auslegung. Als „wirtschaftlich Berechtigte“ sind nach den Materialien die Gesellschafter anzusehen. Anders als beispielsweise beim „wirtschaftlich Beteiligten“ iSd § 63 Abs 2 ZPO wird es dabei wohl nicht auf eine wesentliche Beteiligung ankommen, auch Minderheitsgesellschafter sind geschützt. Welche gesellschaftsrechtlichen Regelungen ihrem Vermögensschutz dienen sollen, ist allerdings unklar. Offen ist, ob die Regelungen, die dem Schutz des Vertretenen (also der Gesellschaft) dienen, damit deckungsgleich sind oder davon abweichen können. Teilweise wird vertreten, dass eine verbotene Einlagenrückgewähr zugunsten des einzelnen oder aller Gesellschafter in Zukunft keine Untreue mehr sein soll (Rüffler, GeS 2015, 261). Das Verbot der Einlagenrückgewähr diene nämlich nicht dem Gesellschafter-, sondern dem Gläubigerschutz und dem Schutz einzelner Gesellschafter vor Verkürzung gegenüber Mitgesellschaftern (Schima, RdW 2015, 288 [290]). Unklar ist, ob im Umkehrschluss eine Untreue vorliegen würde, wenn von der verbotenen Einlagenrückgewähr nur einzelne Gesellschafter betroffen, anderen hingegen nicht betroffen sind. Nach den Materialien (1110/A 25. GP 4; AB 728 BlgNR 25. GP 10) soll eine Untreue bei Verstoß gegen Gläubigerschutzvorschriften „kategorisch“ ausscheiden. Die Verwendung unbestimmter und auslegungsbedürftiger Gesetzesbegriffe im Kernbereich des Strafrechts ist jedenfalls unbefriedigend.

Strafbefreiung bei Zustimmung des Machthabers?

Die im Initiativantrag ursprünglich vorgesehene Strafbefreiung, wenn die Zustimmung des Machthabers bzw wirtschaftlich Berechtigten vorliegt, wurde nicht ins Gesetz aufgenommen. Diese Einschränkung hätte unseres Erachtens – gerade in Konzernverhältnissen – erheblich zur Rechtssicherheit beigetragen, zumal der Untreuetatbestand gerade auf den Schutz des Vertretenen vor Befugnismissbrauch und nicht den Gläubigerschutz abstellt. Der Entfall dieser vorgeschlagenen Klarstellung wurde im Justizausschuss-Bericht damit begründet, den unrichtigen Eindruck vermeiden zu wollen, dass für die Einwilligung des wirtschaftlich Berechtigten Sonderregeln gelten sollten. Diese Frage sei vielmehr nach dem allgemeinen Strafrecht zu beurteilen. In der Libro-Entscheidung sah der OGH in der Einwilligung des Alleinaktionärs einer AG zur Ausschüttung einer „Sonderdividende“ wegen der Weisungsfreiheit des Vorstands allerdings gerade keine strafausschließende Einwilligung.

Business Judgement Rule

In § 84 Abs 1a AktG und § 22 Abs 1a GmbHG wurde die Business Judgement Rule eingefügt, wonach ein Vorstandsmitglied bzw Geschäftsführer jedenfalls im Einklang mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters handelt, wenn er sich bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lässt und auf der Grundlage angemessener Information annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Damit wird ein Safe-harbor-Charakter zum Ausdruck gebracht. „Nicht von sachfremden Interessen geleitet“ ist ein Handeln insbesondere dann, wenn es frei von Interessenkollisionen ist (1110/A 25. GP 6; AB 728 BlgNR 25. GP 12). Wer gemäß der Business Judgement Rule handelt, handelt jedenfalls im Einklang mit der gebotenen Sorgfalt und hat keine nachteiligen Rechtsfolgen zu befürchten, insbesondere auch keine Strafverfolgung. Auch wenn die Voraussetzungen der Business Judgement Rule nicht erfüllt sind, muss kein Sorgfaltsverstoß vorliegen. Die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Handelns wäre dann aber gesondert zu prüfen, weil der „Safe-harbour“-Effekt der Regel wegfällt.

Autoren

MMag. Dr. Florian Linder:

MMag. Dr. Florian Linder ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er war Universitätsassistent am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien und ist ständiges Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Finanzmarktrecht. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Gesellschafts- und Unternehmensrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht und Liegenschafts-, Miet- und Wohnrecht.

Florian.linder@vbsn.at

Dr. Lukas Schenk:

Dr. Lukas Schenk ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er war als Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien sowie bei der Europäischen Kommission in Brüssel tätig. Dr. Lukas Schenk ist ständiger Vortragender an der Akademie der Wirtschaftstreuhänder. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Umstrukturierungen-Umgründungen, Gesellschaftsrecht einschließlich Gesellschafterkonflikt und Geschäftsführerberatung, Gewerberecht sowie Arbeitsrecht.

Lukas.schenk@vbsn.at

Link zur Kanzlei:

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