Dokument-ID: 1001689

WEKA (ffa) | News | 19.07.2018

Der Ausschluss einer GmbH-Minderheitsgesellschafterin nach dem GesAusG ist nicht verfassungswidrig

Die Anwendung des GesAusG auf GmbH (insb jener, die vor Inkrafttreten des GesAusG bestanden) widerspricht weder der Unverletzlichkeit des Eigentums noch dem Vertrauensgrundsatz.

Geschäftszahl

VfGH 27. Juni 2018, G 30/2017

Norm

Art 7, 140 B-VG; §§ 1, 3, 4, 5, 9, 10 GesAusG; Art 2, 5 StGG; Art 1 1. ZPEMRK

Leitsatz

Quintessenz:

Die Anwendung des GesAusG auf GmbH (insb jener, die vor Inkrafttreten des GesAusG bestanden) widerspricht weder der Unverletzlichkeit des Eigentums noch dem Vertrauensgrundsatz, da das Bestandsinteresse der Mehrheitsgesellschafter/innen jenem der Minderheitsgesellschafter/innen gegenüber stärker zu gewichten ist und schon vor Inkrafttreten des GesAusG die Möglichkeit bestand, Minderheitsgesellschafter/innen ohne wichtigem Grund von der GmbH auszuschließen.

VfGH: Das GesAusG regelt den Ausschluss von Minderheitsgesellschafter/innen in Kapitalgesellschaften. Im vorliegenden Fall wurde der Antrag gestellt, der VfGH möge jene Textpassagen des GesAusG als verfassungswidrig aufheben, mit welchen Gesellschaften mbH unter den Anwendungsbereich fallen. Anlassverfahren war ein Teilurteil des LG Klagenfurt, welches die Nichtigerklärung des Gesellschafterausschlusses der Klägerin gemäß Gesellschafter-Ausschlussgesetz abwies. Die Klägerin wandte sich daraufhin als antragstellende Partei mit der Begründung an den VfGH, das GesAusG verstoße gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie den Gleichheitssatz, wenn es den Ausschluss eines/r Minderheitsgesellschafters/in mit geringer Beteiligung für GmbH, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes errichtet wurden, ermöglicht.

Aus folgenden Überlegungen war der Antrag abzuweisen:

Nach § 1 Abs 1 und § 2 Abs 1 GesAusG kann ein/e Minderheitsgesellschafter/in ohne wichtigem Grund von dem/der Gesellschafter/in bzw konzernverbundenen Gesellschaften ausgeschlossen werden, dem/der oder denen eine Mehrheit von mindestens neun Zehnteln des Nennkapitals gehört, wobei eine „angemessene Barabfindung“ zu erfolgen hat. Die Satzung bzw der Gesellschaftsvertrag kann davon abweichen.

Gesellschaftsanteile sind als vermögenswerte Privatrechte vom Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nach Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK geschützt. Eine Beschränkung oder ein Entzug von Gesellschaftsanteilen muss also im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismäßig sein.

Ziel des GesAusG ist die Schaffung effizienter Unternehmensstrukturen, welches im öffentlichen Interesse liegt. Das Ziel der Bereinigung der Kapitalstruktur besteht bei der Minderheitsbeteiligung an einer AG ebenso wie an einer GmbH. Der Gesetzgeber wertet das Bestandsinteresse des Mehrheitsgesellschafters höher als das Bestandsinteresse des Minderheitsgesellschafters und setzt dabei eine Beteiligungsschwelle von 90 vH an. Dies ist insofern gerechtfertigt, als das Bestandsinteresse umso geringer wird, je höher die Beteiligungsschwelle ist. 90 vH als Schwellenwert zu nehmen knüpft auch insofern an das sonstige Gesellschaftsrecht an, als Gesellschafter/innen mit Beteiligungen unter 10 vH nicht über die Unternehmenspolitik und -strategie einer Gesellschaft bestimmen können.

Auch wenn das Bestandsinteresse bei Gesellschafter/innen einer GmbH im Durchschnitt höher sein wird als bei AG-Gesellschafter/innen, ist dem Bestandsinteresse für Minderheitsgesellschafter/innen, der/die weniger als 10 vH hält, in beiden Fällen weniger Gewicht beizumessen, als dem Bestandsinteresse der Mehrheitsgesellschafter/innen. Sowohl AG als auch GmbH in den Anwendungsbereich des GesAusG einzubeziehen ist somit nicht unsachlich. Die rechtsformwechselnde Umwandlung einer GmbH in eine AG ist bereits bei einer Mehrheit von 75 vH Nennwertkapital möglich, auch dies spricht für die Einbeziehung der GmbH in das GesAusG.

Dem neben dem Bestandsinteresse bestehenden Vermögensinteresse der Minderheitsgesellschafter/innen wird durch die gerichtlich überprüfbare angemessene Barabfindung angemessen begegnet.

Nach Ansicht der Antragstellerin widerspricht es dem aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitbaren Vertrauensschutz, wenn das GesAusG auf jene GmbH Anwendung findet, die vor seinem Inkrafttreten errichtet wurden, da Minderheitsgesellschafter/innen einer GmbH ohne diesbezüglicher Regelung im Gesellschaftsvertrag bis dahin darauf vertrauen konnten, dass ihr Ausschluss ohne nähere Begründung nicht möglich sei.

Dies ist so allerdings nicht richtig, da schon vor Inkrafttreten des GesAusG ein Ausschluss möglich war, insbesondere zu nennen sind die Möglichkeiten des Ausschlusses nach dem Umwandlungs- und Spaltungsgesetz: Bereits nach dem Umwandlungsgesetz 1934 und dem Umwandlungsgesetz 1954 waren die errichtende sowie die verschmelzende Umwandlung, durch welche die Minderheitsgesellschafter/innen ausgeschlossen wurden, möglich, bei letzterem wurde die Anteilsschwelle des/der Hauptgesellschafters/in auf neun Zehntel des Nennkapitals erhöht – die Regelung blieb auch im Umwandlungsgesetz 1996 bestehen, wobei die zwangsweise Barabfindung eingeführt wurde. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ist die Umwandlung ohne wichtigen Grund zulässig. Nach dem SpaltG ist eine nicht verhältniswahrende Spaltung mit Mehrheitsbeschluss von neun Zehnteln des Nennkapitals möglich. Im Spaltungsplan kann festgelegt werden, welche Minderheitsgesellschafter/innen ausgeschlossen werden. Dementsprechend gab es schon vor Inkrafttreten des GesAusG gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten des Ausschlusses von Minderheitengesellschaftern/Minderheitengesellschafterin und die Übergangsregelung nach § 9 GesAusG verletzt nicht den Vertrauensgrundsatz.

Die Unverletzlichkeit des Eigentums und der Gleichheitsgrundsatz stehen dem GesAusG somit nicht entgegen.

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