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WEKA (ffa) | News | 21.06.2016

Business Judgement Rule im Stiftungsrecht I – Abberufung des Vorstandes

Die Business Judgement Rule findet im österreichischen Stiftungsrecht Anwendung und kann somit auch für die Frage des Sorgfaltsmaßstabs bei der Abberufung des Stiftungsvorstands einer Privatstiftung herangezogen werden.

Geschäftszahl

OGH 23.02.2016, 6 Ob 160/15w

Norm

§ 27 Abs 2 Z 1 PSG; § 84 Abs 1a AktG; § 25 Abs 1a GmbHG;§ 93 Abs 1 Satz 2 dAktG, Art 182 Abs 2 liechtensteinisches PGR

Leitsatz

Quintessenz:

Die Business Judgement Rule findet im österreichischen Stiftungsrecht Anwendung und kann somit auch für die Frage des Sorgfaltsmaßstabs bei der Abberufung des Stiftungsvorstands einer Privatstiftung herangezogen werden.

OGH: Die im angloamerikanischen Raum entwickelte Business Judgement Rule besagt, dass Manager nicht für jene unternehmerischen Entscheidungen haften, die zwar einen Schaden verursachen, jedoch auf Basis von ausreichender Information sowie frei von Interessenskonflikten – also ohne sich von sachfremden Interessen leiten zu lassen – und mit dem Bestreben getroffen wurden, das Beste für das Unternehmen zu bewirken.

Diese Regelung ist in Österreich in den fast wortgleichen §§ 84 Abs 1a AktG und 25 Abs 1a GmbHG normiert. Für Privatstiftungen wird das Prinzip in der Literatur ebenfalls allgemein anerkannt, wobei von „unternehmerischen Ermessen“ gesprochen wird, gemeint ist allerdings im Kern – der Stiftungsvorstand schuldet eine branchen-, größen- und situationsadäquate Bemühung und hat einen Ermessensspielraum für Entscheidungen – dasselbe wie nach dem Prinzip der Business Judgement Rule.

Grundsätzlich gleich formuliert sind die diesbezüglichen Normen in Deutschland und Liechtenstein (vgl § 93 Abs 1 Satz 2 dAktG, Art 182 Abs 2 liechtensteinisches PGR) wobei das Tatbestandsmerkmal, sich nicht von sachfremden Interessen leiten lassen zu dürfen, im deutschen Recht zwar nicht expressis verbis im Gesetz steht, aber nach hM als stillschweigendes Tatbestandsmerkmal angesehen wird. Somit – der OGH prüfte den Ermessensspielraum bisher nicht unter dem Tatbestandsmerkmal der Business Judgement Rule – kann in Bezug auf den Anwendungsbereich auf das Stiftungsrecht auf Rechtsprechung und Literatur in diesen beiden Ländern zurückgegriffen werden, nach welchen die Anwendungsmöglichkeit allgemein anerkannt ist.

Dass dieser Rechtsgrundsatz in Österreich mit der Novelle zum StGB (BGBl 2015/112) bloß für Kapitalgesellschaftsrecht normiert wurde, schadet der Anwendung im Stiftungsrecht nicht; da auch der Stiftungsvorstand das Risiko unternehmerischer Entscheidungen zu tragen hat, muss auch für diese die sachgerechte Regelung der Business Judgement Rule zum Tragen kommen. Ebenso ist es in Deutschland gängige Praxis, wo die Business Judgement Rule explizit nur für Aktiengesellschaften normiert ist, aber auch für andere juristische Personen und Stiftungen angewendet wird.

Obwohl die Business Judgement Rule sich auf Haftungsfragen bezieht, kann sie auch bei der Abberufung der Vorstandsmitglieder einer Privatstiftung gem § 27 Abs 2 Z 1 PSG einfließen: hat der Stiftungsvorstand demnach nämlich den erforderlichen Sorgfaltsmaßstab eingehalten, ist auch die Abberufung, die eine grobe Pflichtverletzung voraussetzt, nicht möglich. 

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